Religion
Religion ist der in großen Bevölkerungsgruppen in langen Traditionen, aber auch von Individuen neu entwickelte, kultivierte, gemeinsame oder persönliche Glaube an das über die direkt erfahrbare Existenz Hinausgehende, zumeist an eine oder mehrere übernatürliche (persönliche oder unpersönliche) transzendente Wesenheiten (Gott).
Religio konnte im Lateinischen "Gottesfurcht", "Frömmigkeit", "Heiligkeit", aber auch "Rücksicht", "Bedenken", "Skrupel", "Gewissenhaftigkeit" oder "Aberglaube" bedeuten. Die weitere Etymologie des Wortes ist nicht mit Sicherheit geklärt. Nach Cicero (De Natura Deorum 2, 28) geht religio zurück auf relegere, was wörtlich "wieder aufwickeln", im übertragenen Sinn "bedenken, achtgeben" bedeutet. Cicero dachte dabei an den Tempelkult, den es sorgsam zu beachten galt. Lactantius (Divinae Institutiones 4, 28) führt das Wort zurück auf religare: "an-, zurückbinden". Mögliche ursprüngliche Bedeutungen von "Religion" sind also "frommes Bedenken" oder die "Rückbindung" an eine oder mehrere Gottheiten.
Abgesehen von diesen etymologischen Unsicherheiten ist das Wort auch heute noch problematisch. Mit der europäischen "Entdeckung" bisher in der sogenannten Alten Welt unbekannter Kulturen wurde der Begriff plötzlich auf Sachverhalte angewendet, die zwar Ähnlichkeiten mit dem europäischen Religionskonzept haben (z.B. die Gottesverehrung), in mancher Hinsicht aber auch sehr gegensätzlich sind (z.B. der Ausschließlichkeitsanspruch). Eine Folge dessen ist, dass heute zwar viele verschiedene Religionen und Religionsformen bekannt sind, es aber keine anerkannte Definition von "Religion" gibt.
Die Religionen bieten besondere Vorstellungen, Kenntnisse und Praktiken an, die den einzelnen in Verbindung zu der beschriebenen übernatürlichen Wesenheit bringen soll. Diese werden mündlich oder schriftlich überliefert. Zur Stärkung der Glaubensbelange bilden die meisten Religionsgemeinschaften eine (weltliche) Organisation in der einen oder anderen Form aus, was im Christentum als Kirche oder Gemeinde bezeichnet wird. Darin sind besonders geschulte oder als befähigt angesehene Personen (Mönche, Priester, etc.) tätig, die den Gläubigen zu Diensten stehen. Manche Religionen sprechen einzelnen Menschen gottähnliche, übernatürliche Eigenschaften zu.
Viele Religionen und Konfessionen pflegen eine eigene Art von Spiritualität. Spiritualität im religiösen Rahmen ist das geistliche Erleben, im Gegensatz zu Dogmatik, welches die festgesetzte Lehre der Religion darstellt. Das Ritual hingegen ist durch die Religion formalisierte Spiritualität. Im normalen Sprachgebrauch wird Spiritualität als seelische Suche nach Gott bezeichnet, ob im Rahmen von spezifischen Religionen oder jenseits davon.
Philosophisch kann man die Glaubensaussagen einer Religion als Antworten auf metaphysische Fragen sehen (siehe auch Natürliche Theologie). Philosophische Schulen und Weltanschauungen, die die Metaphysik aus ihren Lehrsystemen ausklammern üben Kritik an einer religiösen Deutung der Wirklichkeit.
Vom Atheismus und den Brights wird die Religion als zu überwindende oder in jedem Fall unglaubwürdige Ideologie abgelehnt, da sie in vielen Punkten dem naturwissenschaftlichen Weltbild widerspricht. Die Hauptkritikpunkte sind dabei der Glaube an ein rein-geistiges, höheres Wesen, der Glaube an das Leben nach dem Tode, der Glaube an Wunder, der Glaube an die Vorbestimmung der Welt.
Die gegen eine Metaphysik angeführten Argumente unterliegen allerdings den gleichen Beweisschwierigkeiten wie die Argumente für sie. Daher kann der religiöse Standpunkt gegenüber bestimmten Formen des Atheismus geltend machen, dass auch der entschiedene Nicht-Glaube an Gott letztlich eine (negative) Glaubensüberzeugung darstellt. Die Lösung des Agnostizismus, Gott, und damit die Religion, für unbeweisbar anzusehen kann diesen Widerspruch jedoch nicht beseitigen.
Moderne liberale, zum Teil synkretische und pagane Strömungen gestehen jedem Menschen eine individuelle Form der Religion zu. Diese Ansicht steht im Widerspruch zu den monotheistischen Religionen, die mit dem Glauben an einen universellen Gott oft auch einen Absolutheitsanspruch ihrer Lehre verbinden. Die heutige Vielfalt monotheistischer Religionen ist unter anderem Resulat der gegenseitigen Aberkennung der wahren Lehre und der anschließenden Spaltung der Glaubenden.
Die Religionswissenschaft befasst sich mit der wissenschaftlichen Erforschung von Religion und Religionen.
Religion in der heutigen Zeit (aus en.wikipedia.org)
Im späten 19. und während des ganzen 20. Jahrhunderts hat die Religion, besonders das Christentum, großen Schaden genommen, was ihren Ruf, ihre Macht und ihre Verbreitung betrifft. Einige traditionell christliche westliche Länder, besonders in Europa, zeigen sinkenden Zuwachs bei Priesteramt und in Klöstern, und Studien im Vereinigten Königreich belegen stark rückläufige Besucherzahlen in Kirchen, Synagogen, etc. Die Bevölkerungsgruppe, die am schnellsten "den Glauben verliert", ist die des Bildungsbürgertums. Erklärungen für dieses Phänomen beinhalten den wachsenden Einfluss der Wissenschaft in der modernen Gesellschaft, die Entwicklung von etwas, das von manchen als "nichtkirchliche Religionen" bezeichnen, wie beispielsweise Marxismus oder Anarchismus, und die Feindseligkeit, die viele in einem Zeitalter, das mehr Betonung auf Tolerierung legt, gegenüber evangelischen Religionen verspüren. Aber in vielen Teilen der Welt verliert die Religion keineswegs an Einfluss. In den USA und Lateinamerika beispielsweise zeigen Studien, dass die Religion nach wie vor genauso mächtig ist, und im Mittleren Osten hat der fundamentalistische Islam rapide zugenommen, wie es vom Anstieg extremistischer Bewegungen in Iran, Türkei, Afghanistan und vielen anderen islamischen Staaten bestätigt wird.
"Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes." Karl Marx
Als William James vom Glauben an Gott als Möglichkeit, Feiertage vor dem eigenen Gewissen zu rechtfertigen, sprach, hätte man die Absicht vermuten können, Marx' Standpunkt zu bestätigen. Offensichtlich wollte Marx nicht, dass Revolutionäre Urlaub nehmen, bevor ihre Arbeit getan ist.
Moderne Gründe für Feindseligkeit gegenüber Religion (aus en.wikipedia.org)
Wie oben angesprochen befinden sich die Weltreligionen in Industrieländern auf dem Rückgang. Dieser Rückgang verläuft offensichtlich parallel zu wachsendem Wohlstand und sozialem Wohlbefinden. Die Gründe für die Abnahme sind kompliziert und wenig verstanden, aber enthalten wahrscheinlich einige der folgenden Punkte:
- Verzerrte Botschaft: Viele Religionen verfolgen (oder verfolgten in der Vergangenheit) einen extremen Ansatz, der zu Praktiken führt, die für einige Menschen nicht akzeptabel sind: z.B. außergewöhnliche Einschränkungen der Bekleidung von Frauen und schwere Einschränkung der Ernährung und der Aktivität an bestimmten Wochentagen. Einige Menschen haben das Gefühl, dass diese Verhältnisse eine Verzerrung des Glaubens an einen Gott, der universelle Liebe verfechtet, sind. Andere sehen darin ein klares Zeichen, dass Religion grundsätzlich fehlgeleitet ist.
- Selbstförderung: Manche Einzelpersonen bringen sich selbst in mächtige und privilegierte Positionen, indem sie bestimmte religiöse Anschauungen verbreiten, wie z.B. in den Sekten Bhagwan und Mun und in anderen Kulten. Diese Selbstförderung hat das öffentliche Vertrauen in alles, was sich als 'Religion' bezeichnet, gesenkt. Auf ähnliche Weise senken Fälle von Missbrauch durch Geistliche verschiedener Religionen das öffentliche Vertrauen in die grundlegende Botschaft.
- "Fördert Unwissenheit": Viele Atheisten und Agnostiker betrachten religiöse und spirituelle Lehre in der frühen Kindheit als eine Form von Gehirnwäsche oder gesellschaftlicher Angleichung. Manche stimmen weiter mit der marxschen Sichtweise überein, nach der Religion "das Opium des Volkes" ist, so dass "Sucht" begünstigt wird, wenn die Menschen zu jung sind, um sich selbst zu entscheiden.
- Widerspruch zum "gesunden Menschenverstand": Religionen vertreten eine Realität an der Grenze zum metaphysischen, und selbst manche Gläubige haben Schwierigkeiten, die religiösen Annahmen über das Reich des Übernatürlichen und über das Leben nach dem Tod zu akzeptieren. Daher lehnen manche Menschen das ganze Konzept der Religion ab, und wenden auch dem eher alltäglichen und akzeptablen Glauben an einen Gott oder eine göttliche Intelligenz den Rücken zu.
- Oberflächliche Einwände: Menschen können basierend auf sichtbaren Erscheinungsformen der Religion wie z.B. Zeremonien, die sinnlos und monoton wirken, geheimnisvoller Kleidung und Exklusivität in den Anforderungen an die Mitglieder eine negative Sichtweise entwickeln.
- "negativ und verbietend": Einige nehmen an, dass Religion im Gegensatz zu Wohlstand, Spaß, Vergnügen und Genuss steht. Das führt dazu, dass sie sie komplett ablehnen oder bloß in Zeiten der Sorge darauf zurückgreifen. Allerdings würden viele Menschen aus vielen Glaubensrichtungen bestätigen, dass ihr Glaube ihnen Erfüllung, Frieden und Freude gebracht hat. Gläubige haben daher das Gefühl, dass Glaube das Potential hat, das Leben jeder Person zu bereichern und zu erweitern. Andererseits lehnen viele nichtreligiöse Menschen die Idee ab, dass Liebe, Mitgefühl, Vergebung, Gnade und andere Qualitäten nur zur Religion gehören, und argumentieren, dass Religion nicht nötig ist, um diese Qualitäten anzunehmen und zu erfahren.
- "Religion light": Viele 'moderne' Religionen verlangen so wenig von ihren Anhängern, so wenig Opfer, dass die Anhänger wiederum nur minimal von ihrer Mitgliedschaft darin haben. Eine Religion, die keine maßgeblichen Opfer von den Ausübenden verlangt, ist nicht in der Lage, in ihren Leben wirklich einen Unterschied zu machen. Daher gehen die Leute von diesen Erfahrungen mit dem Gefühl weg, dass das Erfordernis nicht erfüllt wurde, weil es das tatsächlich nicht ist. Das deckt sich mit dem natürlichen Gesetz, dass man aus einer Sache das herausbekommt, was man hineingesteckt hat.
Viele dieser Gründe für die Feindseligkeit sind eine Reaktion auf zwangsläufige weltliche Begebenheiten und die Menschen; religiöse Gläubige sind traurig, zu sehen, dass sich Leute von den kirchlichen Sichtweisen auf spirituelle und ewige Dimensionen durch Bedenken, die sich auf sehr beschränkte und vergängliche Eigenschaften stützen, abwenden.
Allerdings engagieren sich immer mehr Leute in weitreichenden Erkundungen und finden tiefgründige spirituelle Befriedigung außerhalb organisierter Kirchen. Sie sind eine Bevölkerungsgruppe, deren Umfang wächst und deren zukünftige Auswirkung nicht vorhergesagt werden kann.
Heutiger Nutzen von Religion (aus en.wikipedia.org)
Religionen bieten viel Inspiration für Mitgefühl, praktische Nächstenliebe und moralische Selbsteinschränkung.
Die Forschungen von Abraham Maslow nach dem zweiten Weltkrieg zeigten, dass die Überlebenden des Holocaust oft die mit starken religiösen Überzeugungen (nicht notwendigerweise Tempelanwesenheit etc.) waren. Die humanistische Psychologie fing an, zu erforschen, wie eine religiöse oder spirituelle Persönlichkeit mit längerer Lebensdauer und besserer Gesundheit verknüpft ist. Menschen brauchen möglicherweise insbesondere religiöse Ideen, weil diese verschiedene emotionale Bedürfnisse wie das Bedürfnis, geliebt zu werden, das Bedürfnis, zu einer gleichförmigen Gruppe zu gehören, das Bedürfnis nach verständlichen Erklärungen oder das Bedürfnis nach Gerechtigkeit befriedigen.
Maslows Ergebnisse haben sich in anderen Zusammenhängen nicht als wiederholbar erwiesen. Die ausschlaggebenden Faktoren können den Sinn von Zweckmäßigkeit, extreme Überzeugungen im Allgemeinen, oder andere Umstände die manchmal mit religiösem Glauben in Verbindung gebracht werden einschließen, und/oder sind spezifisch für Überlebende des Holocaust. Der besondere Umstand, dass Religion das primäre Auswahlkriterium für die Forschungssubjekte war, könnte eine Verzerrung eingeführt haben.
Es lässt sich beobachten, dass das Christentum für die Gründung vieler großer Universitäten, den Aufbau von Krankenhäusern, das Verteilen von Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung und die Schaffung von Waisenhäusern und Schulen verantwortlich ist, um ein paar Beispiele zu nennen. Andere Religionen und weltliche Organisationen haben im Rahmen ihrer Kulturen und im Verhältnis zu ihrer Größe und ihrem Reichtum vergleichbare Arbeit geleistet.
Neue Fortschritte in kognitiver Psychologie und Neuropsychologie legen nahe, dass Religion ihren Ausgangspunkt in der Funktionsweise des Gehirns selbst hat. Pascal Boyers Buch Religion Explained versucht, Religion durch kognitive Psychologie zu erklären.
Verbrechen im Namen der Religion
Im Namen verschiedener Religionen wurden zahllose Verbrechen begangen, darunter...
- Inquisition
- Hexenverfolgung
- Kreuzzüge
- Sodomiterverfolgung
- Dreißigjähriger Krieg
- Nordirland-Konflikt
- Verbrechen bei der Missionierung
- Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA
Eine Übersicht der Religionsthemen in Wikipedia bietet das Portal Religion.
Siehe auch: Aufklärung, Religionskritik
Literatur
- Weber, Hartwig, "Lexikon Religion", Reinbek, 2001, ISBN 3499606291
Weblinks
- http://www.kirche.at/ - Staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften in Österreich
- http://www.ibka.org/ - Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten
- http://www.relinfo.ch/ - Evangelische Informationsstelle Kirchen - Sekten - Religionen
- http://www.rpi-virtuell.net - Die Rubrik <Bibliothek> / <Reli-Lex> enthält zahlreiche Artikel über Religionen, Weltanschauungen und Persönlichkeiten von A bis Z
- http://members.aol.com/ehsdober/reli/glossar.html - Glossar religiöser Begriffe
- http://www.religion-glauben.de/ - Psychologie, Religion & Glauben
- http://www.religioustolerance.org/ - Gut recherchierte Artikel zu allen Begriffen und Themen, die mit Religion zu tun haben (englisch)