Niederwald
Unter Niederwald versteht man eine heute kaum noch übliche, plantagenartige Form der Forstwirtschaft, bei der Baumarten verwendet werden, die zu einer Regeneration aus Stockausschlägen fähig sind. Dabei wird in Abständen von ca. 15 bis 30 Jahren das gesamte Holz abgeerntet, das heißt, der gesamte Wald wird oder größere Flächen werden gefällt, ohne dass neue Bäume gepflanzt werden. Die Regeneration erfolgte dann aus den im Boden verbliebenen Wurzelstöcken und Stümpfen, teilweise auch aus Wurzelbrut. Eine Form des Niederwald ist der siegerländer Hauberg. Der Schwerpunkt der Niederwaldnutzung in Deutschland lag im Westen des Landes an Rhein (Oberes Mittelrheintal) und Mosel sowie in Hunsrück, Eifel, Westerwald/Siegerland und Teilen von Rheinhessen und der Pfalz.
Baumarten
Je nach Gegend erfolgte die Verjüngung ausschließlich aus Stockausschlag oder mit Stehenlassen von einzelnen Kernwüchsen (sogen. Lassreisel). Wo die Verjüngung jahrhundertelang ausschließlich aus Stockausschlag erfolgt ist, sind die aus überalterten Stöcken entstandenen Bestände meist schwachwüchsiger als es der jeweilige Standort zulassen würde.
Die Niederwaldwirtschaft hat besonders die Baumarten gefördert, die gut vom Stock ausschlagen, z. B. Eiche und Hainbuche. Auch lichtbedürftige Baumarten wie Vogelbeere, Mehlbeere, Elsbeere, Speierling, Vogelkirsche, Birke, Esche oder Zitterpappel, die teilweise Arten der Vorwaldgesellschaften (Lichtungen, Sukzessionsflächen und Waldränder) oder auch der Hecken zuzuordnen sind, treten in Niederwäldern oder aus Niederwäldern hervorgegangenen Beständen häufiger auf; auch die Krautflora wegen der günstigeren Lichtverhältnisse in Niederwäldern stärker vertreten als in Hochwäldern. Stellenweise wurden auch Bestände aus Schwarzerle (auf Nassstandorten) oder Edelkastanie (vorwiegend in Weinbaugebieten) als Niederwälder bewirtschaftet.
Nutzung
Das eingeschlagene Holz wurde wird meistens als Brennholz verwertet; bis ins 19. Jahrhundert spielte auch die Köhlerei eine große Rolle. Als zusätzliche Nutzung wurde bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts häufig die Lohrindengewinnung praktiziert; hierbei wurde die stark gerbstoffhaltige Rinde von den frisch eingeschlagenen Eichenknüppeln mit dem Lohlöffel oder einem Rindenhammer abgeschält und getrocknet. Abnehmer waren die Gerbereien. Der Einschlag des Lohholzes erfolgte im Frühjahr vor dem Laubaustrieb.
Die frisch gehauenen Schläge wurden teilweise landwirtschaftlich genutzt bis die Stockausschläge zu hoch waren (Rottwald, Röder). Diese Art der Nutzung wurde im Lauf des 18. und 19. Jahrhunderts weitgehend eingestellt.
Heutige Verhältnisse
Heute werden nur noch sehr wenige Bestände als Niederwälder bewirtschaftet; die meisten sind entweder in der Überführung zum Hochwald oder , wie bis in die 1990er Jahre hinein häufig praktiziert, in Nadelholzbestände umgewandelt. Die durchgewachsenen oder überführten Bestände sind heute (2005) zum Großteil zwischen 50 und 80 Jahren alt. Baumartenzusamensetzung und Krautflora werden sich in den überführten Beständen, je nach Standort und Bewirtschaftung, in den meisten Fällen langfristig verändern.
In manchen Gebieten wird die Beibehaltung oder Wiederaufnahme des Niederwaldbetriebes gefördert, um diese historische Waldnutzungsform und ihre typische Vegetation auf begrenzter Fläche zu erhalten.
Literatur
- Manz, Erwin: Linksrheinische Niederwälder. Zeugen einer historischen Waldnutzungsform. Neuss: Neusser Dr. u. Verl., 1995. (Rheinische Landschaften; 44) - ISBN 3-88094-780-5
- Manz, Erwin: Vegetation und standörtliche Differenzierung der Niederwälder im Nahe- und Moselraum. Bad Dürkheim: Pollichia, 1993. (Pollichia-Buch ; 28) - ISBN 3-925754-27-X
- Müller-Wille, Wilhelm: Der Niederwald in Westdeutschland. Münster (Westf.): Geograph. Kommission für Westfalen, 1980. In: Beiträge zur Forstgeographie in Westfalen. (Spieker , 27) - S. 7-38