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Georg Gogreve

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Georg  oder Jörg Gogreve (* zwischen 1520 und 1530; † 1575 oder 1576 in Minden) war ein katholischer Kleriker im Bistum Minden und Diplomat, der 1564 in Rom für das Herzogtum Kleve das päpstliche Privileg zur Gründung der Alten Universität in Duisburg einholte. 1574/75 war er als Katholik für das evangelische Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel tätig.

Leben

Georg Gogreve war ein „illegitimer“ Sohn[1] des Kanzlers Johann Ghogreff (* um 1499; † 1554) von Jülich-Kleve-Berg, den dieser in seiner Zeit als Kleriker bekommen hatte.[2][3] Johann Ghogreff hatte 1519 eine Präbende (Pfründe) am Kollegiatstift St. Martini in Minden erhalten und war von 1524 bis zu seiner Laisierung 1530 Propst des Stiftes St. Gereon in Köln. Er entstammte einem im Herforder und Mindener Raum verbreiteten Adelsgeschlecht. Georg Gogreves  Mutter war Anna Goldener († vor 1569), mit der Johann Ghogreff wahrscheinlich auch die Tochter Hille und den Sohn Johann hatte, die 1569 als Geschwister von Georg Gogreve genannt werden.[4]

Georg Gogreve wurde wie sein Vater Kanoniker am Stift St. Martini in Minden. 1555 schrieb er sich als Mindener Kanoniker (canonicus Mindensis) in Rom in das Bruderschaftsbuch des Collegio Teutonico di Santa Maria dell’Anima ein.[3] Seit 1559 war er als Nachfolger von Andreas Masius (1514–1573) dort Agent (Solicitor) Herzogs Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg (1516–1592). Als Notar der Rota erreichte Gogreve 1561 für das klevische Herzogtum eine Erlaubnis von Papst Pius IV. (1499–1565) zur Gründung einer Universität in Duisburg, kam jedoch bald darauf kurzzeitig in Haft und musste die Bulle auf eigene Kosten aus Antwerpen zurückholen lassen. Für die Komplikationen machte er Johannes Monheim (1509–1564),[5] den protestantischen Rektor des Düsseldorfer Lyceums, verantwortlich.[6] Schließlich wurde 1564 endgültig eine Genehmigungsbulle erlassen. Die Universität nahm erst 1655 ihren Lehrbetrieb auf, als Kleve zum Kurfürstentum Brandenburg gehörte. Gogreve als sein römischer Prokurator unterstützte den Humanisten Jean Matal (* um 1517; † 1597) zusammen mit Johann Visbroc († 1583)[7] in seinen Pfründenprozessen in den 1560er Jahren um Kanonikate an St. Lambert in Lüttich und an St. Aposteln in Köln.[8][9]

Georg Gogreve wurden 1566 von Papst Pius V. (1504–1572) als Nachfolger des in Rom verstorbenen Johann Minsche alias Hominis (1501–1558) die Propstei von St. Johann in Minden sowie zusätzliche Kanonikate am Paderborner Dom und an St. Germanus und St. Mauritius zu Speyer verliehen.[3] Die Propstei von St. Johann hat er nicht in Besitz nehmen können,[3] aber Georg Gogreve war später Dechant des Stiftes St. Martini in Minden[10] und letzter Possessor der gräflich schaumburgischen Landesherrschaft in Minden.[11] 1567 erhielt er 600 Gulden für eine Reise nach Wien und Rom zur Erlangung der Regalien und päpstlichen Bestätigung für Bischof Hermann von Schaumburg (1545–1592) in Minden.[12]

Vom Kloster St. Mauritz und Simeon in Minden wurden dem Dechanten Georg Gogreve von St. Martini Güter und Renten in Steinbergen,[4] Aminghausen, Wietersheim (Witersen), in den Ämtern Hausberge und Petershagen sowie bei Bückeburg[13] verschrieben.

Als der Bonner Stiftsherr Alexander Trivius (1526–1607)[A 1] das Bistum Minden 1575 im päpstlichen Auftrag visitierte, befand sich die Kirche St. Martini im Besitz der Protestanten.[14] Dechant Gogreve sei „ein schlechter Christ und von geringem Glauben (mal Christiano et di poca religione)“, schrieb Trivius.[15] Im Vorfeld der Amtseinführung Heinrich Julius’ von Braunschweig-Wolfenbüttel als Fürstbischof von Halberstadt agierte der römische Höfling (curtisanus) Georg Gogreff 1574/75 als Agent (Bevollmächtigter) des lutherischen Herzogs Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel für dessen Sohn Heinrich Julius, der als Bischof katholisch erzogen werden sollte.[16]

Georg Gogreves Grabplatte befindet sich in Kreuzgang des Mindener Doms.[17] Als sein Nachfolger im Amt des Dechanten des Martinistiftes, das nach dem Verlust der Stiftskirche weiter bestand, wird 1576 bis 1601 Anton Minsche erwähnt.

Familie

Georg Gogreves „illegitimer“ Sohn[18][19] war:

  1. Bernhard Gogreve (* um 1569; † nach 1611) aus Minden oder Oldendorf unter Schaumburg,[19] erbte das väterliche Haus bei St. Johann in Minden und einen der zwölf Edelhöfe (Burgmannenhöfe) in Oldendorf, seit 1593 Brauer in Minden, Notar (Notarius publicus Caesareus), verheiratet mit Künna (Kunigunda) Greifenstroh (Griepenstro) († nach 1593); deren Söhne:
    1. Simon Gogräve (1593–1648)[20] aus Minden,[18] Besuch der Lateinschule in Herford, immatrikuliert am 18. September 1613 in Marburg (Simon Gogrevius Minda Westphal.), ab 28. September 1614 Studium der Rechtswissenschaft und Theologie in Gießen, Schüler von Balthasar Mentzer d. Ä., 1618 juristische Doktorpromotion,[21] Präzeptor der Junggrafen von Solms, Rat Herzogs Georg von Braunschweig-Wolfenbüttel im Stift Minden, 1638 Syndikus der Stadt Minden, seit 1641 erzbischöflich bremischer und bischöflich verdischer Rat und Vizekanzler, votierte 1648 als Hexengutachter zugunsten von Beschuldigten in Verden,[22] verheiratet I. 1624 mit Anna Hinrichking († 1638)[23] und II. 1644 mit Catherina-Elisabeth Grave (1620–1684).
    2. Bernhard Gogräve (Hooggreve) (1600–1640),[19] gräflich limburg-styrumscher und bronckhorstischer Hofmeister und Amtmann, Kammersekretär und Rat, verheiratet seit 1631 mit Adelheid Terville (1607–1671)[A 2] aus Zutphen, Tochter von Ludolf Tervile (1580–1651), Richter in Bredevoort und Rentmeister von Borculo, und Sara de Croy (Crois) (1586–1631).[24]

Quellen

  • Max Lossen: Briefe von Andreas Masius und seinen Freunden 1538–1573. (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 2). Dürr, Leipzig 1886, bes. S. 323–325, 327, 332–336, 345-347, 355 u. ö. (Digitalisat im Internet Archive)
  • Brief von Alexander Trivius (Alessandro Trivio) an Kardinal Giovanni Antonio Volpe, Bischof von Como, vom 21. März 1575 aus Minden. In: Augustin Theiner: Annales Ecclesiastici, Bd. II. Typographia Tiberina, Rom 1856, S. 470–472, bes, S. 472 (Google-Books)

Literatur

  • Hubert Jedin: Die Kosten der päpstlichen Privilegien für die geplante Universität Duisburg 1560/61. In: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 64 (1969), S. 218–228
  • Sabine Wehking: Die Inschriften der Stadt Minden. (Die deutschen Inschriften 46). Reichert, Wiesbaden 1997, S. 93 ISBN 3-89500-049-3
  • Wolfgang Bonorden: Dr. jur. Simon Gogräve, gest. 1648. (Die Gräber im Bremer St. Petri Dom 10 = Blätter der Maus. Gesellschaft für Familienforschung e. V. Bremen 22). Bremen 2000, S. 18f ISBN 3-89757-047-5

Anmerkungen

  1. Mitarbeiter Kaspar Groppers, langjähriger Begleiter des Nuntius Giovanni Francesco Commendone (1524–1584), Bischof von Zante (Zakynthos), in Deutschland und Polen.
  2. Sie ⚭ II. 1642 Bernhard Casal oder Capelle (1603–1660) aus Detmold.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Heinz Finger: Reformation und Katholische Reform im Rheinland. Begleitheft zur Ausstellung der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf zum 500. Geburtstag Konrad Heresbachs und zum 450. Todestag Martin Luthers. (= Schriften der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf. 26). Die Bibliothek, Düsseldorf 1996, S. 97.
  2. Aus der Benefizienverleihung 1566 von Pius V.: „… non obstante defectu natalium, quem pateris de presbytero genitus et soluta…“ (= „ungeachtet des Geburtsmakels, den du bekanntlich hast als jemand, der von einem Priester und einer Unverheirateten geboren wurde“).
  3. a b c d Wilhelm Eberhard Schwarz: Die Nuntiatur-Korrespondenz Kaspar Groppers. Nebst Verwandten Aktenstücken 1573–1576. (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte 5). Schöningh, Paderborn 1898, S. 182f (Digitalisat im Internet Archive).
  4. a b Urkunde vom 12. März 1569; Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen Münster (Kloster St. Mauritz und Simeon, Minden, Urkunde Nr. 332) (Digitalisat).
  5. Vgl. Wilhelm Crecelius: Monheim, Johannes. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 22, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 167 f.
  6. Brief von „Georgius Gogreuus“ an Andreas Masius vom 1. Januar 1564) aus Rom; vgl. Beilage 19. In: Theodor Joseph Lacomblet: Düsseldorf, Teil IV. In: Archiv für die Geschichte des Niederrheins 5 (1866), S. 203–205 (Google-Books); vgl. S. 71–73.
  7. Auch Vischbroek; aus Gent, Sekretär des Kardinals Giovanni Morone.
  8. Vgl. Brief von Joannes Metellus (Jean Matal) an Andreas Masius vom 12. September 1562 aus Lüttich; Max Lossen: Briefe von Andreas Masius und seinen Freunden 1538–1573. (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 2). Dürr, Leipzig 1886, bes. S. 346.
  9. Vgl. Peter Arnold Heuser: Jean Matal. Humanistischer Jurist und europäischer Friedensdenker (um 1517-1597). Böhlau, Köln 2003, S. 169.
  10. Vertrag vom 6. Juni 1572, geschlossen in Lübbecke; Ernst Albrecht Friedrich Culemann (Bearb.): Sammlung derer Vornehmsten Landes-Verträge Des Fürstenthums Minden. Enax, Minden 1748, S. 78–85, bes. S. 79 (Digitalisat der Universitätsbibliothek Münster).
  11. Vgl. Verlegung der Lehen nach seinem Tod nach Stadthagen, Akte vom 23. Juli 1578; Niedersächsisches Landesarchiv Bückeburg (Bestand L 0 Capaunsche Sammlung, Sammlung Holstein-Schaumburgischer Urkunden und Nachrichten, Bd. 4, Nr. 461).
  12. Vgl. Hauptstaatsarchiv Münster (036 I Grafschaft Schaumburg – Urkunden, 168); Staatsarchiv Bückeburg (Capaunsche Sammlung, Band 4, Nr. 461; Schaumburger Samtarchiv, Nr. 1653 und 4190; Bestand v. Gogreve, Nr. 4190 und 4202).
  13. Urkunde vom 7. April 1572; Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen Münster (Kloster St. Mauritz und Simeon, Minden, Urkunde Nr. 338).
  14. Vgl. Otto Bernstorf: Bischof Hermann von Minden aus dem Gräflich Schaumburger Hause; ein geistlicher Fürst der Reformationszeit. In: Hans Gelderblom (Hrsg.): Die Grabungen und Funde im Mindener Dom als Führer in die eigene Vergangenheit und als Wegweiser zu zeitgenössischen Werken in Westfalen. (Mindener Beiträge 10). Bruns, Minden 1964, S. 75–145, bes. S. 99.
  15. Brief an Como vom 21. März 1575.
  16. Vgl. Gropper an Como, 11. November 1574 und 7. Mai 1575, und Die bayerischen Gesandten Christoph von Pienzenau, Dr. Ludolf Halver und Jakob Dandorf an Herzog Albrecht V. von Bayern, 15. Juni 1575; Wilhelm Eberhard Schwarz: Die Nuntiatur-Korrespondenz Kaspar Groppers. Nebst Verwandten Aktenstücken 1573–1576. (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte 5). Schöningh, Paderborn 1898, Nr. 172, 238 und 247, S. LXXXII f, XCV, 217, 285 und 290.
  17. Sabine Wehking: DI 46, Nr. 96. In: www.inschriften.net (abgerufen am 6. April 2012).
  18. a b Vgl. Wolfgang Bonorden: Dr. jur. Simon Gogräve, gest. 1648. (Die Gräber im Bremer St. Petri Dom 10 = Blätter der Maus. Gesellschaft für Familienforschung e. V. Bremen 22). Bremen 2000, S. 18f.
  19. a b c Vgl. Lupold von Lehsten: Die hessischen Reichstagsgesandten im 17. und 18. Jahrhundert, Anhang Listen und biographisch-genealogische Blätter der hessischen Gesandten zu den Reichstagen im 17. und 18. Jahrhundert. (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 137,2). Hessische Historische Kommission, Darmstadt 2003, S. 314.
  20. Johannes Fürsen: Gloriosa & laudabilis sapientum Christianorum Sapientia & Scientia. Der weisen Christen herrliche und löbliche Weißheit und Wissenschaft … Bey … Leichbegängnus, Des … Simonis Gogräven, Beyder Rechten vornehmen Doctoris, und wolverdienten gewesenen Procancellarii des Stiffts Vehrden. Villiers, Bremen 1648 (Google-Books).
  21. Simon Gogreve Mindanus: Discursus academicus de quaestione illa ardua theologico-politica, an exercitium religionis contra superiorem, illud vi impedientem, armis defendi iure possit. Nikolaus Hampel, Gießen 1620; Honoribus doctoralibus … Simone Gogrevio collectis … gratulantur professores et amici. Nikolaus Hampel, Gießen 1620 (Google-Books).
  22. Gutachten vom 4. Januar und 17. März 1648; Niedersächsisches Landesarchiv Stade (Rep. 28 Schwedisches Tribunal zu Wismar, Nr. 2202).
  23. Vgl. Georg Hacke: Herzliches Anliegen Und Herzliches Vergnügen, Welches Die … Fraue Kunigunda Margreta Gograven Des … Herrn Danielis vom Busch, Med. Doct. … allhie zu Minden, Hertz-liebster Eh-Schazz … empfund … Lucius, Rinteln 1663, S. 30f (Digitalisat der Staatsbibliothek zu Berlin).
  24. J. C. v. d. M.: De Geslacht Tervile en Theben Tervile. In: De Nederlandsche Leeuw 6 (1888), S. 42–44 und 52–55, bes. S. 42f (Digitalisat der Koninklijk Nederlandsch Genootschap voor Geslacht- en Wapenkunde). Die Familie Tervile stammte ursprünglich aus Vreden.