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Einkommensverteilung in Frankreich

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Die Einkommensverteilung in Frankreich betrachtet die personelle Verteilung der Einkommen in Frankreich. Die personelle Verteilung wird von Eurostat meist auf Basis des verfügbaren Äquivalenzeinkommens gemessen. Im Jahr 2017 betrug der Gini-Koeffizient in Frankreich 0,293, was im Vergleich zu den restlichen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union den 14. Rang bedeutet.[1]

Verteilungsindikatoren

Einkommensbegriff

Das verfügbare Äquivalenzeinkommen ist von anderen Einkommenskonzepten zu unterschieden, wie etwa dem Bruttoeinkommen und den Einkünften. Unter dem verfügbaren Äquivalenzeinkommen wird das Geldeinkommen verstanden, das einzelnen Haushaltsmitgliedern inklusive Transfers und abzüglich von Steuern und Abgaben zur Verfügung steht. Im Zuge der Berechnung wird zuerst das Einkommen eines Haushalts aufsummiert und dann auf die gewichtete Anzahl an Haushaltsmitgliedern aufgeteilt. Diese Gewichtung erfolgt anhand einer Äquivalenzskala.[2] Sofern in diesem Artikel nichts anderes angegeben ist, bezieht sich der Begriff Einkommen stets auf das verfügbare Äquivalenzeinkommen.

Median- und Durchschnittseinkommen

Die Werte zum Median- und Durchschnittseinkommen werden von Eurostat nur auf Basis des Nominaleinkommen ausgewiesen. Bei einer Betrachtung über die Zeit ist jedoch die Inflation zu berücksichtigen, die zu höheren Preisen von Gütern und Dienstleistungen und folglich zu einer schwächeren Kaufkraft führt. Daher wird hier zusätzlich zum Nominaleinkommen das Realeinkommen ausgewiesen, das mittels des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) um die Inflation bereinigt ist.

Im Jahr 2017 betrug der Median des nominellen Einkommens 22.077€, der Durchschnitt 25.613€. Von 2004 bis 2017 haben sowohl der Median als auch der Durchschnitt des realen Einkommens einen deutlichen Zuwachs verzeichnet. So ist das reale Medianeinkommen von 2004 bis 2017 von rund 17.961€ auf 21.757€ gestiegen.[3] Das reale Durchschnittseinkommen hat über die gleiche Periode einen noch deutlicheren Zuwachs verzeichnet. Es liegt zudem deutlich über dem Medianeinkommen. Dies bedeutet, dass eine rechtsschiefe und damit eine ungleiche Einkommensverteilung vorliegt.

Tabelle 1: Verfügbares Äquivalenzeinkommen in Frankreich von 2008-2017, in Euro
Jahr Durchschnitt, nominell [4] Median, nominell [5] HVPI [6] Durchschnitt, real mit Basisjahr 2015 [A 1] Median, real mit Basisjahr 2015 [A 1]
2008 22.462 18.899 92,34 24.325 20.467
2009 23.191 19.644 92,44 25.088 21.251
2010 23.421 19.960 94,05 24.903 21.223
2011 23.882 19.995 96,20 24.825 20.785
2012 24.499 20.603 98,33 24.915 20.953
2013 24.713 20.924 99,31 24.885 21.069
2014 24.612 21.199 99,91 24.634 21.218
2015 24.982 21.415 100,00 24.982 21.415
2016 25.278 21.713 100,31 25.200 21.646
2017 25.613 22.077 101,47 25.242 21.757
  1. a b Um das reale Einkommen zu erhalten, wird das nominelle Einkommen mittels des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) von der Inflation bereinigt: Einkommen nominell / HVPI * 100

Gini-Koeffizient

Der Gini-Koeffizient ist der am häufigsten verwendete Indikator zur Darstellung von Ungleichverteilungen.[7] Er drückt aus, wie weit die Einkommensverteilung eines Landes von einer perfekt gleichen Verteilung abweicht. Grundsätzlich kann er Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei 0 eine vollkommen gleiche Verteilung wiedergibt; 1 eine vollkommen ungleiche Verteilung.[8] Ein Nachteil des Gini- Koeffizienten ist, dass er auf Veränderungen in der Mitte der Verteilung deutlich stärker reagiert als auf Veränderungen an den Rändern der Verteilung.[7]

In Frankreich ist der Gini-Koeffizient von 2008 bis 2017 von 0,298 auf 0,293 gesunken.[1] Der größte Anstieg des Index - und damit der Einkommensungleichheit - erfolgte während der Weltfinanzkrise von 2008 bis 2011. Daraufhin ist der Gini-Koeffizient in Frankreich wieder abgesunken. Von 2014 bis 2017 blieb er weitgehend stabil, wie in der Grafik zu sehen ist.

Im Jahr 2017 lag der Gini-Koeffizient unter dem gewichteten Durchschnitt der Eutopäischen Union von 0,307.[1] Im Vergleich zu den Gini-Koeffizienten der restlichen EU-Mitgliedsstaaten befand sich Frankreich im Jahr 2017 an 14. Stelle und damit im Mittelfeld.

Der Gini-Index des verfügbaren Einkommens ist hier im Zeitverlauf von 2008 bis 2017 abgebildet.


S80/S20-Quintilverhältnis

Das S80/S20 Quintilverhältnis gibt an, um welchen Faktor man das Einkommen der ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung multiplizieren muss, um das Einkommen der reichsten 20 Prozent zu erhalten. Der Fokus dieses Indikators liegt also, im Kontrast zum Gini-Koeffizienten, auf den beiden äußeren Rändern der Einkommensverteilung.[9]

Wie auch der Gini-Koeffizient stieg das S80/S20-Quintilverhältnis im Zuge der Weltwirtschaftskrise an: Im Jahr 2008 belief sich die Maßzahl auf 4,4; im Jahr 2011 betrug sie 4,6. Bis 2017 ist das Quintilsverhältnis hingegen wieder auf einen Wert von 4,4 gefallen.[10] Das bedeutet, dass 2017 die reichsten 20 Prozent über mehr als vier Mal so viel Einkommen verfügten wie die ärmsten 20 Prozent. Auch auf Basis dieser Maßzahl liegt Frankreichs Einkommensungleichheit unter dem gewichteten EU-Durchschnitt, der sich auf 5,1 beläuft.[10]

Top 10%-Anteil

Diese Maßzahl drückt aus, welcher Anteil des Gesamteinkommens den bestverdienenden 10 Prozent der Gesamtbevölkerung zufließt. Von 2008 bis 2011 stieg dieser Wert von 25,2% auf 25,9% an. Anschließend sank er wieder ab, 2017 belief er sich auf 24,5%.[11] Damit verfügten 2017 die 10 Prozent der Bevölkerung Frankreichs mit den höchsten Einkommen über 24,5% des Gesamteinkommens. Im gleichen Jahr belief sich der gewichtete EU-Durchschnitt des Top 10%-Anteils auf 23,9%.[11]

Rückschlüsse über die Entwicklung der Top-Einkommen ab 1900 ermöglicht zudem der umfangreiche Datensatz der World Inequality Database. Demnach ist der Anteil der reichsten 10 Prozent am Gesamteinkommen seit den 1980er-Jahren stark angestiegen. Von 2008 bis 2013 fiel der Anteil der Top 10% zwar etwas, er verblieb 2014 jedoch auf einem höheren Niveau als zu Beginn der 1980er-Jahre. Der Top 5%-Anteil stieg von 1983 bis 2014 deutlich an. Das ist nicht nur auf Zuwächse des Kapitaleinkommens zurückzuführen, sondern ebenso auf einen Anstieg des Arbeitseinkommens. Den größten Zugewinn verzeichnete der Top 1%-Anteil: Er ist von 1983 bis 2007 von rund 8% auf mehr als 12% gestiegen, was einem Zuwachs von mehr als 50% entspricht. Als Gründe für diese Entwicklung wird etwa die sinkende Einflussnahme von Gewerkschaften genannt. Auch die Zunahme der Vermögenskonzentration dürfte dazu beigetragen haben.[12]


Armutsgefährdungsquote

Die Armutsentwickung kann als Unterkategorie der Einkommensverteilung verstanden werden: Während sich erstere auf das ganze Ausmaß der Verteilung bezieht, beschränken sich Armutsindikatoren auf den untersten Anteil der Einkommensverteilung.[13]

Die Armutsgefährdungsquote drückt aus, welcher Anteil der Bevölkerung aufgrund seines relativ geringen Einkommens von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht ist. Konkret umfasst er alle Personen der Bevölkerung, die in Privathaushalten leben und zumindest 18 Jahre alt sind. Als armutsgefährdet gilt, dessen Äquivalenzeinkommen weniger als 60% des Medianeinkommens beträgt. Der Indikator berücksichtigt also keine Sacheinkommen. Er hängt zudem direkt vom Medianeinkommen eines Landes ab. Folglich weist die Armutsgefährdungsquote häufig, aber nicht zwingend, auf einen niedrigen Lebensstandard hin.[14]


Im Jahr 2017 galten in Frankreich 13,3% der Bevölkerung als armutsgefährdet.[15] Damit liegt Frankreich deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 16,9. Auffallend ist, dass die Quote von 2008 bis 2012 um 1,6 Prozentpunkte angestiegen ist. Im Jahr 2012 erreichte die Armutsgefährdungsquote 14,1% und damit den Höchstwert seit 2001. Dieser deutliche Anstieg dürfte mit der Weltfinanzkrise in Zusammenhang stehen, die zu rückläufigem Wirtschaftswachstum in Frankreich beitrug.

Die Entwicklung der Armutsgefährdungsquote in Frankreich nach Geschlecht ist hier von 2008 bis 2017 abgebildet.


Die Aufspaltung der Armutsgefährdungsquote nach Geschlecht ermöglicht eine getrennte Betrachtung ob Männer oder Frauen stärker von Armut bedroht sind. Im Jahr 2008 waren 13,3% der Frauen und 11,7% der Männer in Frankreich armutsgefährdet. Auch hier zeigt sich der stärkste Anstieg von 2008 bis 2012, sodass im Jahr 2012 14,6% der Frauen und 13,6% der Männer als armutsgefährdet eingestuft wurden. Im Jahr 2017 galten hingegen 13,6% der Frauen und 12,9% der Männer als armutsgefährdet. Von 2008 bis 2017 zeigt sich durchgehend, dass Frauen durchschnittlich stärker von Armut bedroht sind als Männer.[15]


Hintergründe

Die Entwicklung der Einkommensverteilung kann auf diverse Faktoren zurückgeführt werden, wie etwa auf gesamtwirtschaftliche, politische, demographische und institutionelle Veränderungen. Im Falle Frankreichs wirkte sich etwa die Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich auf die Verteilung der Einkommen aus. Auch der steigende Anteil alleinerziehender Personen an der Gesamtbevölkerung und die Alterung der Bevölkerung dürften sich auf die Einkommensungleichheit ausgewirkt haben.[16]

Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise geriet Frankreich in eine Rezession. Das reale Bruttoinlandsprodukt sank von + 2,34% in 2007 auf - 2.9% in 2009 und brach damit innerhalb von zwei Jahren um mehr als 5 Prozentpunkte ein.[17] Daraufhin stieg der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt im EU-Vergleich relativ stark an. Zur Finanzierung dieses Defizits wurden folglich die Steuern erhöht. So wurden etwa 2012 die vorhandenen fünf Einkommenssteuerklassen um eine sechste Klasse erweitert. Der Grenzsteuersatz für Jahreseinkommen von mehr als 150.000€ wurde von 40% auf 45% angehoben; zusätzlich wurde ein Spitzensteuersatz von 75% für Jahreseinkommen ab einer Million beschlossen. Letzterer war allerdings bloß 2013 und 2014 in Kraft.[18]

Am Arbeitsmarkt stieg die Beschäftigungsrate während und nach der Weltwirtschaftskrise unter der älteren Bevölkerung weiter an. Unter der jüngeren Bevölkerung hingegen sank die Beschäftigungsrate ab. Die Erhöhung des Pensionsantrittsalters im Jahr 2010 dürfte zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Arbeitsrechtliche Bestimmungen erschwerten es den Arbeitgebern zudem, während der Krise die Löhne zu senken oder Arbeitnehmer zu kündigen. Folglich wurden Arbeitnehmer geschützt, während Arbeitssuchenden der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert wurde. Da Arbeitssuchende durchschnittlich jünger sind als Arbeitnehmer, vergrößerten diese Faktoren die Einkommensungleichheit zwischen den Altersklassen.[18]

Literaturverzeichnis

Antoine Bozio et al.: European Public Finances and the Great Recession: France, Germany, Ireland, Italy, Spain and the United Kingdom Compared. Hrsg.: Fiscal Studies. 4. Auflage. Nr. 36. Institute for Fiscal Studies, 2015, S. 405–30.

Nicolas Frémeaux, Thomas Piketty: France: How Taxation Can Increase Inequality. In: Brian Nolan et al (Hrsg.): Changing inequalities and societal impacts in rich countries. Oxford University Press, 2014, S. 248–270.

Bertrand Garbinti, Jonathan Goupille-Lebret, Thomas Piketty: Income Inequality in France, 1900-2014: Evidence from Distributional National Accounts (DiNA). Hrsg.: Journal of Public Economics. Nr. 162. Elsevier, 2018, 63–77.

Joseph Gastwirth: Is the Gini Index of Inequality Overly Sensitive to Changes in the Middle of the Income Distribution? Hrsg.: Statistics and Public Policy. 4. Auflage. Nr. 1. American Statistical Association, 2017, S. 1–11.

Elena Karagiannaki: The Empirical Relationship Between Income Poverty and Income Inequality in Rich and Middle Income Countries. Hrsg.: London School of Economics. 2017.

Thomas Piketty, Emmanuel Saez, Stefanie Stantcheva: Optimal Taxation of Top Labor Incomes: A Tale of Three Elasticities. Hrsg.: American Economic Journal: Economic Policy. 6. Auflage. Nr. 1. American Economic Association, 2014, S. 230–71.

https://ec.europa.eu/eurostat/data/database Homepage des statistischen Amts der EU (Eurostat)

http://www.oecd.org/france/ Kennzahlen und Indikatoren der OECD über die wirtschaftliche und soziale Lage Frankreichs (englisch)

https://wid.world/ Kennzahlen und Indikatoren der World Inequality Database zur Einkommens- und Vermögensverteilung (englisch)

Einzelnachweise


  1. a b c Eurostat: Gini-Koeffizient des verfügbaren Äquivalenzeinkommens Quelle: SILC. Abgerufen am 19. Januar 2019.
  2. Eurostat: Glossar:Verfügbares Äquivalenzeinkommen. Abgerufen am 19. Januar 2019.
  3. Eurostat: Mean and median income by household type - EU-SILC survey. Abgerufen am 27. Januar 2019.
  4. Eurostat Database: Mean and median income by household type - EU-SILC survey. Abgerufen am 18. Januar 2019.
  5. Eurostat Database: Mean and median income by household type - EU-SILC survey. Abgerufen am 18. Januar 2019.
  6. Eurostat Database: HVPI (2015 = 100) - Jährliche Daten (Durchschnittsindex und Veränderungsrate). Abgerufen am 18. Januar 2019.
  7. a b Joseph Gastwirth: Is the Gini Index of Inequality Overly Sensitive to Changes in the Middle of the Income Distribution? Hrsg.: Statistics and Public Policy. 4. Auflage. Nr. 1. American Statistical Association, 2017, S. 1–11.
  8. OECD: Income inequality. Abgerufen am 27. Januar 2019.
  9. Eurostat: Glossary:Income quintile share ratio. Abgerufen am 27. Januar 2019.
  10. a b Eurostat: S80/S20 Einkommensquintilverhältnis nach Geschlecht und nach Altersklassen - EU-SILC Erhebung. Abgerufen am 27. Januar 2019.
  11. a b Eurostat: http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/submitViewTableAction.do. Abgerufen am 27. Januar 2019.
  12. Bertrand Garbintia, Jonathan Goupille-Lebretb, Thomas Piketty: Income inequality in France, 1900–2014: Evidence from Distributional National Accounts (DINA). Hrsg.: Journal of Public Economics. Nr. 162. Elsevier, 2018, S. 63–77.
  13. Elena Karagiannaki: The Empirical Relationship Between Income Poverty and Income Inequality in Rich and Middle Income Countries. Hrsg.: London School of Economics. 2017.
  14. Eurostat: Glossar:Armutsgefährdungsquote. Abgerufen am 19. Januar 2019.
  15. a b Eurostat: At-risk-of-poverty rate by poverty threshold, age and sex - EU-SILC survey. Abgerufen am 19. Januar 2019.
  16. Nicolas Frémeaux, Thomas Piketty: France: How Taxation Can Increase Inequality. In: Brian Nolan et al (Hrsg.): Changing Inequalities and societal impacts in rich countries. Oxford University Press, 2014, S. 248–270.
  17. Eurostat: Real GDP growth rate - volume. Abgerufen am 27. Januar 2019.
  18. a b Antoine Bozio et al.: European Public Finances and the Great Recession: France, Germany, Ireland, Italy, Spain and the United Kingdom Compared. Hrsg.: Fiscal Studies. 4. Auflage. Nr. 36. Institute for Fiscal Studies, 2015, S. 405–30.