Unfallersatztarif
Einen Unfallersatztarif gibt es nur in der Umgangssprache. Richtig ist, das vom Autovermieter nach einem Verkehrsunfall für einen Mietwagen der Normaltarif - der keinerlei Rabattierung erfahren hat - in Rechnung gestellt wird. Dieser Normaltarif liegt in der Regel über den Mietpreisen des Sofort- und Vorreservierungsgeschäfts, da die Unfallersatzwagen-Vermietung mit zusätzlichem Aufwand für den Autovermieter verbunden ist.
Im Autovermietbereich gibt es drei große Vermietsegmente: das Firmengroßkundengeschäft, das Freizeit- und Touristikgeschäft und das Unfallersatzwagengeschäft. Der notwendige Service bei der Vermietung eines Ersatzfahrzeuges nach einem Unfall ist erheblich aufwendiger als bei einer Vermietung am Counter. Ein wesentlicher Faktor für die Preisbildung in der Autovermietung ist die Auslastung der Mietfahrzeuge und hier ist es eindeutig, dass die Auslastung eines im Unfallersatzwagengeschäft tätigen Autovermieters nicht von diesem beeinflusst werden kann. Ein Unfallgeschädigter kann die Anmietung seines Ersatzfahrzeuges nicht im Voraus planen und somit ist ein Unfallersatzwagen vom Autovermieter ebenso wenig planbar. Die Auslastung eines Unfallersatzwagenvermieters liegt in der Regel bei 52%.
Als weitere erhöhende Kostenfaktoren sind zusätzlich Personalkosten Zustell u. Abholkosten Reguluierungsverzögerungen von bis zu 6 Monaten im Tarif mit einkalkuliert.
Der Normaltarif ist unter marktwirtschaftlichen Bedingungen entstanden, dies ergibt auch ein Blick in den Schacke Mietpreisspiegel.
Rechtliche Situation
Da der Unfallersatztarif in der Regel wesentlich über den normalen Mietpreisen liegt, stellt sich die Frage, ob die gegenerische Versicherung diesen voll ersetzen muss, oder ob der Geschädigte, indem er nicht nach dem günstigten Mietwagen gesucht hat, die Höhe des der Versicherung in Rechnung gestellten Schadens mitverschuldet hat.
Die Rechtsprechung ist im Bezug der Tarife nicht einheitlich, auch was die Hinweispflicht auf die Unfallersatz- und Pauschaltarife betrifft. Die Vereinbarung des Tarifes zwischen Autovermietung und Mieter ist rechtlich unproblematisch, da sie ausgenommen bei Wucher unter die Vertragsfreiheit fällt. Allerdings kann der Geschädigte von dem Schädiger Schadenersatz verlangen, der dann ggf. von der Haftpflichtversicherung zu begleichen ist.
Der deutsche Bundesgerichtshof hat beginnend mit dem Urteil vom 12.10.2004 seine bisherige Rechtsprechung (überwiegend aus dem Jahr 1996) schrittweise geändert. Bisher wurde der Aspekt Unfallersatztarif ausschließlich unter dem Aspekt der Schadensminderungspflicht beleuchtet.
Ausgangspunkt ist die Erforderlichkeit nach Vorlage:Zitat-dej BGB. Der Unfallersatztarif ist ausweislich des Urteils vom 12.10.2004 nur erstattungspflichtig, wenn aufgrund der Besonderheiten des Tarifes (z.B. Vorfinanzierung, Ausfallrisiko) der höhere Preis gegenüber des "Normaltarifes" gerechtfertigt ist. Der Unfallersatztarif ist also dann zu ersetzen, wenn die Mehrforderung gegenüber dem Normaltarif auf Leistungen beruht, die die auf die besondere Unfallsituation zurückzuführen sind.
Dem Geschädigten ist eine Vorfinanzierung wohl unter Umständen durchaus zuzumuten, allerdings kommt es hierbei ganz maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalles an. So ist z.B. mitunter die Vorlage einer Kreditkarte als Kaution ausreichend. Wenn er dies, obwohl zumutbar, nicht macht, verstößt er gegen die Schadensminderungspflicht.
Weiterhin wurde festgestellt, dass der Geschädigte durch die blose Inanspruchnahme des Unfallersatztarifes nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, wenn er nicht ohne weiteres die Unterschiede zum "Normaltarif" bewerten kann. Die Ersatzpflicht besteht also auch dann, wenn der günstigere Normaltarif dem Geschädigten nicht bekannt und erkennbar ist.
Die Vollkaskoversicherung ist wegen des erhöhten Risikos wohl eher erstattungsfähig, allerdings kann der Mehrnutzen nach Vorlage:Zitat-dej ZPO durch den Richter in Abzug gebracht werden.
Die Geltendmachung des Ersatzanspruches durch den Autovermieter im Rahmen einer Abtretung stellt keine unzulässige Rechtsberatung dar, wenn sie der Sicherung der abgetretenen Forderung dient. Die genannte Rechtsprechung gilt unabhängig, ob der Geschädigte selbst die Ansprüche geltend macht, oder der Vermieter.
Wenn die Geltendmachung des gewählten Tarifes aufgrund der genannten Anforderungen nicht möglich ist, kann der Richter den erforderlichen Betrag auch durch pauschalen Aufschlag schätzen (Vorlage:Zitat-dej ZPO). Diese Kosten müssen dann vom Schädiger/der Versicherung erstattet werden.
Einschlägige Urteile des BGH:
Die Pflicht zum Ersatz des Unfallersatarif wurde in mehreren Entscheidungen des Bundesgrichtshofes bestätigt:
- Urteil vom 12.10.2004 (Quelle: [1])
- Urteil vom 26. Oktober 2004 (Quelle: [2])
- Urteil vom 15. Februar 2005 (Quelle: [3])
- Urteil vom 15. Februar 2005 (Quelle: [4])
- Urteil vom 19. April 2005 (Quelle: [5])
- Urteil vom 05. Juli 2005
- Urteil vom 20. September 2005
- Urteil vom 25. Oktober 2005 (Quelle: [6])
- Urteil vom 14. Februar 2006
- Urteil vom 14. Februar 2006
- Urteil vom 14. April 2006
Die Instanzgerichte folgen allerdings in weiten Teilen nicht der Aufassung des BGH, da die vertretene Auffassung nicht praktikabel ist, weil der Geschädigte keine betriebswirtschaftliche Forschung betreiben muss. So z.B. LG Würzburg, OLG Nürnberg, LG Berlin, LG Stuttgart, OLG Oldenburg, LG Hamburg, LG Bielefeld, Kammergericht Berlin, LG Freiburg, LG Braunschweig, LG Aachen.
Die genannten Gerichte gehen vielmehr dazu über, den Unfallersatztarif auf der Grundlage des Nutzungsausfall zu schätzen, wie es der BGH auch in seiner Entscheidung VI ZR 357/03 vom Nov. 2004 [7]festgestellt dargestellt hat. Der BGH erläutert in dieser Entscheidung, dass der Nutzungsausfall von marktüblichen Mietwagenpreisen errechnet wurde und sieht je nach Fahrzeug-Gruppe den Nutzungsausfall zwischen 30 und 40% der üblichen Mietwagenkosten. Dies bedeutet, das der Nutzungsausfall von den Gerichten verdreifacht wird und somit der erstattungsfähige Unfallersatztarif problemlos geschätzt werden kann -LG Würzburg z.B.
Auch der BGH selbst weist in allen oben genannten Entscheidungen auf diese Möglichkeit hin, insbesondere weist er auf seine Entscheidung VI ZR 357/03 hin.
Ebenso wird die Variante Schwacke Selbstzahlertarif aus dem Schwacke Mietpreisspiegel 2003 zuzüglich Nebenkosten und einem Zuschlag von 30% von den Obergerichten angewandt.
Litaratur
- Dirk Buller, in: Neue Juristische Wochenschrift Spezial, Heft 06/2006 S. 255 ff.