Low-Carb
Low-Carb (auch Low Carb, engl.: „wenig Kohlenhydrate“) ist eine umstrittene Ernährungsweise, bei der der Anteil an Kohlenhydraten in der täglichen Nahrung reduziert bzw. extrem minimiert wird, meist um eine Gewichtsreduktion zu erreichen. Die bekannteste Variante ist die Atkins-Diät.
Angenommene Funktionsweise
Wenn man Kohlenhydrate aus Brot, Kartoffeln, Reis, Traubenzucker, Haushaltszucker, Nudeln, Backwaren oder auch Milchzucker zu sich nimmt, steigt der Blutzucker-Spiegel schnell und stark an. Als Reaktion darauf schüttet die Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin aus, um den Blutzucker-Spiegel wieder zu senken. Dies erreicht das Insulin u. a. durch die Anlagerung von Körperfett.
Außerdem wird angenommen: Wenn der Blutzuckerspiegel schon durch Kohlenhydrat-Zufuhr von außen ausreichend hoch ist, muss der Körper nicht auf vorhandene Fettreserven zurückgreifen und so kann man nicht abnehmen. Kohlenhydratarme Diäten versuchen also, diese Insulin-Ausschüttung möglichst gering zu halten und die Energieversorgung des Körpers durch Körperfett zu provozieren – was dann zum Abbau der Fettreserven des Körpers führt.
Entwicklung
Populär wurde die Low-Carb-Ernährung in den 70er-Jahren durch die von Robert Atkins, einem amerikanischen Arzt, Ernährungsforscher und Publizisten, vorgeschlagene Atkins-Diät. Atkins ist nicht der Erfinder der kohlenhydratarmen Ernährung, wie oft behauptet wird. Er wertete lediglich Forschungen aus den 50er-Jahren aus und bewertete sie neu. Schon Wolfgang Lutz, ein österreichischer Arzt und Wissenschaftler, schrieb zu Beginn der 50er-Jahre sein damals wenig beachtetes Fachbuch „Leben ohne Brot“.
Low-Carb zur Gewichtsreduktion
Es gibt einige Diäten bzw. Ernährungsphilosophien, die man unter „Low-Carb“ zusammenfassen kann. Dabei wird zwar immer die Kohlenhydrat-Menge beachtet, die genaue Umsetzung weist aber einige Unterschiede auf.
Begrenzung der täglichen Kohlenhydratmenge
Bei dieser Variante wird die Kohlenhydratmenge begrenzt, beispielsweise auf maximal 70 bis 110 g pro Tag, wobei die genaue Menge für jeden anders sein kann (Atkins-Diät). Bei Wolfgang Lutz werden sechs Broteinheiten empfohlen.
Die Zusammensetzung der Nahrung besteht bei Wolfgang Lutz, Jan Kwasniewski, A. Felix überwiegend aus tierischen Nahrungsmitteln. Der Brennstoff Kohlenhydrat wird durch den Brennstoff Fett ersetzt. Alle denaturierten, ungesunden Zucker und Stärkeprodukte sollen weitgehend weggelassen werden.
Beachtung des Glykämischen Index bzw. der Glykämischen Last
Bei dieser Form der Low-Carb-Ernährung wird bei den Kohlenhydraten nicht nur die Menge betrachtet, sondern auch die Geschwindigkeit, mit der sie den Blutzucker erhöhen.
Lange wurde nach der Größe des Kohlenhydrat-Moleküls sortiert: Man unterschied die Monosaccharide (Einfachzucker) und die Polysaccharide (Mehrfachzucker). Mittlerweile bewertet man Kohlenhydrate aber nach dem Glykämischen Index, um zu erfahren wie schnell ein Lebensmittel den Blutzuckerspiegel erhöht (siehe GI-Liste).
Der Grund für die Beachtung der Geschwindigkeit des Blutzuckeranstiegs ist die Tatsache, dass ein schneller Anstieg des Blutzuckerspiegels zu einer starken Insulinausschüttung führt, weswegen der Blutzuckerspiegel auch schnell wieder sinkt. Dadurch bekommt man schnell wieder Hunger und fühlt sich müde.
Eine Erweiterung des Glykämischen Index ist die Glykämische Last.
Folgende „Diäten“ nutzen den GI bzw. die GL:
- Die Montignac-Methode richtet sich streng nach dem GI. Wobei sogar zwischen „sehr guten“ kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln (GI kleiner als 30) und „guten“ Lebensmitteln (GI zwischen 30 und 50) unterschieden wird.
- Bei der Glyx-Diät wird neben dem GI auch der GL, sowie weitere positive Eigenschaften (Vitamine, Eiweißgehalt usw.) bei der Auswahl der empfohlenen Lebensmittel betrachtet.
- Die LOGI-Methode nach Nicolai Worm nutzt vor allem den GL. Ansonsten orientiert sie sich an einer Ernährungspyramide und einer ausgewogenen Auswahl an Fetten und Eiweißen.
Low-Carb als Krankenkost
Es gibt einige Erkrankungen, die im Verdacht stehen, durch den Konsum zu vieler und falscher Kohlenhydrate ausgelöst zu werden. Dementsprechend kann ein Verzicht auf Zucker oder Lebensmittel, die eine starke Wirkung auf den Insulin- bzw. Blutzuckerspiegel haben, Linderung bringen. Menschen mit kohlenhydratbedingten Erkrankungen (Kandidose u. a.) ernähren sich kohlenhydratarm, um relativ beschwerdefrei zu leben.
Kritik an Low-Carb
Viele Ernährungswissenschaftler kritisieren Low-Carb als Fehlernährung. Argumente gegen diese Ernährungsform folgen aus der einseitigen Ernährung auf Grund der Vermeidung von Kohlenhydraten und der in Relation dazu vermehrten Aufnahme von Eiweißen und Fetten. So kann ein erhöhter Eiweiß-Konsum zu Nierenschäden führen und eine vermehrte Fettaufnahme eine Erhöhung des Cholisterinspiegels und einen erhöhten Harnsäuregehalt mit der Gefahr von Gichtanfällen zur Folge haben. Auch die Anfälligkeit für Nierensteine soll zunehmen.
Als Gegenargument zur angenommenen Funktionsweise einer Low-Carb-Diät zur Gewichtsreduktion wird vorgebracht, dass das Depotfett als Energiespeicher im menschlichen Körper überwiegend aus dem mit der Nahrung aufgenommenen Fett stamme. Die in anderer Form dem Körper zugeführte Energie (Zucker und Eiweiß) könne aufgrund der enzymatischen Ausstattung der menschlichen Physiologie nur äußerst eingeschränkt in Fett umgewandelt werden. Demnach wäre zum Abnehmen eine Reduktion von Fett in der Nahrung sehr viel sinnvoller als die von Kohlenhydraten.
Wenn die Ernährungsweise dahingehend modifiziert wird, dass verstärkt tierische Proteine und Fette gegessen werden, so hat dies negative ökologische Auswirkungen. Das durch Tierexkremente aussgedünstete Methangas wird als wesentlicher Faktor für den weltweiten Klimawandel angesehen. Die durch den Kot ins Grundwasser gelangenden Nitrate belasten das Grundwasser. Weiterhin wird zur Produktion von einem Kilogramm tierischer Nahrung etwa die zehnfache Menge an Energie und Fläche benötigt als zur Produktion von einem Kilogramm pflanzlicher Nahrung, da die an Tiere verfütterten Pflanzen nur zu etwa 10 % in neue Biomasse umgesetzt werden können. Der Rest wird entweder wieder ausgeschieden oder zur Energiegewinnung veratmet.
Studien
Im April 2003 veröffentlichte das Journal of American Medical Association die erste systematische Datenauswertung aus 96 relevanten Studien (2.503 Artikel erfüllten nicht die notwendigen Kriterien, wie z.B. korrekte Kontrollen oder eine Studiendauer von mehr als vier Tagen) bezüglich der Wirksamkeit und Sicherheit von Niedrig-Kohlenhydratdiäten. Gemäß dem Ergebnis dieser Meta-Auswertung gibt es keinen Hinweis auf die Wirksamkeit von Niedrig-Kohlenhydratdiäten, wie z.B. der Atkins-Diät und ihrer Spielarten (JAMA, Vol. 289 No. 14, 9. April 2003).
Seit einigen Jahren wird am Universitätsklinikum Benjamin Franklin in Berlin, unter ärztlicher Kontrolle eine kohlenhydratreduzierte Diät durchgeführt. In regelmäßigen Abständen werden die Blutgase, das Cholesterin, der Blutzucker und der Grundumsatz untersucht. Außerdem werden mehrmals Glucose-Toleranztests durchgeführt, um festzustellen, wie gut die Bauchspeicheldrüse funktioniert. Studien beweisen, dass sich trotz der einseitigen Ernährung die Cholesterinwerte normalisieren und dass der Proband abnimmt.
Literatur
- Monika Berger-Lenz/Christopher Ray: Wir haben das Fettsein dicke! Die Wahrheit über ketogene Ernährung, Atkins-Diät, Low Carb und Ketarier, Faktuell Verlag, 2004, ISBN 3-98092-031-3