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Gonterskirchen

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Gonterskirchen
Stadt Laubach
Koordinaten: 50° 31′ N, 9° 1′ OKoordinaten: 50° 31′ 0″ N, 9° 1′ 21″ O
Höhe: 183 (182–237) m ü. NHN
Fläche: 17,04 km²[1]
Einwohner: 880 ca.[2]
Bevölkerungsdichte: 52 Einwohner/km²
Eingemeindung: 31. Dezember 1970
Postleitzahl: 35321
Vorwahl: 06405
Gonterskirchen – Blick auf die Kirche
Gonterskirchen – Blick auf die Kirche

Gonterskirchen ist ein Stadtteil der Gemeinde Laubach im mittelhessischen Landkreis Gießen.

Geografische Lage

Gonterskirchen liegt am Rande des Naturparks Hoher Vogelsberg am Zusammenfluss des Schifferbachs in die Horloff, 4 km südöstlich von Laubach. Durch den Ort verläuft die Landesstraße 3138.

Geschichte

Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Dorf im Jahre 1239.[1] In erhaltenen Urkunden wurde Gonterskirchen unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1]

  • de Gunthardskirche (1239), Gunterskirche[3]
  • de Gunthardeskirchen (1241)
  • Gunthardeskirgen (1288)
  • Gunterskirchen (1340)
  • Guntirskirchin (1379)

Über Jahrhunderte galt Gonterskirchen als das ärmste Dorf in der Grafschaft Solms-Laubach. Bedingt durch die weitläufigen Wälder entwickelte sich der Ort im Mittelalter zu einer Köhlergemeinde, zeitweilig übten fast alle Familien dieses Handwerk aus. Dazu kamen Nagelschmiede.

Am 1. Juni 1324 wird erstmals eine Mühle in Gonterskirchen erwähnt.[4]

Ab dem 18. Jahrhundert verdienten viele Männer ihr Geld als sogenannte Schmelzgänger in der bei Laubach gelegenen Friedrichshütte.

Die Grafen zu Solms-Laubach ließen in Gonterskirchen mit seinen ausgedehnten Wäldern und dem damit verbundenen Wildreichtum um 1750 ein Jagdhaus errichten.

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurde die Gemeinde Gonterskirchen am 31. Dezember 1970 auf freiwilliger Basis in die Stadt Laubach eingegliedert.[5]

Herrschaft

Schon in der Karolingerzeit erhielt die Abtei Hersfeld Besitz in der Wetterau und den angrenzenden nördlichen Gebieten. Hungen und Laubach wurden zu Zentren der „Hersfelder Mark“. Im Raum um Laubach finden sich im gleichen Zeitraum Schenkungen an das Kloster Fulda. Zu diesen Tradenten gehört auch ein nach 800 genannter „Presbyter“ Gunthard, in dem Steen den Gründer von Kirche und Ort Gonterskirchen sieht.[6]

Im 12. Jahrhundert erhielt der Vogt des Klosters Hersfeld, Kuno I. von Münzenberg, die Hälfte aller Nutzungsrechte im Gebiet um Ruppertsburg. Nach dem Aussterben der Münzenberger, 1255, gelangte das Gebiet auf dem Erbwege an die Herren von Hanau.

Ulrich zu Hanau und seine Frau Agnese erlaubten am 5. Dezember 1340 ihrem Sohn Ulrich den Verkauf von Burg und Dorf „Laupach“ zusammen mit den dazu gehörigen Gerichten und Dörfern, u. a. „Guntherskirchen“ und „Aeinhartshusen“.[7] Der bereits abgeschlossene Verkauf an dem Mainzer Erzbischof Heinrich III. von Virneberg[8] wurde durch Philipp den Älteren von Falkenstein, der mit einer von Hanau verheiratet war, abgetrieben. Zur Herrschaft Laubach gehörten 1341 u. a. Gonterskirchen und Einartshausen sowie die späteren Wüstungen Germanshausen und Horloff.[9] Nach dem Aussterben der Falkensteiner 1418 teilten sich die Brüder Bernhard und Johannes von Solms den gewaltigen Besitz.

1432 fiel Gonterskirchen infolge der Solms´schen Teilung an die Johannische Linie Solms-Lich.

Klosterbesitz

Die Ritter Gottfried Strebekotz und Klas von Engelnhausen verkauften 1365 Gülten an das Kloster Haina zu Gonterskirchen, Wiemannshausen, Laubach und Nieder-Hindernau.[10] Es ist auch wohl dieser Besitz, den das Kloster 1528 an Graf Philipp von Solms-Lich für 2.000 fl. mit seinem Hof in Utphe samt Zinsen zu Ober-Bessingen, Ettingshausen, Gonterskirchen, Laubach und Trais-Horloff verkauft.[11]

Das Antoniterkloster Grünberg erhielt 1477 eine Stiftung u. a. aus dem Zehnten zu Gonterskirchen. Weiterhin konnten die Grünberger Antoniter 1489 vom Kloster Arnsburg dessen Güterbesitz in Gonterskirchen erwerben.[12]

Bis 1702 waren Ruppertsburg und Einartshausen Filialkirchen der Pfarre Gonterskirchen; das Kirchenpatronat lag ursprünglich bei den Grafen zu Solms-Lich, seit 1548 bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei den Grafen zu Solms-Laubach. 1809 trat die Pfarrei Gonterskirchen zusammen mit Einartshausen der Unierten Kirche bei.

Innerhalb der heutigen Gemarkung finden sich die Wüstungen Germanshausen, Hartmannshausen, Hindernau, Horloff, Lauzendorf und Selbach.

Territorialgeschichte und Verwaltung

Die folgende Liste zeigt die Territorien in denen Gonterskirchen lag bzw. die Verwaltungseinheiten denen es unterstand im Überblick:[1][13]

Gerichte seit 1803

In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für die Provinz Oberhessen wurde das „Hofgericht Gießen“ als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen und somit war für Gonterskirchen ab 1806 das „Patrimonialgericht der Grafen Solms-Laubach“ in Laubach zuständig. Das Hofgericht war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Die zweite Instanz für die Patrimonialgerichte waren die standesherrlichen Justizkanzleien. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt.

Mit der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurde diese Funktion beibehalten, während die Aufgaben der ersten Instanz 1821–1822 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Land- bzw. Stadtgerichte übergingen. Ab 1822 ließen die Grafen Solms-Laubach ihre Rechte am Gericht durch das Großherzogtum Hessen in ihrem Namen ausüben. „Landgericht Laubach“ war daher die Bezeichnung für das erstinstanzliche Gericht, das für Gonterskirchen zuständig war. Auch auf sein Recht auf die zweite Instanz, die durch die Justizkanzlei in Hungen ausgeübt wurde verzichtete der Graf 1823.[18] Erst infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[19]

Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolgedessen die bisherigen großherzoglich hessischen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in „Amtsgericht Laubach“ und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[20]

Am 1. Juli 1968 erfolgte die Auflösung des Amtsgerichts, die Gemeinde Gonterskirchen wurde dem Sprengels des Amtsgerichts Gießen zugelegt.[21] Die übergeordneten Instanzen sind jetzt, das Landgericht Gießen, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sowie der Bundesgerichtshof als letzte Instanz.

Bevölkerung

Einwohnerentwicklung

 Quelle: Historisches Ortslexikon[1]

• 1631: 59 Untertanen, 10 Witwen
Gonterskirchen: Einwohnerzahlen von 1791 bis 1967
Jahr  Einwohner
1791
  
455
1834
  
462
1840
  
507
1846
  
500
1852
  
495
1858
  
500
1864
  
492
1871
  
515
1875
  
532
1885
  
501
1895
  
552
1905
  
559
1910
  
582
1925
  
540
1939
  
504
1946
  
758
1950
  
739
1956
  
626
1961
  
623
1967
  
633
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: [1]

Religionszugehörigkeit

 Quelle: Historisches Ortslexikon[1]

• 1830: 455 evangelische Einwohner
• 1961: 542 evangelische, 77 römisch-katholische Einwohner

Erwerbstätigkeit

 Quelle: Historisches Ortslexikon[1]

• 1961: Erwerbspersonen: 164 Land- und Forstwirtschaft, 138 Prod. Gewerbe, 28 Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, 21 Dienstleistung und Sonstiges.

Politik

Ortsvorsteher ist Klaus Rühl (Stand Januar 2019).[2]

Sehenswürdigkeiten

Vereine

  • SV 1958 Gonterskirchen

Persönlichkeiten

  • Georg Heinrich Melchior, geb. 1925 in Gonterskirchen, Naturwissenschaftler, Professor und Direktor, Heimatforscher, verstorben 2017

Literatur

  • 750 Jahre Gonterskirchen. 1239–1988. = Laubacher Hefte 8, 2005.
  • Hans Heinrich Kaminsky, Die frühesten Erwähnungen Gonterskirchens. In: Laubacher Hefte 8, S. 12 f.
  • Georg Heinrich Melchior: Die Gonterskirchener Volksschule vor 1800 als Beispiel für die Grafschaft Solms-Laubach. In: Laubacher Hefte 17, 2005, S. 29–45.
  • Georg Heinrich Melchior: Mühlenrecht und Mühlenpraxis am Beispiel der Solms-Laubachischen „Guntherßkircher“ Erbmühle unter dem Pfarrhof. In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins NF 82 (1997), S. 137–275.
  • Literatur über Gonterskirchen In: Hessische Bibliographie[22]
  • Suche nach Gonterskirchen. In: Archivportal-D der Deutschen Digitalen Bibliothek

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Gonterskirchen, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 15. März 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. a b Die Stadtteile im Internetauftritt der Stadt Laubach, abgerufen im Februar 2016.
  3. Landau, S. 174.
  4. Ferdinand Dreher, Das Testament des Angelus de Sassin, olim civis in Frideberg. In: Friedberger Geschichtsblätter 1 (1909), S. 35–57.
  5. K.-H. Gerstenmeier, K.-H.: Hessen. Gemeinden und Landkreise nach der Gebietsreform. Eine Dokumentation. Melsungen: 1977, S. 301
  6. Jürgen Steen, Königtum und Adel in der frühmittelalterlichen Siedlungs-, Sozial- und Agrargeschichte in der Wetterau. Studien zum Verhältnis von Landnahme und Kontinuität am Beispiel einer Randlandschaft des Merowingerreichs, Ffm 1979 = Schriften des Historischen Museums Frankfurt am Main XIV, S. 186.
  7. Heinrich Eduard Scriba, Regesten der bis jetzt gedruckten Urkunden zur Landes- und Orts-Geschichte des Grossherzogthums Hessen. Band 2: Die Regesten der Provinz Oberhessen enthaltend, Darmstadt 1849.
  8. Heinrich Reimer, Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau. Teil 1. Leipzig 1891, 470.
  9. Wolf-Arno Kropat, Reich, Adel und Kirche in der Wetterau von der Karolinger- bis zur Stauferzeit. = Wetterauer Geschichtsblätter 13 (1964), S. 134–137.
  10. Albrecht Eckhardt, Klosterarchive: Regesten und Urkunde. 6, 1, Nr. 693 f. Marburg 1977.
  11. Friedrich Battenberg, Solmser Urkunden. Regesten zu den Urkundenbeständen und Kopiaren der Grafen und Fürsten von Solms im Staatsarchiv Darmstadt (Abteilungen B 9 und F 24 B), im gräflichen Archiv zu Laubach und im fürstlichen Archiv zu Lich. 1131-1913. Bd. 1–5, Darmstadt 1981-1986. Solmser Urkunden 3, Nr. 2654, 2680.
  12. Albrecht Eckhardt, Klosterarchive: Regesten und Urkunde. Die oberhessischen Klöster 3, 1, Nr. 489, und 3, 2, Nr. 489.
  13. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  14. Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, S. 22 (online bei Google Books).
  15. Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band 22. Weimar 1821, S. 424 f. (online bei Google Books).
  16. Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt 1830, S. 135 (online bei Google Books).
  17. Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr. 8, S. 121 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2 MB]).
  18. Theodor Hartleben (Hrsg.): Allgemeine deutsche Justiz-, Kameral- und Polizeifama, Band 2, Teil 1. Johann Andreas Kranzbühler, 1832, S. 271 (online bei Google Books).
  19. Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1848, S. 237–241
  20. Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
  21. Zweites Gesetz zur Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes (Ändert GVBl. II 210–16) vom 12. Februar 1968. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1968 Nr. 4, S. 41–44, Artikel 1, Abs. 2 c) und Artikel 2, Abs. 4 d) (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 298 kB]).
  22.  Info: Bitte auf Vorlage:HessBib umstellen, um auch nach 2015 erfasste Literatur zu selektieren!