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Christoph Butterwegge

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Prof. Dr. Christoph Butterwegge (* 26. Januar 1951 in Albersloh (Westfalen)) leitet die Abteilung für Politikwissenschaft und ist stellvertretender geschäftsführender Direktor des Seminars für Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln.

Leben

Akademischer Werdegang

Christoph Butterwegge machte 1970 Abitur und studierte danach Sozialwissenschaft, Philosophie, Rechtswissenschaft und Psychologie an der Ruhr-Universität in Bochum. 1975 schloss er sein Studium als Diplom-Sozialwissenschaftler und 1978 als M.A. (Philosophie) ab. 1980 promovierte er an der Universität Bremen mit einer Dissertation zum Thema SPD und Staat heute.

Ab dem Sommersemester 1981 übernahm er dort sowie an verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen in Duisburg, Fulda, Hamburg und Münster Lehraufträge für Soziologie, Sozial- bzw. Politikwissenschaft. Von 1987 bis 1989 war er in Bremen auch für den Studiengang „Weiterbildung" als wissenschaftlicher Angestellter am Fachbereich Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften beschäftigt. Außerdem übte er Dozententätigkeiten an der Akademie für Arbeit und Politik sowie an der Forschungs- und Bildungsstätte für die Geschichte der Arbeiterbewegung im Land Bremen aus.

1990 habilitierte sich Butterwegge an der Universität Bremen im Fach Politikwissenschaft mit einer Untersuchung zur Theorie und Praxis der österreichischen Sozialdemokratie (Austromarxismus). Vom 1. Februar 1991 bis zum 31. Juli 1994 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung tätig. Von 1994 bis 1997 vertrat er eine C-3-Professur für Sozialpolitik am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Potsdam, wo ihn der Ruf an die Universität Köln auf eine C-4-Professur für Politikwissenschaft erreichte.

Werk und Thematik

Schwerpunktmäßig beschäftigte sich Butterwegge zunächst mit der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie sowie mit Fragen der Staats- und Demokratietheorie. Zu Beginn der 1980er Jahre kamen die Neuen Sozialen Bewegungen, Friedenspolitik, Abrüstung und NATO-Strategie als neue Forschungsfelder hinzu. Er versuchte dabei, den Zeitzeugenansatz in Bremen für die Politische Bildung nutzbar zu machen und verband ihn mit Konzepten des „forschenden Lernens“ im Sinne einer „Spurensuche“ sowie einer Lokal- und Regionalgeschichtsschreibung „von unten“, die damals im Zusammenhang mit der Oral History diskutiert wurde.

Ab 1990 wandte sich Butterwegge dann vor allem den Themen Rechtsextremismus, Rassismus, (Jugend-)Gewalt, Gewaltprävention und Migrationspolitik zu. Weitere Arbeitsfelder sind Globalisierung, Neoliberalismus, Sozialstaat, demografischer Wandel, Armut - besonders von Kindern - und Generationengerechtigkeit.

In seinen zahlreichen Schriften prägte Butterwegge z.B. den Begriff „Paternostereffekt" für die soziale Polarisierung bzw. Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich: Die einen fahren nach oben, die anderen nach unten. Dabei grenzte er sich vom Fahrstuhleffekt nach Ulrich Beck ab, bei dem alle Bevölkerungsschichten gemeinsam nach oben oder nach unten fahren. Er diagnostizierte eine „Dualisierung der Armut“, womit die Doppelstruktur des Problems bezeichnet wird, das seiner Ansicht nach heute aus einer totalen Verelendung bestimmter Menschen („underclass“) und einer subtilen Unterversorgung anderer Menschen („Working Poor“) besteht. In diesem Zusammenhang nannte er es ein „Hauptmann-von-Köpenick-Syndrom“, dass Menschen ohne Wohnung keine Arbeit und Menschen ohne Arbeit keine Wohnung finden, sowie einen „Aschenputtel-Effekt“, wenn arme Frauen ihre soziale Situation durch einen reichen Mann als Partner zu verbessern versuchten.

Von der Globalisierung und dem demografischen Wandel spricht Butterwegge als den „zwei großen Erzählungen unserer Zeit“: Beide realen Prozesse werden seiner Ansicht nach missbraucht, um tiefgreifende marktbedingte Gesellschaftsveränderungen wie den Abbau des Sozialstaats und eine für ihn größtenteils unsoziale Reformpolitik zu rechtfertigen. Vermutlich als erster deutscher Rechtsextremismusforscher sprach er von „Standortnationalismus", womit er im Unterschied zum bekannten völkischen Nationalismus der extremen Rechten eine Überidentifikation mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland meint.

Weil sein Wissenschaftsverständnis ausschließt, dass ein Politikwissenschaftler unpolitisch ist, stand und steht Butterwegges wissenschaftliche Publikations- und Vortragstätigkeit stets in engem Zusammenhang mit seinem politischen Engagement. Bereits in die Wahl des Themas, mit dem sich ein Forscher befasst, fließen laut Butterwegge weltanschauliche und gesellschaftspolitische Überzeugungen ein, deren Bedeutung für die Analyse zu leugnen er als eine „blauäugige" „Ideologie der Ideologielosigkeit“ kritisiert. Zugleich legt er viel Wert darauf, dass ein Sozialwissenschaftler sich seiner Parteilichkeit bewusst sein müsse, immer seinen Standpunkt offen legen und niemandem seine eigene Sichtweise aufdrängen solle. Dies gelte gerade dann, wenn er nicht dem Mainstream folge, sondern eine Minderheitsmeinung im offiziellen Wissenschaftsbetrieb vertrete.

Politische Tätigkeit

Christoph Butterwegge trat im Juli 1970 als Abiturient in die SPD ein. Bei den Dortmunder Jungsozialisten sehr aktiv, wurde er schon bald in den Unterbezirksvorstand sowie den Landesausschuss Nordrhein-Westfalen, aber auch in den SPD-Bezirksausschuss gewählt. Wie die Mehrheit der Mitglieder seines Unterbezirks orientierte er sich damals an der Stamokap-Theorie. Als Exponent der Juso-Linken wurde er am 24. November 1974 von der Bezirkskonferenz Westliches Westfalen in den Juso-Bezirksvorstand gewählt.

Dies veranlasste den zuständigen SPD-Vorstand am Folgetag, ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn einzuleiten. Er warf Butterwegge parteischädigendes Verhalten vor und begründete dies mit dessen Artikel für die Blätter für deutsche und internationale Politikm unter dem Titel Die rechte Herausforderung: Darin hatte er dem neugewählten Bundeskanzler Helmut Schmidt eine Politik gegen die Interessen der Arbeitnehmer vorgeworfen. Diese werde einer Regierungsübernahme der CDU/CSU den Boden bereiten. 1975 schloss die Schiedskommission Butterwegge aus der SPD aus. Er selbst dokumentiert und kommentierte den Vorgang wie auch die Motive für sein Juso-Engagement ausführlich in seinem Buch Parteiordnungsverfahren in der SPD (1975 erschienen).

Als Parteiloser bewegte sich Butterwegge danach im außerparlamentarischen Raum und im Umfeld der Neuen sozialen Bewegungen, dort teilweise in orthodox-kommunistisch beeinflussten Gruppen, ohne jedoch einer dieser Organisationen beizutreten. Er arbeitete beim DKP-nahen Institut für Marxistische Studien und Forschung (IMSF) mit und ebenso, wie auch heute noch, bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. 1982 schloss er sich kurz dem Parteiprojekt Demokratische Sozialisten (DS) von enttäuschten SPD-Linken an und wurde dort in den Bundeskoordinationsausschuss gewählt. Doch schon vor dem Gründungsparteitag trat er wegen nach seiner Auffassung „linkssektiererischer Tendenzen“ wieder aus.

1983 kurz nach der Wahl Helmut Kohls zum Bundeskanzler beantragte Butterwegge die Wiederaufnahme in die SPD. Damit tat sich die Partei schwer. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder, der mit Butterwegge früher gemeinsam Juso-Politik auf Bundesebene gemacht hatte, setzte sich für seine Wiederaufnahme ein, die am 1. Januar 1987 erfolgte.

In der SPD-Landesorganisation Bremen übernahm Butterwegge wiederholt Funktionen und war bis 1994 ununterbrochen Delegierter des Landesparteitages. Zugleich blieb er in außerparlamentarischen Bewegungen, vor allem der Friedensbewegung, aktiv. Er war Mitbegründer des Bremer Friedensforums und gehörte von 1983 bis 1993/94 dessen Arbeitsausschuss an.

Butterwegge kritisierte die CDU/CSU/FDP-Koalitionsregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl und dessen Politik von 1982 bis 1998 besonders scharf. Vor allem sei der Sozialstaat in seiner Kernsubstanz beschädigt worden, indem man ihn Schritt für Schritt demontierte. Butterwegges Hoffnung, dass der Regierungswechsel im Herbst 1998 auf eine SPD/Bündnis 90/Die Grünen-Koalition auch einen Politikwechsel nach sich ziehen werde, erfüllte sich nach Meinung Butterwegges nicht. Je länger Gerhard Schröder in Bonn/Berlin regierte, umso klarer grenzte sich Butterwegge auch von dessen Kurs ab. Dies galt für die Außen-, Militär- und Sicherheitspolitik (Beteiligung der Bundesrepublik am Kosovo-Krieg) genauso wie für die Sozial-, Familien- und Bildungspolitik. Besonders die Teilprivatisierung der Altersvorsorge (Einführung der „Riester-Rente“), die „Agenda 2010“, die sog. Hartz-Gesetze und die Gesundheitsreform der rot-grünen Koalition erregten Butterwegges Widerspruch. Die von Rot-Grün beschlossenen Leistungskürzungen trafen seiner Meinung nach besonders die Schwächsten: Arme, Alte, (Langzeit-)Arbeitslose, (psychisch) Kranke und Menschen mit Behinderungen. Da die rot-grüne Koalition kein Alternativkonzept zum Neoliberalismus besaß, habe man sich diesem in der Praxis angepasst, monierte Butterwegge, zumal die Wirtschaftslobby sehr viel Druck machte, dem SPD und Bündnis 90/Die Grünen nachgaben.

Weil er fürchtete, die Große Koalition unter der neuen Bundeskanzlerin Angela Merkel werde die Reformpolitik gegen die „kleinen Leute“ und den Sozialstaat verschärft fortsetzen, trat Butterwegge am 18. November 2005, als CDU, CSU und SPD in Berlin den Koalitionsvertrag schlossen, aus der SPD aus. Am selben Tag begründete er diesen Schritt zusammen mit anderen Ausgetretenen bei einer Pressekonferenz in Köln und sagte auf Nachfrage, WASG und Linkspartei seien jetzt diejenigen, "auf denen die Hoffnungen der linken Sozialdemokraten am ehesten ruhen". Allerdings wolle er im Unterschied zu seinen Mitstreitern wenigstens auf absehbare Zeit parteilos bleiben.

Butterwegge gehört den Wissenschaftlichen Beiräten der renommierten Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) in Hannover und von Attac Deutschland an. Seit langem ist er Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) sowie der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW). Auch gehört Butterwegge den Beiräten der Zeitschriften "SozialExtra" sowie "Wissenschaft und Frieden" an.

Werke

  • Massenmedien, Migration und Integration. Herausforderungen für Journalismus und politische Bildung. Vs-Verlag, Juli 2006, ISBN 3531150472
  • Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland, Christoph Butterwegge/Michael Klundt/Matthias Zeng, Wiesbaden: VS – Verlag für Sozialwissenschaften 2005
  • Krise und Zukunft des Sozialstaates, Christoph Butterwegge, 1. und 2. Aufl. Wiesbaden: VS – Verlag für Sozialwissenschaften 2005
  • Armut und Kindheit. Ein regionaler, nationaler und internationaler Vergleich, Christoph Butterwegge u.a., 2. Aufl. Wiesbaden: VS – Verlag für Sozialwissenschaften 2004
  • Themen der Rechten – Themen der Mitte. Zuwanderung, demografischer Wandel und Nationalbewusstsein, Christoph Butterwegge u.a., Opladen: Leske und Budrich 2002
  • Rechtsextremismus, Freiburg i. Br./Basel/Wien: Herder 2002
  • Wohlfahrtsstaat im Wandel. Probleme und Perspektiven der Sozialpolitik, 3. Aufl. Opladen: Leske & Budrich 2001
  • Sozialstaat und neoliberale Hegemonie. Standortnationalismus als Gefahr für die Demokratie, Christoph Butterwegge/Rudolf Hickel/Ralf Ptak, Berlin: Elefanten Press 1998
  • Rechtsextremisten in Parlamenten: Forschungsstand, Fallstudien, Gegenstrategien, Christoph Butterwegge u.a., Opladen: Leske & Budrich, 1997
  • Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt: Erklärungsmodelle in der Diskussion, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1996
  • Austromarxismus und Staat: Politiktheorie und Praxis der österreichischen Sozialdemokratie zwischen den beiden Weltkriegen, Mit einem Geleitwort von Dr. Bruno Kreisky, (Druckfassung von Butterwegges Habilitationsschrift 1990), Marburg: Verlag Arbeit & Gesellschaft, 1991
  • 30 Jahre Ostermarsch: Ein Beitrag zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland und ein Stück Bremer Stadtgeschichte, Mit einem Vorwort von Dr. Henning Scherf, Christoph Butterwegge/Joachim Dressel (Hrsg.), Bremen: Steintor, 1990
  • SPD und Staat heute: ein Beitrag zur Staatstheorie und zur Geschichte der westdeutschen Sozialdemokratie (Druckfassung von Butterwegges Dissertation), Berlin: Verlag Das Europäische Buch, 1979
  • Parteiordnungsverfahren in der SPD: zur Rolle der Parteigerichtsbarkeit in der SPD, Berlin: Demokrat. Verl.-Kooperative, 1975

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