Schwingen
Schwingen ist eine in der Schweiz beliebte Variante des Ringens, welche auf Sägemehl ausgeübt wird. Das Schwingen gilt, noch vor dem Hornussen und dem Steinstossen, als (vor allem in der Deutschschweiz verbreiteter) Schweizer Nationalsport.
Geschichte

Die Wurzeln des Schwingsports in der Schweiz sind nicht eindeutig zu bestimmen. Eine erste Darstellung aus dem 13. Jahrhundert (in der Kathedrale in Lausanne) zeigt bereits die typische Art, Griff zu fassen. In der Zentralschweiz und im Mittelland, vorab im (Vor-)Alpenraum, gehörte der "Hosenlupf" zum festen Bestandteil der Festkultur. An zahlreichen Alp- und Wirtshausfesten wurde um ein Stück Hosentuch, ein Schaf oder um andere Naturalien geschwungen, wobei der Ruhm des Sieges weit mehr zählte als der materielle Preis.
Eine Neubelebung des Schwingens brachte das erste Alphirtenfest zu Unspunnen 1805, zu einer Zeit, da die Schweiz unter französischer Fremdherrschaft litt. Der Anlass zu diesem Fest war ausdrücklich die Hebung des schweizerischen Nationalbewusstseins.
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts haben denkwürdige Schwingfeste und eine rege Aktivität geschulter Turnpädagogen das Schwingen auch in die grossen Städte gebracht. So wurde aus dem ursprünglichen Kampf der Hirten und Bauern ein Nationalsport, der alle Schichten umfasst. Die Verbände, allen voran der Eidgenössische Schwingerverband (gegründet 1895) organisierte den Sport, indem regionale Eigenarten integriert, mit Lehrbüchern und Trainingsstunden das Niveau gehoben und zeitgemässe Wettkampfregeln geschaffen wurden.
Trotz dieser Ausweitung auf die städtischen Gebiete ist das Schwingen aber heute noch in den der Tradition verpflichteten ländlichen Gegenden des Deutschschweizer Voralpengebiets am populärsten.
Wettkampfverlauf

Der Kampf wird auf einer kreisförmigen, 7-14m durchmessenden, mit Sägemehl gepolsterten Fläche ausgetragen. Die zwei Gegner tragen über ihren Kleidern eine kurze, aus Jute gearbeitete Hose. Die beiden Kontrahenten greifen sich nun an dieser Hose und versuchen den Gegner durch das Anbringen von "Schwüngen" auf den Rücken zu zwingen. Das Schwingen kennt verschiedene Hauptschwünge, die Namen wie "Kurz", "Übersprung", "Brienzer", "Hüfter", "Buur" oder "Wyberhaagge" tragen. Der Sieg ist gültig, falls der überlegene Schwinger den Unterlegenen mit mindestens einer Hand an der Schwinghose festhält und der Unterlegen den Boden mit beiden Schulterblättern berührt. Nach dem Ende des Kampfes wischt traditionsgemäss der Sieger dem Verlierer die Sägemehlspäne vom Rücken. Geht eine Runde unentschieden aus, so ist der Kampf "gestellt".
Der Kampf wird von drei Kampfrichtern beurteilt, von denen jeweils einer zusammen mit den Schwingern im Sägemehlring steht. Die Kampfrichter bewerten den Gang und erteilen für einen "Plattwurf" das Maximum von 10 Punkten. Bei einem gestellten Gang erhält der aktivere Schwinger die höhere Punktezahl.
An einem Schwingfest bestreiten die Schwinger sechs (am Eidgenössischen sogar acht) Gänge; die zwei punkthöchsten Schwinger nach fünf Gängen (bzw. sieben am Eidgenössischen) erreichen den Schlussgang. Die Zuweisung (es wird nicht ausgelost oder nach Cupsystem vorgegangen) der Gegner in den einzelnen Gängen durch das Kampfgericht erfolgt nach schwer durchschaubaren Regeln, nicht selten wird der Verdacht laut es sei "geschoben" worden.
Es existieren keine Gewichtsklassen.
Traditionen
Das Schwingen ist traditionell ein Männersport. Die Schwingerkönige sind weiten Bevölkerungskreisen namentlich bekannt und haben den Status von Sportprominenten. Frauen schwingen erst seit wenigen Jahren (Gründung des Frauenschwingverbands 1992) und werden von den traditionsbewussten Schwingerfreunden mit Argwohn betrachtet; die Akzeptanz des Wyberschwingets nimmt jedoch zu.
Schwinger sind Amateure und die Schwinger der vorderen Ränge sind überdurchschnittlich häufig in Berufen tätig, die eine gewisse Körperkraft verlangen, z.B. Käser, Metzger oder Schreiner. Sie werden oft nach schweizerischem Brauch mit Nachname Vorname bezeichnet, also Rüfenacht Silvio oder Abderhalden Jörg.
Die Schwinger sind einheitlich gekleidet. Die Sennenschwinger (traditionellerweise Mitglieder eines reinen Schwingervereins) tragen eine dunkle Hose und ein farbiges Hemd, zumeist ein hellblaues kragenloses Sennenhemd, während die Turnerschwinger (traditionellerweise Mitglieder eines Turnvereins der auch andere Sportarten ausführt) lange weisse Turnhosen und ein weisses Leibchen tragen.
Offene Werbung und Sponsoring ist im Schwingsport verpönt. Erfolgreiche Schwinger erhalten keine Preisgelder, sondern Naturalpreise vom Gabentisch, traditionellerweise Kuhglocken (Treicheln) und Bauernmöbel. Versteckte Werbung erfolgt über die Nennung der Preisspender. Der Verzicht auf Preisgelder wird, insbesondere bei den Lebendpreisen (meist Grossvieh), durch den Weiterverkauf der Preise umgangen.
Die besten Schwinger eines Schwingfestes erhalten den Kranz (Kranzschwinger). Gewinner des Eidgenössischen Kranzes (Eidg. Schwingfest) werden als Eidgenossen bezeichnet.
Verschiedene Schwingfeste
Die Schwinganlässe - regionale und kantonale Schwingfeste - werden vom Frühsommer bis in den Herbst im Freien abgehalten.
Das wichtigste Schwingfest ist das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest, das nur alle drei Jahre stattfindet - zum letzten Mal vom 20. bis am 22. August 2004 in Luzern. Der Sieger dieses Turniers wird zum Schwingerkönig ausgerufen. Der Siegespreis ist traditionsgemäss ein "Muni" (Stier).
Die diversen Bergschwingfeste, etwa auf der Rigi, dem Brünig oder der Schwägalp, sind beliebte Volksfeste mit tausenden von Zuschauern, die dem eigentlichen Schwingen einen folkloristischen Rahmen mit Ländlermusik, Jodelchören, Alphornbläsern, Fahnenschwingern oder Geisslenchlöpfer geben.
Es gibt auch noch ein Schwingfest das einen Eidgenössischen Charakter hat, und findet nur alle 6 Jahre statt, wer dort gewinnt ist fast schon wie ein Schwingerkönig, das Unspunnen Schwingfest.
Auch außerhalb des spezifisch schweizerischen Schwinger-Festbrauchtums sind für den deutschschsprachigen Raum etwa die sogenannten Schwingabende belegt (z. B. für Kürten im Rheinland). Das Schwingen war ein wichtiger Bestandteil der historischen Flachsbearbeitung. Einfache Schwingen bestanden aus einem aufrecht stehenden Brett mit einem Fuß. Der Schwinger nahm mit der linken Hand eine Handvoll Flachs und legte ihn auf die Oberkante des Brettes, so dass die halbe Länge des Flachses an der vorderen Seite des Brettes frei herabhing. Mit der rechten Hand führte er das Schwingholz, ein flaches, am Rande etwas angeschärftes Brett, und schlug dann die Reste der holzigen Teile heraus. Nach dem Schwingen des Flaches trafen sich die Mädchen, die dabei geholfen hatten, mit den Burschen des Dorfes zu Spiel und Tanz auf den sogenannten Schwingabenden. Diese Abende arteten oft in grobe Raufereien aus.