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Friedensbewegung

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Als Friedensbewegung bezeichnet man eine soziale Bewegung, die bestimmte Kriege und Kriegsformen verhindern und darüberhinaus den Krieg als Mittel der Politik ausschließen will. Die internationale Friedensbewegung entstand im 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung, wuchs vor allem seit dem Ersten Weltkrieg und speist sich historisch hauptsächlich aus pazifistischen, antimilitaristischen und sozialistischen Grundhaltungen.

Geschichte

Die Anfänge: Friedensgesellschaften

Seit 1815 nach den antinapoleonischen Kriegen entstanden in verschiedenen europäischen Staaten kleine Vereine von meist bürgerlichen Idealisten, die für Menschenrechte, soziale Verbesserungen, Freihandel, die Abschaffung der Sklaverei eintraten und - meist aus ethischen und religiösen Gründen - auch jede Militärgewalt ablehnten. Sie schlossen sich bald in einigen Staaten zu nationalen Friedensgesellschaften zusammen:

Während die angloamerikanischen Friedensgesellschaften sich vor allem auf das christliche Gewissen bezogen, beriefen sich die kontinentaleuropäischen Gruppen auf die Ideale der Französischen Revolution und waren oft Freidenker. Sie hatten anfangs nur wenige Mitglieder, meist aus mittelständischen Bevölkerungsschichten. Mit dem Erstarken des Liberalismus wuchsen diese Gruppen und veranstalteten gemeinsame internationale Kongresse, so 1843 in London, 1848 in Paris und 1850 in Frankfurt am Main.

Hauptziel dieser Zusammenkünfte war die Kodifizierung eines Völkerrechts und Schaffung eines überstaatlichen Schiedsgerichts, um Kriege und bewaffnete Konflikte zu vermeiden. 1849 gelangte mit der Anti-Corn-Law Association von Richard Cobden erstmals eine pazifistische Partei in ein Parlament. Sie bildete mit friedensbewegten Parlamentariern anderer Staaten bald darauf eine Interparlamentarische Union.

Eine Friedensbewegung im heutigen Sinn - also eine massenhafte Opposition gegen Krieg und Kriegsrüstung - entstand erstmals seit dem Krimkrieg in den 1850er Jahren. Die Kriegsberichterstattung mit der neu erfundenen Fotografie in englischen Tageszeitungen machten der Öffentlichkeit Großbritanniens die verheerende Wirkung der Artillerie bewusst. Die Technisierung in modernen Kriegen forderte immer mehr auch zivile Opfer.

Proteste gegen die katastrophalen Lebensbedingungen der Soldaten und der beispielhafte Einsatz von Florence Nightingale führten zu humanitären Erleichterungen für das britische Heer. Kriegserfahrungen in Italien führten den Schweizer Henry Dunant 1863 zur Gründung des Roten Kreuzes. Mit der bis heute gültigen Genfer Konvention gelang 1864 die erste internationale Vereinbarung des modernen Völkerrechts.

1869 bildete sich in Deutschland als erste pazifistische Gruppe die Gesellschaft für Friedensfreunde. Sie war wie die übrigen europäischen Friedensgesellschaften zunächst ganz auf die rechtliche Begrenzung und Verkürzung der Nationalkriege und die Milderung der Kriegsfolgen durch Eingaben an die Regierungen, aber noch kaum auf politisch unabhängige Parteibildung und Kriegsdienstverweigerung ausgerichtet.

Friedenskonferenzen und erste Völkerrechtsverträge

1891 trafen sich auf Initiative von Elihu Berrit (1810-1879) europäische Pazifisten in Rom bei der Dritten Weltfriedenskonferenz. Dort bildete eine Gruppe gebildeter und politisch engagierter Europäer das Internationale Friedensbüro mit Sitz in Bern. Seine Aufgabe war die Vorbereitung künftiger internationaler Friedenskonferenzen. Führend darin waren unter anderen:

Im Jahr darauf erschien ihr Roman Die Waffen nieder, der in der völlig militarisierten Gesellschaft des Kaiserreichs breitere Schichten für die Problematik von Krieg und Frieden sensibilisierte. Sie gründete nach der Österreichischen Friedensgesellschaft mit Fried zusammen 1892 in Berlin die Deutsche Friedensgesellschaft, die älteste noch bestehende deutsche Vereinigung von Kriegsgegnern.

Beiden Gründern wurde 1905 der Friedensnobelpreis zuerkannt, den Alfred Nobel, ein mit von Suttner befreundeter Wissenschaftler, zuvor gestiftet hatte. Auch Dunant und das Berner Friedensbüro erhielten später diesen Preis.

Aufgrund der Initiativen dieser Gruppen kam es 1899 zur ersten internationalen Haager Friedenskonferenz. Die Folgekonferenz verabschiedete 1907 mit der Haager Landkriegsordnung Grundregeln der Kriegführung, die bahnbrechende Prinzipien des modernen Völkerrechts festlegten. Auf der Basis der Unterscheidung von Zivilisten und Kombattanten (Militär) formulierte Artikel 22:

Die Staaten haben kein unbegrenztes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes.

Damit war erstmals eine rechtliche Handhabe zur internationalen Ächtung von Massenvernichtungsmitteln gegeben. Zudem sollte die Einrichtung des Haager Schiedsgerichtshofs die Schlichtung von Konflikten zwischen Staaten ermöglichen.

Das Deutsche Reich verweigerte jedoch die in Haag vereinbarte Abrüstung und lehnte das Schiedsgericht ab, so dass seit 1908 das Wettrüsten im Flottenbau zwischen Deutschland und Großbritannien noch forciert wurde. Der auf Begrenzung der Kriegsmittel und Kriegführung ausgerichtete Vertragspazifismus scheiterte folglich am Problem des - besonders deutschen - Imperialismus.

Zweite Internationale

Auch die damals vornehmlich marxistisch orientierte Arbeiterbewegung und die Sozialdemokratie des 19. Jahrhunderts lehnten den Krieg ab. Für sie verlief eine Front nicht zwischen Staaten und Nationen, sondern zwischen den sozialen Klassen in allen Nationen. Ihr Anliegen war es daher, die Arbeiter aller Länder zum Kampf gegen den Kapitalismus und die darin herrschende Klasse der Bourgeoisie zu vereinen (Internationalismus), um so der profitorientierten Kriegswirtschaft nachhaltig den Boden zu entziehen. Ihre handlungsleitende Parole stammte aus dem Kommunistischen Manifest von 1848, verfasst von Karl Marx und Friedrich Engels:

Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

Demgemäß vereinbarte die 1889 gegründete II. Sozialistische Internationale, ein Zusammenschluss von Arbeiteroganisationen und -Parteien mit weltweitem Anspruch aus zunächst 20 Staaten, gemeinsame Aktionen gegen einen Krieg ihrer Regierungen: darunter seit dem Kongress von Paris 1912 den Generalstreik im Falle eines Kriegsausbruchs zwischen den europäischen Hegemonialmächten, besonders Deutschland und Frankreich.

Erster Weltkrieg und Novemberrevolution

Weder die eher bürgerlich-liberale Friedensbewegung noch die proletarisch-sozialistische Arbeiterbewegung konnten den heraufziehenden 1. Weltkrieg verhindern. Die Deutsche Friedensgesellschaft ließ sich ebenso wie viele Arbeiter und große Teile der Sozialdemokratie vom Nationalismus blenden und lähmen.

Entgegen ihrem Programm und ihren verbindlichen internationalen Zusagen stimmte die SPD-Fraktion im Reichstag am 4. August 1914 den Kriegskrediten geschlossen zu. Daran zerbrach die Zweite Internationale: Denn nun bejahten auch die Sozialisten Frankreichs die Kriegserklärung ihres Landes. Als einer von wenigen stellte sich dort der Sozialist Jean Jaurès öffentlich dagegen; er wurde unmittelbar vor Kriegsbeginn von einem französischen Nationalisten in Paris ermordet.

Auch in Deutschland gab es im August 1914 nur sehr wenige Kriegsgegner. 13 SPD-Abgeordnete lehnten die Kriegskredite in der internen Vorabstimmung ab, stimmten aber aus Fraktionsdisziplin öffentlich zu. Gegen den Burgfrieden dieser SPD-Mehrheit bildete am 15. August ein Kreis von sieben entschiedenen Antimilitaristen die Gruppe Internationale. Die Initiative dazu ging von Rosa Luxemburg aus, der aus Polen stammenden Wortführerin des linken SPD-Flügels. Aus dieser Gruppe ging 1915 der Spartakusbund hervor, der den Krieg durch eine sozialistische Revolution beenden wollte.

Seit November 1914 versuchte ein kleiner Kreis von bürgerlichen Pazifisten, der Bund Neues Vaterland, mit Eingaben und „Denkschriften" an die Reichsregierung einen vorzeitigen Verhandlungsfrieden auf der Linie der Haager Konferenzen zu erreichen. Zu seinen Gründungsmitgliedern gehörten Albert Einstein und Kurt Eisner. Die Schriften des Bundes wurden 1915 verboten, einige seiner Mitglieder inhaftiert.

Karl Liebknecht (Dezember 1914) und Otto Rühle (Januar 1915) lehnten als erste SPD-Abgeordnete im Reichstag die Vorlagen für weitere Kriegskredite ab. Die SPD-Führung unter Friedrich Ebert schloss Liebknecht daraufhin aus der Partei aus. Nachdem er am 1. Mai 1916 öffentlich gegen den Krieg geredet hatte, wurde er - wie wenig später auch Clara Zetkin und Rosa Luxemburg - als Hochverräter im Zuchthaus inhaftiert und kam erst im November 1918 frei.

1916/17 lehnten bereits 19 SPD-Abgeordnete weitere Kriegskredite ab und wurden daraufhin ebenfalls aus der SPD ausgeschlossen. Sie gründeten mit den Spartakisten gemeinsam im April 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD). Diese wollte das baldige Kriegsende durch den Sturz der kaiserlichen Regierung und der Monarchie erreichen, während die alte Mehrheits-SPD (MSPD) weiterhin auf Frieden durch Verhandlungen und Kompromisse mit der Obersten Heeresleitung setzte.

Mit dem Januarstreik der Munitionsarbeiter in den Berliner Rüstungsbetrieben im Januar 1918 wuchs eine von beiden sozialistischen Parteien unabhängige Rätebewegung, geführt von den Revolutionären Obleuten. Sie strebten eine Räterepublik nach dem Vorbild der Oktoberrevolution in Russland an. Die spontane Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten während des Kieler Matrosenaufstands vom 3. November 1918 löste dann auch die Novemberrevolution aus, in deren weiterem Verlauf sich am 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gründete. Deren Hauptgründer, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, wurden jedoch am 15. Januar von reaktionären Freikorps ermordet. Auch die übrigen Versuche einer sozialistischen Räterepublik in Deutschland ließ Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) bis Juni 1919 militärisch niederschlagen. Damit war die 1918 wiederstarkte sozialistische Friedensbewegung, die das Kriegsende mit erzwingen konnte, nachhaltig zerschlagen.

Zwischen den Weltkriegen

Nach der Novemberrevolution 1918 politisierten sich Vertreter der Friedensbewegung während der Weimarer Republik zunehmend und konzentrierten sich vor allem in linken Kreisen. Die Erfahrung des ersten Weltkriegs hatte viele ehemalige Soldaten zu Pazifisten gemacht. Ein bekanntes Beispiel dafür war der Schriftsteller Ernst Toller (nach der Ermordung Kurt Eisners Münchner USPD-Vorsitzender), der bedingt durch sein Engagement auf der Linken in die Regierung der Münchner Räterepublik von 1919 eintrat, wo er zeitweilig, entgegen seinem antimilitaristischen Selbstverständnis, neben Rudolf Egelhofer (KPD) als Chef der "Roten Armee" der Räterepublik fungierte. Den Konflikt zwischen pazifistischer Einstellung und der Notwendigkeit militärischer Verteidigung sozialer Errungenschaften unter anderem verarbeitete er später in seinem Theaterstück "Masse Mensch".

Vor allem im publizistischen und künstlerischen Bereich engagierten sich Pazifisten und Antimilitaristen gegen starke revanchistische und antidemokratische Tendenzen in der jungen Republik. Unter Siegfried Jacobsohn und Carl von Ossietzky entwickelte sich die politische Wochenschrift Die Weltbühne zu einem pazifistisch-kritischen Organ, in dem auch Kurt Tucholsky gegen die Wiedererstarkung des Militarismus anschrieb. Tucholsky und Ossietzky gründeten im Oktober 1919 zusammen mit dem Redakteur der Berliner Volkszeitung, Karl Vetter, den Friedensbund der Kriegsteilnehmer (FdK). Unter der Leitung des FdK konstituierte sich im Juli 1920 der Aktionsausschuss "Nie-wieder-Krieg", der in den Folgejahren große Massenveranstaltungen am Jahrestag des Kriegsausbruchs (1. August) organisierte.

Schriftsteller wie Ernst Toller, Erich Mühsam, Karl Kraus, Erich Kästner und Bertolt Brecht warnten in der Weimarer Republik in ihren Schriften vor neuen Kriegen. Bildende Künstlerinnen und Künstler wie Käthe Kollwitz, Otto Dix, John Heartfield setzten sich mit ihren Mitteln für den Frieden und gegen reaktionäre und militaristische Tendenzen ein. Erich Maria Remarque schrieb seinen viel beachteten Antikriegsroman Im Westen nichts Neues. Der Anarchopazifist Ernst Friedrich veröffentlichte 1924 mit dem Buch Krieg dem Kriege eine abschreckende Fotodokumentation zum 1. Weltkrieg, in der er mit einem viersprachigen Aufruf an die „Menschen aller Länder“ den Einsatz der Völker gegen den Krieg anmahnte. Mit derselben Intention eröffnete er 1925 in Berlin das Anti-Kriegs-Museum.

Journalisten, die auf die Einhaltung des Versailler Vertrages pochten, wurden von den Gerichten jedoch häufig wegen Landesverrats verurteilt. Eines der spektakulärsten Strafverfahren gegen militärkritische Presseorgane und Journalisten in der Weimarer Republik war der sogenannte Weltbühne-Prozess. In dem Prozess wurden Ossietzky und der Journalist Walter Kreiser wegen Landesverrates und Verrats militärischer Geheimnisse angeklagt und im November 1931 vom IV. Strafsenat des Reichsgerichts in Leipzig zu je 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Außerhalb dieser intellektuellen und künstlerischen Kreise bildete sich in der Weimarer Republik jedoch keine nennenswerte breite pazifistische Bewegung in der Masse der deutschen Bevölkerung heraus, die öffentlich in Erscheinung trat.

Der Vertragspazifismus gewann 1918 seit dem 14-Punkte-Programm von US-Präsident Thomas Woodrow Wilson ebenfalls zunächst Auftrieb: In der Folge wurde der Völkerbund gegründet und auf der Friedenskonferenz von Versailles angenommen. Obwohl die USA ihm nie und die Sowjetunion erst seit 1934 angehörte, gelang ihm anfangs die Entschärfung einiger kleinerer Konflikte. In die Ruhrbesetzung 1923, den Spanischen Bürgerkrieg und die Sudetenkrise griff er nicht ein. Mit Japans Besetzung der Mandschurei im Nordosten Chinas 1931 und seinem den 2. Weltkrieg in Asien auslösenden Angriff auf das übrige China 1937, sowie mit dem Italiens auf Abessinien 1935 zeigte sich seine Ohnmacht. Der Vertragspazifismus scheiterte zuletzt an Adolf Hitlers Erpressungs-, Besetzungs- und Angriffspolitik.

Zeit des Nationalsozialismus

Als 1933 mit Hitler der Nationalsozialismus und die NSDAP an die Macht kamen und die Diktatur des so „Dritten Reichs" aufbaute, wurden die Werke der genannten Künstler verboten. Viele flohen ins Exil. Andere wurden verhaftet und in KZs interniert, wo beispielsweise Erich Mühsam 1934 ermordet wurde. Einen großen Erfolg konnte die deutsche Exilbewegung jedoch 1936 erringen, als dem jahrelang in Konzentrationslagern inhaftierten Ossietzky der Friedensnobelpreis für 1935 zuerkannt wurde. Diese Kampagne richtete weltweit die Aufmerksamkeit auf die Praktiken des nationalsozialistischen Regimes, konnte jedoch an dessen außenpolitischem Konfrontationskurs nichts ändern.

Gegen den 2. Weltkrieg opponierten nur wenige unterdrückte und verfolgte Gruppen, meist Kommunisten und Sozialdemokraten, im Untergrund. Aktive Kriegsdienstverweigerer gab es bei den Zeugen Jehovas und einigen Religiösen Sozialisten wie Günther Dehn und Georg Fritze.

Kampf gegen Wieder- und Atombewaffnung ab 1950

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in der Bundesrepublik immer wieder zu größeren Wellen der Friedensbewegung, große Menschenmengen wurden dabei mobilisiert. Erste große Aktionen der Friedensbewegung richteten sich gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Anfang der 1950er Jahre ("Ohne mich-Bewegung"). Sie wurde getragen von Gewerkschaften, Intellektuellen und christlichen Gruppen. Beteiligt an der Friedensbewegung dieser Zeit war auch die KPD, die 1956 verboten wurde.

Als bekannter Politiker trat der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann aufgrund der Wiederbewaffnungspläne 1950 aus dem Kabinett Adenauer zurück, und verließ 1952 auch die CDU. 1957 trat er in die SPD ein.

Ende der 50er Jahre begannen die bis heute andauernden Ostermärsche, entstanden als Protestform gegen die Pläne zur atomaren Bewaffnung der Bundeswehr.

Opposition gegen den Vietnamkrieg

Ende der 1960er Jahre kam es zu Protesten gegen den Vietnamkrieg, der als Bürgerkrieg zwischen dem am Westen orientierten Südvietnam und dem kommunistischen Nordvietnam begonnen hatte, und seit dem Eingreifen der USA auf der Seite der südvietnamesischen autoritären Regierung im Jahr 1963 militärisch eskaliert war. Die Bewegung gegen den Vietnamkrieg wurde vor allem getragen von der studentischen Opposition, der APO. Sie schloss sich in ihren Protesten gegen diesen Krieg der ersten weltumspannenden Antikriegsbewegung seit dem 2. Weltkrieg der international wachsenden Opposition gegen das US-amerikanische militärische Engagement gegen die mit Nordvietnam verbündete oppositionelle südvietnamesische Guerilla FNL, von den USA als Vietcong bezeichnet, an. Die Berichterstattung der Medien, die in bis dahin nicht vorgekommenen Ausmaß realistische Bilder der Kriegsgreuel einschließlich der Leiden der Zivilbevölkerung weltweit verbreitete, trug wesentlich zu einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit bei. Die Proteste gegen den Vietnamkrieg gingen zunächst wesentlich von einer insbesondere von den Studenten getragenen kritischen Opposition in den USA selbst aus, und setzten die US-Regierung zunehmend unter moralischen Druck. Der Widerstand gegen den Vietnamkrieg trug dazu bei, dass sich die USA bis 1974 aus Vietnam zurück zogen, worauf der Krieg ein Jahr später zugunsten der FNL beendet werden konnte, und es 1976 zur Wiedervereinigung Nord- und Südvietnams kam.

Gegen Neutronenbombe, Nato-Doppelbeschluss und SDI-Programm

Mitte der 1970er gab es erneut Proteste der Friedensbewegung gegen die Entwicklung der Neutronenbombe in den USA, deren Fähigkeit, Leben zu vernichten, aber Bauten und Material zu schonen, als zynisch kritisiert wurde. Anfang bis Mitte der achtziger Jahre protestierten Hunderttausende gegen den NATO-Doppelbeschluss. Dieser sah die Stationierung der atomar bestückten US-amerikanischen Mittelstreckenraketen Pershing II und Marschflugkörper AGM-86 Cruise Missile in Europa vor, als Antwort auf die Stationierung der neuen sowjetischen SS 20-Raketen.

Eine der ersten großen Friedensdemonstrationen fand anlässlich des Deutschen Evangelischen Kirchentag im Juni 1981 in Hamburg statt. Am 10. Oktober 1981 gab es dann im Bonner Hofgarten eine friedliche Demonstration mit mehr als 250.000 Menschen. In den Nachbarländern gab es Großdemonstrationen in Brüssel (am 25. Oktober 1981, mit 200.000 Menschen) und in Amsterdam (am 21. November 1981, mit 400.000 Menschen). In Bonn fand am 10. Juni 1982 eine Demonstration mit ca. 500.000 Menschen statt. Weitere Großdemonstrationen in den Jahren 1983 (Hannover, Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT)) und 1983 (Bonn und Hasselbach/Hunsrück) folgten, auch wieder in Brüssel (am 23. Oktober 1983, mit 400.000 Menschen) und in Den Haag (am 29. Oktober 1983, mit 550.000 Menschen). Daneben wurden vielfältige gewaltfreie Aktionen entwickelt, die auch Rückhalt in der Bevölkerung fanden: Sitzblockaden vor Atomstandorten und Raketenabwehrstellungen, "Rüstungssteuerverweigerung", Kampagnen gegen Rüstungsexporte, "Fasten für den Frieden", Menschenketten u.a.

"Konzertblockade" der Gruppe Lebenslaute

Bekannt wurden insbesondere die Proteste und gewaltfreien Sitzblockaden am Pershing-II-Stationierungsort Mutlangen. In dem kleinen Ort von etwa 5500 Einwohnern im Schwäbischen Wald kam es zu einer stetig steigenden Anzahl von Aktionen. Eine Gruppe von Aktivisten wollte Mutlangen erst wieder verlassen, wenn die Pershing-II-Atomwaffen entfernt seien, sie lebten in der Pressehütte Mutlangen ([1]), die Anwohner zur Verfügung stellten. Bekannt wurden auch die "Seniorenblockade" (600 ältere Menschen blockierten mehrere Tage lang die Basis), die "Konzertblockade der Lebenslaute" ([2]) (ein ganzes Sinfonieorchester blockierte musizierend die Tore zum Raketenstandort) und die "Richterblockade" (etwa 20 Richter entschlossen sich, das Widerstandsrecht nach Grundgesetz Art. 20 über den Nötigungsparagraph 240 des Strafgesetzbuches zu stellen).

Grundsätzlich richteten sich Proteste gegen die atomare Aufrüstung insgesamt, wenn auch in geringerem Maße gegen die der UdSSR und des Ostblocks als die im eigenen Land.

Die Friedensbewegung führte unter anderem 1980 zur Gründung der Partei der Grünen. Innerhalb der Friedensbewegung wurde 1981 - unter anderem von dem ehemaligen General Gert Bastian die - wie sich später herausstellte - unter dem Einfluss des MfS der DDR stehende Gruppe Generale für den Frieden gegründet. Im Juni 1984 gründete sich die Friedensliste, die im selben Jahr zu den Europawahlen und 1987 zu den Bundestagswahlen antrat, allerdings konnte sie keine Mandate erringen.

Friedensbewegung in der DDR

In der DDR kursierten seit Mitte der 1960er Jahre Diskussionspapiere zur Kriegsdienstverweigerung und über Methoden der gewaltfreien Verteidigung, die schließlich eine nicht staatlich kontrollierte Friedensbewegung inspirierten ("Schwerter zu Pflugscharen"). Nicht zuletzt die Erstickung des Prager Frühlings im August 1968 gab dieser Bewegung Auftrieb. In ihrer Wendung auch gegen die Aufrüstung des Warschauer Vertrages bildete sie eine wichtige Keimzelle für eine lose organisierte Opposition im realsozialistischen Teil Deutschlands. In den 1980er Jahren waren die Friedensdekaden jeweils im November ein Kulminationspunkt dieser Bewegung. Die Friedensgebete wurden 1989 zum Ausgangspunkt der späteren "Montagsdemonstrationen" in Leipzig und anderen Orten. Die gewaltfreie "Oktoberrevolution" der DDR und der Fall der Mauer am 9. November 1989 waren so auch Höhepunkte der Friedensbewegung.

Kosovokrieg und Erster Golfkrieg

1990 / 1991 bedeutete dann der Zweite Golfkrieg ein Ende vieler Illusionen vom großen Frieden und von der Friedensdividende, die man sich von der Auflösung des Ost-West-Konflikts versprochen hatte. Gegen diesen Krieg, den die USA in der UNO legitimieren konnten und der das militärische Ziel hatte, die irakischen Besatzungstruppen aus Kuwait zu vertreiben, protestierten weltweit Millionen Menschen. Allerdings "dämmerte die Einsicht, dass die Protestform der Demonstration an ein vorläufiges Ende gelangt sei und der Weg vom Protestieren zum positiven Frieden (Buro 1997) konsequenter gegangen werden müsse". So wurde das Thema der Friedensbewegung der 1990er Jahre die Verbindung von Protest gegen militärische und Eintreten für zivile Konfliktbearbeitung.

Friedensaktion (2003) in Biberach/Riß

Eine große Herausforderung war dabei der Jugoslawienkrieg, der auch innerhalb der Friedensbewegung zu hitzigen Auseinandersetzungen zwischen Bellizisten und Pazifisten führten. Es gab zwar keine nennenswerten zentralen Großdemonstrationen mehr, aber viele dezentrale Aktivitäten: vielfältige Hilfsmaßnahmen für Kriegsflüchtlinge, Unterstützung einheimischer Kriegsdienstverweigerer, konkrete Versöhnungsprojekte in den Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawiens. Allerdings zeigte der brutale Bosnienkrieg auch eine gewisse Hilflosigkeit der neuen Friedensbewegung. Wie friedensstiftendes Handeln vor, in und nach den "neuen Kriegen" aussehen kann, musste und muss als neue Herausforderung weiter entwickelt werden. Ansätze hierzu werden unter dem Stichwort Zivile Konfliktbearbeitung beziehungsweise Ziviler Friedensdienst erprobt.

Der völkerrechtlich sehr umstrittene Einsatz der NATO im Kosovo beziehungsweise gegen (Rest-)Jugoslawien im Jahr 1999 (als Humanitäre Intervention bezeichnet) löste wieder starke öffentliche Proteste der Friedensbewegung aus.

Globale Bewegung gegen den Irakkrieg 2003

Graffiti an einer Hausmauer in Landsberg am Lech
Friedenskundgebung in den USA
Antikriegsdemonstranten zur 2. Amtseinführung von George W. Bush am 20 Januar 2005

2003 agierte die Friedensbewegung in vorher nicht dagewesenem Ausmaß global. Demonstrationen gegen den diesmal nicht von der UNO legitimierten Krieg der USA und seiner Verbündeten im Irak fanden auf der ganzen Welt statt. Am 15. Februar 2003 demonstrierten weltweit über 10 Millionen Menschen gegen den drohenden Irakkrieg, die meisten davon in Europa.

Auch Kundgebungen anlässlich der Amtseinführung von George W. Bush am 20. Januar in Washington DC waren gleichzeitig Friedensdemonstrationen.

Friedensbewegung seit 2003/2004

2004/2005 war einer der Schwerpunkte der deutschen und westeuropäischen Friedensbewegung der Widerstand gegen die Verfassung der Europäischen Union, hier insbesondere gegen deren militär- und „verteidigungspolitische“ Inhalte. Kritisiert wird dabei beispielsweise die Festschreibung möglicher weltweiter EU-Kampfeinsätze, die Ausdehnung des Einsatzspektrums einer europäischen Armee und eine Aufrüstungsverpflichtung für die einzelnen Staaten (Artikel I-41 der EU-Verfassung: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern"). - Eine entsprechende Aufklärungskampagne fand in der Bundesrepublik Deutschland jedoch kaum öffentliches Gehör, wohingegen die gesellschaftliche Diskussion über die EU-Verfassung in den westlichen Nachbarstaaten der Bundesrepublik, vor allem den Benelux-Ländern und Frankreich sehr breit geführt wurde. Bei nationalen Volksabstimmungen in Frankreich (Mai 2005) und den Niederlanden (Juni 2005), wo die Friedensbewegung sich mit Verfassungsgegnern verbündete, die auch aus weiteren sozialen Aspekten heraus die vorliegende EU-Verfassung kritisierten, wurde sie mit einer breiten Mehrheit abgelehnt. Gefordert wird statt dessen eine europäische Verfassung, die sich stärker an den sozialen Bedürfnissen der Bürger orientiert, und weniger an neoliberalen Interessen der Wirtschaft, bzw. international operierender Konzerne.

Persönlichkeiten der Friedensbewegung im deutschsprachigen Raum seit 1900

Organisationen

Literatur

  • Andreas Buro, Totgesagte leben länger: Die Friedensbewegung. Von der Ost-West-Konfrontation zur zivilen Konfliktbearbeitung, Idstein 1997, ISBN 3-929522-42-X
  • Helmut Donat, Karl Holl (Hrsg.), Die Friedensbewegung. Organisierter Pazifismus in Deutschland, Österreich und in der Schweiz, Hermes Handlexikon, Düsseldorf 1983, ISBN 3-612-10024-6
  • Alfred Hermann Fried, Handbuch der Friedensbewegung, 2 Bd., Berlin/Leipzig 1911/1913 (2. Aufl.), Neudruck New York/London 1972
  • Franz Kobler, Gewalt und Gewaltlosigkeit, Handbuch des aktiven Pazifismus, Erlenbach-Zürich 1928
  • Kurt Lenz, Walter Fabian, Die Friedensbewegung. Ein Handbuch der Weltfriedensströmungen der Gegenwart, Berlin 1922
  • Jan Große Nobis: Frieden! - Eine kurze Geschichte der bundesdeutschen Friedensbewegung, Münster 2001/2005, Download: http://www.friedensbewegung.org/
  • Andreas Maislinger, Friedensbewegung in einem neutralen Land. Zur neuen Friedensbewegung in Österreich. In: Medienmacht im Nord-Süd-Konflikt. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-11166-3
  • Hans A. Pestalozzi, Ralf Schlegel, Adolf Bachmann (Hrsg.): Frieden in Deutschland. Die Friedensbewegung: wie sie wurde, was sie ist, was sie werden kann. Goldmann Sachbuch Nr. 11341, München 1982, ISBN 3442113415 (mit Adressen und Kontaktpersonen von über 2.300 Friedensinitiativen, nach Sachgebieten georndet)

Siehe auch

Geschichte

Allgemeines zum Thema Frieden

Deutsche Friedensorganisationen

Österreichische Friedensorganisationen

Versöhnungsbund

Kritik