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Streit um den Namen Mazedonien

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Der Namensstreit zwischen Mazedonien und Griechenland entzündete sich im Jahre 1991, als sich Mazedonien unter dem Namen „Republik Mazedonien“ konstituierte. Griechenland befürchtete Gebietsansprüche Mazedoniens und verwies auf seine Provinz Makedonien. Zudem beansprucht Griechenland das kulturelle Erbe der historischen Region Makedonien. Der gegenwärtige Status quo ist, dass die Republik Mazedonien im internationalen Verkehr meist die Bezeichnung „the former Yugoslav Republic of Macedonia (F.Y.R.O.M.)“ zu deutsch: „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“ verwendet. Unter diesem Namen wurde die Republik Mazedonien auch von den Vereinten Nationen anerkannt. Verhandlungen über eine endgültige Lösung sind derzeit im Gange.

Im weiteren Text wird Mazedonien (ehemalige Jugoslawische Republik) kurz Mazedonien genannt.

Entwicklung des Konfliktes

Von 1944 bis 1991 gab es innerhalb der SFR Jugoslawien die Teilrepublik Mazedonien. Gegen diese Bezeichnung der südlichsten jugoslawischen Teilrepublik beschwerte sich die damalige griechische Regierung, sowie auch hinsichtlich der militärischen Unterstützung der Kommunisten im griechischen Bürgerkrieg von Seiten Jugoslawiens. Athen verzichtete nach dem Ende des griechischen Bürgerkrieges auf weitere Schritte und strebte eine Lösung des Problems im Rahmen eines vorherigen schrittweisen Wiederaufbaus guter nachbarschaftlicher Beziehungen an.

Die jugoslawischen Gebietsansprüche [1] gegen Nordgriechenland nahmen im griechischen Bürgerkrieg kurz nach der Umbenennung der jugoslawischen Provinz im Jahre 1944, konkrete Formen an. Die kommunistischen (und zum großen Teil slawischen bzw. slawischstämmigen) Rebellen wurden von Tito militärisch, finanziell und logistisch unterstützt.

Als die Teilrepublik Mazedonien 1991 ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien erklärte (Zerfall Jugoslawiens) und historische Namen und Symbole (die Sonne der Stadt Vergina) benutzte, die nach griechischer Auffassung hellenistisch sind, protestierte die griechische Regierung und verweigerte die diplomatische Anerkennung des neuen Landes.

Trotz des Namenskompromisses „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“ war Griechenland wegen der Flagge und wegen eines Artikels der mazedonischen Verfassung, wonach die Republik Mazedonien die "Schirmherrschaft" über alle Mazedonier, ob im In- oder Ausland, übernimmt, weiterhin unzufrieden und verhängte im Februar 1994 eine Handelsblockade. Die Sanktionen wurden 1995 nach Unterzeichnung einer vorübergehenden Übereinkunft aufgehoben, nachdem Mazedonien in seiner Flagge den Stern von Vergina durch eine achtstrahlige, stilisierte Sonne ersetzt hat. Griechenland hat 1995 bei der World Intellectual Property Organization die exklusiven internationalen Urheberrechte für den Stern von Vergina beansprucht [2].

Unter der Obhut der UNO begannen beide Länder Verhandlungen über den endgültigen Namen. Trotz des UNO-Vorschlages für „Republika Mazedonija-Skopje“ lehnen die meisten Griechen die Verwendung des Wortes Mazedonien zur Bezeichnung der Nachbarrepublik ab. Seit der Unabhängigkeit von 1991 nennen sie das Nachbarland umgangssprachlich „Skopje“ und seine Bewohner „Skopjaren“ - nach der Hauptstadt des Landes (Skopje).

Der Antrag von Mazedonien auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union (22. März 2004) öffnet eine neue Gelegenheit für die Beilegung dieses letzten offenen Problems zwischen den beiden Nachbarn. Auf der Sitzung des Stabilisierungs- und Assoziationsrates der EU mit Mazedonien (14. September 2004, Brüssel) hat die EU festgestellt, dass die Namensdifferenzen noch existieren und dazu aufgerufen, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.

Position Griechenlands

Der Stern von Vergina.

Griechenland argumentiert: „Makedonien“ ist ein Name griechischen Ursprungs, der bereits für die nördliche griechische Provinz Makedonien und die Region Makedonien verwendet wird. Slawische Stämme erschienen in der Balkanregion aber erst im frühen Mittelalter (ab dem 6. Jahrhundert n.Chr.) - und die Bewohner der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien seien Slawen. Außerdem umfasse das Staatsgebiet der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik größtenteils kein Gebiet, das zum ursprünglichen historischen Gebiet Makedoniens zählte. In der Antike nannte man dieses Gebiet, in dem auch die Hauptstadt Skopje liegt, Päonien. Die Verwendung des Namens „Mazedonien“ stelle somit eine Usurpation fremder Geschichte und Kultur dar. Dies geschehe aus politischen Gründen, um sich von den benachbarten Bulgaren abzugrenzen und ein identitätsstiftendes Nationalgefühl begründen zu können, das die Grundlage für die Existenz des neuen Staates sein soll (Stichwort: Nationenbildung und Ansippung). Zudem handele es sich bei der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik um einen Vielvölkerstaat (u.a. 25% Albaner, 4% Türken, 3% Roma, 2% Serben), dessen territoriale Einheit es sicherzustellen gilt. Ein weiterer Grund für die historisch nicht haltbare Bezugnahme auf die antiken Mazedonier bzw. Makedonier (damals gab es noch kein "z") und ihren Staat, liege im Alleinvertretungsanspruch, bzw. im Anspruch auf eine politische Vorrangstellung der slawischstämmigen Bevölkerungsgruppe gegenüber den anderen Volksgruppen, der historisch begründet werden soll.

Die slawischen Bewohner dieser Region bezeichneten sich selbst in den vergangenen Jahrhunderten immer als Bulgaren. Dies hat sich erst mit der Verordnung Titos geändert, der der südlichsten Provinz Jugoslawiens Vardarska banovina den Namen „Vardar-Mazedonien“ verlieh. Damit sollten bulgarische Gebietsansprüche auf Südjugoslawien abgewehrt werden und zugleich jugoslawische Gebietsansprüche gegen Nordgriechenland gestützt werden. Zu diesem Zweck sollten die Bewohner der südlichsten Provinz Jugoslawiens eine neue nationale Orientierung erhalten. Die Sprache der slawischen Bevölkerungsmehrheit, wesentliche Grundlage eines Volkes, welche dem Bulgarischen äußerst nahe steht, wurde in „Mazedonisch“ umbenannt. Es habe außerdem eine groß angelegte Geschichtsfälschung nach kommunistischem Muster begonnen. Die verfälschte Geschichte sei in den Schulen unterrichtet worden, mit der Folge, dass die heutigen slawischstämmigen Bewohner ein falsches Bild von ihrer Geschichte haben.

Griechenland sperrt sich auch gegen den Namen „Republik Mazedonien“, weil es mazedonische Gebietsansprüche [1] gegen die gleichnamige nordgriechische Provinz befürchtet.

Da sich die griechischen Makedonier als Makedonier bezeichnen und ebenfalls eine Verwandtschaft mit den historischen Makedonen beanspruchen, könne dieser Name jetzt nicht plötzlich von einer neu geschaffenen Nation verwendet werden, noch dazu ohne historische, ethnische oder sprachliche Grundlage.

Von griechischer Seite wird zudem argumentiert, dass man nicht gegen die Existenz des neuen Staates sei, sondern nur gegen den Namen, den er für sich beansprucht. Griechenland sei an guten nachbarschaftlichen Beziehungen interessiert und bereit, den jungen Staat politisch und wirtschaftlich zu unterstützen.

Argumente der Republik Mazedonien

Plakatmotiv einer mazedonischen Kampagne

Die Bezeichnung „Skopje“ für die Republik Mazedonien wird von den slawischen Mazedoniern als herabwürdigend empfunden.

Mazedonien hat freundschaftliche Beziehungen zum Ausland, fühlt sich aber seit der Unabhängigkeit 1991 zu Unrecht in den Namensstreit mit Griechenland verwickelt.

Die slawischen Mazedonier entwickelten jedoch vor dem 2. Jugoslawien ein mazedonisches Nationalgefühl, spätestens seit dem Ilinden-Aufstand von 1903 und beanspruchen ebenfalls eine Verwandtschaft mit den antiken Makedonen, mit der Begründung, dass diese sich allmählich mit den Slawen seit deren Ankunft auf dem Balkan im 6. Jahrhundert vermengt hatten. Diese These ist jedoch heftig umstritten und wissenschaftlich nicht belegbar.

Die slawischen Mazedonier halten deshalb die Bezeichnung „Fyromer“ (oder „FYROM“ für ihr Land) für äußerst unangemessen.


Standpunkt anderer Staaten und Organisationen

Die Republik Mazedonien wurde von drei (USA, Russland, China) der fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates unter dem Namen "Republik Mazedonien" anerkannt. Auch hat der überwiegende Teil der Staatengemeinschaft das Land unter seinem verfassungsmäßigen Namen anerkannt. Dies gilt allerdings nur für bilaterale Beziehungen zwischen der Republik Mazedonien und dem jeweiligen Land. Die völkerrechtliche Bezeichnung ist nach wie vor "the former Yugoslav Republic of Macedonia" (F.Y.R.O.M.).

Der Weltsicherheitsrat empfahl am 7. April 1993 die Aufnahme Mazedoniens in die UNO und stellte dabei die Existenz des Namensstreites fest.[3] Die Generalversammlung nahm Mazedonien daraufhin am 8. April 1993, der Empfehlung des Sicherheitsrates folgend, unter dem Namen „the former Yugoslav Republic of Macedonia“ („Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“) in die Staatengemeinschaft auf.[4] [5]

Nach der Aufnahme Mazedoniens in die UNO haben auch andere internationale Organisationen diese Namenskonvention übernommen. Darunter die EU, die NATO, das Internationale Olympische Komitee, die Europäische Rundfunkunion, der IWF, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und andere.

Die meisten Diplomaten, die in Mazedonien akkreditiert sind, benutzen die Bezeichnung „the former Yugoslav Republic of Macedonia“, so beispielsweise die Vertreter Deutschlands, Österreichs, Italiens, Spaniens, Finnlands, Portugals, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande, Kanadas, Australiens, Brasiliens, Argentiniens, Ägyptens und andere.

Andererseits haben über 106 Länder Mazedonien unter dem Namen „Republik Mazedonien“ für den bilateralen Verkehr anerkannt. Dazu gehören: die USA (2004), Russland, die Volksrepublik China, die Nachbarländer Bulgarien, Albanien und Serbien, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, die Türkei, die Ukraine, Weißrussland, Estland, Litauen, Iran, Pakistan, die Philippinen, Malaysia und andere.

Aktueller Stand und Lösungsansätze

Bisher wurde keine dauerhafte Einigung über den Namen der Republik erzielt. Im Oktober 2004 haben Griechenland und die Republik Mazedonien beschlossen, ihre Beziehungen zu normalisieren und die Verhandlungen über den Namen des Landes zu intensivieren. Der Staatsname bleibt jedoch Quelle für lokale und internationale Unstimmigkeiten. Die Verwendung des Namens ist weiterhin umstritten.

Aufgrund des anhaltenden Widerstandes von griechischer Seite ist Mazedonien derzeit gezwungen, im internationalen Verkehr stets den Zusatz „Former Yugoslav Republic (FYR)“ („ehemalige jugoslawische Republik“) zu verwenden.

Matthew Nimetz, der UN-Sonderbeauftragte für Mazedonien, hat für offizielle Zwecke den nicht zu übersetzenden Namen „Republika Makedonija–Skopje“ (Република Македонија - Скопје) vorgeschlagen. Griechenland hat diesen Vorschlag abgelehnt, ihn aber als eine Grundlage für weitere konstruktive Verhandlungen bezeichnet. Der mazedonische Premierminister Vlado Buckovski lehnte den Vorschlag ab und unterbreitete den Gegenvorschlag einer Doppelbenennung, wobei die internationale Gemeinschaft den Namen „Republik Mazedonien“ verwendet, während Griechenland und weitere Länder den Namen „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“ verwendet.

Eine internationale Schiedskommission soll demnächst auch den Landesnamensstreit schlichten und hat alternative Staatsbezeichnungen vorgeschlagen: „Vardar-Republik“ – so bezogen auf Mazedoniens wichtigsten und einzigen schiffbaren Fluss und angelehnt an die Verwaltungseinheit Vardarska banovina des Königreiches Jugoslawien – oder „Dardanien“ – bezogen auf das antike Nachbarvolk der antiken Makedonen, die Dardaner, deren Hauptstadt schon damals Skopje gewesen war; oder einfach „Obermazedonien“. Griechenland favorisiert zwar weiterhin „Republik Skopje“ oder „Dardanien“, hat aber auch angedeutet, Vardar-Mazedonien oder „Obermazedonien“ als Kompromiss akzeptieren zu können.

Quellen

  1. a b In eine Belgrader Zeitung veröffentlichte historische Karte, die die von Griechenland befürchteten Gebietsanspüche des damaligen Jugoslaviens und der heutigen Republik Mazedonien illustriert, 26-27. August 1946
  2. [1] Eintragung des Sterns von Vergina bei der World Intellectual Property Organization, 3. Juni 1995
  3. Empfehlung der Aufnahme und Feststellung des Namenskonfliktes in Resolution 817 (pdf) des UN-Sicherheitsrates', 7. April 1993
  4. Anerkennung durch die UN-Generalversammlung: A/RES/47/225 , 8. April 1993
  5. Offizielle Liste der UNO-Mitgliedsstaaten