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Künstlicher Horizont

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künstlicher Horizont

Ein künstlicher Horizont ersetzt den natürlichen Horizont, der die Grenzlinie zwischen der sichtbaren Erde und dem Himmel darstellt, wenn man den Horizont nicht sehen kann oder wenn die Lage im Raum gemessen werden soll. Der künstliche Horizont wird benötigt bei der Stabilisierung von Kameras und Zieleinrichtungen, bei Fahrwerk- sowie Fahrzeugstabilisierung, bei der Überwachung und Steuerung von Baumaschinen, bei der Gleisvermessung und bei der aktiven Neigetechnik für Schienenfahrzeuge, bei Zentrierung von GPS-Antennen, der Scanner-Stabilisierung sowie in der Fliegerei. Viele Berechnungen zur Positionsfindung, bei denen ein künstlicher Horizont notwendig war, werden heute durch Satellitenvermessung ersetzt.

Messprinzipien

Die instrumentelle Darstellung des Horizonts kann entweder statisch oder dynamisch erfolgen.

Statische Messung

Sextant

Eine statische Messung, bei der der Horizont benötigt wird, ist beispielsweise die Messung von Winkeln mit einem Sextanten. Hier erfolgt die exakte Positionsfindung durch Messung des Höhenwinkels zwischen den Visierlinien Standpunkt-Kimm und Standpunkt-Gestirn oder auch durch Horizontalwinkelmessung in Küstennähe.

künstlicher Horizont
künstlicher Horizont

Die Darstellung des natürlichen Horizonts, ist ohne weitere Hilfsmittel nur bei guten Sichtbedingungen auf dem Meer möglich, wo die Begrenzungslinie zwischen Himmel und Wasser (Kimm) als Horizontmarke dient. Bei schlechten Sichtbedingungen oder bei Beobachtungen auf dem Lande, wenn die Sicht auf die Kimm durch Häuser, Berge oder Vegetation versperrt ist, braucht man einen künstlichen Horizont in Gestalt einer exakt horizontal liegenden, spiegelnden Fläche (Quecksilber oder schwarz gefärbte, polierte Glasplatte oder Öl), die als Hilfsmittel zur Darstellung der Lotrichtung dient).

künstlicher Sextanthorizont

Die Glasplatte (der künstliche Horizont) ruht in einer Metallfassung und wird durch drei Stellschrauben unter Verwendung von zwei Setzlibellen horizontiert.

Bei der Höhenmessung geht es darum, das betreffende Objekt mit dessen Spiegelbild zur Deckung zu bringen. Dabei entspricht der Winkel zwischen dem direkten und dem am künstlichen Horizont reflektierten Strahl der doppelten Höhe, ist also zu halbieren. Das hat auch eine Halbierung eines möglichen Fehlers der Höhenmessung zur Folge.


Dynamische Messung

Auf bewegten Trägersystemen wie Flugzeugen, Straßen-, Schienenfahrzeugen und Schiffen oder beispielsweise schwingenden Strukturen wie Brücken, Kränen u.s.w. kann der absolute Elevationswinkel auf solche Weise nicht bestimmt werden, da gemäß den Newtonschen Axiomen nicht zwischen der Erdschwerebeschleunigung und der Nutzbeschleunigung und Zentripetalbeschleunigung des bewegten Trägers unterschieden werden kann.

Aufbau eines künstlichen Horizonts aus einem Flugzeug

Daher unterliegen solche Vorrichtungen bei bewegten Objekten der aus der Beschleunigung resultierenden Trägheitskraft (die sich bei Kreisbewegungen als Fliehkraft zeigt) und zeigen nicht die tatsächliche Vertikale, sondern das Scheinlot an. Man verwendet deshalb in der Luftfahrt ein lagestabiles Kreiselinstrument, um eine Referenz für das wahre Lot und eben den Horizont zu erhalten.

Von der Industrie sind Messsysteme, mit denen auch auf dynamisch bewegten Trägern die Neigungswinkel gegenüber dem Horizont präzise bestimmt werden, entwickelt worden. Unter Neigungswinkel versteht man die Längsneigung (Nickwinkel) und die Querneigung (Rollwinkel). Ein solches Messsystem wird ebenfalls als künstlicher Horizont bezeichnet. Bei Fahrzeugen mit ausgeprägter Vorzugsbewegungsrichtung (KFZ, Schiff, U-Boot, Schienenfahrzeuge) kann für präzise Anwendungen ein externes Geschwindigkeitssignal als Stützinformation eingespeist werden (Tacho, GPS, DGPS, Radar, etc.).

Im Folgenden wird ein künstlicher Horizont beschrieben, wie er in Luftfahrzeugen Verwendung findet.

künstlicher Horizont im Sinkflug mit Linkskurve


Beschreibung des Flugzeuginstruments

Der künstliche Horizont (engl. Attitude Indicator), auch Horizontkreisel, wird als Flugüberwachungsgerät zur Bestimmung der Lage des Luftfahrzeugs zur Erdoberfläche eingesetzt. Er bietet eine direkte, bildliche Darstellung der Lage in Relation zur Erdoberfläche, indem er die Fluglage um die Längsachse (engl. roll or bank attitude) und um die Querachse (engl. pitch attitude) anzeigt. Seine Entwicklung geht auf Lawrence Sperry zurück. Alle anderen Instrumente im Flugzeug können nur indirekt zur Bestimmung der Fluglage verwendet werden. Bewegungen um die Hochachse werden nicht vom künstl. Horizont dargestellt, sondern von einem weiteren Kreiselgerät - dem Wendezeiger.

Aufbau

Der künstliche Horizont enthält ein Kreiselsystem, das infolge einer hohen Umdrehungszahl (15 – 20000 U/min) in seiner Lage im Raum stabil bleibt. Der vollkardanisch (3 Freiheitsgrade) aufgehängte Kreisel im künstlichen Horizont wird elektrisch oder mittels Unterdrucks angetrieben.

künstlicher Horizont im Sinkflug mit Rechtskurve

Er informiert den Piloten über die Fluglage des Flugzeugs, ob es steigt, sinkt oder eine Kurve fliegt. Die weiße Linie, die quer über die Anzeige verläuft, stellt den Horizont dar. Der Himmel ist blau, die Erde schwarz dargestellt. Der Antrieb für den pneumatisch angetriebenen Kreisel kommt von der Suction-pump.

Funktionsweise des Horizontkreisels

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die Referenz zu erzeugen, mit der dem Piloten die Lage seines Luftfahrzeuges relativ zur Erde dargestellt wird. Hier soll die einfachste Möglichkeit beschrieben werden, die auch im modernen Cockpit mit elektronischen Fluginstrumenten als Backupsystem zur Verfügung steht: Der mit Unterdruck angetriebene Kreisel mit senkrecht stehender Achse, der seine Bewegung mechanisch auf das Skalenbild mit der Horizontlinie überträgt.

Ein schnell rotierender, reibungsfrei voll kardanisch aufgehängter Kreisel behält die Lage seiner Achse im Raum bei. Das Flugzeug dreht sich gewissermaßen um das Instrument. Bei Nick- und Rollbewegungen des Luftfahrzeugs hält die Wirkung des Kreisels die Horizontreferenz lange genug aufrecht.

künstlicher Horizont im Horizontalflug

Ebenso dreht sich aber auch die Erde um das Instrument und die Horizontlinie würde sich am Äquator pro Tag einmal vollständig drehen, in höheren Breiten Pendelbewegungen ausführen. Flüge um die Erde hätten die gleichen Auswirkungen.

Deshalb ist der Horizontkreisel gefesselt – eine Masse am unteren Ende der Achse richtet ihn immer wieder auf. Die resultierende Präzessionsbewegung wird durch die Reibung in der Aufhängung gedämpft, so dass die Achse in einer Spiralbewegung in die Senkrechte zurückkehrt. Langsame Bewegungen wie die Drehung der Erde (15° pro Stunde), aber auch Flüge über längere Strecken (1° pro 60 NM) werden durch die von der Masse ausgehende Rückstellkraft kompensiert, durch Ziehen am caging-Knopf (Aufschrift Pull to Cage) wird diese Rückstellung manuell bewirkt.

Anzeige

Der äußere Ring zeigt die Veränderung des bank-angles auf 10°, 20°, 30°, 60° und 90° an. Die beiden weißen, diagonalen Linien zeigen bank-angles von 15° und 45° an.Das Gerät zeigt die Lage des Flugzeugs relativ zum Horizont an.

künstlicher Horizont im Steigflug

Steigt oder sinkt das Flugzeug, wandert der Horizont unter bzw. über den Balken. Im Kurvenflug zeigt die Neigung des künstl. Horizonts die Lage der Maschine zum wahren Horizont an. Er zeigt also gleichzeitige Längs- und Querneigung an. Der künstliche Horizont weist Gradeinteilungen (10°, 20°, 30°, 60° u. 90°) in der Querlage auf. Die zentrale Scala zeigt in 5°-Schritten an, wenn die Nase sich oberhalb oder unterhalb des Horizonts befindet.

Das Flugzeugsymbol muss sich im Horizontalflug (geradeaus, ohne Höhenveränderung) genau mit dem Horizontalbalken des Instruments decken. Wenn sich durch Beladung eine andere Anzeige ergibt, muss das Flugzeugsymbol durch den Verstellknopf nach oben oder unten verschoben werden.

Das Instrument leistet im VFR-Flug (Sichtflug) bei Nacht oder bei akuter Sichtverschlechterung einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit und ist für den IFR-Flug (Instrumentenflug) unerlässlich. Deshalb sind hier mindestens zwei unabhängig von einander funktionierende Systeme vorgeschrieben. Bei großen Verkehrsmaschinen ist sogar noch ein drittes, unabhängiges und mit eigener Notstrombatterie versorgtes Notsystem vorhanden.

Fehlermöglichkeiten

Die Anzeige des künstliche Horizonts wird beeinflusst durch den Beschleunigungsfehler und den Kurvenfehler.

Beschleunigungsfehler

Das Kreiselsystem präzediert bei Beschleunigung oder Verlangsamung des Flugzeugs. Die Startbeschleunigung bewirkt beispielsweise, dass der Horizontbalken sich nach unten bewegt.

Fehlanzeige bei Beschleunigung: Nase des Flugzeugs erscheint über dem Horizont.

Das bedeutet, dass das Flugzeug zu steigen scheint, obwohl es im Geradeausflug lediglich beschleunigt wird. Das ist der Grund, weshalb bei einem IFR-Start mit schlechten Sichtbedingungen andere Instrumente zur Hilfe genommen werden müssen, um festzustellen, ob das Flugzeug wirklich steigt. Umgekehrt verhält es sich bei Verringerung der Fluggeschwindigkeit. Der Horizontalbalken bewegt sich durch die Präzession nach oben.

Fehlanzeige bei Verringerung der Geschwindigkeit: Nase des Flugzeugs erscheint unter dem Horizont.

Kurvenfehler

Unter gewissen Umständen kann der künstliche Horizont "taumeln", d.h. er liefert keine verwertbare Anzeige. Das trifft zu, wenn das Flugzeug extreme oder ungewöhnliche Fluglagen einnimmt, beispielsweise auch im Kunstflug. Einige Geräte, die für Kunstflug zugelassen sind, sind daher mit einem "Käfig" versehen, der den Kreisel fixiert, um sie vor Zerstörung unter diesen Bedingungen zu bewahren.

Die Fehlanzeige im Kurvenflug kommt durch die Zentrifugalkraft zustande. Diese verursacht im Kurvenflug ein Präzedieren des Kreisels zur Innenseite der Kurve. Die Präzession nimmt mit zunehmender Schräglage zu und ist in der Kurve selbst am größten. Das Gerät ist so kompensiert, dass diese Fehlanzeige in der Standardkurve (2-Minuten-turn) nicht auftritt.

Betriebsgrenzen für künstliche Horizonte, die nicht speziell für Kunstflug ausgelegt sind: 100° bis 110° bei Schräglage und 60° bis 70° bei Steigen oder Sinken.

Literatur

  • US Department of Transportation, Federal Aviation Administration – Instrument Flying Handbook, AC61-27C, 1999
  • Rod Machados's – Instrument Pilot´s Survival Manual 1998, ISBN 0-9631229-0-8
  • Peter Dogan – Instrument Flight Training Manual 1999, ISBN 0916413128
  • Jeppesen Sanderson – Privat Pilot Manual 2001, ISBN 0-88487-238-6
  • Wolfgang Kühr – Der Privatflugzeugführer, Technik II, Band 3 1981, ISBN 392127009X

Siehe auch