Coburger Bratwurst

Die Coburger Bratwurst ist eine traditionelle Coburger Spezialität. Das Wurstbrät besteht aus Rind-, Kalb- und Schweinefleisch sowie verschiedenen Gewürzen.
Die grobe Bratwurst gilt als die älteste Spezialität der Stadt Coburg.[1] Die rohe, nicht vorgebrühte und mit rohem Ei gebundene Wurst wird traditionell auf einem Bandrost mit offenem Feuer aus Kiefernzapfen gebraten.[2][3][4]
Herstellung und Verkauf

Der Verkauf von Coburger Bratwürsten auf dem Coburger Marktplatz erfordert eine Sondernutzungserlaubnis der Stadt Coburg. Darin wird u. a. die Beschaffenheit der Wurst geregelt. Sie muss u. a. zu 15 Prozent aus Rindfleisch bestehen, einen Fettgehalt von 35 +/- 5 Prozent aufweisen, 3 Prozent Vollei enthalten sowie einen BEFFE-Wert von 12 Prozent +/- 2 Prozent aufweisen. Zusatzstoffe dürfen nicht enthalten sein.[5] Die Kiefernzapfen, auf denen auf dem Coburger Marktplatz verkaufte Bratwürste gebraten wurden, wurden über Jahrzehnte von Kindern auf dem Land gesammelt.[6]
Geschichte
Die genaue Datierung der Entstehung der Coburger Bratwurst ist unter fränkischen Chronisten strittig.[4]
Bratwürste werden in der Coburger Stadtgeschichte bereits im 15. Jahrhundert erwähnt. 1498 soll aus dem ältesten Speisezettel des damaligen Coburger Georgenspitals hervorgehen, dass jedem Spitalinsassen zwei Bratwürste gegeben worden sind.[7] 1530 wurde ein kurfürstlicher Reisezug, dem auch Martin Luther angehörte, mit Bratwürsten verpflegt.[4] 1623 erließ Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg eine Steuerverordnung, laut der eine Bratwurst nur 4,5 Pfennige kosten dürfe und vier Stück zusammen ein Pfund wiegen müssten.[4]
Der Komponist Karl Friedrich Zelter, der in einem Gasthof am Coburger Marktplatz Unterkunft genommen hatte, berichtete in einem Brief 10. Oktober 1827 an seinen Freund Johann Wolfgang von Goethe: „Seit heute früh sechs Uhr werden hier vor meinem Fenster, auf dem Platz, auf zehn verschiedenen Feuern, Würste gebraten; sollte dies Blatt danach duften, so weißt Du, woher es kommt.“ Coburger Bürger verzehrten demnach an die 10.000 Würste pro Woche.[4][8]

Die bereits im späten 18. Jahrhundert auf dem Rathaus angebrachte Figur des Stadtpatrons St. Mauritius wurde von Bürgern im Laufe der Zeit als „Bratwurstmännle“ bezeichnet, der über die Herstellung der Spezialität wachen solle.[4] Die Länge einer Bratwurst solle demnach mindestens der Länge der Schriftrolle in dessen rechter Hand entsprechen, die auch als „Wurstmaß“ bezeichnet wird.[9] Historiker bezeichnen die Verbindung des Bratwurstmaßes mit dem Heiligen Mauritius allerdings als reine Erfindung der Bratwurströster, die damit die Touristen-Frage bezüglich der Länge der Bratwurst glaubhaft und mit Fingerzeig auf das „Bratwurstmännle“ erklären wollten.[7] Ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts fand sich die Coburger Bratwurst auch in der künstlerischen Rezeption wieder, darunter Gedichten und Gemälden.[7]
Auf dem Coburger Marktplatz haben u. a. belgische Königspaar Baudouin, Königin Silvia von Schweden, Bundeskanzler Helmut Kohl, die Vizekanzler Erich Mende und Hans-Dietrich Genscher sowie Ministerpräsident Franz Josef Strauß Coburger Bratwürste verzehrt.[6] Als Bundesaußenminister unternahm Genscher von den Bayreuther Festspielen jährlich – aufgrund der Bratwurst – mit anderen Außenministern eine Exkursion nach Coburg.[10] 1982 besuchten der Schwedische König Carl XVI. Gustaf und seine Gemahlin Silvia die Stadt Coburg. Nach dem Empfang im Rathaus wurden dem Königspaar auf ihrem Weg zum Schloss Ehrenburg auf dem Marktplatz Coburger Bratwürste frisch vom Rost zur Verkostung gereicht.[11] Bereits als Kind hatte der spätere König bei regelmäßigen Besuchen in Coburg Bratwurst gegessen und dies später vermisst.[12] Bundeskanzler Kohl zog bei einem Emfang im Coburger Rathaus am 10. Mai 1987 eine Coburger Bratwurst dem ihm angebotenen Glas Sekt vor.[13]
Wann der Verkauf von Bratwürsten auf dem Marktplatz begann, ist nicht überliefert. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es zehn, 2013 waren es noch zwei.[7]
Der Preis der auf dem Marktplatz verkauften Bratwürste war regelmäßig Gegenstand von Diskussionen und Protesten. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg protestierten Bürger gegen den neuen Bratwurstpreis. Dieser sollte sich um einen Pfennig auf 13 Pfennig für die Semmel mit Bratwurst erhöhen.[4] 1951 lag er bei 45 Pfennig, 1999 bei 1,43 Euro, kurz darauf bis 2010 bei 1,50 Euro.[6][14] Ein Bericht über eine Preiserhöhung von 2,00 auf 2,30 Euro wurde im Jahr 2017 binnen 18 Stunden 14.000-mal gelesen und führte zu teils überregionaler Resonanz.[15] 2018 wurden zwischen 2,30 und 2,50 Euro verlangt.[5]
Der Fleischerverein 1888 Coburg unternimmt seit 1953 eine jährliche Bratwurst-Tour, in der 500 Coburger Bratwürste in anderen Regionen serviert werden.[16]
2018 wurden die Coburger Bratwurst in das Kulinarische Erbe Bayern (KEB) aufgenommen, die Coburger Bratwurstbrater in den zugehörigen Verein.[17][18][19]
Bratwurstdiskussion (seit 2014)
2012 wurden in der Europäischen Union Grenzwerte für Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) von Grillfleisch eingeführt.[20] Die stichprobenartige Prüfung von Coburger Bratwürsten war in einem August 2013 vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit an die Stadt Coburg übermittelten Probenplan enthalten, woraufhin städtische Mitarbeiter Proben von Coburger Bratwürsten sammelten.[21] Im Frühjahr 2014[22] wurden bei drei vom LGL[23] untersuchten Bratwürsten weit über den Grenzwert der EU liegende Benzo[a]pyren-Werte festgestellt. Bis zu 77 Mikrogramm Benzo[a]pyren wurden gemessen, bei zulässigen fünf Mikrogramm Benzo[a]pyren pro Kilogramm Fleisch.[24] Benzo[a]pyren entsteht bei der unvollständigen Verbrennung von organischen Stoffen, also auch beim Grillen und beim Räuchern und gilt als krebserregend.
Die Entwicklungen stießen auf erhebliche Kritik.[25][26] Die Stadt Coburg erstatte Strafanzeige.[27]
Vorübergehend musste die Bratwurst auf Holzkohle gegrillt werden.[28] Die Fleischerinnung stieß eine Messreihe an, experimentierte mit Buchenholz, das zu ähnlichen Grenzwertüberschreitungen führte und empfahl zunächst, Holzkohle zu nutzen und nur wenige und möglichst trockene Kiefernzapfen oder Buchenholz beizumischen, um den Geschmack zu erhalten und die Benzo[a]pryen-Werte zu verringern.[29] Erwogen wurde auch die Nutzung eines speziellen Rillenrostes, mit dem weniger Fett ins Feuer tropfen sollte.[21]
Die EU-Abgeordnete Monika Hohlmeier sagte, die EU-Kommission sei bereit, Deutschland in die Liste der Länder aufzunehmen, für die Ausnahmeregelungen für traditionelle regionale geräucherte Fleisch- und Wurstwaren gelten können.[30] Der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sagte 2014 zu, einen solchen Ausnahmeantrag zu stellen.[31] Ein solcher Ausnahmeantrag ist für Lebensmittel möglich, die nicht zur täglichen Ernäherung gehören.[3] Im Juli 2016 fand in Brüssel ein Treffen von Schmidt und Hohlmeier mit dem zuständigen EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis zur Coburger Brastwurst statt.[28] Der zuständige EU-Kommissar Andriukaitis erklärte, es sei noch kein entsprechender Antrag eingegangen, sollte aber gestellt werden.[28][3]

Zwischenzeitlich zeigten die Ergebnisse weiterer Untersuchungen des LGL, dass die Zubereitung der Coburger Bratwürst nicht verbraucherschutzkonform sei, da die Grenzwerte für krebserregende Substanzen beim Grillen rein über Kiefernzapfen überschritten würden. Die Fleischerinnung gab eine „Anleitung zum verbraucherschutzkonformen Grillen“ heraus.[32] Damit einher ging ein amtlicher „Bratleitfaden“ des LGL und regelmäßige Gesprächsrunden.[33][34] Die Staatsanwaltschaft, die zwischenzeitlich Ermittlungen in über 20 Fällen wegen möglicher Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz[20] aufgenommen hatte, stellte die Ermittlungsverfahren im November 2014 aufgrund lediglich geringfügiger Grenzwertüberschreitungen ein. Als mögliche Ursache gilt das Braten auf Kiefernzapfen.[35]
Höhere Bratroste, geringere Abstände der Flacheisen des Grillrosts sowie ein Anbraten auf Kiefernzapfen mit Fertiggarung auf Buchenholz zählen zu den bis Ende 2014 umgesetzten Änderungen.[35] 2018 empfahl die Fleischerinnung, die Zahl der Zapfen zu reduzieren.[19] Mangels europäischer Ausnahmegenehmigung kommen die schonenden Grilltechniken weiterhin zum Einsatz.[28] Ein Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung lag im Mai 2018 beim Bayerischen Verbraucherschutzministerium. Untersuchungsreihen zur weiteren Optimierung der Zubereitung laufen.[19]
Weblinks
- Coburger Bratwurst. Gesammelte Presseberichterstattung auf infranken.de
Einzelnachweise
- ↑ Peter Schmitt: Vom Erfolg schon immer verwöhnt. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Nr. 4, 31. Januar 1999, S. 12.
- ↑ Nicole Schmidt: Es geht um die Wurst. In: Frankfurter Neue Presse. 14. Dezember 2013, S. 2.
- ↑ a b c Katja Auer: Die Lizenz zum Grillen. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 176, 1. August 2016, ISSN 0174-4917, S. 37.
- ↑ a b c d e f g Coburger Bratwurst. Gebraten über einem Feuer aus Kiefernzapfen. In: www.spezialitaetenland-bayern.de. Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, abgerufen am 12. Januar 2019.
- ↑ a b Hier geht's um die Wurst. In: Coburger Tageblatt. 8. August 2018, S. 3.
- ↑ a b c Roman Deininger: „Die Bratwurst gehört doch zu uns dazu“. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 298, 24. Dezember 2010, ISSN 0174-4917, S. 49.
- ↑ a b c d Christian Boseckert: Die Coburger Bratwurst. Hrsg.: Haus der Bayerischen Geschichte (= Edition Bayern. Nr. 9). Pustet, Regensburg 2013, ISBN 978-3-7917-2504-8, S. 72 f. (hdbg.de [abgerufen am 12. Januar 2019]).
- ↑ Cerpnjak, Dorothea; Kleine Kulturgeschichte der Bratwurst, Kapitel Coburger Bratwurst, Seite 36; ISBN 3-89798-132-7
- ↑ Hier geht's um die Wurst! In: Berliner Kurier. Nr. 120, 3. Mai 2005, S. Ap4.
- ↑ 500 Coburger Bratwürste im Reisegepäck. In: Allgemeine Fleischer-Zeitung. Nr. 46, 14. November 2012, S. 22.
- ↑ Werner A. Widmann: Das ist Coburg; S. 221-222; ISBN 3-512-00663-9.
- ↑ Kerstin Decker: Der König vermisst Bratwurst. In: Leipziger Volkszeitung. 13. Oktober 2016, ISSN 0232-3222, S. 13.
- ↑ Kohl und die Coburger Bratwurst. In: Coburger Tagblatt. 17. Juni 2017, S. 17.
- ↑ Olaf Przybilla: Im Freistaat immer hinterher. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 132, 24. Dezember 2010, ISSN 0174-4917, S. 48.
- ↑ Die Bratwurst ist auch virtuell ein Renner. 4. Mai 2017, S. 9.
- ↑ Wer hat die bessere Bratwurst? In: Allgemeine Fleischer-Zeitung. Nr. 36, 7. September 2011, S. 12.
- ↑ Bratwurst ist ein Kulturgut. In: Allgemeine Fleischer-Zeitung. Nr. 23, 6. Juni 2018, S. 10.
- ↑ Coburgs Gaumenfreuden gehören zum Kulinarischen Erbe Bayern. In: kulinarisches-erbe-bayern.de. Kulinarisches Erbe Bayern e. V., 9. Mai 2018, abgerufen am 12. Januar 2019.
- ↑ a b c Simone Bastian: Mehr als Wurst-Tradition. In: Coburger Tageblatt. 10. Mai 2018, S. 10.
- ↑ a b Droht der traditionellen Coburger Bratwurst das Aus? In: Nürnberger Zeitung. 24. Mai 2014, S. 19.
- ↑ a b Helke Renner: Stadt hat selbst Anzeige erstattet. In: Coburger Tagblatt. 14. Juni 2014, S. 9.
- ↑ Olaf Przybilla: 9 cm kontra echte Wurstkunst. In: Süddeutsche Zeitung. 24. September 2014, ISSN 0174-4917, S. 29.
- ↑ Eine Bratwurst im Kreuzfeuer. In: Münchner Abendzeitung. Nr. 11, 24. Mai 2014, S. 11.
- ↑ Simone Bastian: Flammen und Zapfen schaden. In: Coburger Tageblatt. 24. Mai 2014, S. 3.
- ↑ Olaf Przybilla: 9 cm kontra echte Wurstkunst. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 220, 24. September 2014, ISSN 0174-4917, S. 29.
- ↑ Olaf Przybilla: Jetzt wird’s brenzlig. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 119, 24. Mai 2014, ISSN 0174-4917, S. 51 (unter ähnlichem Titel und anderem Datum online).
- ↑ in kürze. In: Allgemeine Fleischer-Zeitung. Nr. 28, 9. Juli 2014, S. 12.
- ↑ a b c d In Brüssel ging's um die Wurst. 29. Juli 2016, S. 21.
- ↑ Helke Renner: Hauptsache, es schmeckt rauchig. In: Coburger Tageblatt. 2. Juli 2014, S. 9.
- ↑ Hat Monika Hohlmeier sich geirrt? In: Coburger Tageblatt. 4. Dezember 2014, S. 9 (unter anderem Datum Coburger Tageblatt online).
- ↑ Helke Renner: Die Coburger Bratwurst ist gerettet. In: Fränkischer Tag. 28. November 2014, S. 20 (online).
- ↑ Reine Kiefernzapfen sind schädlich. In: Allgemeine Fleischer-Zeitung. Nr. 29, 17. Juni 2014, S. 11.
- ↑ Rettung für Coburger Bratwurst. In: Nürnberger Nachrichten. 11. Juli 2014, S. 16.
- ↑ Für die Coburger Bratwurst wird es brenzlig. In: Nürnberger Nachrichten. 15. Oktober 2015, S. 15.
- ↑ a b Simone Bastian: Kühlen schaden Bratwurst nicht. In: Fränkischer Tag. 8. November 2014, S. 16.