JJ1

JJ1, auch bekannt als „Bruno“, (* 10. März 2004 im Val di Tovel, Trentino; erschossen am 26. Juni 2006 in Schliersee) war ein Braunbär, der im Mai 2006 von Südtirol, Italien über Tirol, Österreich nach Bayern, Deutschland eingewandert war.
Bekannt wurde er, weil er der erste freilebende Bär war, der nach über 170 Jahren wieder in Deutschland gesichtet wurde. Da JJ1 auf seinem Streifzug in der Nähe menschlicher Siedlungen Haus- und Nutztiere, sowie ungewöhnlich viele Schafe zum Opfer fielen, wurde das zwei Jahre alte Tier zum so genannten Problembären erklärt. Einige Behörden stuften das Tier als Bedrohung für den Menschen ein und gaben ihn schließlich zum Abschuss frei. Diese Freigabe wurde aufgrund gegenteiliger Meinungen von Verhaltensforschern und der Expertenmeinung, das Tier umerziehen zu können, sowie unter dem Druck der Öffentlichkeit zeitweise zurückgezogen. Mit hohem Aufwand versuchte man, JJ1 lebendig zu fangen. Nach zwei erfolglosen Wochen wurde er am Morgen des 26. Juni 2006 gegen 4:50 Uhr in der Nähe der Rotwand im Spitzingseegebiet abgeschossen.
JJ1 wurde während seines Streifzuges zu einem Politikum und internationalen Medienereignis, über das unter anderen auch die New York Times [1] berichtete. Zahlreiche Menschen und Gruppen solidarisierten sich mit dem Bären. Besonders seine Tötung führte zu massiven Protesten.
Herkunft und Verhalten des Bären
Herkunft
Der Bär ging aus dem LIFE Nature Co-op Projekt hervor, welches, von der EU unterstützt, versucht im Alpenraum wieder Braunbären anzusiedeln. Daran sind die Länder Italien mit den Regionen Trentino und Friaul, Österreich mit Kärnten, Nordösterreich, Oberösterreich und Steiermark, sowie Slowenien beteiligt. Das LIFE Nature Co-op Projekt wurde 2004 gegründet, um diese Teilpopulationen der Braunbären zu vernetzen, um es durch eine sogenannte Metapopulation den Tieren zu ermöglichen, auf natürlichen Weg zu überleben[2].
Die größte Population des Braunbären ist hierbei mit geschätzten 400 bis 500 Tieren in Slowenien anzutreffen, im Trentino und Zentralösterreich kann hingegen nur von Teilpopulationen gesprochen werden, die mangels natürlichen Austausch durch genetische Verarmung auszusterben drohen.
Namen und Familie
Die Famile des Braunbären stammt aus dem Naturreservat Adamello-Brenta bei Trient (Trentino/Norditalien) (Val di Tovel). Dort kam er 2004 auf die Welt [3]. Dort wurden seinerzeit im Rahmen des italienischen LIFE-Ursus-Projekts insgesamt zehn Bären aus Slowenien freigelassen und seitdem elf Junge geboren. Derzeit schätzt man den aktuellen Bestand auf etwa 18 bis 20 Bären.
Seine Eltern sind Vater Joze (*1994) und Mutter Jurka (*1998). Als Erstgeborener erhielt er aus deren Anfangsbuchstaben den Namen JJ1. Zu Beginn seines Streifzuges erhielt JJ1 dann von österreichischen Medien den Spitznamen Bruno, die Augsburger Allgemeine nannte ihn hingegen Beppo.
Sein jüngerer Bruder, JJ2, war 2005 im Engadin in der Schweiz und in Nauders in Tirol unterwegs, gilt aber seit Herbst 2005 als verschwunden. Es wird vermutet, dass er gewildert wurde[4].
JJ1 hatte zum Zeitpunkt seines Todes eine Widerristhöhe von 91 cm, seine Scheitel-Steiß-Länge betrug 130 cm, die Kopflänge 32 cm und er wog 110 Kilogramm[5]. Er konnte während seines Streifzugs durch DNA-Analysen von Fellresten identifiziert werden [6].
Debattierter Hintergrund des Problemverhaltens
Bei der Bewertung des Verhaltens des „Problembären JJ1“ ist es unumgänglich, einen Blick auf die Ursachen zu werfen - auf die Mutter Jurka im Brenta-Adamello-Gebiet Norditaliens. Vor diesem Hintergrund war das Verhalten von JJ1 durchaus logisch und erklärbar:
JJ1 sei von seiner Mutter „falsch gepolt“ worden, sagte Roland Eichhorn, der Sprecher des Bayerischen Umweltministeriums. „Der Bär kann praktisch gar nichts dafür.“ Wiederholt sei versucht worden, der Bärin Jurka, Mutter von JJ1, das Herannahen an menschliche Siedlungen im norditalienischen Naturreservat Brenta-Adamello durch sogenannte Vergrämung – unter anderem mit Beschuss durch Gummikugeln – auszutreiben. „Die Mutter hat quasi ein langes Vorstrafenregister.“
Normalerweise sucht ein Bär den Platz der zurückgelassenen Beute wieder auf, um diese vollends aufzufressen, sollte dies nicht bereits beim ersten Mal geschehen sein. Die Bärin Jurka machte jedoch die Erfahrung, dass beim zweiten Mal oft Menschen anwesend waren, die sie mit Gummigeschossen vertrieben, so dass sie lernte, das Zurückkehren zum Platz der Beute für das zweite Mal zu unterlassen. Bären sind lernfähig und geben Gelerntes an ihre Jungen weiter. Als sich JJ1 als Jungbär noch bei seiner Mutter aufhielt, wurde er von ihr dahingehend konditioniert, niemals an eine Stelle zurückzukehren, an der er ein Beutetier gerissen hat. Dies machte es auch so schwer, den Bären in Tirol in eine Falle zu locken und einzufangen.
Zum Problem der „falschen“ Konditionierung von Mutter Jurka und deren erzieherischer Übertragung der neu erworbenen Erfahrungen auf JJ1 sei angemerkt, dass der Bär nicht „falsch“ konditioniert war. Der Bär war richtig konditioniert, da sein Verhalten die richtige Antwort auf das Einwirken des Menschen auf ihn darstellte. Das arttypische Lernverhalten war bei JJ1 also völlig intakt. Nach Meinung von Verhaltensforschern wäre es daher möglich gewesen, den halbwüchsigen Bären umzuerziehen, d.h. ihn durch gezielte Vertreibungsmethoden das Halten von Abstand zu menschlichen Siedlungen beizubringen. Die Erfahrung mit den in Österreich eingesetzten speziellen Verhaltenstrainern zeigt, dass diese Methoden in der Regel auch bei sogenannten „Problembären“ greifen.
Die natürliche Scheu vor dem Menschen war bei JJ1 trotz seiner Annäherung an menschliche Siedlungen ebenfalls intakt: Alle seine Annäherungen an menschliche Siedlungen wie Hütten oder zuletzt dessen Auftauchen im bayerischen Ferienort Kochel am See fanden – ebenso wie die Schafrisse in der Vergangenheit – nachts und bei Abwesenheit von Menschen statt. Sobald überraschend ein Mensch auftauchte, ergriff der Bär die Flucht – beispielsweise am Berg Brauneck in der oberbayerischen Gemeinde Lenggries oder nachts darauf im Ferienort Kochel am See der Spaziergänger oder noch am Vorabend seines Todes. Die Tatsache, dass Bären bei einer Begegnung mit dem Menschen normalerweise selbst bei einer Distanz von nur einigen Metern flüchten und dieses Verhalten bei JJ1 gegeben war, lässt darauf schließen, dass auch weiterhin wenig Gefahr für Leib und Leben des Menschen bestand. Das löste allerdings nicht das Problem, dass JJ1 sich oft Beute in Annäherung an menschliche Behausungen holte. Nicht zuletzt bestand dadurch das Restrisiko einer gefährlichen Konfliktsituation, etwa verursacht durch mangelnde Fluchtwege, vergl. Panik.
Nach Ansicht des Sektionschefs Jagd, Wildtiere und Wildbiodiversität des Schweizer Bundesamtes für Umwelt (BAFU) lassen sich Weiden vor Großraubtieren durch einen Elektrozaun oder menschliche Anwesenheit, etwa durch einen Hirten, schützen. Dies würden Praxiserfahrungen der Schweizer mit dem Luchs bestätigen.
Für Viele stellte nicht nur der Abschuss, sondern nach dem möglichen Einfangen von JJ1 auch dessen geplante Einlieferung in ein Gehege bei Poing ein moralisches Problem dar. Man könne nicht alles wegsperren, was unliebsam erscheint: Aufgrund des nachlassenden Bevölkerungsdrucks im Alpenraum beanspruchen dort viele bereits vor dem Menschen dort heimische Tierarten nun wieder ihr Lebensrecht durch natürliche Einwanderung. Ein Rücktransport von JJ1 in das Naturreservat Brenta-Adamello stellte ebenso wenig eine dauerhafte Antwort dar, da es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis JJ1 sich auf der Suche nach einem Bärenweibchen wieder auf Wanderschaft begeben hätte.
Bärenmutter Jurka hat inzwischen drei weitere Jungbären. Seit mehreren Wochen wird im Trentino versucht, sie zu fangen, weil man befürchtet, dass sie ihr problematisches Verhalten, ebenso wie im Fall JJ1', an ihre Jungen weitergibt[7]
Beutezug und Sichtungen des Bären

Anfang Mai 2006 verließ JJ1 Südtirol. [Markierung 1 der Karte]
4. Mai: Er betrat zum ersten Mal Nordtiroler Boden. Kurz darauf wanderte er nach Vorarlberg.
10. Mai: Er riss im Montafon [2] zwei Schafe. Das erste Mal wurde er nachts beim Wechsel von Vorarlberg übers Zeinisjoch in Tirol von Jägern gesichtet. Danach durchstreifte er das Tiroler Oberland, wo er im Paznauntal [3] von einem Bauern gesehen wurde und einen Hühnerstall ausräumte. Später zog er weiter ins Außerfern [4].
17. Mai: Er wurde kurz vor der deutschen Grenze Im Tiroler Lechtal gesichtet.
18. Mai: „Der Bär ist in Bayern willkommen“, so der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf.
19. Mai: JJ1 plünderte dort einen Bienenstock. Anschließend wanderte er Richtung Oberbayern und tötete vier Schafe.
20.–22. Mai: Er erreichte Grainau [5] bei Garmisch-Partenkirchen, wo auch ein Foto entstand. Dort fiel er über Geflügel her und riss zwei weitere Schafe. Kurz darauf führte seine Spur wieder zurück nach Österreich. "Der Bär ist zu einem Problembären geworden.", so das Bayerische Umweltministerium.
25. Mai: JJ1 wurde im Rofangebirge, in der Nähe vom Achensee [6], von einem Jäger gesichtet.
27. Mai: Der Bär zog ins Zillertal [7] weiter und plünderte einen Bienenstock.
29. Mai: Er wurde bei der Überquerung der Inntalautobahn bei Jenbach [8] gesichtet und zog weiter zum Achensee.
Anfang Juni 2006 überquerte er wieder die deutsche Grenze.
2. Juni: JJ1 tötete zwei weitere Schafe.
4. Juni: Der Bär riss in der oberbayerischen Gemeinde Klais [9] abermals drei Schafe und verletzte vier weitere sowie ein Ziegenkitz.
5. Juni: Am Pfingstmontag fiel er am Lautersee bei Mittenwald [10] wieder über drei Schafe her und tötete sie. Dabei lief er mitten durch eine kleine Siedlung am Seeufer, wie Tatzenspuren belegen. Am Tag sichtete eine Autofahrerin den Bären beim Tiroler Grenzort Ehrwald[11]. In der Nacht plünderte JJ1 einen Hasenstall im österreichischen Weidach, Gemeinde Leutasch.
6. Juni: Mehrere Jugendliche sahen JJ1 auf einer Straße von Scharnitz nach Leutasch [12].
8. Juni: Abends soll das Tier in der Nähe des Solsteinhauses im Gemeindegebiet von Zirl [13] gesichtet worden sein.
9. Juni: Bei einer nächtlichen Suchaktion, die von einem Tross Jäger durchgeführt wurde, konnten in dieser Gegend einige Bärenspuren, sowie ein totes und ein verletztes Schaf gefunden werden. Ob die Schafe von einem Bären angegriffen wurden, ist noch nicht gesichert. Am selben Tag wurde noch ein Wildhase ohne Kopf zwischen den Gemeinden Roppen und Sautens [14] im Bezirk Imst gefunden.
10. Juni: JJ1 brach nord-östlich von Innsbruck einen Kaninchenstall auf. Am selben Tag traf die extra aus Finnland angereise Bärenhundestaffel in Tirol ein.
11. Juni: Es wurden Spuren des Tieres im Gemeindegebiet von Terfens [15] im Bezirk Schwaz gefunden. Die Suche der darauf angesetzten Bärenhundestaffel brachte keinen Erfolg. Mitschuld an der Erfolglosigkeit dieser Aktion hatte ein Jäger, der die Hundestaffel nicht in sein Jagdgebiet lassen wollte, weil sie keine Genehmigung vorweisen konnten.
12. Juni: Der Bär, der in kurzer Zeit sehr große Distanzen zurücklegte, wurde wieder im Achental [16] gesichtet. Der wiederum angesetzte Suchtrupp gab jedoch nach stundenlanger Suche auf. Kurz vor der Suchaktion wurde auf Initiative des Tiroler Landesrates Anton Steixner eine schriftliche Genehmigung für die Bärensuche ausgestellt.
14. Juni: JJ1 wurde um 12.50 Uhr von einem Mountainbiker im Bereich der Gan-Alm im Vomper Loch gesichtet. Einem Studenten gelang es, ein weiteres Foto des Tieres zu machen.
15. Juni: Nachts wurde der Bär im Bereich des Sylvensteinspeichers (südlich von Bad Tölz) [17] in Oberbayern von einem österreichischen Autofahrer angefahren. Da der Bär nur gestreift wurde und am Unfallort weder Fell- noch Blutspuren zu finden waren, ging man davon aus, dass er unverletzt blieb. Der Bär flüchtete über eine Böschung hinab in Richtung eines Sees. Noch in der Nacht setzten die Bärenfänger die Hunde auf die Fährte des vierbeinigen Räubers, doch verlor sich seine Spur bis zum Vormittag wieder. Die Seilbahn am 1556m hohen Brauneck wurde kurzzeitig angehalten, nachdem der Bär dort tagsüber gesichtet wurde.
16. Juni: Gegen 01:00 Uhr früh wurde der Bär bei Lenggries [18] in Bayern erstmals „gestellt“ und die Bärenfänger konnten sich ihm auf 600 Meter nähern, das Brauneck-Gebiet wurde vorher gesperrt und die Seilbahn angehalten. Die Dunkelheit, das unübersichtliche Gelände sowie ein starkes Gewitter verhinderten aber einen Abschuss oder eine Betäubung. Als die Fänger gegen 04:30 Uhr erneut zur Stelle der letzten Sichtung aufbrachen, fand man nur mehr ein gerissenes und zum größten Teil bereits vom Bären gefressenes Schaf vor. Die sodann aufgenommene Verfolgung musste gegen 08:00 Uhr abgebrochen werden, weil die Hunde keine Spur mehr hatten aufnehmen können [8].
17. Juni: Der Bär wurde in Kochel am See [19] gesichtet. In der Nacht brach das Tier dann inmitten des Orts einen Hasenstall auf und tötete Kaninchen sowie ein Meerschweinchen. Gäste eines Cafés wollen ihn direkt gegenüber einer Polizeistation gesehen haben [9].
18. Juni: JJ1 wurde auf einer Alm im Gemeindegebiet der Tiroler Gemeinde Achenkirch [20] im Bezirk Schwaz vermutet. Es wurde ein Zaun zerstört und es wurde vom Almhirten beobachtet, dass die Kühe brüllend herumliefen, der Bär wurde nicht gesichtet keine Spuren von ihm gefunden.
19. Juni: Frühmorgens wurde er in Wildbad Kreuth [21] gesehen. Erneut sind zwei Schafe gerissen worden [10]. Nach behördlichen Angaben waren die fünf finnischen Bärenjäger mit ihren sechs speziell ausgebildeten Jagdhunden bereits auf der Fährte des Braunbären Bruno.
20. Juni: Der Bär traf nachts gegen 01:00 Uhr in Maurach auf einen Fußgänger und wurde an der dortigen Polizeiwache beobachtet.
21. Juni: Der Bär konnte zwar von den finnischen Spezialisten und ihren Hunden an einer Klamm bei Brandenberg [22] in der Nähe des Achensees im Bezirk Kufstein gestellt werden, ihm gelang jedoch wieder die Flucht.
22. Juni: Am Nachmittag sah ein Wanderer den Bären im Rofangebirge [22].
23. Juni: JJ1 riss bei Thiersee (nahe Kufstein) ein Schaf. Die finnischen Bärenjäger gaben die Jagd auf [11].
24. Juni: Weitere Beobachtungen erfolgten nahe dem Spitzingsee [23] und der Bär wurde gesichtet, als er den Soinsee [24] im Landkreis Miesbach durchschwamm. Am selben Abend wurde er in der Nähe einer Bergwachthütte im Rotwandgebiet [25] beim Aufstieg beobachtet.
25. Juni: Einer der letzten, der JJ1 noch lebend sah, war der Koch der Berghütte Rotwandhaus, Thomas Krapichler: „Der Bär hatte mehr Angst vor mir als ich vor ihm.“ Der Bär riss am Abend noch ein Schaf auf einer in der Nähe liegenden Weide, wurde dort jedoch von Kühen vertrieben. „Der ist sogar vor den Kühen davongelaufen.“ so der Angestellte der Berghütte, dessen Chef dann die Polizei verständigte, woraufhin sich Jäger auf JJ1' Spur hefteten[12].
26. Juni 2006: JJ1 wurde um 04:50 Uhr auf der Kümpflalm in der Nähe der Rotwand [26] im Spitzingseegebiet, einem Ortsteil von Schliersee bei Bayrischzell im Landkreis Miesbach erschossen.
Reaktionen auf JJ1
Die Abschussgenehmigung
Wegen seines Verhaltens, die Nähe menschlicher Ansiedlungen nicht zu meiden, und der darin gesehenen potentiellen Gefährdung erließ die Bayerische Staatsregierung Ende Mai eine Abschussgenehmigung, an der sich ein öffentlicher Streit entzündete. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz stufte das Verhalten des Bären als – so wörtlich – „abnormal“ ein, Umweltminister Werner Schnappauf verkündete darüber hinaus, der Bär sei ganz offensichtlich außer Rand und Band. Angaben des Sprechers des bayerischen Umweltministeriums Roland Eichhorn zufolge, ist bereits die Bärenmutter Jurka bei sogenannten Vergrämungs-Versuchen, bei denen sie mittels Gummigeschossen von menschlichen Ansiedlungen ferngehalten werden sollte, versehentlich „falsch gepolt“ worden und habe somit auch ihre Jungen JJ1 und JJ2 entsprechend konditioniert [13], siehe auch Debattierter Hintergrund des Problemverhaltens.
JJ1 habe es offensichtlich auf Schafe abgesehen, denn allein vom 2. bis 5. Juni tötete er mindestens acht, ließ sie aber meist liegen. Durchschnittlich reißt ein Bär nur zwei bis drei Schafe pro Jahr. Solche Schäden sind typisch und normalerweise durch Versicherungen gedeckt. Problematisch sei jedenfalls die offenkundige Nähe der menschlichen Siedlungen zum Bärenrevier.
Vertreter von Naturschutzverbänden stimmten dem zwar prinzipiell zu, wandten jedoch ein, dass es noch zu keiner direkten Konfrontation mit Menschen gekommen sei und Bären außerdem derartige Zusammentreffen üblicherweise mieden. Sie kritisierten ausdrücklich die heftige Reaktion.
Auch im Land Tirol wurde Ende Mai eine Schießgenehmigung für den Bezirk Außerfern erteilt und eine Ausweitung auf das ganze Bundesland diskutiert. Aufgrund der oben angeführten Diskussion wurde sie jedoch am 2. Juni sowohl in Bayern als auch in Österreich widerrufen, was von den Vertretern vieler internationaler Tierschutzorganisationen begrüßt wurde [14].
Reaktionen der Öffentlichkeit
In der Folgezeit entwickelte sich eine öffentliche Diskussion über die Behandlung freilebender Bären und deren Bedrohungspotenzial für den Menschen.
Der WWF forderte die Erarbeitung von Verhaltensregeln, um die Öffentlichkeit in Zukunft an das Zusammenleben mit Wildtieren zu gewöhnen.
In Bayern wurde ein Bärenbeauftragter eingesetzt.
Es gab unzählige bedruckte T-Shirts, Anstecker und Tassen zum Zeichen der Solidarisierung mit Bruno.
Bruno wurde u.a. von Waldemar Hartmann in seiner zeitgleich zur Fussball-WM stattfindenden Sendung, inoffiziell zum Maskottchen der deutschen Nationalelf erklärt. Am Rande der Sendung wurde über Bruno berichtet und nach dessen Abschuss eine Trauerrede gehalten.
Fangversuche
Ziel der Fangaktion
Um den Bären umsiedeln und so vor dem Abschuss bewahren zu können, versuchten Naturschützer, ihn rechtzeitig einzufangen. Nach seinem Einfangen sollte, Experten zufolge, JJ1 mit einem Sender versehen werden, der es jederzeit ermöglicht, ihn bereits bei erstmaliger Annäherung an menschliche Siedlungen mit Gummigeschossen oder Ähnlichem zu vergrämen. Daraufhin hätte er sich dauerhaft in die Natur zurückziehen können, um auch in den Bergwäldern Bayerns ungestört zu leben.
Die Bärenfalle
In Zusammenarbeit mit dem WWF wurde zunächste versucht, ihn mittels einer speziellen Röhren-Falle einzufangen. Bei der in Montana hergestellten knapp € 3200,- teuren Falle handelte es sich um einen sogenannte Culvert-Trap, wie sie auch in Nordamerika zur Umsiedlung von Bären verwendet wird, die in der Nähe von Siedlungen auftauchen. Die Versuche blieben jedoch allesamt erfolglos. Eine eigens durchgeführte Suchaktion, die in der Nacht auf den 9. Juni 2006 im Gemeindegebiet von Zirl durchgeführt wurde, verlief ebenfalls erfolglos. Man konnte nur ein paar Bärenspuren sowie ein totes und ein verletztes Schaf finden.
Die Bärenjäger

Um das Tier systematisch aufzuspüren, wurde daraufhin ein finnisches Team von vier Bärenjägern mit der Suche beauftragt. Unterstützt wurden sie von schwedischen und norwegischen Elchhunden. Dabei handelt es sich um spezielle Hunde, die überwiegend gegen wehrhaftes Wild eingesetzt werden und speziell ausgebildet sind, um Bären und Elche zu stellen und diese von Menschen abzulenken. Außerdem sind sie mit leuchtend orangefarbenen Westen ausgestattet, die GPS-Ortungssender enthalten, um sie jederzeit wieder finden zu können [15]. Vor ihrem Einsatz in den Alpen wurde ihnen das Fell kürzer geschoren, um sie vor der sommerlichen Hitze zu schützen. Am Sonntag den 19. Juni traf ein weiterer Bärenjäger mit dem laut bayerischen Umweltministerium besten finnischen Bärenhund ein [16].
Das Team wurde auch von einem österreichischen Betäubungsexperten, dem Wiener Professor für Wildtiermedizin und Artenschutz Chris Walzer, begleitet. Da man mit Blasrohren oder normalen Betäubungsgewehren zu nah an den Bären heran gemusst hätte, war ein Spezialgewehr erforderlich, das auf eine Entfernung von 80 Metern Betäubungspfeile verschießen konnte. Bären haben eine außerordentlich dicke Fettschicht, darum versagen konventionelle Betäubungsmethoden.
Der sofortige Einsatz der Jäger scheiterte zunächst an bürokratischen Hürden, da geprüft werden musste, ob finnische Jäger grenzüberschreitend in Deutschland und Österreich bewaffnet eingreifen dürfen. Nach einer Einigung der Länder Tirol und Bayern gab es dann für die finnischen Sucher grünes Licht, am darauffolgenden Wochenende mit der Suche zu beginnen. Den Bärenfängern wurde zwei Wochen Zeit eingeräumt, den Bären aufzuspüren.
Am Sonntag, dem 11. Juni, begann die inzwischen eingetroffene Bärenhundestaffel im Bezirk Schwaz mit der organisierten Suche. Diese musste jedoch unterbrochen werden, weil ein Pächter sich weigerte, den Suchtrupp auf sein Jagdgebiet zu lassen, was wiederum darin begründet lag, dass die Bärenfänger keine Genehmigung vorweisen konnten. Erst ein Machtwort des zuständigen Landesrates konnte diesbezüglich Klarheit schaffen. Weil jedoch schon wieder ein Tag vergangen war, musste man auf die nächste Spur des Bären warten.
Als dieser tags darauf im Karwendelgebirge beim Achensee gesichtet wurde, nahm die Hundestaffel erstmals am 13. Juni morgens die Fährte des Bären auf. Sie mussten jedoch die Jagd nach achtstündiger Suche abbrechen. Die Hunde waren erschöpft und den finnischen Jägern waren die Berge zu steil. Sowohl die Hunde als auch die Jäger hatten offenbar auch Probleme mit der ungewohnten Hitze. Aufgrund der ständig warmen Witterung, blieben zudem die Duftspuren des Bären nicht lange erhalten, weshalb die Hundestaffel diese immer wieder verlor.
Am 21. Juni 2006 konnte der Bär zwar erneut gestellt, aber wieder nicht betäubt werden. Als ihm die Flucht gelang, konnte einer der Hunde ihn zwar verfolgen, aber nicht mehr stellen. Da die Hunde erschöpft waren, wurde auch kein weiterer Fangversuch mehr gestartet.
Am 23. Juni wurde der Einsatz der fünf finnischen Spezialisten endgültig abgebrochen.
Alternative Vorschläge
- Alternativ schlug der Bärenexperte und Bärenpfleger, Dieter Kraml, vor, JJ1 mit seiner eigenen Bärin Nora anzulocken, um ihn in die Nähe des Betäubungsspezialisten zu bringen. Der Erfolg war zwar fraglich, da JJ1 noch nicht geschlechtsreif war, es hätte aber immerhin noch die Möglichkeit bestanden, dass JJ1 sie als eine Art Mutterersatz akzeptiert hätte.
- Dieser Vorschlag wurde von verschiedenen Seiten aufgriffen und vermutet, daß sich JJ1 von fremden Bären durchaus würde anlocken lassen, da dieser offenkundig Kontakt zu anderen Bären suche. Das weite Umherstreifen sei ein klares Indiz für Kontaktsuche, so Tierschützer.
- Zuletzt zeigte JJ1 auffallend wenig Scheu vor Menschen und näherte sich derart an, dass sogar Videoaufnahmen gelangen. Die Flucht ergriff er zuvor lediglich als Reaktion auf das Auftauchen der Jagdhunde. Dies legt die Vermutung nahe, dass es bei einer erneuten Annäherung möglich gewesen wäre, ihm auch für einen Betäubungsschuss nahe genug zu kommen.
Kosten der Fangaktion
Die Kosten der Versuche, JJ1 einzufangen, wurden mit ca. 100.000 Euro beziffert. Zwei Drittel davon entfielen auf den österreichischen WWF, der ein Projekt zur Wiederansiedlung und zum Schutz von Braunbären in Österreich unterhält und einen eigenen Spurensucher beauftragt hat. Der vergebliche Versuch, JJ1 von fünf finnischen Bärenspezialisten und ihren Hunden stellen zu lassen, kostete 30.000 Euro, die sich Bayern und Tirol teilten.[17] Die Bärenröhrenfalle kostete 4000 Dollar und wurde vom WWF finanziert.[18]
Die Tötung des Bären
Erneute Abschussgenehmigung
Nachdem mehrere Versuche der finnischen Bärenjäger, JJ1 zu stellen und zu betäuben, fehlschlugen und deren Einsatz bis Montagabend, den 26. Juni 2006 befristet war, sollte nach Angaben des Sprechers des bayerischen Umweltministeriums, Roland Eichhorn, die Abschussgenehmigung wieder in Kraft gesetzt werden[19]. Auch der Landeshauptmann von Tirol, ist für den Abschuss.
Während man in Tirol die gesetzlichen Grundlagen für einen Abschuss des Bären schuf[20], entbrannte in Bayern ein Streit darüber, wer dafür zuständig sein könnte: Der Landesjagdverband wollte sich keinesfalls aktiv an einer Hatz auf JJ1 beteiligen. So sollte die Polizei diese Aufgabe übernehmen. Das Innenministerium verwies aber darauf, dass die Polizei lediglich unterstützend, z. B. mit Hubschraubern und Personal, tätig werden könne, für die Jagd auf Großwild fehle jedoch die Kompetenz.
Die Neuerteilung der Abschussgenehmigung stieß dabei immer noch auf vehementen Protest von Experten und Tierschützern[21]. Ein Streitpunkt war, ab wann die neue Abschussgenehmigung ihre Gültigkeit erlangte. Hier kursierten sowohl der 26. Juni für Bayern als auch der 27. Juni für Tirol in den Medien, das bayerische Ministerium selbst nannte den 25. Juni, obwohl in einer Allgemeinverfügung des zuständigen Regierungsbezirks Oberbayern vom 23. Juni 2006 „der sofortige Vollzug der vorstehenden Ausnahmegenehmigung als Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse“ angeordnet wurde. Zitat: „Die Allgemeinverfügung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft“[22].
Kritisiert wurde auch, u.a. seitens der Jägerschaft, dass Schnappauf eine Abschussgenehmigung gutheiße, obwohl der Bär ein geschützes Tier und entsprechend dem bayerischen Jagdgesetz kein jagbares Wild ist. Somit, hieß es, läge eine Kompetenzüberschreitung wenn nicht gar die Anstiftung zum Wildfrevel vor.
Der Abschuss
Nach nunmehr insgesamt vier Wochen erfolgloser Versuche, „Bruno“ zu fangen, wurde er am 26. Juni 2006 um 4:50 Uhr morgens auf der 1500 m hoch gelegenen Kümpflalm, einer Almwiese in der Nähe der Rotwand im Spitzingseegebiet, einem Ortsteil von Schliersee bei Bayrischzell im Landkreis Miesbach getötet[23].
Die Jägerschaft distanzierte sich von Anschuldigungen und gab an, sich bereits frühzeitig gegen einen Abschuss des Braunbären ausgesprochen zu haben, da dieser in Deutschland geschützt sei und überhaupt nicht gejagt werden dürfe - der Abschuss sei vielmehr durch ein staatlich beauftragtes Sicherheitsteam erfolgt.
TV-Berichten zufolge soll es sich bei den Personen um zwei ortsansässige Jäger sowie einen Polizisten gehandelt haben, die das Tier aus 150 Metern Entfernung durch zwei Schüsse in Lunge und Leber töteten. Von Seiten des Bayerischen Umweltministeriums hieß es, der Abschuss sei von - so wörtlich - „jagdkundigen Personen“ vorgenommen worden[24]. Weitere Details über den Schützen oder den Vorgang selbst wurden jedoch nicht genannt.
Er starb aufgrund innerer Verletzungen, wie die am 28.06.2006 veröffentlichte Obduktion ergab. [2]
Reaktionen auf die Tötung
Verbände
Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) bedauerte, dass 170 Jahre nach der Ausrottung des Bären in Bayern durch den Menschen das erste wiederkehrende Tier bereits nach wenigen Wochen getötet wurde[25].
Der Deutsche Tierschutzbund prüft rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen[26].
Der WWF bedauerte den Abschuss, wies jedoch darauf hin, dass es sich um ein verhaltensauffälliges Tier handelte[27].
Die Tierschutzstiftung Vier Pfoten, die sich in Rumänien um Tanzbären kümmert und derzeit in Mecklenburg-Vorpommern eine Auffangstation für Braunbären aus schlechten Haltungsbedingungen errichtet, kündigte an, die Rechtmäßigkeit des Abschusses von Bruno zu prüfen und ggf. weitere juristische Schritte zu unternehmen[28].
Politik
Die SPD-Landtagsfraktion Bayern forderte den Rücktritt von Umweltminister Werner Schnappauf[29].
Der Umweltstaatssekretär Bayerns, Otmar Bernhard, bezeichnete den Abschuss von JJ1 als äußerst bedauerlich, aber objektiv unvermeidbar[30]. Des Weiteren erklärte Bernhard, dass die Identität des Schützen nicht preisgegeben werden solle. Fragen nach Beteiligung eines Polizisten an der Abschussaktion ließ er unbeantwortet. „Es sind Jagdkundige, und dabei bleibt es“, sagte Ministeriumssprecher Roland Eichhorn zu den Fragen nach den Bärenjägern[31]. Bereits wenige Stunden nach der Tötung trafen Morddrohungen gegen den Todesschützen bei dem örtlichen Jagdverein ein.
Italien legte am 28. Juni 2006 Protest gegen die Tötung von JJ1 bei der EU-Kommission ein[32]. Die italienische Regierung will damit erreichen, dass der Artenschutz auf EU-Ebene geregelt wird. JJ1 war Teil des von der EU finanzierten Projektes „Life Ursus“ gewesen, dessen Ziel ist es, im Grenzgebiet Italien-Österreich-Deutschland wieder Bären anzusiedeln. Ein Abschuss komme nur dann in Frage, wenn ein Tier eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle - das sei bei JJ1 nicht der Fall gewesen, äußerte sich der WWF-Veterinär Alessandro de Guelmi, der maßgeblich für die Tierwelt der italienischen Alpen verantwortlich ist.
Der Umweltminister Deutschlands, Sigmar Gabriel, hat im Zusammenhang mit den Vorfällen um Braunbär JJ1 einen europaweit einheitlich geregelten Schutz von Raub- und Wildtieren verlangt. „Auch diese Tiere haben ein Recht zu leben, nicht nur im Zoo, sondern in ihrer natürlichen Umgebung.“ Gabriel geht zwar davon aus, dass die bayerische Landesregierung ihre Vorgehensweise sicherlich gut begründen kann, fragt sich jedoch „ob es nicht auch möglich gewesen wäre, Bruno zu betäuben oder mit Hartgummigeschossen zu vergrämen statt ihn zu erschießen“[33].
Institutionen
Bei der Staatsanwaltschaft München werden derzeit neun Strafanzeigen gegen Umweltminister Werner Schnappauf, sein Ministerium allgemein und gegen die, vom Deutschen Jagdschutz-Verband als Sicherheitsteam des Landratsamtes Miesbach bezeichneten, direkt Verantwortlichen für den Abschuss des Bären geprüft[34].
Henning Wiesner, Direktor des Tierparks Hellabrunn, empörte sich darüber, dass der Bär nicht betäubt und mit einem GPS-Halsband versehen wurde. Das hätte die Ortung des Bären mit einer Genauigkeit von ca. 5 m möglich gemacht, so dass man jederzeit Gegenmaßnahmen bei Annäherungen an menschliche Wohngebiete hätte einleiten können. Am Wochenende noch habe sich gezeigt, wie leicht sich Menschen dem Bären hätten nähern können (auf ca. 10–15 m), so dass der Einsatz von Betäubungsgewehr (ca. 30 m Reichweite) oder Blasrohr (ca. 10 m Reichweite) möglich gewesen wäre.
Die staatliche italienische Waldpolizei Cfs kündigte an, einen Helikopter auf den Namen Orso Bruno (Bär Bruno) zu taufen[35]. Sie kritisierte die Erschießung des Tieres, welches die Frucht eines schwierigen und gut funktionierenden Programmes zur Wiedereinführung der Bären in den Alpen gewesen sei.
Öffentlichkeit
In einer Umfrage der Süddeutschen Zeitung sprachen sich 86% der Befragten gegen das Vorgehen im Fall Bruno aus. In einem Kondolenz-Blog im Internet verliehen tausende Internetnutzer aus Deutschland und anderen Ländern ihrer Trauer und ihrem Ärger über den Abschuss Ausdruck.
Der Begriff „Problembär“
Im Zusammenhang mit dem Auftreten des Braunbären hatte sich schnell ein Begriff etabliert, der bisher in Deutschland fast unbekannt war: „Problembär“. Schnell wurde der Begriff zum Synonym für JJ1 und es bildeten sich erste Abwandlungen.
Herkunft des Begriffs
Aufgrund ähnlicher Zwischenfälle mit Bären in Niederösterreich und der Steiermark wurde dieser Begriff in der österreichischen Medienberichterstattung schon vor einigen Jahren geprägt. Der ehemalige Moderator der ORF-Fernsehsendung "Inlandsreport", Helmut Brandstätter, hatte das Wort „Problembär“ damals scherzhaft sogar zum „Wort des Jahres“ erklärt.
Besonders populär und zu einem das Tagesgeschehen mitbestimmenden Wort wurde dieser Ausdruck jedoch vor allem durch eine Rede des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber Ende Mai 2006, der im Rahmen einer Pressekonferenz die Abschussgenehmigung rechtfertigte. Stoiber erkannte zwar die Bedeutung des Bären als Zeichen gelungenen Naturschutzes an, verwies aber auf die bestehende Problematik der mangelnden Scheu dieses Bären vor dem Menschen. Hierbei unterschied Stoiber in wissenschaftlich fragwürdiger Weise zwischen „Normalbären“ mit erwartungsgemäßem Verhalten, weiter sogenannten „Schadbären“ (einem Begriff, der in der Staatskanzlei breite Verwendung fand) sowie schließlich den „Problembären“, zu denen er auch JJ1 zählte. In den deutschen Medien und der deutschen Öffentlichkeit etablierte sich dann überwiegend der Begriff Problembär.
Aufgrund der ständig fehlgeschlagenen Fangversuche und der sich anhäufenden Schäden, wurde JJ1 später auch als sogenannter "Risikobär" bezeichnet.
Verselbständigung des Begriffes
Die o.g. Einteilung der Bären durch Stoiber sorgte in der Öffentlichkeit für weiteres Aufsehen und gab Anlass für teils heitere und teils kritische Kommentare in den Medien. Sie wurde in Radiospots sowie im Internet in Form von Parodien mehrfach kabarettistisch aufbereitet. So wurde er z.B. als „Stoibär“ oder auch „Schlaubär“ bezeichnet, ferner sprach man vielfach von der Stoiber'schen Bärenkunde. Am Tag nach der Rede Stoibers wurde der Begriff von verschiedenen Seiten schon als scherzhaftes Synonym für unliebige Personen eingesetzt. So wurde Stoiber selbst, u.a. von Stefan Raab, als wörtlich „Problembär der Staatsregierung“ tituliert.
Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass mit dem Begriff „Problembär“ eine stehende Redewendung Einzug in die Alltagssprache hält (vgl. auch die ähnliche Entwicklung bei der Figur Erklärbär aus der Sat.1-Wochenshow). So verglich der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Rainer Brüderle, kürzlich den gegenwärtigen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) mit dem Bären JJ1: „Manche sehen in Michael Glos ja schon den Problembären der Regierung, so eine Art Bruno der deutschen Volkswirtschaft.“ [36]
Auch erste Abwandlungen des Begriffs tauchten in den Medien auf. So sprachen Medien und Politik am 27. Juni in einem Artikel von einem „Problemminister“. Wörtlich heißt es dort: Im bayerischen Landtag wächst derweil der Druck auf Schnappauf. Die SPD-Fraktion verlangte seinen Rücktritt. Schnappauf werde zum „Problemminister“, hieß es[37]. Andere Quellen sprechen vom "Risikominister".
Sonstiges
23.Mai: „Der Papst hat mit der Aufnahme des Bären in sein Wappen das Heimatrecht des Bären in Bayern neu bekräftigt.“ so der Münchner Ordinariatssprecher Winfried Röhmel.
Im Zusammenhang mit der Sichtung des Bären am 24. Juni 2006 hatte der anlässlich „Bruno“s Auftauchen eigens ernannte bayerische Bärenbeauftragte, Manfred Wölfl, die Bevölkerung darauf hingewiesen, den Bären nicht zu verfolgen. Man solle sich im Falle einer Begegnung ruhig verhalten, dem Bären den Weg freigeben und ihm durch Sprechen signalisieren, dass er Menschen vor sich habe. Anschließend seien die Behörden zu informieren. [38]
In einem Internet-Wettbüro wurde die Frage gestellt: "Fliegt Deutschland bei der WM hinaus oder wird Bruno gefangen?" Nach den damaligen Quoten war Deutschlands Ausscheiden leichter Favorit [39].
Unter dem Namen „Bruno der Bär“ wird ein im Stil des Moorhuhn gehaltenes Online-Flash-Spiel kostenlos angeboten.
Wegen der erneuten Freigabe zum Abschuss wollten ab Dienstag, den 27. Juni Aktivisten der Jugendorganisation JBN des „Bund Naturschutz“ in „täuschend realistischen“ Bärenkostümen durch den Wald streifen, um die Jäger zu verunsichern und den Abschuss zu verhindern. Einen Tag vorher musste JJ1 jedoch bereits sterben.
Der tote Bär soll nach seiner Obduktion präpariert werden und dem Naturkundemuseum "Mensch und Natur" im Schloss Nymphenburg in München übereignet werden [40]. Hier ist bereits der letzte freilebende Bär ausgestellt, der vor 170 Jahren erlegt wurde. Zugleich gibt es Forderungen, „Brunos“ Überreste in einem örtlichen Heimatmuseum auszustellen.
Der Spielwarenhersteller Steiff hat angekündigt, eine auf 2000 Stück limitierte Sonderausgabe „Bruno JJ1“ als Plüschbär mit Trauerflor aufzulegen[41]. 5% des Kauferlöses sollen dann lt. Herstellerinformationen dem vom WWF geleiteten Projekt zur Wiederansiedlung des Braunbären in Europa zugute kommen. Man wolle mit der Sonderauflage helfen, das WWF-Projekt in Europa publik zu machen und es damit neben einer Spende aktiv unterstützen.
Weblinks
Bilder
- „Bruno der Bär ist JJ1 aus Italien“, WWF, 31. Mai 2006
- „Problembär außer Rand und Band“, stern, 23. Mai 2006
- Letztes Bild: „Abschied von Bruno“, Berliner Morgenpost, aus der Fotoserie „Bruno Bär - gejagt bis zum Tod“
Projekte
- [3] Life-Projekt der Europäischen Gemeinschaft, im Zuge dessen die Wiederansiedelung von Bären in den Alpen gefördert wird.
Quellen
- ↑ The New York Times: Bruno Is Having a Picnic, but He's No Teddy Bear, 16. Juni 2006
- ↑ WWF: Bären in den Alpen
- ↑ Naturpark Brenta Adamello - Homepage: Life Ursus (englisch)
- ↑ Liechtensteiner Vaterland: "Schweizer Braunbär" seit neun Monaten spurlos verschwunden, 22. Juni 2006
- ↑ War „Bruno“ doch nicht sofort tot? in der Passauer Neuen Presse am 29. Juni 2006
- ↑ WWF - Österreich: WWF bestätigt: Tiroler Bär ist JJ1, 30. Mai 2006
- ↑ [1]in portale.web.de, 25.06.06
- ↑ Frankfurter Rundschau: "Bruno" narrt Jäger erneut, 22. Juni 2006
- ↑ www.lycos.de: «bruno» taucht am Tegernsee auf, 19. Juni 2006
- ↑ Südwest Presse: «Bruno» taucht am Tegernsee auf, 16. Juni 2006
- ↑ JJ1 ist Bärenjägern neuerlich entwischt
- ↑ Um 4.50 Uhr streckten sie ihn nieder . . . im abendblatt.de am 29. Juni 2006
- ↑ Mitteldeutsche Zeitung: Streunender Braunbär ist kein Unbekannter mehr, 19. Juni 2006
- ↑ www.nachrichten.ch: Finnische Bärenfänger suchen «Bruno», 9. Juni 2006
- ↑ Fünf finnische Elchhunde sollen Braunbär aufspüren in de.news.yahoo.com am 12.06.2006
- ↑ sueddeutsche.de: Spur in Österreich: Neue Rätsel um Bär Bruno. 19. Juni 2006
- ↑ Abendblatt: Mountainbiker verfolgten "Bruno" – von heute an zum Abschuß frei, 26. Juni 2006
- ↑ Süddeutsche Zeitung: Bruno, der ABM-Bär, 8. Juni 2006
- ↑ Berliner Zeitung: Schonfrist für Braunbär JJ1 läuft am Montag ab, 23. Juni 2006
- ↑ Kurier: Jagd auf JJ1 beendet, 23. Juni 2006
- ↑ Netzeitung: Ab Montag droht Bruno der Abschuss, 23. Juni 2006
- ↑ Algemeinverfügung Regierung Oberbayern am 23.Juni 2006
- ↑ Bayerischer Rundfunk: Abschuss: Jäger töten Braunbär „JJ1“, 26. Juni 2006
- ↑ Bayerischer Rundfunk: Online-Berichterstattung des Bayerischen Rundfunks
- ↑ Bund Naturschutz in Bayern e.V.: Pressemitteilung, 26. Juni 2006
- ↑ Deutscher Tierschutzbund: Pressemitteilung, 26. Juni 2006
- ↑ WWF: Pressemitteilung, 26. Juni 2006
- ↑ Stellungnahme von VIER PFOTEN, 27. Juni 2006
- ↑ SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag: Bärentöter Schnappauf muss seinen Hut nehmen
- ↑ Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: Pressemitteilung, 26. Juni 2006
- ↑ n-tv: Meldung, 26. Juni 2006
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung: Italien protestiert bei EU-Kommission gegen „Brunos“ Tod, 27. Juni 2006
- ↑ Deutscher Minister fordert EU-Großwildmanagement in www.derstandard.at, am 29. Juni 2006
- ↑ Bruno-Fans erstatten Anzeige gegen Schnappauf in www.netzeitung.de, 27. Juni 2006
- ↑ Tages-Anzeiger: Italiens Waldpolizei tauft Helikopter Orso Bruno, 27. Juni 2006
- ↑ Spiegel Online:Kanzlerin rettet „Problembär“ Glos
- ↑ Stern: "Schnappauf wird zum Problem-Minister", 27. Juni 2006
- ↑ Berliner Morgenpost: "Bruno" trifft Mountainbiker, 26. Juni 2006
- ↑ gamebookers Sportwetten-Portal
- ↑ Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: Mitteilung, 26. Juni 2006, 13.00 Uhr
- ↑ Steiff will "Bruno"-Edition herausbringenin www.tagesspiegel.de am 27. Juni 2006