Fristenregelung
Der Begriff Fristenregelung, auch Fristenlösung, wird im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch verwendet. Die Frist versteht sich dabei als der Zeitraum, gemessen ab der Zeugung (Empfängnis), innerhalb der ein Abbruch straffrei möglich ist.
Unterschiedliche sprachliche Verwendung
Die Begriffe, die gleichzeitig politische Schlagworte bilden, sind nicht länderübergreifend eindeutig definiert. Das beginnt bereits mit der umstrittenen Fragestellung, ob Fristenlösung und Fristenregelung Synonyme darstellen, oder ob einer der Begriffe als "neutraler" zu bewerten ist.
In der Sprachpraxis (verschiedener deutschsprachiger Länder) werden die Begriffe teilweise unterschiedlich verwendet. Es findet sich die "weitergefasste Verwendung" und die "enge Verwendung" der Begriffe. Eine Fristenlösung/-regelung im Sinne der "weitergefasste Verwendung" existiert in manchen Staaten, wenn ein legaler Schwangerschaftsabbruch nur innerhalb einer festgelegten Frist möglich ist. Allerdings können daneben durchaus weitere Einschränkungen, wie eine Beratungspflicht (Schwangerschaftskonfliktberatung), existieren. Im Sinne einer sprachlich "engeren Verwendung", existiert eine Fristenlösung/-regelung nur dann, wenn die Entscheidung über einen Abbruch der Schwangerschaft ausschließlich an die Frist als solche gebunden ist und somit keinerlei weitere Einschränkungen, wie eine Beratungspflicht, bestehen.
Als Beispiel für eine unterschiedliche Verwendung beim Blick auf die aktuelle Situation in Deutschland (ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche ist straffrei möglich, unterliegt jedoch Einschränkungen wie der Beratungspflicht, ein Abbruch nach der 12. Woche ist straffrei nur aufgrund medizinischer Indikation möglich). So spricht das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ausdrücklich von der Existenz einer Fristenregelung in Deutschland:
- ... Die meisten Länder Europas (Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Ungarn, Italien, Norwegen, Niederlande, Schweden, Tschechien) kennen eine Fristenregelung. Unterschiede zwischen diesen Ländern bestehen nur in Detailpunkten: Regelung im Strafgesetzbuch oder in einem Spezialgesetz; unterschiedliche Fristen (zwischen 10 und 24 Wochen nach der letzten Menstruation); unterschiedliche Ausgestaltung der Beratung usw.. In Spanien und Großbritannien ist der Schwangerschaftsabbruch nur nach der jeweiligen gesetzlichen Indikation zulässig. In Irland ist der Schwangerschaftsabbruch gänzlich verboten.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, Argumente gegen die Volksinitiative «für Mutter und Kind»[1]
Die Deutsche Regelung zum Schwangerschafsabbruch wird in Deutschland selbst umgangssprachlich nicht als Fristenlösung oder Fristenregelung bezeichnet. Auch das deutsche Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, spricht für Deutschland keineswegs von einer Fristenregelung, sondern definiert einerseits die Indikationslösung als Zulässigkeit des Schwangerschaftabbruchs nur bei Vorliegen - mehr oder weniger weitgehender - besonderer, einer eigenen Feststellung unterliegender Zulässigkeitsvoraussetzungen und andererseits die Fristenlösung als Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs bis zu einem bestimmten Schwangerschaftsalter. Das Institut bezeichnet die aktuelle deutsche Regelung als "Beratungsmodell" und "dritten Weg" [2].
Indikationsregelung und Fristenregelung in Westdeutschland
Die Emanzipation der Frauen im Nachkriegsdeutschland führte nicht nur zur Verbesserung ihrer Lage in Hinsicht auf Ausbildung und Erwerbsleben, sondern auch zu ihrer rechtlichen Gleichstellung durch den Gesetzgeber in den meisten Bereichen. Nur im Bereich der körperlichen Selbstbestimmung müssen Frauen durch Abtreibungsgesetze bis heute große Einschränkungen in Kauf nehmen.
In den Großstädten begannen Frauen in den 1960er Jahren, ihr Recht auf gleiche Lebenschancen einzuklagen.
Die Abschaffung des §218, der Abtreibung unter Strafe stellte, wird gefordert. Der Gesetzgeber geriet in dieser Lage unter Zugzwang. Die Auseinandersetzung um den §218 wurde nicht nur in und zwischen den Parteien geführt, sondern auch in den Kirchen. Die katholische Kirche bestand auf der Strafandrohung, die evangelische Kirche ist gespalten.
Das Ergebnis war ein politischer Kompromiss im fünften Strafrechtsreformgesetz: eine Fristenregelung.
Diese Fristenregelung wurde aber nicht wirksam, das Gesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht kassiert. In der Begründung erklärte das Gericht, das Recht auf körperliche Unversehrtheit beziehe sich auch auf das werdende Leben im Mutterleib. Der Schutz dieses werdenden Lebens ergab sich aus Artikel eins des Grundgesetzes, wonach die staatliche Gewalt die Würde des Menschen zu schützen hatte. Nach Auffassung des höchsten Gerichts war der Embryo nicht nur Teil des mütterlichen Organismus, sondern ein selbständiges menschliches Wesen. Dies dominierte über das Recht der Mutter auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, erklärte das höchste Gericht. Ausgenommen waren folgende vier Indikationen
- medizinische Indikation (Gefahr für die gegenwärtige oder zukünftige körperliche und/oder psychische Gesundheit der Mutter),
- eugenische Indikation (Diagnose einer schwer wiegenden Behinderung des Kindes),
- soziale Indikation (drohende Notlage)
- ethische Indikation oder kriminologische Indikation (Schwangerschaft aufgrund einer Vergewaltigung oder sexuellen Missbrauchs).
Diese Rechtsauffassung wurde 1976 als sogenannte Indikationsregelung in Gesetzesform gebracht.
Die Indikationslösung ist aber in den folgenden Jahrzehnten immer wieder Gegenstand einer breiten Diskussion und öffentlicher Proteste. Von Ärzten wurde insbesondere die soziale Indikation zunehmend weiter ausgelegt, sodass bereits Arbeitslosigkeit oder ein geringes Einkommen als Begründung ausreichte. Noch 1989 wurde ein Augsburger Arzt zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er in 137 Fällen Abbrüche durchgeführt hatte, ohne dass die Indikationen wie vorgeschrieben von einem zweiten Arzt bestätigt waren. Nach einem Generationswechsel unter den Richtern fand 1993 das Bundesverfassungsgericht eine Lösung: Der Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten (bis zur 12. Schwangerschaftswoche) sei zwar rechtswidrig, sollte strafrechtlich aber nicht verfolgt werden. Mit dieser Änderung trat nun in Deutschland eine faktische Fristenregelung in Kraft.
Gegenwärtiger Stand in Deutschland
In Deutschland existiert heute eine faktische Fristenregelung: Die Abtreibung ist rechtswidrig, aber bis zum dritten Schwangerschaftsmonat straffrei, wenn vor dem Eingriff eine Beratung stattgefunden hat. Nach dem dritten Monat ist ein Abbruch legal, wenn eine medizinische Indikation vorliegt, die in der Regel dann gegeben ist, wenn eine vergleichsweise schwer wiegende Behinderung beim Ungeborenen festgestellt worden ist. Eine Beratunspflicht vor einem Abbruch nach medizinischer Indikation ist nicht Pflicht, steht der Schwangeren bzw. den werdenden Eltern jedoch von Rechts wegen zu.
In der DDR existierte allerdings die Fristenlösung im engeren Sinne. Ein Überblick über die gesamte historische Entwicklung ist hier Schwangerschaftsabbruch#Die_Entwicklung_des_deutschen_Rechts_zur_Abtreibung zu finden.
Gegenwärtiger Stand in Österreich
Am 29. November 1973 wurde die Fristenlösung mit 93 SPÖ Stimmen gegen die 88 Nein Stimmen von ÖVP und FPÖ verabschiedet. Am 6. Dezember des gleichen Jahres erhob die ÖVP im Bundesrat Einspruch, das Gesetz wurde trotzdem mittels Beharrungsbeschluss am 23. Januar 1974 wiederum durch die absolute SPÖ Mehrheit definitiv abgesegnet. Somit trat in Österreich mit 1. Januar 1975 die Fristenlösung in Kraft. Nach § 97 des StGB ist der Schwangerschaftsabbruch bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche nach der Einnistung der befruchteten Eizelle straffrei. Das bedeutet spätestens bis zum Ende der 14. Schwangerschaftswoche nach Beginn der letzten Regelblutung. Die Entscheidung den Schwangerschaftsabbruch straffrei zu stellen blieb jedoch weiterhin umstritten. Die Positionen von damals, blieben bis heute die gleichen: die BefürworterInnen verwiesen auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen während die GegnerInnen der Fristenlösung von Mord an ungeborenem Leben sprachen. Die erste Frauenministerin Österreichs, Johanna Dohnal bezeichnete die Fristenlösung als großen Erfolg der Frauenpolitik. In Wien wurde im Jahr 2005 ein Gesetz beschlossen um eine rechtliche Handhabe gegen radikale AbtreibungsgegnerInnen zu haben und um sie daran zu hindern psychischen Druck auf Frauen die Abtreibungskliniken betreten wollen auszuüben.