Fado

Fado (portugiesisch Schicksal; von lateinisch fatum = Schicksal) ist ein portugiesischer Musikstil und ein portugiesisches Vortragsgenre, beheimatet vor allem in den Städten Lissabon und Coimbra. Werke dieses Stils handeln meist von unglücklicher Liebe, sozialen Missständen, vergangenen Zeiten oder der Sehnsucht nach besseren Zeiten, und vor allem von der saudade (Weltschmerz). Der Fado enthält unter anderem arabische Elemente, viele Tonhöhensprünge, bevorzugt Mollmelodien und drückt jenes Lebensgefühl aus, das die Portugiesen angeblich miteinander verbindet.
;Bekannte Künstler des Fado waren Amália Rodrigues, die noch immer als die Verkörperung des Fado gilt, Alfredo Marceneiro, Maria da Fé und Carlos do Carmo. Eine Bewegung der Erneuerung und/oder Verjüngung des Fados wird seit Anfang der 1990er Jahre angeführt von Mísia und Alexandra (Maria José Canhoto) und findet inzwischen auch in Cristina Branco, Mariza, Camané, Telmo Pires, Ana Moura, Dulce Pontes sowie Mafalda Arnauth viel beachtete Interpreten.[1]
2011 wurde der Fado in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen.
Besetzung
Der Sänger oder die Sängerin wird in der Regel von einer klassischen und einer portugiesischen Gitarre (guitarra portuguesa) begleitet, häufig tritt noch eine Bassgitarre (Viola baixo) hinzu. Die Instrumente werden traditionell von Männern gespielt. Während sich der Gesang in touristisch geprägten Lokalen zumeist auf einen Gesangsdarbieter beschränkt, können in nicht-kommerziellen Fado-Zusammenkünften der Lissabonner sich bis zu einem Dutzend Anwesende spontan an einem Fado beteiligen. Dabei trägt jeder Sänger, gefolgt von einem Zwischenapplaus, inbrünstig eine Strophe mit seinem selbst ausgedachten Text bei. Es ist guter Umgangston im nicht-kommerziellen Fadolokal, dass nicht nur lobende Zwischenrufe den Fado begleiten, sondern bei einem virtuos vorgetragenen Fado oftmals deutlich einige Sekunden vor dem Vortragsende der Applaus des Publikums einsetzt.
Geschichte

Seinen Ursprung hat der Fado in den Armenvierteln von Lissabon, wo er zunächst in den anrüchigen Kneipen im Stadtteil Mouraria auftauchte. Ob er sich ursprünglich aus den Gesängen der portugiesischen Seeleute entwickelte oder aus brasilianischen Musikrichtungen wie Lundum oder Modinha entstand, ist aus heutiger Sicht nicht mehr zu entscheiden.
Im 19. Jahrhundert wurde Fado auch in bürgerlichen Salons hoffähig. In dieser Zeit wirkte auch die erste noch bekannte Fado-Sängerin Maria Severa. International bekannt wurde der Fado durch Ercília Costa (1902–1985), während Amália Rodrigues (1920–1999) die prägendste und erfolgreichste Botschafterin des Fado wurde.
Heute existiert der Fado im Wesentlichen in zwei Formen. Zum einen als Fado Vadio (dt.: herrenloser oder herumstreunender Fado), der in den Lokalen der portugiesischen Städte und insbesondere den alten Vierteln Lissabons spontan gesungen wird, und als Fado Professional, der in Konzerten mit festem Programm zur Aufführung kommt und von professionellen Sängern vorgetragen wird.
Ein eher entfernter Verwandter des Fados in Lissabon (und Porto) ist der Fado de Coimbra, seit dem 19. Jahrhundert in der alten Universitätsstadt Coimbra gesungene Balladen, die oft von der Stadt, dem Studentenleben und der Liebe handeln. Der Sänger José Afonso sang ursprünglich Fados de Coimbra, auch der Gitarrist Carlos Paredes stammte ursprünglich aus Coimbra und kam später nach Lissabon, wo er seine Musik auf der Basis des Fados weiter entwickelte.
Maria de Fátima fusioniert Elemente des Jazz in ihre Fados. Auch die Pop-Sängerin Nelly Furtado verwendet Elemente des Fado in ihren Liedern, bemerkbar in ihrem EM-Lied Força und auf ihrem Album Folklore. Dazu sind Fado-Gruppierungen entstanden, auch im Ausland, etwa Sina Nossa oder Trio Fado in Deutschland. Auch Lounge-Projekte einiger DJs oder Pop-Bands wie Deolinda oder die avantgardistische Fado-Pop-Gruppe A Naifa erweitern das Spektrum des Fados weiter.
Eine Initiative um das Fadomuseum, zu deren Botschaftern der Altmeister Carlos do Carmo und die Sängerin Mariza ernannt wurden, startete 2010[2] eine Kandidatur des Fados zur Aufnahme in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Auch eine Vielzahl international bekannter Persönlichkeiten unterstützte die Kampagne, darunter der Fußballtrainer José Mourinho[3] und die portugiesisch-kanadische Popsängerin Nelly Furtado.[4] 2011 hatte die Kandidatur Erfolg, und der Fado wurde als immaterielles Kulturerbe der Menschheit durch die UNESCO anerkannt.
Künstler
Die portugiesische Bezeichnung für die Sängerin oder den Sänger des Fado ist Fadista. Der Begriff umschreibt oft aber auch im weiteren Sinne alle Aktiven des Fado.
Der Begriff umschrieb auch einen in Film und Literatur mythisch dargestellten Lebensstil, der von Lissabonner Nachtleben, Bohème und Tradition geprägt ist, von Kultur und Unterwelt zugleich, in den engen Gassen der Alfama oder des Bairro Alto. Filme und Schallplattencover mit Fotos aus den 1920er bis 1970er Jahren aus Fado-Lokalen, vor allem von Alfredo Marceneiro, Amália Rodrigues oder auch Carlos do Carmo, prägten das Bild, das auch das Auftreten der neuen Generation von Fadistas prägt (etwa Camané, Mariza, Ana Moura, Aldina Duarte).
Bekannte Fadista sind u. a. Alexandra, Cristina Branco, Altmeister Carlos do Carmo, Camané, Carminho, Duarte, Aldina Duarte, Kátia Guerreiro, Fernando Machado Soares, Alfredo Marceneiro, Mariza, Mísia, Ana Moura, Hélder Moutinho (Camanés Bruder), Pedro Moutinho (Camanés Bruder), Amélia Muge, Telmo Pires, Dulce Pontes, Amália Rodrigues, Filipa Sousa.
Bekannte Guitarristas (Gitarristen) sind u. a. António Chainho und Carlos Paredes.
Film
Der Fado erfuhr eine bis heute anhaltende Aufmerksamkeit durch das Portugiesische Kino. So führt allein das Begleitbuch zur Ausstellung O Fado no Cinema („Der Fado im Film“, 2012 im Fadomuseum) über 120 portugiesische und internationale Filme zwischen 1923 und 2012 auf, in denen der Fado von wesentlicher Bedeutung ist.[5] In der Folge hat auch der Film Einfluss auf den Fado genommen, vor allem was die Präsentation der Fadistas in ihren Auftritten angeht.

Als erster Film mit Bezug zum Fado gilt der Stummfilm Fado von 1923. Die portugiesische Produktion des französischen Regisseurs und Schauspielers Maurice Mariaud (1875–1958) war vom gleichnamigen Gemälde des Malers José Malhoa inspiriert. Mit Leitão de Barros´ Film A Severa („Die Strenge“) über die Fado-Sängerin Maria Severa von 1931 stand auch der erste Tonfilm in Portugal in Bezug zum Fado. Später prägte die Fadosängerin Amália Rodrigues mit ihren Filmen das Bild des Fados wesentlich.
Bis heute taucht Fado häufig als stimmungsbildendes Element in Spielfilmen auf, die in Portugal spielen, auch in internationalen Produktionen, etwa im französischen Kassenerfolg Portugal, mon amour (2013) oder in Eugène Greens Film The Portuguese Nun (2009). Auch in deutschen Produktionen, die in Portugal spielen, spielt Fado eine Rolle, etwa in Jonas Rothlaenders Drama Fado (2016) oder in Fernsehproduktionen wie Ein Sommer in Portugal (2013) oder den Lissabon-Krimis.
Unter den zahlreichen Dokumentationen ist Fados (2007) zu erwähnen, ein prämierter Musik- und Tanzfilm von Carlos Saura und Ivan Dias.
Literatur
- Agnès Pellerin: Le fado. Editions Chandeigne 2009, ISBN 9782915540512
- Pinto de Carvalho: Historia do fado. Editorial MAXTOR 2009, ISBN 9788497615594
- Richard Elliott: Fado and the Place of Longing. Ashgate Publishing 2010, ISBN 9780754667957
- Paul Buck: Lisbon: a cultural and literary companion. Signal Books 2002, ISBN 1902669355, S. 95–105 (Auszug in der Google-Buchsuche)
- Manuel Halpern: O Futuro Da Saudade - O Novo Fado e Os Novos Fadista. Dom Quixote, Lissabon 2004, ISBN 972-20-2772-7
- Richard Nidel: World Music: The Basics. Routledge 2005, ISBN 0415968011, S. 126–127 (Auszug in der Google-Buchsuche)
- Samuel Lopes: Fado Portugal. Seven Muses MusicBooks Lda., Lissabon 2011, ISBN 978-989-97127-1-3 (zweisprachiges Buch engl./port., mit 2 CDs)
- Earbook: Fado Português. edel classics, Hamburg 2005, ISBN 3-937406-27-1 (dreisprachiges Fotobuch dt./engl./port., mit 4 CDs)
- José Alberto Sardinha: A Origem do Fado. Tradisom, Vila Verde 2010, ISBN 978-972-8644-13-0 (551 S. und 4 CDs)
Siehe auch
- Fadomuseum in der Lissabonner Alfama
- Portugiesische Gitarre
- Liste von Persönlichkeiten des Fado
Weblinks
- Fado – the people’s soul Webseite mit zahlreichen Information rund um den Fado (engl./port.)
- Fado auf musicline.de
- Das Portal do Fado (port. und engl.)
- Offizielles Videoportrait zur Bewerbung des Fados als UNESCO-Weltkulturerbe, 10-minütiger Clip auf YouTube (engl.)
Einzelnachweise
- ↑ Andreas Dorschel, 'Ästhetik des Fado.' In: Merkur 69 (2015), Heft 2, S. 79–86 (Artikel online)
- ↑ Englischer Fernsehbeitrag zur offiziellen Kandidatur, Clip auf YouTube, abgerufen am 6. April 2014
- ↑ Erklärung José Mourinhos, Videoclip auf YouTube, abgerufen am 6. April 2014
- ↑ Erklärung Nelly Furtados, Videoclip auf YouTube, abgerufen am 6. April 2014
- ↑ Sara Pereira (Museu do Fado), Maria João Seixas (Cinemateca Portuguesa): O Fado no Cinema, Lissabon 2012 (ISBN 978-989-96629-5-7)