Pflegerische Diagnostik
Auch im Kontext der professionellen, prozessorientierten Pflege wird von Diagnostik gesprochen. Pflegephänomene werden somit auch als Pflegediagnosen bezeichnet.
Der diagnostische Prozess (nach Cox)
- Sammlung der Daten
- Zusammenfassung der Kennzeichen gemäß der Assessment-Struktur
- Identifizierung der allgemeinen Probleme
- Nochmalige Zusammenfassung der Daten (Clusterung gemäß der identifizierten Probleme)
- Evtl. Sammlung weiter Daten (problemorientiertes Assessment)
- Generierung mehrerer diagnostischer Hypothesen
- Überprüfung der diagnostischen Hypothesen
- Auswahl der akkuratesten Pflegediagnose
- Validierung der Pflegediagnose
- Formulierung der diagnostischen Aussage
Klassifikationssysteme
Im deutschsprachigen Raum werden überwiegend zwei Klassifikationen von Pflegediagnosen oder -phänomenen verwendet, jene der nordamerikanischen NANDA und jener des International Council of Nurses (ICN), die sog. ICNP. Für ICNP gibt es eine deutschsprachige Nutzergruppe.
Beide Klassifikationen verwenden unterschiedliche Taxonomien, wobei die ICNP sich allerdings als Referenzklassifikation versteht und in diesem Sinne andere Systeme zu integrieren versucht.
Es existieren international noch weitere Klassifikationen, die sich aber nicht wirklich durchsetzen konnten. Erwähnenswert ist allenfalls SABA, das speziell für den Bereich der häuslichen Pflege entwickelt wurde.
Allerdings hat sich die NANDA vor einiger Zeit mit der Klassifikation der Nursing Outcomes NIC und mit den Nursing Interventions NOC verlinkt.
Was ist eine Pflegediagnose
Zu dieser Frage gibt es viele Antworten aus den verschiedensten Lagern.
Eine der Ersten war von McManus (1951):
Pflegediagnose ist die Identifizierung des Pflegeproblems und das Erkennen seiner zusammenhängenden Aspekte.
Laut NANDA (1999):
... eine Pflegediagnose ... eine klinische Beurteilung der Reaktion eines Individuums, einer Familie oder eine Gemeinschaft auf aktuelle oder potentielle Gesundheitsprobleme/Lebensprozesse dar. Pflegediagnosen bilden die Grundlage für eine definitive Behandlung zur Erreichung von Ergebnissen für welche die Pflegeperson verantwortlich ist.
Nach Abderhalden (1995)
... eine Pflegediagnose ... eine möglichst kurze, prägnant formulierte, fachlich fundierte, auf systematisch erhobenen, subjektiven und objektiven Daten abgestützte charakterisierung und Beurteilung der pflegerelevanten Probleme/Ressourcen von Pflegeempfängern/-innen, welche so differenziert ist, das sie Fachpersonen aus der Pflege wesentliche Anhaltspunkte über Art und Ausmaß des Pflegebedarfs liefert und eventuell als grobe Handlungsorientierung dienen kann. Außerdem gibt er zwei Sichtweisen des Ausdruckes Pflegediagnosen an. In theoretisch-konzeptuellen Bedeutung ist eine Pflegediagnose eine Wissenseinheit, ein Baustein pflegerischen Fachwissens und/oder eine Benennung für eine solche Wissenseinheit. In der klinisch-praktischen Bedeutung ist sie die Bezeichnung für den zweiten Schritt des Pflegeprozesses.
Fischer definiert etwas pragmatischer.
Pflegeleistungen sollen gemessen werden, um zu sagen „was die Pflege tut“; Pflegediagnosen sollen verwendet werden, um zu sagen „warum sie dies tut“.
Mortensen sagt:
Pflegediagnosen können als Phänomene beschrieben werden, welche Gesundheitsprobleme und Gesundheitszustände umfassen, auf welche die Pflege jeweils einwirkt: vorbeugend, beeinflussend oder fördernd.
Kurze Geschichte der Pflegediagnosen
Die Pflegeplanung geht zurück auf die 50iger Jahre des letzen Jahrhunderts. In den USA erschienen ab 1960 die ersten Artikel über Pflegeplanung in Fachzeitschriften. Die Einführung erfolgte ab etwa 1970. Die Idee kam dann nach Großbritannien, wo die Methode den dortigen Verhältnissen angepasst wurde. Die Einführung in den USA und Großbritannien erfolgte, weil die Pflegekräfte die Pflegeplanung als Methode zur Qualitätssteigerung sahen. In den USA wurde die Pflegeplanung auch als Instrument gesehen, dem Beruf mehr Ansehen zu bringen.
Die Pflegeplanung wurde durch das Erscheinen des Buches «Pflegeplanung» von Fiechter und Meier (1981) vorangetrieben. Bereits in den 50iger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde das Model der Pflegediagnosen von verschiedenen Autoren verwendet. Wie oben beschrieben, erfolgte die Implementierung erst ca. 20 Jahre später, bereits 1967 wurde von Helen Yura und Mary Walsh das erste Buch über die Pflegeplanung und dem Pflegeprozess in 4 Stufen (Einschätzen, Planen, Umsetzen, Auswerten) herausgegeben.
1973 erfolgte die erste Konferenz der American Nursing Association – ANA. Es wurden die „Standards of Nursing Practice“ herausgegeben. Pflegediagnosen wurden als autonomer Teil der Krankenpflege anerkannt. Ab dieser Zeit kommen die Pflegediagnosen oft in der Literatur zur Krankenpflege vor. 1982 wird die NANDA offiziell gegründet und eine Taxonomie empfohlen. In der Zwischenzeit hat sich auch der Pflegeprozess etwas differenziert, in jetzt 5 Stufen: Einschätzung(Assessement) -> Pflegediagnose -> Planung -> Umsetzung -> Auswertung. In den frühen 90iger Jahren des letzen Jahrhunderts entstanden auch europäische Bestrebungen Pflegediagnosentaxonomien zu entwicklen. Die ENDA, ACENDIO, DIHNR -> TELENURSE, ICNP, ICF (ICIDH), ISO