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Pierre Martin Ngô Đình Thục

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Pierre Martin Ngô Đình Thục (* 6. Oktober 1897 in Phu-Cam; † 13. Dezember 1984) war katholischer Erzbischof von Huế in Vietnam und einer der bekanntesten Vertreter des Sedisvakantismus.

Sein Name kombiniert westliche Namenstradition (Pierre Martin als Vornamen vor dem Familiennamen Ngô) mit der vietnamesischen (Đình Thục als persönliche Namen hinter dem Familiennamen).

Sein jüngerer Brüder war Ngô Đình Diệm, Präsident von Südvietnam.

Leben

Ausbildung und Tätigkeit in Vietnam

Im Alter von 12 Jahren trat Thuc in das Vorbereitungsseminar von An Ninh ein, in dem er acht Jahre verbrachte. Danach studierte er Philosophie am Seminar von Huế und wurde am 20. Dezember 1925 zum Priester geweiht. Nach einem kurzen Lehraufenthalt in Paris studierte Thuc bis 1927 an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, wo er Doktorate in Philosophie, Theologie und Kirchenrecht erwarb.

Am 8. Januar 1938 wurde er zum Apostolischen Vikar von Vinh Long und Titularbischof von Saesina ernannt und am 4. Mai vom apostolischen Delegaten für Indochina, Antonio Drapier O.P. als Hauptkonsekrator, zum Bischof geweiht. Co-Konsekratoren waren der apostolische Vikar von Saigon, Isidore Marie Joseph Dumortier, sowie der apostolische Vikar von Bui Chu, Domingo Ho Ngoc Cân.

Am 15. März 1938 erteilte ihm Papst Pius XI. "außerordentliche Vollmacht" mit folgendem Dokument:

Plenitudine postestatis Sanctæ Sedis Apostolicæ deputamus in Nostrum Legatum Petrum Martinum Ngô-Dinh-Thuc Episcopum titularem Sæsinensem ad fines Nobis notos, cum omnibus necessariis facultatibus.
(In der Vollgewalt des Heiligen Apostolischen Stuhles erteilen wir Unserem Legaten Petrus Martinus Ngô-Dinh-Thuc Titularbischof von Sæsina innerhalb der Uns bekannten Grenzen alle notwendigen Befugnisse).

Hierdurch wurde Thuc insbesondere ermächtigt, gegebenenfalls Bischöfe ohne vorherige Konsultation des Heiligen Stuhles zu ernennen und zu weihen. Diese außerordentliche Vollmacht wurde von den Nachfolgern Pius' XI. nie widerrufen (dies ist insbes. für die Beurteilung der Frage, ob die späteren Bischofsweihen durch Thuc zulässig waren [s.u.], von Bedeutung).

Papst Johannes XXIII. erhob am 24. November 1960 das bisherige apostolische Vikariat Hue zum Erzbistum und ernannte Thuc zum ersten Erzbischof. Im Verlauf der dritten Sitzungsperiode des zweiten vatikanischen Konzils wurde am 30. September 1964 der von ihm 1961geweihte Bischof von Cần Thơ, Philippe Nguyễn Kim Diên zum Titular-Erzbischof von Parium ernannt und ihm als Koadjutor beigestellt.

Der Weg zum Sedisvakantismus

Mit den Änderungen des Konzils nicht einverstanden, trat Thuc am 17. Februar 1968 als Erzbischof von Huế zurück. Durch die geänderte politische Situation in Vietnam (Vietnamkrieg) war eine Rückkahr in seine Heimat ausgeschlossen. Papst Paul VI. ernannte Erzbischof Thuc am Tag seines Rücktrittes zum Titularerzbischof von Bulla Regia. Aus traditionalistischen Kreisen wird die Vermutung geäußert, dass der Rücktritt nicht freiwillig geschah, sondern vom Vatikan im Hinblick auf eine geplante Neuordnung der vietnamesischen Hierarchie forciert wurde.

Erzbischof Thuc lebte während der folgenden Jahre in sehr ärmlichen Verhältnissen, zunächst in Italien, dann Frankreich im Exil, und kam dort auf Vermittlung des Priesters Maurice Revaz mit der marianisch-traditionalistischen Palmar de Troya-Gruppe um Clemente Domínguez y Gómez in Kontakt. Revaz war bis zu seiner Entscheidung für die Gruppe um Domínguez y Gómez als Professor für Kirchenrecht im Seminar der Priesterbruderschaft St. Pius X. von Erzbischof Marcel Lefebvre tätig. Diese Tätigkeit musste er wegen seiner Unterstützung für Palmar de Troya aufgeben, da Lefebvre selbst stets überzeugter Gegner vieler neuerer „Erscheinungen“ war und vor solchen warnte.

Erzbischof Ngô Đình Thục konsekrierte am 11. Januar 1976 den Laien Clemente Domínguez y Gómez und vier seiner Anhänger (darunter zwei ältere Diözesanpriester, ein Benediktiner Pater, und ein Laie) zu Bischöfen, woraufhin Thuc sich die Exkommunikation latae sententiae zuzog. Spätestens nachdem die Gruppe um Domínguez y Gómez 1978 diesen zum Papst erklärten, brach Erzbischof Thuc alle Kontakte zu der Gruppe ab und erklärte öffentlich, dass es sich bei den „Visionen“ von Clemente Domínguez y Gómez um falsche Erscheinungen gehandelt habe. Kurzfristig schien es zu einer Annäherung mit dem Vatikan zu kommen, denn 1977 hatte Paul VI. die Exkommunikation von Thuc aufgehoben und ihn von kirchlichen Strafen absolviert, doch scheiterte diese letztlich an den offensichtlich unüberbrückbaren Differenzen in theologischen Fragen über die Zulässigkeit der postkonziliaren Änderungen in Lehre und Liturgie.

Thuc zog nach Toulon, wo er in der Kathedrale Beichtvater war. Später vollzog er dort aber weiterhin vom Vatikan nicht genehmigte Bischofsweihen:

Einige weitere Bischofskonsekrationen werden zwar behauptet, haben jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht stattgefunden.

Am Tag der Weihe von Datessen veröffentlichte Ngô in München eine „Erklärung“, in der er die Vakanz des heiligen Stuhles proklamierte und Johannes Paul II. als illegitimen Papst bezeichnete.

Auf Einladung von Bischof Louis Vezelis OFM reiste Thuc Ende 1982 in die Vereinigten Staaten, wo er am 13. Dezember 1984 unter ungeklärten Umständen verstarb. Seitens des Vatikans wurde in einer Pressemitteilung zu seinem Tod erklärt, dass Erzbischof Thuc am Ende seines Lebens seiner sedisvakantistischen Position abgeschworen habe. Dies bleibt aus den Umständen der Veröffentlichung und bei Analyse des Inhaltes des (angeblichen) schriftlichen Widerrufes jedoch zweifelhaft.

Zur Gültigkeit der Bischofsweihen

Seitens der vatikanischen Behörden wurde gegenüber Erzbischof Thuc einerseits die Tatstrafe der Exkommunikation ausgesprochen (welche die schuldhafte Begehung der Tat voraussetzt), andererseits in (halboffiziellen) Stellungnahmen einiger Personen die Bischofsweihen nicht als bloß „unerlaubt“, sondern sogar als möglich „ungültig“ bezeichnet wurden, da Erzbischof Thuc als Konsekrator non compos mentis (also: nicht im Besitz seiner geistigen Kräfte) gewesen sei und daher mangels Zurechnungsfähigkeit das Sakrament nicht gültig gespendet werden konnte. Wenn dies zuträfe, wäre allerdings einer Exkommunikation die Grundlage entzogen.

Da bislang kein in der Weihelinie von Erzbischof Thuc stehender Bischof oder Priester um die Aufnahme als solcher in den Klerus der (vatikantreuen) römisch-katholischen Kirche angesucht hat, sondern etwaige Wiedereintritte nur in den Laienstand erfolgten, ist die Frage der Gültigkeit noch keiner definitiven Entscheidung zugeführt worden.

Es sind allerdings einige Fälle bekanntgeworden, in denen an einer Annäherung an den Vatikan interessierte Geistliche in katholischen Kirchen zur (Kon-)Zelebration zugelassen wurden (z.B. Bischof Athanasius Seiwert-Fleige, von welchem eine Konzelebration mit Johannes Paul II. auf dem Petersplatz bekannt ist). Dies wäre ein starker Indiz dafür, dass die prinzipielle Gültigkeit der Weihe offenbar auch vom Vatikan anerkannt wird.

Die offiziellen Organe des Vatikans haben auch immer die Gültigkeit betont, wie zum Beispiel aus Aussagen der päpstlichen Nuntiatur in Washington D.C. klar hervorgeht. [1]

Der Vorwurf, Erzbischof Thuc sei im Zeitpunkt der jeweiligen Weihespendungen non compos mentis gewesen, ist letztlich schon deshalb kaum haltbar, da sich es sich diesfalls um eine jahrelange (1976 – 1982) Geistesstörung hätte handeln müssen, welche jedoch in den Berichten Bekannter und auch anderer Augenzeugen keine Stütze finden. Auch ist wenigstens im Falle eines bekannt kritischen Gelehrten (u.a. Professor an der Römischen Lateranuniversität und päpstlicher Berater zum Dogma von 1950) wie P. Guérard des Lauriers mit Sicherheit anzunehmen, dass dieser, der seine Konsekration durch Erzbischof Thuc erst nach langem Zögern und intensiven Vorgesprächen erteilen ließ, einer Weihe durch einen irgendwie erkennbar „unzurechnungsfähigen“ Spender mit Sicherheit nicht zugestimmt hätte. Die nach dem Ableben von Thuc publizierten Berichte über dessen angebliche Senilität betreffen zudem nur seine letzten Monate, in welchen er allerdings keine Weihen vornahm.