Indigo
Strukturformel | ||||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||||
Name | Indigo | |||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C16H10N2O2 | |||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
dunkelblauer, geruchloser kristalliner Feststoff[1] | |||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||
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Eigenschaften | ||||||||||||||||
Molare Masse | 262,27 g·mol−1 | |||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest | |||||||||||||||
Schmelzpunkt | ||||||||||||||||
Löslichkeit | ||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||
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Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). |
Indigo (von griech. indikón ‚das Indische‘, nach der Heimat Ostindien) ist ein tiefblaues Pigment und namensgebend für seinen Farbton Indigo. Am ehesten lässt er sich als der letzte erkennbare Blauton, bevor es in ein bläuliches Violett übergeht, umschreiben. Indigo ist im Colour Index als Pigment unter der Bezeichnung C.I. Pigment Blue 66 und als Küpenfarbstoff unter C.I. Vat Blue 1 geführt.
Vorkommen und Gewinnung



Indigo kann aus der indischen Indigopflanze oder dem bereits in der Antike in Europa eingebürgerten Färberwaid gewonnen werden. Die Gewinnung aus der Indigopflanze lässt sich bis ins Altertum nachweisen. Bereits in vorchristlicher Zeit finden sich Indigofera-Arten in Indien, Ostasien und Ägypten. Plinius beschrieb die Herkunft der Farbe aus Indien. In Europa war der Farbstoff aus der Indigo-Pflanze bis zum 12. Jahrhundert selten, er wurde in kleinen Mengen über Syrien und Alexandria aus Indien importiert.[5] Auch der Färberwaid wurde im Mittelmeerraum und Westeuropa bereits in der Antike zum Färben genutzt. Im Mittelalter kannte man in Europa keinen anderen blauen Farbstoff[6] als Indigo. Vom 12. bis zum 17. Jahrhundert wurde Färberwaid in Thüringen angebaut, wobei nach Schätzungen ungefähr 3750 ha mit der Pflanze bestellt waren. Der aus dem Waid gewonnene Brei wurde zu Waidkugeln getrocknet und nach Bedarf, vorwiegend in den Wintermonaten, mit Urin angefeuchtet und nach Zugabe von Pottasche vergoren. 300 kg Pflanzenmaterial lieferten etwa 1 bis 1,5 kg Indigo. Die Indigofera-Pflanze in Indien lieferte die dreißigfache Farbstoffmenge im Vergleich zu Färberwaid, so dass der Anbau in Europa im 17. Jahrhundert unrentabel wurde.[7] Als Ersatz für Indigo wurde von amerikanischen Siedlern der Bastardindigo (Amorpha fruticosa) für das Blaufärben benutzt. Heute wird Indigo noch in Brasilien und El Salvador kultiviert. Man nutzt die farbstoffreichen Arten Indigofera arrecta und I. sumatrana.
Färbevorgang
Die Pflanzen enthalten kein Indigo, sondern Indican, das zunächst durch Gärung in Indoxyl umgewandelt werden muss. Durch anschließende Oxidation an der Luft entsteht aus dem gelben Indoxyl der blaue Indigo, diese Arbeitsgänge entsprechen der Küpenfärberei.
Synthese


1879 gelang dem deutschen Chemiker Adolf von Baeyer die vollsynthetische Herstellung von Indigo aus Isatin.[8] Von Baeyer entwickelte zwischen 1880 und 1882 in Zusammenarbeit mit Viggo Beutner Drewsen weitere Syntheserouten für Indigo über Zimtsäure und o-Nitrobenzaldehyd. Ein Vorprodukt, die o-Nitrophenylpropiolsäure, ließ sich direkt auf der Textilfaser zu Indigo reduzieren.[9] Die BASF errichtete schon 1881 eine kleine Produktion vom „Kleinen Indigo“. Der wirtschaftliche Erfolg blieb jedoch aus, die Produktion wurde eingestellt.
Im Jahr 1890 entwickelte der Zürcher Chemiker Karl Heumann eine neue Syntheseroute ausgehend von N-Phenylglycin (1. Heumann-Synthese). Der Chemiekonzern BASF und die Hoechst AG patentierten und entwickelten das Verfahren weiter. Die Versuchsreihe mit Phenylglycin wurde von der BASF im Jahr 1893 wieder eingestellt, da die Indigoausbeute sehr niedrig war.[9] Ein guter Ansatz war jedoch mit Phenylglycin-o-carbonsäure möglich (2. Heumann-Synthese).[10] Die BASF wandelte das bei der Teerfarbstoffindustrie in großen Mengen anfallende Naphthalin über Phthalsäure in Anthranilsäure zu Indigo um. Ab 1897 wurde synthetischer Indigo großtechnisch nach dem genannten Verfahren von der BASF hergestellt und vermarktet.[8]
1901 war es bei Hoechst mit einem Verfahren von Johannes Pfleger gelungen, aus N-Phenylglycin mittels Natriumamid und einer Alkalischmelze Indigo in hohen Ausbeuten zu erhalten (Heumann-Pfleger-Synthese):

1904 schlossen BASF und die Farbwerke Hoechst die „Indigo-Konvention“.[11]
Ab 1904 wurde bei BASF ein sehr viel einfacheres Verfahren über Anilin und Ethylenchlorhydrin entwickelt, dabei entsteht 2-Anilinoethanol, das sich unter Baseneinfluss und höheren Temperaturen bei befriedigenden Ausbeuten zu Indoxyl umwandelt.[12]
Die synthetische Herstellung von Indigo verdrängte völlig die mühsame Gewinnung aus Pflanzenmaterial. Die Vorteile der synthetischen Indigogewinnung sprechen für sich: farbkräftigere Ergebnisse, eine leichtere Dosierung, keine Ernteabhängigkeit und keine wechselnden Farbqualitäten.
Ab dem Jahr 1924 basierte die Indigosynthese auf Phenylglycinnitril, das aus Anilin hergestellt wurde.[9] In allen Fällen entsteht Indoxyl, das durch Luftsauerstoff zu Indigo oxidiert.
Eigenschaften

Indigo selbst ist fast wasserunlöslich und muss vor dem Färben durch Reduktion in das wasserlösliche Indigoweiß (Leuko-Indigo) umgewandelt werden. Nach dem Färben entsteht durch Oxidation wieder Indigo. Diesen Vorgang, der so auch bei anderen Textilfarbstoffen angewandt wird, bezeichnet man als Küpenfärberei. Früher wurden zur Oxidation des Farbstoffs die Stoffe auf einer Wiese in die Sonne gelegt, wo das Indigo durch eine Rasenbleiche oxidiert wurde. In Verbindung mit der Vorstellung, dass die Färber während dieses Trocknungsvorganges nichts zu tun gehabt hätten, ist die These aufgekommen, dass hieraus der umgangssprachliche Ausdruck blau machen für „Nichtstun, seiner Arbeit fernbleiben“ entstanden sei, für den in der sprachwissenschaftlichen Literatur jedoch andere Herkunftserklärungen angeboten werden.

Beim Färben von Textilien mit Indigo kann man auch grüne Farbtöne erzielen. Dies wird durch eine Überfärbung mit Reseda (Färberwau) erreicht.
Indigo besitzt einen recht hohen Schmelzpunkt (ca. 300 °C) und ist schlecht löslich. Dies begründet sich darin, dass Indigo im festen Zustand ein Wasserstoffbrücken-Polymer bildet.[13] Röntgenstrukturanalysen haben gezeigt, dass dabei jedes Indigomolekül an vier umgebende Moleküle gebunden ist.[14]
Indigoide Farbstoffe

Indigoide Farbstoffe sind strukturell dem Indigo verwandte Stoffe:
- Indirubin, ein rotvioletter, zum Indigo strukturisomerer Farbstoff
- Indigokarmin (5,5′-Indigodisulfonsäure-Dinatriumsalz)
- Purpur (6,6′-Dibromindigo)
Ein Abbauprodukt des Indigo ist Isatin.
Name | Grundstruktur | X | λmax (nm) (in Ethanol)[15] |
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Indigo | ![]() |
NH | 606 |
Selenindigo | Se | 562 | |
Thioindigo | S | 543 | |
Oxindigo | O | 432 |
Verwendung
Die Maya stellten das rituell verwendete Pigment Maya-Blau aus dem Mineral Palygorskit und Indigo her.
Um 1900 gab es für Indigo einen riesigen Markt. Es wurden Waffenröcke, Matrosenuniformen und die blaue Arbeitskleidung der Arbeiter mit diesem Farbstoff gefärbt.
Während der natürliche Indigo nur noch einen geringen Marktanteil besitzt, ist der künstliche Indigo ein wichtiger Farbstoff für die von Levi Strauss im Jahre 1873 erfundenen Jeans. In der Textilindustrie ist der synthetisch hergestellte Indigo als Küpenfarbstoff weit verbreitet.[16][17] Größtenteils wird Indigo zum Färben von Denim-Stoffen benötigt.
Für den technischen Einsatzbereich lässt sich Indigo in Form dünner organischer Filme für den Bau von Solarzellen verwenden.[18] Forschungen haben gezeigt, dass Indigo in Feldeffekttransistoren eingesetzt werden kann. Ein dünner Film aus teilkristallinem Indigo ist ein Halbleiter mit einer Bandlücke von 1,7 eV und damit ein potentielles Material für die organische Elektronik.[19][20]
Indigo wurde eher selten und nur bis etwa zum Ende des 17. Jahrhunderts auch in der Ölmalerei verwendet.[21] Eines der berühmtesten Beispiele ist Vermeers Werk "Christus bei Maria und Martha", bei dem sowohl der blaue Mantel Christi als auch der Rock von Maria mit Indigo gemalt sind.[22]
Literatur
- Jenny Balfour-Paul: Indigo. British Museum Press, London 1998, ISBN 0-7141-1776-5.
- Frits Cowan: Indigo. Natuurlijk Blauw. Tropenmuseum, Amsterdam 1985, ISBN 90-6832-200-1 (Katalog der gleichnamigen Ausstellung, 18. Dezember 1985 bis 6. April 1986, niederländisch, OCLC 65122687).
- Rolf Gelius: Zur Geschichte des europäischen Waidindigos. In: NTM 17, 1980, S. 65–83.
- Frederik H. Gerber: Indigo and the Antiquity of Dyeing. Selbstverlag, Ormond-Beach, FL 1977, OCLC 3294330.
- Renate Kaiser-Alexnat: Indigo. Der König der Farbstoffe. In: Südostasien Magazin, Bd. 3 (2008), S. 110–121, (PDF; 3,3 MB) (Sonderdruck)
- Fritz Lauterbach: Der Kampf des Waides mit dem Indigo. Kessinger Publ., Whitefish, Mont. 29012, ISBN 978-1-23532104-7 (Dissertation Universität Leipzig 1905), OCLC 230723069.
- Harald Paland: Blau. In: Praxis der Naturwissenschaften. Chemie in der Schule. 6/60 (2011), S. 26–28, ISSN 0177-9516.
- Jan H. Porada: Supramolekular organisierte Farbstoffe: Synthese und Charakterisierung flüssigkristalliner Isatin- und Indigo-Derivate. 2009, DNB 998359378 (Dissertation, Universität Köln, 2009, Volltext online PDF, kostenfrei, 317 Seiten, 27,6 MB).
- Gösta Sandberg: Indigo Textiles. Technique and History. (Indigo. Em bog blå tekstiler). Black, London 1989, ISBN 0-7136-3129-5.
- Helmut Schmidt: Indigo. 100 Jahre industrielle Synthese. In: Chemie in unserer Zeit. Band 3 (1997), S. 121–128, ISSN 1521-3781
- Matthias Seefelder, Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger (Redaktion): Indigo. BASF, Ludwigshafen am Rhein 1982, DNB 831090383; 2. überarbeitete Auflage: Indigo : Kultur, Wissenschaft und Technik. ecomed, Landsberg am Lech 1994, ISBN 3-609-65150-4; englisch: Indigo in culture, science and technology. ISBN 3-609-65160-1.
Weblinks
- Indigo bei chemistryworld
- Geschichte des Indigos ( vom 22. Juli 2007 im Internet Archive)
- Indigo, ColourLex
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e Eintrag zu Indigo in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich) .
- ↑ a b Eintrag zu Indigo. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag
- ↑ Kupferstich aus der Histoire générale des Antilles von Jean-Baptiste du Tertre (1667).
- ↑ Albert Gossauer: Struktur und Reaktivität der Biomoleküle, Verlag Helvetica Chimica Acta, Zürich, 2006, S. 477, ISBN 978-3-906390-29-1.
- ↑ Robin J. H. Clark, Christopher J. Cooksey, Marcus A. M. Daniels, Robert Withnall: Indigo, woad, and Tyrian Purple: important vat dyes from antiquity to the present. In: Endeavour. NS 17/4, 1993, 192 (Pergamon Press) ISSN 0160-9327, S. 191–199.
- ↑ Margarete Bruns: Von Azurit, Indigo und Anilin. Zur Geschichte der blauen Farbe. In: Emil Ernst Ploß: Ein Buch von alten Farben. Technologie der Textifarben im Mittelalter mit einem Ausblick auf die festen Farben. 6. Aufl. München 1989, ISBN 978-3-89164-060-9, S. 14–20.
- ↑ Christian-Herbert Fischer: Historische organische Farbstoffe. In: Spektrum der Wissenschaften. Oktober 1997, S. 104 ff.
- ↑ a b Arne Andersen: Historische Technikfolgenabschätzung am Beispiel des Metallhüttenwesens und der Chemieindustrie 1850-1933. (Zeitschrift Fur Unternehmensgeschichte - Beihefte, Band 90), Steiner, Franz 1996. S. 238.
- ↑ a b c Helmut Schmidt: Indigo – 100 Jahre industrielle Synthese. In: Chemie in unserer Zeit. 3/97, S. 121 ff.
- ↑ BASF-Patent DE 111067, angemeldet 1. Juni 1899.
- ↑ Werner Abelshauser (Hrsg.): Die BASF: Eine Unternehmensgeschichte. 2. Auflage. C.H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-49526-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ BASF-Patent DE 171172, angemeldet am 23. Januar 1904.
- ↑ Paul Rys, Heinrich Zollinger: Farbstoffchemie. Ein Leitfaden. 3. neubearb. Auflage. Wiley-VCH, 1982, ISBN 3-527-25964-3, S. 137.
- ↑ H. v. Eller In: Bull. soc. chim. France. 106, 1955, S. 1426.
- ↑ Paul Rys, Heinrich Zollinger: Farbstoffchemie. Ein Leitfaden. 3. neubearb. Auflage. Wiley-VCH, 1982, ISBN 3-527-25964-3, S. 136.
- ↑ K. G. Gilbert nee Stoker, D. T. Cooke: Dyes from plants: Past usage, present understanding and potential. In: Plant Growth Regulation. 34 (1) 2001, S. 57–69.
- ↑ D. S. Balan, R. T. Monteiro: Decolorization of textile indigo dye by ligninolytic fungi. In: J Biotechnol. 89 (2–3) 2001, PMID 11500207, S. 141–145.
- ↑ K. Uehara u. a.: The Al/Indigo/Au photovoltaic cell. In: Solar Cells. 22 (4), 1987, S. 295–301.
- ↑ Roswitha Harrer: Indigo auf Speicherchips. In: Chemie in unserer Zeit. Band 46, Nr. 3, 2012, S. 136, doi:10.1002/ciuz.201290032.
- ↑ M. Irimia-Vladu, E. Głowacki, P. Troshin, G. Schwabegger, L. Leonat, D. Susarova, O. Krystal, M. Ullah, Y. Kanbur, M. Bodea, V. Razumov, H. Sitter, S. Bauer, N. S. Sariciftci,: Indigo – A Natural Pigment for High Performance Ambipolar Organic Field Effect Transistors and Circuits. In: Advanced Materials. Band 24, 2012, S. 375.
- ↑ Schweppe, H., Indigo and Woad, in Artists’ Pigments. A Handbook of Their History and Characteristics, Vol. 3: FitzHugh, E.W. (Ed.) Oxford University Press 1997, S. 81–107.
- ↑ Vermeer, Christ in the House of Martha and Mary, ColourLex.