Glaube (Religion)
Das Wort Glaube im religiösen Kontext wird einerseits als Synonym für Religion verwendet, andererseits bezeichnet es die innere Haltung eines religiösen Menschen in Bezug auf seine Religion. Im Falle einer theistischen Religion bezeichnet Glaube an Gott oder Glaube an Götter auch die persönliche Beziehung, die ein Gläubiger zu einem oder mehreren Göttern entwickelt. Wie die meisten religiösen Phänomene nimmt Glaube verschiedenste Formen an, so dass keine erschöpfende Definition möglich ist. Die genannte persönliche Beziehung kann ebenfalls verschiedene Formen haben, sie kann, aber muss nicht, submissiv, stark oder schwach ausgeprägt, freundschaftlich etc. sein. Für den Gläubigen ist sein Glaube oft Teil seiner Identität, er definiert sich zum Beispiel als Muslim.
Aus atheistischer Sicht wird Glaube als irrational kritisiert. Es besteht im Gegenzug keine Einigkeit, ob, und wenn ja welche Formen des Atheismus den Charakter eines Glaubens haben.
In Debatten um Religiösität und Atheismus wird Glaube auch als Überzeugung von der Existenz eines bestimmten Gottes definiert, was aber möglicherweise zu kurz greift, weil es die persönliche Bindung des Gläubigen und die moralischen Implikationen nicht berücksichtigt. Viele Gläubige - und viele ihrer Kritiker - denken, dass ihr Glaube nicht auf einzelnen Beobachtungen oder Tests, die wahr oder falsch sein könnten, begründet ist, sondern einen anderen Erkenntnischarakter hat.
Etymologie
Das Wort „glauben“ ist die Übersetzung des griechischen „pisteuein“ mit vergleichbarem Wortsinn. Im Judentum dagegen wird meist die Vokabel „aman“ verwendet: Sich an etwas festmachen. Ursprünglich gemeint war also nicht das unbestimmte „ich weiß nicht“, sondern im Gegenteil: „ich verlasse mich auf, ich binde meine Existenz an“. Es geht also zentral nicht um einen Gegenpol zum Wissen, sondern um Vertrauen, Gehorsam und Lebensübergabe. (Vergleiche: Geloben.)
Zur Etymologie des Wortes „Glauben“ sei verwiesen auf: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. 16 Bde. Leipzig: S. Hirzel 1854-1960. -- => Quellenverzeichnis 1971, Artikel: "Glauben"
Das lateinische Wort credere (vgl. Credo) ist direkt verwandt mit der altindischen Wurzel sraddha- „glauben“ und stellt eine sehr alte (indogermanische) Verbalkomposition dar. Die Bestandteile bedeuten: „Herz“ und „setzen, stellen, legen“, zusammen also etwa: „sein Herz (auf etwas) setzen“.
Die hebräischen Vokabel „aman“ mit der Schreibung „Aleph-Mem-Nun“ wird nur in der Stammesmodifikation des Hif'il (Aussprache „hä'ämin“) mit dem Wort „glauben“ übersetzt. Diese Stammesmodifikation drückt im allgemeinen einen kausativen Aspekt der Grundbedeutung aus. Die Grundbedeutung der Buchstabenfolge (Wurzel) „Aleph-Mem-Nun“, die auch im ursprünglich hebräischen Wort Amen erscheint, ist „fest“ oder „unerschütterlich“, die Bedeutung im Hifil ist also „jemanden fest sein lassen“.
Bedeutung im Christentum

Aus christlicher Perspektive meint Glaube(n) eine Lebenshaltung die darauf setzt, dass
- alles Seiende durch Gott (Jahwe) geschaffen ist und im Dasein gehalten wird,
- die von Gott her der Welt und den Menschen gegebene Ordnung (Logos) in Jesus Christus Mensch geworden und deshalb für uns in ihm (so weit in einem Menschen möglich) in reiner Form ansichtig geworden ist und
- der Geist Gottes die gesamte Schöpfung durchwirkt und in besonderer Weise durch Jesus Christus in der Kirche erfahrbar und vermittelt wird.
Konsequenzen, die sich aus der Annahme dieser Lebenshaltung ergeben, sind:
- Ein sich angenommen und geborgen Wissen in der Welt und in dem diese Welt liebevoll umfassenden Gott, auch über den eigenen Tod hinaus (dies vermindert oder nimmt vollständig weg die existentielle Angst um das eigene Dasein bzw. die eigene Vernichtung im Tod – siehe hierzu auch Angst und Religion).
- Ein sich herausgefordert Wissen zur Mitgestaltung der Welt im Sinne des die Welt liebevoll umfassenden Gottes in der Nachfolge und nach dem Vorbild Jesu.
- Ein sich gerechtfertigt und angenommen Wissen auch angesichts eigenen Fehlverhaltens durch die liebevolle und verzeihende Güte Gottes, die Jesus Christus den Menschen entgegengebracht hat und entgegenbringt.
Die Inhalte bzw. sogenannten Artikel des christlichen Glaubens (articula fidei), die in den christlichen Glaubensbekenntnissen zusammengestellt sind, entfalten Aussagen, die zu oben skizzierter Lebenshaltung hinführen sollen und können.

Glaube aus der Sicht der Bibel
Die Bibel [1] unterscheidet zwei Arten von Glauben: Den Glauben an Menschen, und den Glauben an Gott. Der Schwerpunkt liegt wohl beim Glauben an Gott, welcher auch errettender Glaube genannt wird. Ein Aspekt von Glaube ist die Hoffnung. Der Glaube an Jesus Christus lässt uns ganz allgemein etwas, auf das wir hoffen, so real erscheinen, als hätten wir es bereits. Er macht sozusagen das Unsichtbare sichtbar (Heb 11,1). Die Grundlage des Glaubens sind die Versprechen und Offenbarungen Gottes (Joh 20,31). Glaube ist nach der Sicht der Bibel keine Einbildung, sondern stützt sich auf Gottes Wort (die Bibel).[2] Glaube bedeutet aber vor allem Vertrauen, das Vertrauen auf Gott, was untrennbar mit dem Vertrauen auf Jesus Christus verbunden ist (Joh 12,44). Mit anderen Worten ist es ein Vertrauen darauf, dass Jesus der Christus ist (hebr. Messias, der Gesalbte) (Mk 14,61-62). Dies macht ihn im Sinne der Bibel zum König (Mt 25,31) und zum Retter (Lk 2,11). Dadurch ist Glaube im Sinne der Bibel bei weitem mehr als ein bloßes Bewusstsein der Existenz Gottes bzw. Christus. Glaube ist vielmehr eine Lebenseinstellung, Jesus als König und Retter anzunehmen, welche eine bewusste Entscheidung verlangt (Joh 1,12) und sich natürlich auch im täglichen Leben ganz praktisch auswirkt (Eph 5,8-10) – Solch eine Entscheidung ist mit einem Wandel, einer Abkehr vom "alten Leben" verbunden (Eph 5,8).
Wenn jemand zum Glauben an Jesus Christus kommt, so entsteht der Bibel zufolge eine neue Schöpfung, ein neuer innerer Mensch wird durch Gott geschaffen (2 Kor 5,17) und er gibt dem neuen Menschen auch die Kraft, nach seinem Willen zu leben (Apg 1,8). Die Bibel lehrt uns, dass allein echter Glaube an Christus notwendig zur Errettung von unseren Sünden ist. Gute Werke sind dafür kein Ersatz (Eph 2,8-9), sie sind aber ein Indiz dafür, ob jemand von ganzem Herzen glaubt und dem Wort Gottes folgt (Jak 2,18).
Wirkung des Glaubens an Christus:
- Glaube reinigt die Herzen der Menschen. (Apg 15,9)
- Durch Glauben vertrauten viele Menschen Gott mehr als ihrer Vernunft. (Heb 11,3-33)
- Durch Glauben können wir dem Teufel widerstehen. (1 Petr 5,9)
- Glaube bewirkt Gerechtigkeit vor Gott. (Röm 3,23+28; 5,1-2)
- Glaube bewirkt Errettung vor der ewigen Trennung von Gott. (Eph 2,8)
- Durch Glaube wird man Kind Gottes. (Gal 3,26)
- Glaube verhilft zum ewigen Leben. (Hab 2,4; Joh 20,31)
Glaube und Vernunft
Unter dem Titel „Glaube und Vernunft“ wird in Theologie und Religionsphilosophie die Frage behandelt, ob und wie man den Glauben vernünftig rechtfertigen kann. Die Frage ist, ob es vernünftige Gründe gibt, an Gott zu glauben, oder ob die vorgebrachten Gründe doch nicht so stichhaltig sind, dass man sie vernünftig nennen könnte. Das Thema „Glaube und Vernunft“ ist also ein philosophisches Thema, das dementsprechend in der philosophischen Teildisziplin Natürliche Theologie, jedoch auch in der Theologie verhandelt wird, und zwar im Fach Fundamentaltheologie.
Es gibt verschiedenene Versuche die Existenz eines Gottes zu beweisen.
Viele Theologen halten den Glauben dadurch für vernünftig begründet, dass sie zeigen können, wie der Glaube sehr gut zu einem moralischen krisen- und konfliktlösenden Handeln befähigen kann. Solche Glaubensbegründungen nennt man „postulatorische Glaubensbegründungen“. Zu ihrem wissenschaftsmethodologischen Mangel ebendort.
Benedikt XVI. erklärt in Einführung in das Christentum, dass Glaube und naturwissenschaftliches Denken auf zwei verschiedenen Ebenen des menschlichen Seins stattfinden, dass Glaube eine eigene Form des geistigen Verhaltens ist, die sich nicht auf das naturwissenschaftliche Denken zurückführen noch von ihm ableiten lässt. Glaube gehört für ihn zum Bereich der Grundentscheidungen des Menschen, zu denen der Mensch in irgendeiner Form Stellung beziehen muss, ohne darüber letzte Gewissheit zu haben: der Gläubige sich fühlt durch den Unglauben des naturwissenschaftlichen Weltbildes bedroht , aber ebenso wirkt auf den Nichtgläubigen der Glaube als Bedrohung seines für ihn ein für allemal geschlossenen Weltbildes. Nach Benedikt kann der Mensch daher sowohl im Glauben als auch im Unglauben eine letzte Ungewissheit nicht ausklammern.
Glaube und Aberglaube
Der Begriff Aberglaube bezeichnet häufig einen den Gesetzen der Erfahrung und der Logik entgegengesetzten Glauben, der manchmal sogar vermeintlich für Wissen gehalten wird. Es findet sich bei Abergläubigen häufig, dass sie aus einem solchen Glauben einen Nutzen zu ziehen versuchen. Ein Beispiel dafür findet sich sogar im Fernsehen bei allerlei Wahrsager- und Astrologiesendungen. Hierbei ist der Aberglaube meistens, aber nur für eine Seite nutzbringend. Und zwar für die, welche das Geld mit den vermeintlichen Prophezeiungen kassiert.
Das früheste Zeugnis des Wortes Aberglaube (abergloube) findet sich in einer Glosse aus dem 15. Jahrhundert. Benutzt wurde es im Sinne von: Mißglaube (Luther), oder christlich-abweichender Glaube, als Übersetzung von lateinisch: superstitio. Im 16. Jahrhundert wurde der Begriff allgemeingebräuchlich.
Gebildet wurde das Wort wie: Aberwitz (Unklugheit) oder Aberwille (Widerwille).
Implikationen des Glaubens
Kurz gesagt hat der Begriff Glaube nicht nur im religiösen Sinne 3 Eigenschaften:
1. etwas für richtig und wahr halten
Carl Friedrich von Weizsäcker meint dazu in „Zeit und Wissen“:
- Glaube ist kein intellektueller Akt, sondern eine Weise zu leben. An etwas glauben heißt, sich in jeder Lage so zu verhalten, wie man sich verhalten muß, wenn es das, woran man glaubt, wirklich gibt. Das Fürwahrhalten ist nur die der Reflexion zugängliche intellektuelle Spitze des glaubenden Verhaltens. Um es in einem Gleichnis auszudrücken: Der Fußballspieler muß den Ball ab und zu einem anderen Spieler seiner Mannschaft zuspielen. Das ist nur sinnvoll, wenn er damit rechnen kann, daß der Partner den Ball übernimmt und gegebenenfalls zurückspielt. Gewißheit hierfür gibt es nicht, denn der andere könnte durch den Gegner gehindert sein oder den Ball verfehlen. Trotzdem muß man ihm zuspielen. Dies mit dem Gegenüber trotz der Ungewißheit rechnende Zuspielen und Zurückerwarten des Balls ist Glauben...
- Es wäre wiederum ein aus der Reflexion stammendes Mißverständnis, wenn man versuchen wollte, nun einen „berechtigten Glaubensinhalt“ zu formulieren. Könnte man die „Berechtigung“ eines Glaubensinhaltes erweisen, so würde man wohl besser von Wissen reden.
2. etwas für wertvoll halten
- Ich habe versucht, einige Weisen des Glaubens zu beschreiben. Ich habe nicht versucht, über ihren Wert zu argumentieren, denn das kann man nur, indem man selbst glaubt, also nicht von einem Ort jenseits der in jedem bewußten Glauben liegenden Entscheidung. (C.F. von Weizsäcker, Zeit und Wissen)
3. sich jemandem oder einer Lehre anvertrauen
Aber: Buddha lehrte: Wenn Deine Einsicht meiner Lehre widerspricht, musst du Deiner Einsicht folgen. Jesus Christus sprach: Wer Gottes Willen tut, wird erfahren, ob meine Lehre von Gott ist (Joh. 7,17)
Zitate
Siehe auch
Literatur
- ↑ Die Bibel - Elberfelder Übersetzung (revidierte Fassung), Brockhaus Verlag Wuppertal, 7.Auflage 2000, Textstand Nr. 14, ISBN 3-417-25881-2,
- ↑ William MacDonald: Kommentar zum Neuen Testament, CLV Verlag, 2.Auflage 1997, ISBN 3-89397-378-8
- Josef Ratzinger: Einführung in das Christentum, 2000, Kösel Verlag, ISBN 3-466-20455-0
- Josef Ratzinger: Peter Godman: Fragen des Glaubens, Fragen des Lebens, 2006, Kreuz-Verlag, ISBN 3-7831-2683-5
- Josef Ratzinger; Paolo Flores d'Arcais: Gibt es Gott? Wahrheit, Glaube, Atheismus, 2006, Wagenbach Verlag, ISBN 3-8031-2531-6
- Tom Bisset: Warum? jemand nicht mehr glauben kann, Bielefeld, 2005 (ISBN 3-89397-971-9) (PDF-Download)
- Reza Hajatpour: Der brennende Geschmack der Freiheit. Suhrkamp Verlag, F/M. 2005. ISBN 3518124099 . (ausgebildeter ehemaliger schiit. Geistlicher)
- Gret Haller: Politik der Götter - Europa und der neue Fundamentalismus. Aufbau-Verlag - ISBN 3-351-02608-0 . (Zur Staatlichkeit und Privatheit der Religiosität/Glaubensgruppen in Europa. Ihre These lautet, dass es für Europa keine Alternative zur Trennung zwischen Religion und Politik gibt.)
- Michael Schmidt-Salomon: Manifest des evolutionären Humanismus. Plädoyer für eine zeitgemäße Leitkultur. Alibri Verlag. 2005. ISBN 3-86569-010-6 .
- Arthur Ernest Wilder-Smith: Wer denkt, muss glauben, Bielefeld (ISBN 3-89397-798-8)
- Carl Friedrich von Weizsäcker: Zeit und Wissen, München 1992 (ISBN 3-446-16367-0)
- Odilo Lechner: Damit der Glaube weitergeht, Vier-Türme-Verlag, 2005 (ISBN 3-87868-326-X)
- Ingo Baldermann: Ich glaube, Neukirchener Verlagshaus, 2004 (ISBN 3-7887-2052-2)
- Wilhelm Busch: Der Glaube wächst, Aussaat Verlag, 2005 (ISBN 3-7615-4155-4)
- Klaus-Rüdiger Mai: Die Wiederkehr des Glaubens. Berlin, April 2006, wjs-Verlag, ISBN 3-937989-18-8
- Vinnai, Gerhard: Jesus und Ödipus - Zur Psychoanalyse der Religion, Fischer-TB.-Vlg., Ffm, ISBN: 3596144787, 281 Seiten, oder hier: http://psydok.sulb.uni-saarland.de/volltexte/2006/578/
Weblinks
- Christa Tamara Kaul: Warum der Mensch glaubt (Telepolis)
- Florian Rötzer: Sind religiöse Gesellschaften "besser"? (Telepolis)
- Literatur zum christlichen Glauben
- http://www.people.freenet.de/biblische_lehre : Siehe "Mein Gerechter aber wird aus Glauben leben" Teil I (Hebr.11:1-21) und Teil II (Hebr.11:22-40) in den "Ausführungen zum Hebräerbrief"
- Religion, Glauben und Lebenswege - umfangreiche Informationsseite