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Ilja Grigorjewitsch Ehrenburg

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Ilja Grigorjewitsch Ehrenburg (russisch Илья Григорьевич Эренбург; * zwischen 15. Januar und 27. Januar 1891 in Kiew, damals Russisches Reich; † 31. August 1967 in Moskau) war ein sowjetischer Schriftsteller und Journalist.

Leben

Ehrenburg kam aus einer bürgerlichen jüdischen Familie. 1895 zogen seine Eltern nach Moskau: Er besuchte dort das Erste Moskauer Gymnasium, wurde jedoch 1908 nach einer Gefängnisstrafe wegen revolutionärer Umtriebe von der Schule verwiesen und verließ Rußland 1909. Er ließ sich in Paris nieder, veröffentlichte dort bereits 1910 seinen ersten Gedichtband und lebte mit der deutschen Studentin Katharina Schmidt zusammen. Am 25. März 1911 wurde ihre gemeinsame Tochter Irina geboren, doch statt zu heiraten, trennte sich das Paar kurz nach der Geburt ihres Kindes in Freundschaft. 1919 kehrte Ehrenburg nach Russland zurück und heiratete 1921 Lioba Kozintseva. 1922 verließ er Russland mit seiner Frau wieder, die Revolutionswirren und die Bolschewiki behagten ihm nicht. Ehrenburg lebte anschließend in Berlin und veröffentlichte dort seinen ersten Roman: Die ungewöhnlichen Abenteuer des Julio Jurenito; 1924 erschien dort auch sein zweiter Roman Die Liebe der Jeanne Ney.

1924 verließ Ehrenburg Berlin wieder, das ihm nach eigenen Worten „zu amerikanisch” war. Er ging wieder nach Paris, wo er die nächsten Jahrzehnte – mit Pausen – verbringen sollte. Aus Frankreich schrieb er unter anderem für die sowjetische Zeitung Iswestija. 1934 besuchte er für kurze Zeit Moskau, um seine Tochter Irina zu besuchen, diese hatte seit 1923 mit ihm und seiner Frau zusammengelebt, war aber 1933 nach Moskau zurückgekehrt, wo sie bereits während des 1. Weltkriegs mit ihrer Mutter gelebt hatte. Ehrenburg erfuhr durch seine Tochter und ihren Mann Boris Lapin von den stalinistischen Verfolgungen und nahm als Zuschauer am Prozess gegen seinen Freund Nikolai Bucharin teil. Nach dessen Verurteilung und Hinrichtung gelang es ihm und seiner Frau, das Land heimlich über Finnland zu verlassen.

1935 nahm Ehrenburg am internationalen Schriftsteller-Kongress in Paris teil, im spanischen Bürgerkrieg war er Korrespondent für mehrere Zeitungen. 1940 und 1941 erschienen der erste und der zweite Teil seines dreiteiligen Romans: Der Fall von Paris. Für die Fertigstellung des dritten Teils zog Ehrenburg zurück nach Moskau.

Ilja Ehrenburg, der inzwischen ein gefragter und international erfolgreicher Publizist war, wollte seine Kraft voll der Sowjetunion widmen. Selbst Stalin, der bereits viele andere jüdische Intellektuelle hatte ermorden lassen, benutzte Ehrenburgs Popularität und zeichnete ihn im Jahr 1942 mit dem Stalin-Preis aus. Ehrenburg mobilisierte die Nation gegen die deutschen Invasoren. Der in Deutschland einst so populäre jüdisch-russische und kommunistische Dichter (der auch bestens deutsch sprach) wurde damit zum Intimfeind des Reichspropagandaministeriums.

Zahlreich sind die Vorwürfe gegen Ehrenburg, er habe die sowjetischen Soldaten zu Gewaltakten gegen die Deutschen aufgehetzt. Tatsache ist, dass sein Stil während des Zweiten Welkriegs nicht gerade zimperlich war, und er als Propagandist für Stalin auftrat.

Werk

Ehrenburg publizierte viel, aber viel wurde auch in seinem Namen geschrieben, in der Sowjetunion und auch in Berlin. Ehrenburg schrieb von der Front und für die Front, er war bei den Truppen und veröffentlichte Artikel für die Armeepresse. In einem Artikel in der Zeitung „Roter Stern” (Krasnaja Swesda) war 1942 zu lesen:

„Rechtfertigung des Hasses”
... unsere Menschen träumen nicht von Rache. Nicht dafür haben wir unsere Jungs erzogen, damit sie auf die Ebene Hitlerscher Gewalttaten herabsinken. Niemals werden Rotarmisten deutsche Kinder töten, das Goethehaus in Weimar oder die Bibliothek in Marburg zerstören. Rache bedeutet, dass man Gleiches mit Gleichem vergilt, dass man die Sprache des Feindes zu sprechen sich anschickt. Wir haben mit den Faschisten keine Sprache gemein...

Dieses Zitat kontrastiert jedoch mit einer Reihe von anderen Äußerungen Ehrenburgs, so z.B. in seinem Buch Der Krieg, Band 2 (1943), in dem er vorschlug, alle Deutschen als Untermenschen zu behandeln (S.22-23). Auszüge daraus erschienen auch in der Zeitung "Krasnaja Swesda" und als Flugblätter. Entsprechende Mikroverfilmungen der "Krasnaja Swesda" befinden sich im British Museum, Colindale Library und in Harvard University Library [1].


Eine Differenzierung durch Ehrenburg zwischen deutschen Soldaten und deutscher Zivilbevölkerung oder auch zwischen kriegs- und völkerrechtlich legitimem und illegalem militärischem Vorgehen ist hier und in anderen Beispielen nicht erkennbar.

Ehrenburg in seinem Buch, in der "Krasnaja Swesda" und auf Flugblättern : „Die Deutschen sind keine Menschen. Wenn Du einen Deutschen getötet hast, töte einen zweiten! Es gibt nichts Schöneres für uns als deutsche Leichen! … Töte den Deutschen, dieses bittet Dich Deine alte Mutter. Töte die Deutschen, dieses bitten Dich Deine Kinder. Töte die Deutschen! ruft die Heimaterde. Versäume nichts! Versieh Dich nicht! Töte!” (Original-Flugblatt : Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin) [2]


"Es genügt nicht, die Deutschen nach Westen zu treiben. Die Deutschen müssen ins Grab hineingejagt werden. Gewiß ist ein geschlagener Fritz besser als ein unverschämter. Von allen Fritzen aber sind die toten die besten." (Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg H3/493, Fremde Heere Ost) [3]

Lew Kopelew wurde 1945 vom sowjetischen NKWD wegen "Mitleid mit dem Feind", aber auch wegen Kritik an den Artikeln "des Genossen Ehrenburg", verhaftet [4] und in die Lager des Gulag eingeliefert. In seinen Erinnerungen "Aufbewahren für alle Zeit!" schreibt Kopelew : "...und wir alle - Generäle und Offiziere - verhalten uns nach Ehrenburgs Rezept... Und stell Dir vor, was wird später aus unseren Soldaten, die zu Dutzenden über eine Frau herfielen? Die Schulmädchen vergewaltigten, alte Frauen ermordeten?...Das sind Hunderttausende von Verbrechern, künftigen Verbrechern, mit den Ansprüchen von Helden."

Nach dem Krieg durften ab 1949 in der Sowjetunion keine Bücher von Ehrenburg mehr erscheinen, daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er 1948 zum zweiten Mal den Stalin-Orden erhalten hatte. 1952 bekam er den internationalen Lenin-Friedenspreis. Von 1950 bis zu seinem Tod war Ehrenburg Vizepräsident des Weltfriedensrates. Es ist anzunehmen, dass Ehrenburg 1953 liquidiert worden wäre, hätte Stalin noch einige Monate länger gelebt. Ehrenburg stand auf der schwarzen Liste des NKWD, vor allem wegen seiner Meinung zum Prozess gegen das Jüdische Antifaschistische Komitee (JAFK) 1952. Auch sein Brief an Stalin im Februar 1953 verstimmte den Diktator vermutlich stark. Allerdings ist nicht bekannt, ob Stalin diesen Brief erhalten und gelesen hat, da er am 1. März 1953 einen Schlaganfall erlitt und am 5. März 1953 starb. Nach dem Tode Stalins schrieb Ehrenburg seinen Roman: „Tauwetter”, der die Veränderung in der Sowjetunion der Nachkriegszeit thematisiert (siehe auch Tauwetter-Periode). 1963 erschien seine Autobiographie: „Menschen Jahre, Leben.”

Seine Tochter Irina Ehrenburg veröffentlichte 1998 im Berlin-Verlag ihre Lebensgeschichte, in der sie auch ausgiebig über ihren Vater schrieb: „So habe ich gelebt”.

Publikationen

  • Mein Paris (mit El Lissitzky)
  • Die Liebe der Jeanne Ney
  • 13 Pfeifen und andere unwahrscheinliche Geschichten
  • Visum der Zeit
  • Das bewegte Leben des Lasik Roischwantz
  • Sturm
  • Das Schwarzbuch, der Genozid an den sowjetischen Juden (mit Wassilij Grossmann)
  • Siebentes Buch
  • So habe ich gelebt
  • Das Leben des Autos
  • Die ungewöhnlichen Abenteurer des Julio Jurenito und seiner Jünger
  • Vešč, Objet, Gegenstand (Zeitschrift, herausgegeben von Ehrenburg und El Lissitzky)
  • Trust D. E.
  • Tauwetter

Vorlage:Julianischer Kalender


Anmerkungen

  1. Alfred M. de Zayas Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen, Ullstein 1988, ISBN 3548330991
  2. Alfred M. de Zayas Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen, Ullstein 1988, ISBN 3548330991
  3. Alfred M. de Zayas Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen, Ullstein 1988, ISBN 3548330991
  4. Lew Kopelew Aufbewahren für alle Zeit!, dtv 1979, ISBN 3423014407 und Hoffmann und Campe, ISBN 3455039200