St. Elisabeth (Rheine)

Die katholische Pfarrkirche St. Elisabeth in Rheine ist ein Gebäude der Neuen Sachlichkeit des Architekten Josef Franke aus Wattenscheid. Sie ist seit der Fusion aller ursprünglich selbstständigen Pfarreien links der Ems[1] eine der Kirchen der Pfarrei St. Dionysius[2].
Geschichte

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich vor allem auf der rechten (östlichen) Emsseite Textil- und Metallverarbeitende Betriebe angesiedelt. Eine ähnliche Entwicklung auf der westlichen Seite des Flusses wurde durch schwierigere Bodenverhältnisse erschwert. Zudem schnitte die 1853 erbaute Eisenbahntrasse das Gebiet des heutigen Dutum und Dorenkamp von der historischen Altstadt auf der rechten Emsseite ab. Somit ergab sich eine Verteilung von fortschrittlicher Industrie auf der einen, und traditioneller Landwirtschaft auf der anderen Emsseite (eine Tatsache, die noch heute – volkstümlich aufgefasst – für die in Rheine lebende Bevölkerung einen Unterschied bedeutet: auf der rechten Emsseite leben die Bürger, auf der linken die Bauern).
Erst zum Anfang des 20. Jahrhunderts weichte diese Struktur durch Ansiedlung von Industrie auch in dem sog. Stadtteil „Hinter der Bahn“ ein wenig auf. Im Jahr 1906 war die Bevölkerung in diesem Teil der Stadt so weit angewachsen, dass selbst die Hauptkirche der Stadt Rheine, St. Dionysius am Marktplatz für die sonntäglichen Gottesdienste der kompletten Gemeinde von links und rechts der Ems zu klein wurde. Der Pfarrer von St. Dionysius und Erbauer der St. Antonius Basilika Dechant Pietz, veranlasste somit die Gründung einer eigenen Pfarrei für das Gebiet „Hinter der Bahn“. Durch den Ersten Weltkrieg etwas verzögert, geschah diese Gründung im Jahr 1922. Sofort begann die Planung einer Pfarrkirche für die etwa 4000 Gemeindemitglieder des neuen Seelsorgebezirkes. Eine Interessengemeinschaft von Bürgern hinter der Bahn schlägt den Namen St. Elisabeth für die neu entstandene Gemeinde vor.[3] Das Baugrundstück, welches für geeignet befunden wurde, lag im Besitz der Stadt Rheine an der heutigen Darbrookstraße. Man tauschte es gegen den Alten Friedhof an der Salzbergener Straße.
Bauplanung
Für den Entwurf und die Erstellung der Baupläne des Gotteshauses wurde nach einem Wettbewerb unter drei Architekten der in Rheine schon bekannte Architekt Josef Franke aus Wattenscheid mit dem Bau beauftragt. Er hatte einige Jahre zuvor das neue Gymnasium Dionysianum erbaut, dazu die Schulkirche St. Peter. Außerdem war er Dechant Pietz bekannt durch den Anbau einer Kapelle an die altehrwürdige Dionysiuskirche und die Gestaltung eines Taufbeckens für die gewaltige Basilika St. Antonius. Franke erhielt den Auftrag im März 1928 und konnte bereits im April desselben Jahres die ersten Pläne vorlegen. Der erste Spatenstich erfolgte im Juli 1929, im Oktober desselben Jahres die Grundsteinlegung durch Weihbischof Johannes Scheifes.[4]
Dieses schnelle Fortschreiten der Bauplanung und Ausführung kam durch den New Yorker Börsenkrach und die auch damit verbundene Unsicherheit der Finanzierung des Naubaus ins Stocken. Franke wurde aufgefordert, seine Pläne zugunsten eines niedrigeren finalziellen Risikos für die Gemeinde, zu vereinfachen. Die feierliche Einweihung der neuen Kirche konnte somit am Fest der Hl. Elisabeth von Thüringen, dem 19. November 1931, durch Titularerzbischof Johannes Poggenburg aus Münster erfolgen.
Baubeschreibung

Nach zwei detaillierten Entwürfen in deutlich expressionistischer Formensprache stieß erst der dritte Entwurf Frankes auf Gefallen beim Kirchenvorstand. Jedoch musste auch dieser, als zu kostspielig bewerteter Plan noch vereinfacht werden, bevor letztendlich der vierte Entwurf Fankes zur Ausführung kam. Die als etwas zu eckig empfundenen Motive der ersten zwei Entwürfe waren abgeschwächt worden, konnten aber das Gebäude noch immer deutlich rhythmisieren und Frankes Handschrift deutlich ablesbar machen. Eines der auffälligsten Details war eine nach barockem Vorbild gestaltete Zwiebelhaube als Abschluss des im Westen an das Gebäude angesetzte Turmes. Auch diese Lösung wurde ein Opfer der Kostenreduzierung, zugunsten eines flachen Pyramidendaches mit einem etwa fünf Meter hohen Kreuz als dessen Spitze. Auch die geplante Turmuhr wurde nicht ausgeführt. Als Ergebnis der Wiederaufbauarbeiten nach den Bombenangriffen des Krieges, stellt der Turmabschluss die augenscheinlich größte Veränderung des Äußeren dar: anstatt des flachen Pyramidendaches wird ihm eine Kupferlaterne mit Kreuz auf der Spitze aufgesetzt. Das Richtfest kann 1952 gefeiert werden.
Neben dem, dem Kirchenbau vorgesetzten Turm liegen die drei Hauptportale am oberen Ende einer Treppe, die sich über die komplette Portalbreite erstreckt, überragt von dem mächtigen Dreiecksgiebel der Westfassade. Die Bronzetüren wurden von dem in Rheine tätigen Künstler Josef Krautwald gestaltet und zeigen bildnerische Deutungen der sog. Theologischen oder Göttlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung aus dem 2. Petrusbrief.
Sie bieten den Zugang zum hallenartigen Innenraum mit dominierendem Mittelschiff von 13 Meter Breite und 14,35 Meter Höhe. Seitlich davon die zwei flurartige und niedrigere Seitenschiffe mit einer Höhe von 8,40 Meter und einer Breite von gerade einmal 3,20 Meter. Der Höhenunterschied zwischen Mittel- und Seitenschiffen bot die Möglichkeit, den Obergaden des Hauptschiffes mit Rundfenstern separat zu beleuchten. Im Osten schließt eine Rundapsis den massiven Baukörper ab. Des Weiteren ist im Nordwesten eine halbrunde Taufkapelle und diagonal gegenüber im Südosten eine stattliche, zweigeschossige Sakristei angefügt. Im Ganzen ist der Baukörper auf den geometrischen Grundformen Rechteck und Kreis, gleichbedeutend mit scharf und weich, aufgebaut. Dieses Prinzip findet sich in der Wahl des Baumaterials wieder. Allerdings diesmal in drei Variationen: brauner Ibbenbürener Sandstein, heller Ettringer Tuff und glatter roter Ton für die Dachzielgeln. Der Innenraum ist bewusst schlicht gestaltet und größtenteils ohne Schmuck oder Ornamentik. Im Jahr 1953 erhält die Kirche ihre erste neue Ausmalung in Weiß- und Grautönen nach Entwürfen des ebenfalls aus Rheine stammenden Kunstmalers Hein Naß.
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Portal 1: 'Lieben'
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Portal 2: 'Hoffen'
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Portal 3: 'Glauben'
Franke schuf durch seine Baukomposition zwei Schauseiten: zum einen die Westseite mit den Hauptportalen und dem flankierenden Turm, zum anderen die parallel zur Straße verlaufende Nordseite mit der Taufkapelle. Die Südseite ist heute durch die benachbarte Bebauung schwierig einsehbar, wird aber beherrscht von der Freitreppe zur Orgelempore und der angesetzten Sakristei. Der Westgiebel zeigt über den Portalen drei rundbogige Nischen, von denen die höhere mittlere nach Plänen Frankes ursprünglich den Platz für eine überlebensgroße Kreuzigungsdarstellung bieten sollte. Zur Ausführung kam im Jahr 1957 eine ebenso überlebensgroße Figur der Hl. Elisabeth von Thüringen, der Patronin der neuen Gemeinde. Sie ist erkennbar durch einen Korb voller Rosen, ein Hinweis auf eine Episode ihrer Heiligenlegende und das typische Attribut der Heiligen. Die Figur ist ein Werk des Bildhauers Josef Krautwald aus Rheine. Die Nischen links und rechts weisen schlitzartige Fensteröffnungen auf.
Die Durchfensterung der Seitenschiffe geschieht durch in die Wand eingeschnittene schmale, aber recht hohe Rundbogenfenster, die von runden Fensterausschnitten im Obergaden des Hauptschiffs überkrönt werden. Der Chor wird durch Fenster in den Seitenwänden beleuchtet, die Chorapsis selber weist keine Fenster auf.
Inneres
Ganz im Sinne der Neuen Sachlichkeit stellt sich der Innenraum sehr strukturiert dar. Er besteht aus fünf kastenförmigen Räumen, die, sich deutlich voneinander abhebend, aneinander anschließen. Das diese Räume verbindende Element ist die Decke, bestehend aus einem flachen Tonnengewölbe. Auch diese Decke war ursprünglich üppiger geplant: anstatt sich von der einen zur anderen Hauptschiffwand zu wölben, erstreckt sie sich nunmehr über die Breite der Apsis und gestaltet sich links und rechts davon als Flachdecke. Ein Widerspruch zur nüchternen Formensprache der Neuen Sachlichkeit stellten mit einer Renovierung in den 1980er Jahren die dunkle Holzvertäfelung der Decke sowie die Neugestaltung der Apsis mit einer weißen dreiseitigen Paneel-Verkleidung dar.
Ausstattung
Auch die Gestaltung des größten Teils der Erstausstattung der Kirche oblag dem Büro Josef Frankes. Er lieferte die Entwürfe für die Innenraumgestaltung inklusive der Möblierung des Kirchenraumes mit Kirchenbänken, Türen, Leuchtern, Beichtstühlen und Weihwasserbecken. Dabei versuchte er dem architektonischen Gestaltungsprinzip, die Beschränkung auf einfachste Formen wie Rechtecken und Kreisen, auch in der Ausstattung treu zu bleiben. Er verzichtete auf jeglichen überflüssigen Schmuck oder Ornamentik, die nicht aus der Funktion abgeleitet werden konnten. Auch dies stellt ein Charakteristikum der Gestaltung im Stil der Neuen Sachlichkeit dar: „Form follows function.“ (engl. "Die Form folgt der Funktion."). Der farblich bewusst schlicht gehaltene, zum größten Teil in weiß getünchte Raum kontrastiert zu den meist dunkel oder in ihrer Naturfarbe gehaltenen Ausstattungsobjekten. Die beteiligten Künstler waren hierbei frei in der Gestaltung ihrer Auftragsarbeiten. Franke nahm hierauf keinen Einfluss, wohl aber die Geistlichen der Gemeinde.
Zur Erstausstattung gehörte:
- der Hochaltar aus schwarzem Marmor aus Portoroz;
- über dem Hochaltar, vor der weißen Apsis-Rückwand, ein etwa 9 Meter hohes, feingliedriges, schwarzes Kreuz ohne Corpus;
- ein Seitenaltar aus gleichem Material wie der Hochaltar an der Stirnseite des nördlichen Seitenschiffes;
- die aufgemauerte, trommelförmige Kanzel mit einem einfachen schwarzen Schalldeckel. Am Kanzelkorb die Symbole der vier Evangelisten (Adler für Johannes, Löwe für Markus, Mensch für Matthäus und Stier für Lukas), gefertigt aus gebogenem Bandeisen;
- ebenfalls in Bandeisen gestaltete Apostelleuchter, Ewiges Licht-Leuchter und Verkleidungen des Tabernakels auf dem Hochaltar;
- ein Taufbecken nach Entwurf Frankes in der Taufkapelle: kugelförmiges Wasserbecken aus Metall mit einer Basis aus poliertem Muschelkalk;
- eine Antonius-Figur des Künstlers Prof. Kurt Schwippert für die Taufkapelle;
- eine Madonna mit Kind von Franz Guntermann; Lindenholz, naturfarben.
- künstliche Beleuchtung durch Pendelleuchten mit Opalglas-Globen;
- zwei schmucklose, weiß gefasste Beichtstühle aus Holz nach Entwurf Frankes;
- 36 Kirchenbänke (1936) aus dunkel gebeiztem Nadelholz, die Wangen aus Eiche. Bis zu dem Zeitpunkt war der Kirchenraum bestuhlt.
Eine Kleinod in der Reihe der Ausstattungsobjekte stellt die Weihnachtskrippe von Franz Guntermann dar. Die Krippe stellt den ersten vom damaligen Pfarrer angeschaffte Schmuck dar. Sie besteht aus drei großformatigen, aus jeweils einem Holzblock bestehenden Figurengruppen (Heilige Familie, Hirten, Schafherde). Zur Anschaffung einer geplanten vierten Gruppe (Heilige Drei Könige) kam es nicht mehr, einerseits begründet durch den Tod des auftraggebenden Pfarrers, andererseits fand die Darstellung des Weihnachtsgeschehens in seiner progressiven Formensprache nicht bei allen Gemeindemitgliedern den gewünschten Anklang. Die Figuren sind deutlich inspiriert von expressionistischen Bildhauern wie Ernst Barlach und Bernhard Hoetger und fügen sich somit perfekt in die Gestaltung des Gebäudes ein.
Diese Erstausrüstung hatte in seiner Gesamtheit Bestand bis zur Bombardierung des Stadtteils 5. Oktober und 2. November 1944 bei der nicht nur Teile des Turmes, des Kirchenschiff und des Chores zerstört wurden, sondern der auch ein großer Teil der Ausstattung zum Opfer fiel. Nach dem Krieg sah man die Priorität in der Wiedererrichtung der beschädigten Kirche und nicht in der Wiederbeschaffung kostspieliger Ausstattungsobjekte. Dies wurde erst ab den 1960er Jahren wieder angegangen, wie auch die Umgestaltung des Gotteshauses nach den Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Anpassung an den modernen Zeitgeschmack. Die Entwürfe stammten zum großen Teil von dem Künstler Hubert Teschlade aus Nienberge. Die auffälligsten Veränderungen waren:
- Installation eines Volksaltars anstelle des Hochaltars
- Abbau der Kanzel
- Einbau eines neuen Tabernakels.
Außerdem im Jahr 1966 vom selben Künstler ein
- großformatiges Wandbild in der Chorapsis mit dem Thema „Der heilige Geist ergießt sich auf die Erde“, also des Pfingstereignisses. (Nach Informationen aus der Gemeinde wurde diese Darstellung wegen seiner außergewöhnlichen Form und aufgrund des Unwissens über die dargestellte Begebenheit und hohe künstlerische Qualität von Kindern gern Der Schneemann genannt.)
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Kriegerdenkmal in Erinnerung an die schweren Bombenangriffe 1944
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Kreuzwegstation von Josef Krautwald
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Madonna mit Kind (Franz Guntermann) (1935)
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Antonius von Padua (Kurt Schwippert)
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Beichtstuhl nach Entwurf von Architekt Josef Franke
Orgel

Eine erste provisorische Orgel fiel den Bombenangriffen im Jahr 1944 zum Opfer. Erst 1956 konnte ein Instrument bei der Orgelbauwerkstatt Franz Breil in Dorsten bestellt werden, dass den Vorstellungen der Gemeinde entsprach. Von den geplanten vier Werken wurden zuerst nur drei fertiggestellt. Trotz anderer Planung wurde das vierte Werk nicht mehr vollendet und das entsprechende Manual später aus dem Spieltisch ausgebaut. Diese Orgel verfügte über 20 Register, und wurde ohne Prospekt auf der Westempore aufgestellt. Die von Franke für den Einbau des Pfeifenmaterials vorgesehenen Nischen auf der Empore blieben ungenutzt. Im Zuge von Umbauten des Instrumentes durch die Orgelbaufirma Sauer aus Höxter wurde es im Jahr 1984 auf 28 Register erweitert, mit mechanischer Spieltraktur, elektrischer Registertraktur ausgestattet und in einem neunachsigen Prospekt an der Rückwand der Empore aufgestellt. Frankes Nischen blieben weiterhin bis heute ungenutzt auf der Empore erhalten.[5]
Die Disposition der Orgel seit dem Umbau im Jahr 1984:
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Einzelnachweise
- ↑ http://www.ig-dutum-dorenkamp.de/index.php/kirche-und-soziales/147-katholische-pfarrei-st-dionysius-st-elisabeth-kirche
- ↑ https://www.dionysius-rheine.de
- ↑ Rheine, gestern-heute-morgen; Alfons Krafeld. Ausgabe 2/81
- ↑ Rheine, Die Kunst- und Kulturdenkmäler, Teil I, Tecklenborg Verlag 2003
- ↑ Rheine. Die Kunst- und Kulturdenkmäler. Teil I. Tecklenborg Verlag 2003; S. 358 f.
Literatur
- Rheine. Die Kunst- und Kulturdenkmäler. Teil I, Tecklenborg Verlag 2003
- Rheine – gestern-heute-morgen. Alfons Krafeld. Ausgabe 2/81 (vergriffen)
- Rheine – gestern-heute-morgen. Ausgabe 1/2004
Koordinaten: 52° 16′ 11,2″ N, 7° 25′ 55,6″ O