Rokoko



Rokoko, auch Spätbarock genannt, ist eine Weiterentwicklung der kunstgeschichtlichen Epoche des Barock in den Jahren 1735 bis 1770/1790. Umstritten ist, ob der Rokoko als eigene Kunstform gelten darf, da er aus dem Barock entstanden ist; viele Kunsthistoriker verwenden daher den Begriff des Spätbarocks anstelle des Rokokos. Dieser Begriff wird allerdings synonym auch für den Übergang des Barock zum Klassizismus gebraucht und meint hier die Abkehr vom üppig-schwülstigen hin zu klaren Linien.
Stiltypisch sind überbordende Verzierungen an Bauten, Innenräumen, Möbeln, Geräten usw. und vor allem die Aufgabe jeglicher Symmetrie, die im Barock noch als wichtiges Element verwendet wurde. An die Stelle fester Formen treten leichte, zierlich gewundene Linien und häufig rankenförmige Umrandungen. Die Rocaille (franz.: Muschelwerk) soll namensgebend für diese Kunstrichtung gewesen sein. Diese bewusste Abkehr von Symmetrie wurde später im Jugendstil wieder aufgegriffen.
Höfisches Leben
Das Rokoko brachte eine vorher nicht gekannte Verfeinerung des gesamten höfischen Lebens mit sich. An die Stelle monumentaler Machtentfaltung und kraftvoller Dynamik des Barock traten nun kultivierte Lebensführung und ein leichtfüßiges, feinsinniges Lebensgefühl, gepaart mit vornehm-zarter Sinnlichkeit und galanten Umgangsformen. Den Rahmen bildeten eine heitere, leichte Architektur und eine sensible, elegante Wohnkultur, angereichert durch verspielte Details von tänzerischer Leichtigkeit.
- siehe hierzu: Kleidermode des Rokoko
Literatur
In der Literatur bezeichnet Rokoko eine Epoche der Frühaufklärung, die noch stark von Schäferdichtung und Barock beeinflusst ist und entsprechend spielerische und auch erotische Elemente aufnimmt, andererseits jedoch durch ihre subjektive Gefühlströmung der Empfindsamkeit nahe steht und bei aller Sinnenfreudigkeit eine individuell und rational begründete Erlebniswelt ausdrückt.
Bedeutende Autoren
- Christian Fürchtegott Gellert
- Salomon Geßner
- Johann Wilhelm Ludwig Gleim
- Friedrich von Hagedorn
- Gotthold Ephraim Lessing
- Johann Peter Uz
- Christoph Martin Wieland
Musik
- siehe hierzu: Spätbarocke Musik, Vorklassik und Wiener Klassik
Mobiliar
Während im Frühbarock und Hochbarock bei den Möbeln trotz ihrer mannigfachen Gliederung und dominanten Ornamentik vorwiegend kantig-strenge Grundformen vorherrschten, hob das Rokoko das statische Rahmenwerk und die lineare Strenge auf und führte fast jedes Element in geschweifte und gebogte Formen über, zeigte sich überaus „verspielt“, entsagte sich der Symmetrie und erschien als Epoche der ausgeschmückten, schwellenden und schmiegsamen Eleganz.
Architektur
Die Asamkirche in München steht an der Schwelle zum Rokoko, doch tritt hier die typische Leitform im Ornament, die Rocaille, noch nicht auf. Man findet sie zuerst in den späten 1730er Jahren, doch herrschen auch in dieser Zeit noch florale Ornamentmotive vor, z.B. in der Amalienburg in München-Nymphenburg. Das Rokoko und die Rocaille werden aus Frankreich vor allem durch Ornamentstichvorlagen nach Deutschland importiert, das Zentrum solcher Stiche ist Augsburg. Von daher geht sie in das Formenrepertoire vieler süddeutscher Stukkateure über, bis die Ausstattungskunst des Rokoko im Werk Dominikus Zimmermanns ihren Höhepunkt erreicht: Im Chor der Wieskirche erscheinen "gebaute Rocaillen". Ebenfalls hervorzuheben ist sein Wirken bei der Errichtung und Stuckierung der Wallfahrtskirche Steinhausen (1727-1733) zwischen Bad Schussenried und Biberach.
Ein herausragendes Werk des Rokoko in Deutschland stellt das Schloss Solitude in Stuttgart dar. Das Schloss wurde über eine völlig geradlinige Straßenverbindung mit der damaligen Hauptresidenz Württembergs, dem Residenzschloss Ludwigsburg verbunden.
Einen eleganten Sonderweg ging das Friderizianische Rokoko in Preußen, der nicht so verspielt und überbordend ist, sondern die gerade Linie betont, allerdings dennoch nicht streng und hart wirkt sondern zart und sensibel, luftig und elegant. Beispielhaft sind dafür die Innenausstattungen von Schloss Sanssouci (Konzertzimmer).
In Österreich gibt es nur vereinzelte Beispiele für den Rokoko, etwa die Inneneinrichtung von Schönbrunn sowie Schloss Leopoldskron in Salzburg, das dem internationalen Salzburg Seminar gehört. Hier geht der Barock um 1765 fast ohne Zwischenstufen in den Klassizismus über.
Bedeutende Bauwerke
- Schloss Augustusburg, Brühl (Nordrhein-Westfalen)
- Asamkirche (Asamkirche), München
- Wieskirche, Gemeinde Steingaden (Bayern)
- ehemalige Klosterkirche, Rott am Inn
- Schloss Solitude, Stuttgart
- zahlreiche Bauwerke an der Oberschwäbischen Barockstraße
- Schloss Wilhelmsthal
- Vierzehnheiligen
- Schloss Leopoldskron, Salzburg
- Rokokosaal des Alten Rathaus in Bamberg
- Schaetzlerpalais, Augsburg
- Schloss Rheinsberg
- Schloss Sanssouci
Bedeutende Baumeister
- Cosmas Damian Asam
- Egid Quirin Asam
- Francois de Cuvilliés
- Joseph Anton Feuchtmayer
- Johann Michael Fischer
- Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff
- Balthasar Neumann
- Dominikus Zimmermann
Bedeutende Maler
- François Boucher
- Rosalba Carriera
- Philippe de Champaigne
- Jean Siméon Chardin
- Antoine Coypel
- François Desportes
- Jean-Honoré Fragonard
- Matthäus Günther
- Johann Evangelist Holzer
- Jean Jouvenet
- Nicolas Lancret
- Nicolas Largillière
- Sir Peter Lely
- Francois Lemoyne
- Jean Etienne Liotard
- Jean Marc Nattier
- Charles Joseph Natoire
- Jean-Baptiste Pater
- Antoine Pesne
- Johann Georg Plazer
- Hyacinthe Rigaud
- Antoine Watteau
Literatur
- Alfred Anger: Literarisches Rokoko, Metzler, Stuttgart 1973
- Matthias Luserke-Jaqui u.a.: Literatur und Kultur des Rokoko, Vandenhoeck & Ruprecht, Stuttgart 2001, ISBN 3-525-20700-X
- Friedrich Sengle: Aufklärung und Rokoko in der deutschen Literatur, Winter, Heidelberg 2005, ISBN 3-8253-5010-X
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