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Murasaki Shikibu

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Murasaki Shikibu, Darstellung aus dem Hyakunin Isshu

Murasaki Shikibu (jap. 紫式部; * Ende des 10. Jahrhunderts in Kyōto, † Anfang des 11. Jahrhunderts) war eine Hofdame und Schriftstellerin in Japan zur Heian-Zeit. Sie ist die Autorin des Genji Monogatari (Geschichten des Prinzen Genji), das als der älteste Roman der Weltliteratur gilt.

Biographische Daten

Über das Leben von Murasaki Shikibu existieren heute kaum noch präzise Quellen. Eindeutig belegt ist, dass sie in Heian (dem heutigen Kyōto) zur Welt kam, entweder im Hause ihres Vaters oder in der Obhut der Familie ihrer Mutter. Als Geburtsjahr ist jedoch sowohl 970 (Tenroku 天禄 1) als auch 973 (Ten'en 天延 1), spätestens aber 978 (Tengen 天元 1) zu finden. Auch das Todesjahr ist ungewiss, hier wird 1014 (Chōwa 長和 3), 1016 (Chōwa 5) oder 1025 (Manju 万寿 2) genannt. Am wahrscheinlichsten ist aber das Jahr 1016, da ihr Vater in jenem Jahr in ein buddhistisches Kloster eintrat. Man nimmt an, dies sei aufgrund seiner Trauer um Murasaki und ihren nur wenige Jahre zuvor verstorbenen, jüngeren Bruder Nobunori geschehen.

Murasaki Shikibus Grab soll südlich des Byakugō-in, eines dem Urin-in zugehörigen Klosters in Kyōto, und westlich des Grabes von Takamura no Ono (篁小野, Höfling, Dichter und Gelehrter, 802-853) liegen. Diese Gräber wurden nicht verlegt und befinden sich bis heute dort.

Herkunft des Namens

Murasaki Shikibu stammte aus dem Fujiwara-Clan, ihr richtiger Name ist jedoch unbekannt. Zu Beginn ihres Hoflebens – sie war bereits eine angesehene Dichterin und Schriftstellerin und deswegen an den Hof beordert worden – wurde sie Tō no Shikibu (藤の式部) genannt. Dabei war Shikibu (式部) die damalige Bezeichnung des Ministeriums für Riten und Zeremonien, in dem ihr Vater und ihr Bruder Ämter innehatten.

Das Kanji-Schriftzeichen 藤, das sinojapanisch als gelesen wird, kann reinjapanisch auch fuji bedeuten, was auf ihre Abstammung aus der Fujiwara-Familie (藤原) hinweisen sollte. Übersetzt bedeutet es Glyzinie oder Blauregen, eine Pflanze mit bläulich-violetten Blüten und Symbol des Fujiwara-Clans.

Zu ihrem heute bekannten Namen Murasaki (紫, violett oder lila) gibt es zwei Theorien: Einmal könnte er von der Blütenfarbe des Clan-Symbols herkommen; er könnte aber auch aus ihrem bekanntesten Werk stammen, dem Genji Monogatari, in dem der Name der weiblichen Hauptfigur Murasaki (no) Ue (紫上) ist.

Leben

Abstammung und Kindheit

Es ist unbekannt, ob Murasakis Vater Fujiwara Tametoki (947-?) und ihre Mutter, ebenfalls eine Fujiwara, verheiratet waren, denn er hatte zeitgleich mit einer anderen Frau mehrere Kinder, und Polygamie war in der damaligen Adelsschicht weit verbreitet. Das Paar hatte drei Kinder: Murasakis ältere Schwester, Murasaki selbst und ihren jüngeren Bruder Nobunori (974-1011), bei dessen Geburt die Mutter gestorben sein soll.

Da es damals nicht selten vorkam, dass eine Frau für die Geburt ihres Kindes in das Haus ihrer Familie zurückkehrte, könnte Murasaki im Haus ihres Großvaters mütterlicherseits, Fujiwara Tamenobu, geboren worden sein. Sie könnte auch bis 987 dort aufgewachsen sein, als ihr Großvater in den Priesterstand eintrat, und erst dann zu ihrem Vater gezogen sein. Dagegen spricht jedoch, dass ihr Bruder und sie während ihrer Kindheit von ihrem Vater in den „chinesischen Studien“ (Literatur und Schrift) unterrichtet worden sein sollen.

Von ihrer Mutter schien Murasaki eine schriftstellerische Begabung geerbt zu haben, und auch väterlicherseits folgte sie auf zwölf in Literatur und Schrift außergewöhnlich begabte Vorfahren. So war ihr Urgroßvater Fujiwara Kanesuke (877-933) einer der Sanjūrokkasen (三十六歌仙, Gedichtsammlung 36 großer Dichter), und ihr Vater war berühmt für seine ausgezeichnete Beherrschung der chinesischen Schrift.

Über Murasakis Kindheit ist aufgrund ihrer Tagebucheinträge lediglich bekannt, dass sie intelligent war und ihren Bruder in den chinesischen Studien übertraf. Zu dieser Zeit war es jedoch eher ungewöhnlich, Mädchen eine umfangreiche Bildung zu ermöglichen, da man der Meinung war, ein oberflächliches Wissen in Literatur und Kunst reiche völlig aus. Deshalb lag der hohe Bildungsstand, den Murasaki durch das gemeinsame Lernen mit ihrem Bruder erreichte, durchaus außerhalb der Norm.

Die erwachsene Murasaki Shikibu

996 wurde Murasakis Vater der Verwalter der Provinz Echizen (heute Präfektur Fukui), für Murasaki eine einmalige Gelegenheit die Hauptstadt zu verlassen, denn als Tochter aus gutem Haus war es ihr untersagt, zu reisen, wenn jene Reisen keinem Zweck dienten, oder zu weit entfernten Destinationen führten, was für eine wissbegierige Frau wie sie ein schwerer Schlag war. Da sie zu jener Zeit (nimmt man 973 als Geburtsjahr) 23 und somit im heiratfähigem Alter war, besteht die Möglichkeit, dass Murasaki vor dieser Reise bereits einmal verheiratet gewesen sein könnte, bewiesen kann diese Theorie jedoch nicht werden. Nach ca. 1½ Jahren kehrt Murasaki nach Kyōto zurück, und heiratet im Jahre 998 (999?) Fujiwara Nobutaka 藤原宣孝 (952-1001), ein Cousin vierten Grades, welcher zwanzig Jahre älter als sie und nur vier oder fünf Jahre jünger als ihr Vater war. Er hatte zum Zeitpunkt dieser Heirat bereits erwachsene Kinder, sein ältester Sohn war gleich alt wie Murasaki, und es wird vermutet, dass er nicht nur Murasaki sondern auch ihrer jüngeren Schwester Interesse entgegenbrachte. 999 brachte Murasaki eine Tochter zur Welt, Katako, die später als Daini no Sanmi 大弐三位 (999-1077) bekannt wurde. Es gibt Annahmen, denen zufolge Katako, nach dem Tode ihrer Mutter, das Genji Monogatari vollendet haben soll, bestätigende Quellen gibt es aber keine. Jedenfalls starb Murasakis Ehemann Nobutaka im Jahre 1001 und im Herbst desselben Jahres begann sie mit der Abfassung des Genji Monogatari.

Das Leben bei Hof (I)

Am 29. Tag des zwölften Monats im zweiten Jahr Kankō 寛弘二 (1005) tritt Murasaki nach einiger Zeit der Überredung durch Fujiwara Michinaga 藤原道長 (996-1028) und dessen Frau in die Dienste der Kaiserin Jōtōmon’in 上東門院 (988-1074, auch bekannt als Fujiwara no Shoshi), der Tochter Michinagas, ein. Natürlich war es eine große Ehre und doch ging Murasaki nur widerwillig und kehrte nach kurzer Zeit wieder nach hause zurück. Das Leben bei Hof war so gar nicht wie sie es aus Erzählungen kannte und es sich vorgestellt hatte, man war ihr gegenüber kritisch eingestellt, behauptete sogar, ihr Vater wäre es gewesen, der sich die Handlung des Genji Monogatari ausdachte, sie solle es nur niederschreiben und ausschmücken. Doch selbst wenn sie von den anderen Höflingen gekränkt, gehasst und hinabgesetzt wurde, blieb sie, auf Bitten der Kaiserin selbst, als Hofdame in ihrem Dienst. Außerdem erfuhr sie die Unterstützung des Kaisers Ichijō 一条天皇 (980-1011), welcher sie für so intelligent hielt, dass er äußerte, sie habe mit Sicherheit das Nihongi, eines der beiden alten historischen Werke der japanischen Geschichte, geschrieben in klassischem Chinesisch, gelesen. Die Besonderheit daran war, dass zur Heian-Zeit Frauen weder Chinesisch lesen noch schreiben konnten, sondern sich der sog. „Frauenschrift“ (onna-de) bedienten. Murasaki besaß aber sehr wohl die Fähigkeit, Chinesisch zu lesen. Doch es gab noch eine weitere Schriftstellerin bei Hofe, von der bekannt war, dass sie der chinesischen Schrift mächtig war, Sei Shōnagon.

Erbitterte Rivalinnen – Murasaki Shikibu und Sei Shōnagon

Sei Shōnagon 清少納言 (966?-1025?), die Autorin des Makura no Sōshi 枕草子 (dt.: Kopfkissenbuch) kannte sich mit dem Leben bei Hofe aus, sie war provozierend und selbstsicher und auch eine ausgezeichnete Schriftstellerin. Die kleine Stiefschwester Murasakis heiratete einen Beamten, welcher am Hof des Kaisers tätig war. Ein Plan, welchen dieser Beamte entworfen hatte, war von ihm in so unleserlichen Schrift kommentiert worden, dass sich Sei Shōnagon die Freiheit nahm ihn nun durch eine Anmerkung ihrerseits zum Gespött bei Hofe zu machen, auch sprach sie schlecht über Fujiwara Nobutaka, welcher wie bereits erwähnt, der verstorbene Gatte Murasakis war. Murasaki, deren Kenntnisse der chinesischen Schrift, der Shōnagons überlegen gewesen sein mussten, rümpfte, als sie eines von Shōnagons Schriftstücken sah, nur die Nase. Auch ließ sie in ihrem Tagebuch kein gutes Wort über sie fallen.

Ein weiterer Grund für ihre gegenseitige Abneigung war, dass sie im Gefolge unterschiedlicher Kaiserinnen dienten. Die erste und demnach rangälteste Gemahlin Ichijōs war Kaiserin Sadako (oder Teishi 定子, 977-1000), in deren Gefolge sich Sei Shōnagon befand. Zu jener Zeit waren es jedoch die Fujiwara, welche an der Macht waren, allen voran Fujiwara Michinaga und als er es schaffte, seine eigene Tochter zur Kaiserin zu machen, stellte er sicher, dass sie es war, die den für eine Frau höchsten Rang innehatte. Dies war natürlich ein schwerer Schlag für Kaiserin Sadako und ihr Gefolge, die der neuen Kaiserin und ihrem Gefolge, welchem auch Murasaki angehörte, nicht gerade wohlgesonnen gegenüberstanden.

Das Leben bei Hof (II)

Murasaki verbrachte viel Zeit damit das Genji Monogatari zu schreiben, musste sich aber auch ihren Verpflichtungen bei Hof widmen. Sie musste das Spielen der Koto erlernen, sich im kalligraphischen Schreiben üben und die Kaiserin unterhalten. Sie unterwies die Kaiserin nicht nur in den von Ministern und dem Kaiser empfohlenen Werken, sondern heimlich auch in Sammlungen von Gedichten, in denen Murasaki die Möglichkeit sah, aus der Kaiserin eine Frau mit höchsten moralischen Vorstellungen zu machen, was ihr Vater Michinaga sehr begrüßte. Im Herbst 1008 begann sie das Murasaki Shikibu nikki 紫式部日記, welches ihr Leben bei Hof beschrieb und die Zeit vor und nach der Geburt des Kronprinzen Atsuhira 敦成親王, des späteren Go-Ichijō Tennō 後一条天皇 (1008-1036), behandelte. In ihrem Tagbuch schrieb sie, bis zur Vollendung im Jahre 1010 all ihre Gedanken über Veranstaltungen, und Ereignisse, sowie ihre Meinung über andere Hofdamen nieder.

Es wird angenommen, dass Murasaki im Jahr 1011 den Hof für einige Zeit verließ, da auch sie den Tod eines geliebten Menschen zu verkraften hatte, den ihres Bruders Nobunori. Wann sie wieder an den Hof zurückkehrte und wie ihr weiteres Leben bis zu ihrem Tode verlief, ist unklar.

Literatur

  • Morris, Ivan: Der leuchtende Prinz. Insel Verlag: Frankfurt am Main, 1988.