Der Dichteoperator (auch statistischer Operator) beschreibt ein Ensemble von physikalischen Systemen, indem er angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich ein herausgegriffenes System in einem bestimmten Zustand befindet. Der Dichteoperator kann durch die Dichtematrix (bzw. statistische Matrix) dargestellt werden.
Der Dichteoperator wurde ursprünglich im Rahmen der klassischen Physik von Stokes für den Polarisationszustand eines Lichtstrahls entwickelt (Stokes-Parameter). In die Quantenmechanik wurde er 1927 von Lew Landau und John von Neumann [1] eingeführt und dann ausführlich von Paul Dirac in seinen Principles of Quantum Mechanics (1930) und von John von Neumann in dessen Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik (1932) dargestellt. Mit dem Dichteoperator lässt sich jeder quantenmechanisch definierte Zustand eines einzelnen Systems oder Ensembles beschreiben. Er wird daher auch in der Quantenstatistik viel verwendet.
Konstruktion
Dichteoperator für einen reinen Zustand
Für einen reinen Zustand mit (normiertem) Zustandsvektor
heißt der Dichteoperator
.
Dieser Operator bleibt ungeändert, wenn man denselben Zustand durch einen Zustandsvektor
beschrieben hätte. Daher besteht eine eineindeutige Zuordnung zwischen dem physikalischen Zustand und seinem Dichteoperator.
Angewendet auf einen beliebigen Zustandsvektor
, projiziert der Dichteoperator diesen auf den durch
bestimmten 1-dimensionalen Unterraum des Hilbertraums:
,
wobei der Faktor das Skalarprodukt beider Vektoren ist. Als Projektionsoperator ist
hermitesch, unitär und idempotent (d. h.
). Seine Eigenwerte sind 1 (für alle Vektoren desselben Zustands) und Null (alle dazu orthogonalen Vektoren).
Für einen (reinen) Überlagerungszustand

heißt der Dichteoperator
.
Wenn
und
orthogonal sind und als Basisvektoren genommen werden, dann ist
durch die Matrix

gegeben. Die kohärente Linearkombination drückt sich in den Nichtdiagonalelementen aus. Alle Matrixelemente sind unabhängig davon, ob man für Überlagerungszustand einen Vektor
mit einer globalen Phase gewählt hat.
Dichteoperator für einen gemischten Zustand
Der Dichteoperator beschreibt einen gemischten Zustand. In dem betrachteten Ensemble befinden sich mehrere gleichartige Systeme mit den Wahrscheinlichkeiten
in den orthogonalen Zuständen
. Sind die Zustände nicht orthogonal, so ist das jeweilige Gewicht
nicht mehr die Wahrscheinlichkeit, mit der das Gemisch im jeweiligen Zustand vorliegt. Die Gewichte sind auf 1 normiert:
Dann ist (in Bra-Ket-Schreibweise) der Dichteoperator gegeben durch
.
Darin ist

der Projektionsoperator, der angewandt auf einen beliebigen Zustandsvektor
dessen Komponente „parallel“ zum Zustand
herausprojiziert:

Der Faktor
darin ist die Wahrscheinlichkeitsamplitude, das im Zustand
vorliegende System im Zustand
vorzufinden.
Mit Hilfe der Projektionsoperatoren lässt sich der Dichteoperator auch schreiben als

Für ein Ensemble, in dem alle Systeme im selben Zustand
präpariert sind, ist der Dichteoperator daher einfach der Projektionsoperator selbst:

Der Dichteoperator für das kanonische Ensemble ist:
[2]
In der Eigenbasis des Hamiltonoperators nimmt
die Form (1) an. Analoges erhält man für den Dichteoperator des großkanonischen Ensembles
.
Messwerte
Für jeden einzelnen Bestandteil
des Zustandsgemischs ist der Mittelwert der Messergebnisse einer physikalischen Größe
gegeben durch den Erwartungswert
Darin ist
der zu
gehörige Operator (s. Quantenmechanik, Observable).
Da das Ensemble ein Gemisch von Systemen in den verschiedenen beteiligten Zuständen
ist, ist der Mittelwert aller Messungen an den einzelnen Systemen die gewichtete Summe der einzelnen Erwartungswerte:

Dies ist gleich der Spur

wie man mit Hilfe eines vollständigen Systems von orthonormierten Basisvektoren
sehen kann: Wegen
(Einheitsoperator) ist

Sind die
gerade die Eigenzustände zur Observable
(d. h.
mit den Eigenwerten
), dann gilt weiter

Darin ist
das über das Ensemble gewichtete Mittel für die Wahrscheinlichkeit, ein herausgegriffenes System im Eigenzustand
anzutreffen.
ist also auch die Wahrscheinlichkeit, bei einer einzelnen Messung den Eigenwert
als Ergebnis zu erhalten. Charakteristisch ist, dass
durch eine inkohärente Summe gegeben wird, die von den relativen Phasen der am Ensemble beteiligten Zustände
unabhängig ist.
Beispiel: Dichteoperator und Dichtematrix für Elektronen-Polarisation
Die Dichtematrix ist die Matrix, mit der der Operator
in Bezug auf eine orthonormierte Basis
dargestellt werden kann:

Basiszustände
Im Folgenden bezeichnet das Zeichen „
“, dass ein Bra, Ket oder ein Operator bezüglich einer Basis dargestellt wird (vergleiche auch Bra-Ket#Darstellung).
Die Zustände „Spin auf“ (bezgl. z-Achse)
und „Spin ab“
werden als ket-Vektoren durch Spalten dargestellt. Die zugehörigen bra-Vektoren sind dann Zeilenvektoren:
bzw.
. Die Projektionsoperatoren (durch Matrizenmultiplikation):

Dies sind auch die Dichtematrizen für vollständig in
- bzw.
-Richtung polarisierte Elektronen.
Polarisation in z-Richtung
Die
-Komponente des Spins hat die aus den Eigenwerten gebildete Diagonalmatrix
Für das vorausgesagte Messergebnis ergibt sich für das Ensemble
richtig

Für das Ensemble
ergibt sich
Andere Polarisionsrichtung
Die Zustände von in
- bzw.
-Richtung polarisierten Elektronen sind
Die Projektionsoperatoren dazu haben (in der Basis der
-Eigenzustände!) die Matrizen
Charakteristisch ist, dass dies keine Diagonalmatrizen sind und dass sich die verschiedenen Phasen, mit denen die
-Eigenzustände als ket-Vektoren hier überlagert wurden, in den Matrixelementen außerhalb der Hauptdiagonale wiederfinden. Das ist Ausdruck der kohärenten Überlagerung, durch die aus
-Eigenzuständen die
-Eigenzustände gebildet werden.
Unpolarisiertes Ensemble
Sind die Elektronen je zur Hälfte in
-Richtung polarisiert, heißt die Dichtematrix:

Die gleiche Dichtematrix ergibt sich für ein Gemisch aus Elektronen, die zu je 50 % in
-Richtung polarisiert sind. Damit sind auch alle möglichen Messergebnisse identisch zu denen am Ensemble, das aus
-polarisierten Elektronen gebildet wurde. Die ursprünglichen Polarisationsrichtungen sind physikalisch (und damit auch begrifflich) nicht mehr zu unterscheiden: Es ist beide Male ein und dasselbe Ensemble geworden.
Gemisch verschiedener Polarisationsrichtungen
Für ein Gemisch aus Elektronen mit Spin in
-Richtung und
-Richtung (Anteile
bzw.
), heißt die Dichtematrix

Der Erwartungswert des Spins in
-Richtung ist dann

Die in (
)-Richtung polarisierten Elektronen tragen also erwartungsgemäß nichts zum Erwartungswert
bei.
Gegeben sei ein quantenmechanisches System, das auf einem Hilbertraum
modelliert ist.
Ein beschränkter linearer Operator
auf
ist ein Dichteoperator, wenn gilt:
- er ist hermitesch
- er ist positiv semidefinit,
- er ist Spurklasse mit Spur gleich 1.
Obwohl die Begriffe Dichtematrix und Dichteoperator oft synonym gebraucht werden, besteht ein mathematischer Unterschied. Genau wie in der linearen Algebra eine Matrix die Basisdarstellung eines linearen Operators ist, kann in der Quantenmechanik zwischen abstraktem Dichteoperator und einer konkreten Dichtematrix in einer bestimmten Darstellung unterschieden werden. Ist
ein Dichteoperator, so bezeichnet

die Dichtematrix in Ortsdarstellung. Sie ist allerdings keine echte Matrix, da die Ortsdarstellung über ein Kontinuum von uneigentlichen Basisvektoren
definiert ist, sondern ein so genannter Integralkern.
In endlichdimensionalen Hilberträumen (z. B. bei Spinsystemen) ergibt sich dagegen dann eine positiv semidefinite Matrix mit Spur 1, also eine echte Dichtematrix, wenn eine Orthonormalbasis
gewählt wird:
.
Eigenschaften
- Die Menge aller Dichteoperatoren ist eine konvexe Menge, deren Rand die Menge der reinen (quantenmechanischen) Zustände ist. Die Menge ist im Gegensatz zu klassischen Theorien kein Simplex, d. h. ein Dichteoperator ist im Allgemeinen nicht eindeutig als Konvexkombination von reinen Zuständen darstellbar.
- Die Wahrscheinlichkeit, bei der Messung einer Observablen
an einem System, das durch den Dichteoperator
beschrieben wird, den Messwert
zu erhalten, ist gegeben durch

- wobei
die orthonormierten Eigenvektoren zum Eigenwert
sind und
der Projektionsoperator auf den entsprechenden Eigenraum ist. Anschließend befindet sich das System im Zustand 
- Der Mittelwert der Messwerte (Erwartungswert) bei Messung einer Observablen
ist

Dichtematrix für reine Zustände
Ist das betrachtete Ensemble ein reines Ensemble, besteht das System also nur aus einem reinen Zustand, so gilt für die Dichtematrix
.
Für gemischte Zustände gilt stets
.
Dichtematrix für ein gleichverteiltes Ensemble
Ein
-Niveau-System, bei dem alle
Zustände gleich wahrscheinlich sind, hat die Dichtematrix

wobei
die
-dimensionale Einheitsmatrix bezeichnet.
Reduzierter Dichteoperator
Der reduzierte Dichteoperator wurde 1930 durch Paul Dirac eingeführt.[3][4] Er bezieht sich auf ein herausgegriffenes Teilsystem eines zusammengesetzten Systems und dient dazu, die Ergebnisse von Messungen an dem Teilsystem vorherzusagen, wenn die übrigen Teile des Systems gar nicht mit beobachtet werden.
Sind
und
zwei Systeme mit (normierten) Zuständen
in ihrem jeweiligen Hilbertraum
, dann hat das zusammengesetzte System
den Tensorraum
zum Hilbertraum. Das Gesamtsystem befindet sich in einem separablen Zustand
, wenn feststeht, dass die beiden Teilsysteme sich in den Zuständen
bzw.
befinden. Allgemein befindet sich das Gesamtsystem in einem Zustand

(mit orthonormierten Basisvektoren
und Konstanten
), der als verschränkt bezeichnet wird, wenn er sich nicht als separabler Zustand darstellen lässt.
Für eine Observable des Teilsystems
ist der Operator
zunächst nur im Hilbertraum
definiert. Für die Messung dieser, nur das System
betreffenden Observablen am Gesamtsystem muss der Operator gemäß
zu einem Operator auf
erweitert werden, wobei
der Einheitsoperator in
ist. Für einen separablen Zustand
ergibt sich der Erwartungswert

Das stimmt mit dem Ergebnis überein, das man erhält, wenn man das Teilsystem
von vornherein als ein isoliertes System betrachtet.
Im Allgemeinen hingegen folgt für den Erwartungswert:

Darin ist
der reduzierte Dichteoperator für das System
, wenn das Gesamtsystem im Zustand
ist. Er ist ein Operator im Raum
und hat die Matrixelemente (in der Basis
)

Allgemein ausgedrückt geht der reduzierte Dichteoperator für das Teilsystem
aus dem Dichteoperator
für das Gesamtsystem, der die Matrixelemente
hat, durch Bildung der partiellen Spur über den Raum
des Teilsystems
hervor.
Eine einfache Interpretation ergibt sich für den Fall, dass es sich bei der Basis
um die Eigenvektoren des Operators
handelt (mit Eigenwerten
). Dann ist der Erwartungswert von
ein inkohärent gewichteter Mittelwert von dessen Eigenwerten:

Für den Fall, dass das Gesamtsystem in einem separablen Zustand vorliegt, z. B.
, ergibt diese Formel das erwartete Ergebnis
denn alle Glieder mit Index
sind Null, und die Summe
ist die Norm von
, also gleich 1.
Einteilchendichteoperator
Der Einteilchendichteoperator[5] ist bei einem Vielteilchensystem der auf den Hilbertraum eines Teilchens reduzierte Dichteoperator. Bei Systemen identischer Teilchen genügt die Kenntnis des Einteilchendichteoperators, um Erwartungswerte und Übergangsmatrixelemente jedes Operators auszurechnen, der die Summe von Einteilchenoperatoren ist. Das betrifft z. B. die kinetische Energie und die potenzielle Energie in einem äußeren Feld und ist daher ein wichtiges Hilfsmittel bei der Modellierung der Elektronenhülle von Atomen und Molekülen. Die Berechnungen werden häufig in Ortsdarstellung durchgeführt, also basierend auf der N-Teilchen-Wellenfunktion
. Darin sind
die Orts- und Spinkoordinate des i-ten Teilchens. In der Matrixdarstellung treten sie hier als z. T. kontinuierliche Indizes auf und werden deshalb nicht als unterer Index, sondern wie das Argument einer Funktion geschrieben. Die Dichtematrix des Gesamtsystems heißt


Die Einteilchendichtematrix ist dann

Die Wahl der (N-1) Integrations- (bzw. Summations-)variablen mit den Nummern 2 bis
ist beliebig, da die Wellenfunktion bei identischen Teilchen gegenüber Umnummerierung höchstens das Vorzeichen wechselt und daher für die Einteilchendichtematrix immer dasselbe Ergebnis herauskommt.
Das Diagonalelement
gibt die Gesamtdichte an, die die
Teilchen am Ort
mit Spinrichtung
bilden.
Da der Einteilchendichteoperator
hermitesch ist, gibt es eine Basis
aus Eigenzuständen:
. Für die Eigenwerte gilt
und
. Die
Eigenzustände mit den größten Eigenwerten heißen natürliche Orbitale. Wenn man jedes natürliche Orbital mit einem Teilchen besetzt, also einen Zustand in Form der Slater-Determinante bildet, stellt diese die beste Annäherung an die ursprüngliche N-Teilchen-Wellenfunktion
dar, die man im Rahmen eines Einzelteilchenmodells in Bezug auf die gesamte Teilchendichte erreichen kann.
Zeitentwicklung
Aus der Schrödingergleichung, die die Zeitentwicklung (Dynamik) reiner Quantenzustände beschreibt, kann man unmittelbar die Zeitentwicklung gemischter Zustände ableiten. Dazu benutzt man eine beliebige Zerlegung der Dichtematrix in reine Zustände, deren Dynamik der Schrödinger-Gleichung genügt, und berechnet daraus die Dynamik des gemischten Zustandes zu
![{\displaystyle {\frac {\partial {\hat {\rho }}}{\partial t}}={\frac {i}{\hbar }}\left[{\hat {\rho }},{\hat {H}}\right],}](/media/api/rest_v1/media/math/render/svg/69e0dd8d814e8df704024c1597d2f07aa9b19c51)
wobei
der Hamilton-Operator des Systems ist. Diese Gleichung ist als von-Neumann’sche Bewegungsgleichung bekannt (nicht zu verwechseln mit der Heisenberg’schen Bewegungsgleichung).
Diese Differentialgleichung kann man für zeitunabhängige Hamilton-Operatoren lösen und erhält mit dem unitären Zeitentwicklungs-Operator
die Gleichung
.
Diese Lösung kann man durch Einsetzen leicht überprüfen.
Bemerkenswert ist hierbei, dass für den Operator
die übliche Heisenberg'sche Bewegungsgleichung nicht gilt, da der Zeitentwicklungsoperator der direkt aus der Schrödingergleichung abgeleiteten Dynamik
gehorcht. Auch die Zeitentwicklung des Operators
durch den Zeitentwicklungsoperator
erfolgt nicht gemäß der üblichen Zeitentwicklungsgleichung für Operatoren (
für eine gewöhnliche Observable A), was jedoch verständlich ist, da
Entropie
Mit Hilfe der Dichtematrix
lässt sich die Von-Neumann-Entropie eines Systems wie folgt definieren:

wobei
die Boltzmannkonstante ist, und die Spur über dem Raum
genommen ist, in dem
operiert.
Die Entropie jedes reinen Zustands ist Null, da die Eigenwerte der Dichtematrix Null und Eins sind. Dies stimmt mit der heuristischen Argumentation überein, dass keine Unsicherheit über die Präparation des Zustandes herrscht.
Man kann zeigen, dass auf einen Zustand angewendete unitäre Operatoren (wie der aus der Schrödinger-Gleichung gewonnene Zeitentwicklungs-Operator) die Entropie des Systems nicht ändern. Das verbindet die Reversibilität eines Prozesses mit seiner Entropieänderung – ein fundamentales Ergebnis, das die Quantenmechanik mit der Informationstheorie und der Thermodynamik verbindet.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ John von Neumann, Wahrscheinlichkeitstheoretischer Aufbau der Quantenmechanik, Göttinger Nachrichten 1, 1927, S. 245–272
- ↑ Anton Amann, Ulrich Müller-Herold: Offene Quantensysteme. Springer, 2011, ISBN 978-3-642-05187-6, S. 80 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ P. A. M. Dirac: Note on Exchange Phenomena in the Thomas Atom. In: Mathematical Proceedings of the Cambridge Philosophical Society. 26. Jahrgang, Nr. 3, 1930, S. 376, doi:10.1017/S0305004100016108, bibcode:1930PCPS...26..376D.
- ↑ U. Fano: Description of States in Quantum Mechanics by Density Matrix and Operator Techniques. In: Rev. Mod. Phys. 29. Jahrgang, 1957, S. 74, doi:10.1103/RevModPhys.29.74.
- ↑ Frank L. Pilar: Elementary Quantum Chemistry. McGraw-Hill, NY 1968, S. 354 ff.