Expatriate
Ein Expatriate (Plural -s; von englisch expatriate; ; von lateinisch ex ‚aus‘, ‚heraus‘ und patria ‚Vaterland‘), kurz Expat, ist in der Wirtschaft eine Fachkraft, die von dem international tätigen Unternehmen, bei dem sie beschäftigt ist, vorübergehend – meist für ein bis fünf Jahre – an eine ausländische Zweigstelle entsandt wird (Auslandsentsendung).[1][2][3] Wenn die Initiative zum Auslandsaufenthalt nicht von einem Unternehmen, sondern von der jeweiligen Person ausgeht, spricht man wissenschaftlich von selbstinitiierter Expatriation.[4][5] Eine Sonderform sind Führungskräfte, die nicht von einem Unternehmen ihres Heimatlandes entsandt wurden, sondern in ihrem Gastland in lokalen Unternehmen arbeiten.[6][7][8][9]
Arten
Die klassische Definition des Expats bezieht sich auf – zumeist hochqualifizierte – Fachkräfte, die durch ihren Arbeitgeber für begrenzte Zeit ins Ausland entsandt werden, um in Zweigstellen oder ausgelagerten Projekten zu arbeiten. Heutzutage wird der Begriff oft weiter gefasst, weil der Wunsch nach einem Auslandsaufenthalt inzwischen auch einem eher privat motiviertem Interesse an einem Leben in einen neuen Umfeld entsteht und die rein berufliche Motivation in den Hintergrund rückt.[10] Laut einer Umfrage des Expat-Netzwerks geben 21 % der Expatriates an, dass sie auf der Suche nach einer besseren Lebensqualität ins Ausland gegangen sind. 16 % der Expatriates geben an, dass sie von ihrem Arbeitgeber ins Ausland entsendet wurden.[10]
Aspekte des Personalmanagements
Häufigkeit des Phänomens
Mitte der 2000er Jahre wurde geschätzt, dass in den deutschen Großunternehmen zwischen 0,5 % und 1 % der Belegschaft Expatriates sind. Jürgen Bolten geht davon aus, dass die Bedeutung von klassischen langfristigen Entsendungen in Zukunft zugunsten von Kurzzeitentsendungen, Vielfliegern und virtueller Zusammenarbeit nachlassen wird.[3]
Personalauswahl
Grundsätzlich haben Unternehmen mit Niederlassungen im Ausland die Möglichkeit, zwischen vier Besetzungsstrategien zu wählen[11]:
- ethnozentrisch: Es werden v. a. Fachkräfte aus dem Stammhaus in die Niederlassung entsendet.
- polyzentrisch: Stellen in der Niederlassung werden von Einheimischen besetzt. (In diesem Fall liegt keine Entsendung vor.)
- regiozentrisch:Stellen in der Niederlassung werden mit Fachkräften aus bzw. für die Region besetzt. Es gibt zahlreiche Entsendungen zwischen Niederlassungen innerhalb einer Region.
- geozentrisch: Das Unternehmen empfindet sich als globales Unternehmen mit zahlreichen Entsendungen sowohl im Stammhaus als auch in den Niederlassungen.
Dabei sind Mischformen dieser Strategien die Regel. Die Eignung von Personal für eine Entsendung kann durch interkulturelle Assessment-Center festgestellt werden.[12]
Auslandsvorbereitung
Das klassische Instrument für die Auslandsvorbereitung von Expatriates sind Interkulturelle Trainings. In diesen erlernen die Expatriates zumeist im Vorfeld ihrer Entsendung Interkulturelle Kompetenz, Wissen über das Zielland und Möglichkeiten zur Minimierung eines Kulturschocks.
Personalbetreuung während der Entsendung
Mit der Eingliederung von Expatriates an ihrem neuen Wohnort (z. B. melderechtliche Regelungen, Wohnungssuche) befasst sich das Relocation Management. Während des Auslandsaufenthalts bieten Coachings oder Mediationen Möglichkeiten zur Personalbetreuung.[13] Nach einer Untersuchung von Günter Stahl[14] sind ungeklärte Fragen bezüglich der Reintegration / Rückkehr der größte Unsicherheitsfaktor für Expatriates. Des Weiteren klagen Expatriates über (Loyalitäts-)Konflikte zwischen Stammhaus und Niederlassung, Herausforderungen mit der Sprache / Kommunikation im Gastland, fehlende Lebensqualität (v. a. soziale Kontakte), hohen Arbeitsstress (Zeitdruck, Anforderungen, Erwartungen) und Belastungen für den Partner.
Abgrenzung zur Immigration
Der Begriff „Expatriate“ überschneidet sich heute durch die Aufweichung der Definition mit dem Begriff „Immigrant“ oder „Emigrant“, weil Expatriates nicht immer die Absicht haben, das Gastland nach einem kurzer Zeit wieder zu verlassen, sondern mitunter einen dauerhaften Aufenthalt im Zielland anstreben.[15]
Als Abgrenzung zwischen „Expat“ und „Einwanderer“ kann dann der gesellschaftliche Status herangezogen werden: Expats stammen überwiegend aus hochentwickelten Ländern, sind hochqualifiziert und beruflich etabliert und erzielen dadurch hohe und höchste Einkommen, die weit über dem Durchschnitt des Ziellandes liegen können. Einwanderer stammen überwiegend aus Entwicklungs- und Schwellenländern, seltener auch aus weniger entwickelten Industriestaaten, sind - auch bei guter Qualifikation - beruflich nicht etabliert und geben sich im Zielland auch mit unterdurchschnittlichen Einkommen zufrieden, weil dieses immer noch eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation bedeutet.[16][17][18]
Anwerbung und Rückkehrförderung
Mehrere europäische Staaten – so auch Frankreich, Italien, Portugal, die Niederlande und das Vereinigte Königreich, nicht aber Deutschland – werben um einkommensstarke Expatriates, indem sie ihnen für einige Jahre Steuererleichterungen gewähren.[19]
Zu Deutschland siehe auch: Rückkehrförderung#Rückkehr Hochqualifizierter nach Deutschland
Rechtliches
Einige Staaten schränken das Wahlrecht ihrer im Ausland lebenden Staatsbürger ein, in vielen Fällen jedoch nur für diejenigen, die bereits viele Jahre im Ausland leben. Siehe hierzu: Wahlrecht im Herkunftsland.
Siehe auch
Literatur
- Friederike Groeger: Einfluss von Expatriates auf die Organisationsstrukturen deutscher Tochterunternehmen in Russland – eine Untersuchung des Institutionalisierungsprozesses von Personalmanagementpraktiken und Unternehmenskultur. In: CWG-Dialog. Zeitschrift der Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft e. V., Ausgabe 02/2006, S. 1 ff.
- Ruth Stock-Homburg: Personalmanagement: Theorien – Instrumente – Konzepte. 2. Auflage. Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-8349-1986-1.
- Alois Moosmüller: Lebenswelten von ‘Expatriates’. In: Jürgen Straub, Arne Weidemann, Doris Weidemann (Hrsg.): Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kompetenz. Grundbegriffe – Theorien – Anwendungsfelder. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart/ Weimar 2007, ISBN 978-3-476-02189-2, S. 480 ff.
- Reinhold Mauer (Hrsg.): Personaleinsatz im Ausland – Personalmanagement, Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht, Steuerrecht. 2. Auflage. Verlag C. H. Beck, München, 2013, ISBN 978-3-406-63866-4.
Weblinks
- Auslandsentsendung bei kleinen und mittelständischen Unternehmen
- InterNations Organisation für Expats
- „What’s it like?“ Interviews mit Expatriates in Afrika und Asien
Einzelnachweise
- ↑ Unternehmen werben um Expatriates auf: monster.de
- ↑ Grenzerfahrungen III – Arbeiten im Ausland. In: Frankfurter Allgemeine. 3. November 2006, abgerufen am 22. Mai 2018.
- ↑ a b Jürgen Bolten: Einführung in die interkulturelle Wirtschaftskommunikation. V&R, Göttingen 2007, S. 203–205.
- ↑ K. Inkson, M. B. Arthur, J. Pringle, S. Barry: Expatriate Assignment Versus Overseas Experience: Contrasting Models of International Human Resource Development. In: Journal of World Business. 32(4) (1997), S. 351–368.
- ↑ V. Suutari, C. Brewster: Making Their Own Way: International Experience Through Self-Initiated Foreign Assignments. In: Journal of World Business. 35(4) (2000), S. 417–436.
- ↑ Foreign Executives in Local Organisations. 2012, abgerufen am 22. Mai 2018.
- ↑ Frithjof Arp: Typologies: What types of foreign executives are appointed by local organisations and what types of organisations appoint them? In: German Journal of Research in Human Resource Management / Zeitschrift für Personalforschung. 27. Jahrgang, Nr. 3, 2013, S. 167–194, doi:10.1688/1862-0000_ZfP_2013_03_Arp (handle.net).
- ↑ Frithjof Arp: Emerging giants, aspiring multinationals and foreign executives: Leapfrogging, capability building, and competing with developed country multinationals. In: Human Resource Management. 53. Jahrgang, Nr. 6, 2014, S. 851–876, doi:10.1002/hrm.21610.
- ↑ Frithjof Arp, Kate Hutchings, Wendy A. Smith: Foreign executives in local organisations: An exploration of differences to other types of expatriates. In: Journal of Global Mobility. 1. Jahrgang, Nr. 3, 2013, S. 312–335, doi:10.1108/JGM-01-2013-0006 (researchgate.net).
- ↑ a b Expat Insider 2015: 10 Types of Expats That Roam the World. InterNations, abgerufen am 22. Mai 2018.
- ↑ Jürgen Bolten: Einführung in die interkulturelle Wirtschaftskommunikation. V&R, Göttingen 2007, S. 201–202.
- ↑ Jürgen Bolten: Einführung in die interkulturelle Wirtschaftskommunikation. V&R, Göttingen 2007, S. 218–222.
- ↑ Jürgen Bolten: Einführung in die interkulturelle Wirtschaftskommunikation. V&R, Göttingen 2007, S. 223.
- ↑ Günter Stahl: Internationaler Einsatz von Führungskräften. Oldenbourg, München / Wien 1998.
- ↑ You Say “Immigrant,” I Say “Expat”. 25. November 2014, abgerufen am 8. Juli 2016.
- ↑ Expats and immigrants: How we talk about human migration. In: linguistic pulse. 15. März 2015, abgerufen am 8. Juli 2016.
- ↑ Katy Scott: Who’s an expat anyway? Abgerufen am 8. Juli 2016.
- ↑ Mawuna Remarque Koutonin: Why are white people expats when the rest of us are immigrants? In: the Guardian. 13. März 2015, abgerufen am 8. Juli 2016.
- ↑ Claudia Wanner: Mit diesen Tricks buhlen Italien und Frankreich um Brexit-Flüchtlinge. In: Welt. 2. November 2018, abgerufen am 3. März 2019.