Rote Hilfe (Verein)
Die Rote Hilfe ist eine Solidaritätsorganisation, die politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt. Sie gilt als linksextremistisch und wird als verfassungsfeindlich eingestuft.
Die Rote Hilfe hat bundesweit etwa 4.500 Mitglieder, organisiert in 38 Orts- und Regionalgruppen. Es gibt einer Geschäftsstelle in Göttingen.
Die Mitglieder der Roten Hilfe unterstützen politisch Aktive aus der linken Szene, die teils wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten, sei es durch Publikationen oder im Zusammenhang mit Demonstrationen, juristischen Beistand benötigen. Die Rote Hilfe setzt sich ausserdem gegen das Verbot der kurdischen PKK ein, die ebenfalls als verfassungsfeindlich gilt. Außerdem unterstützt die Rote Hilfe Asylbewerber, denen die Abschiebung droht.
Die Rote Hilfe formuliert ihre Ziele so:
1. Wir bereiten zusammen mit den Angeklagten den Prozeß vor und machen besonders seinen politischen Hintergrund in der Öffentlichkeit bekannt.
2. Wir sorgen durch Solidaritätsveranstaltungen, Spendensammlungen und Zuschüsse aus den Beitragsgeldern dafür, daß die finanziellen Belastungen von vielen gemeinsam getragen werden. Besonders Anwalts- und Gerichtskosten können teilweise oder ganz übernommen werden, aber auch Zahlungen zum Lebensunterhalt geleistet werden, wenn hohe Geldstrafen, Verlust des Arbeitsplatzes oder Gefangenschaft die Betroffenen oder ihre Familien in Schwierigkeiten gebracht haben.
3. Zu politischen Gefangenen halten wir persönlichen Kontakt und treten dafür ein, daß die Haftbedingungen verbessert, insbesondere Isolationshaft aufgehoben wird; wir fordern ihre Freilassung.
Geschichte
1924 wurde die Rote Hilfe Deutschlands (RHD) als KPD-nahe Organisation gegründet. Ihr erster Vorsitzender war der spätere erste und einzige Präsident der DDR Wilhelm Pieck, ab 1925 Clara Zetkin. Erste große Aufgabe war die Gewinnung der zahlreichen Kriegsversehrten und anderer Invaliden für die Ziele der KPD ("Rote Hilfe für Opfer des Krieges und der Arbeit"). Später verlagerte sich der Schwerpunkt der Arbeit auf die Unterstützung der inhaftierten Mitglieder des Rotfrontkämpferbundes sowie anderer politischer Gefangener und deren Angehöriger. So erklärte die Rote Hilfe 1923 den 18. März zum „Internationalen Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen“ und hielt diesen bis zu ihrem Verbot durch die Nationalsozialisten 1933 ab. In der Künstlerkolonie Worpswede unterhielt die Rote Hilfe das Kinderheim Barkenhoff. Kampagnen der RHD wurden von Albert Einstein, Kurt Tucholsky, Käthe Kollwitz, Heinrich Zille, Heinrich Mann, Erich Mühsam und anderen namhaften Intellektuellen unterstützt.
Bekanntgeworden für seine Tätigkeit für die Rote Hilfe ist auch der Rechtsanwalt Hans Litten, der Mitte der 1920er Jahre spektakuläre, politische Prozesse für die Rote Hilfe führte.
1933 wurde die Rote Hilfe Deutschlands verboten und ab 1935/36 von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) zerschlagen. Mitglieder der Roten Hilfe arbeiteten jedoch im Untergrund weiter, wie Lore Wolf die gemeinsam mit Johanna Kirchner, die der der Sozialdemokratie nahestehenden Arbeiterwohlfahrt angehörte, bedrohten Personen der Arbeiterbewegung über das Saargebiet ins Exil verhalf.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Untergang des Faschismus spielte die Rote Hilfe zunächst in beiden deutschen Staaten keine Rolle.
Neugründung und Radikalisierung 1973
Im Jahr 1973 gründen sich nach den Studentenunruhen 1968 und der Verhaftung der ersten Generation der Rote Armee Fraktion verschiedene linke Hilfsorganisationen (Schwarze, Bunte, Grüne und Rote Hilfen). Auch die heute noch existierende Rote Hilfe e.V. wird unter dem Namen Rote Hilfe Deutschlands (RHD) wiedergegründet.
In den 1970er Jahren radikalisieren sich die Mitglieder der Roten Hilfe und werden zu aktiven Unterstützern der Terrororganisation RAF. Die zweite Generation der RAF um Brigitte Mohnhaupt, Susanne Albrecht und Peter-Jürgen Boock war vor dem Gang in die Illegalität fast ausnahmslos in der Roten Hilfe aktiv. Zwischen 1970 und 1985 werden fast 100 Mitglieder der Roten Hilfe wegen Straftaten im Zusammenhang mit der Unterstütztung der RAF und der RAF-Gefangenen verurteilt.
Die Rote Hilfe ist massgeblich für den Mythos Isolationshaft verantwortlich. Bis heute ist die "Aufhebung der Isolationshaft" eines der Ziele der Roten Hilfe. Inzwischen ist jedoch wissenschaftlich erwiesen, dass es Isolationshaft oder im Szenejargon Isolationsfolter, so wie sie die Mitglieder der Roten Hilfe beschreiben, nie gegeben hat. Die Definition "Isolation" bezog sich auf den Zustand, von anderen RAF-Gefangenen getrennt zu sein. Nicht jedoch, von allen anderen Gefangenen überhaupt. Bis heute ist in Publikationen der Roten Hilfe von toten Gefängnisblöcken die Rede, in denen nur ein Gefangener isoliert ist. Die Existenz solcher Blocks ist umstritten und nicht belegt.
Während der Hungerstreiks der RAF-Gefangenen, vor allem nach dem Hungertod des Terrorristen Holger Meins konnte die Rote Hilfe mehrere Demonstrationen mit bis zu 5000 Mitgliedern organisieren, die sich für die RAF-Gefangenen einsetzten und ihren Status als Kriegsgefangene forderten. Mitglieder der Roten Hilfe organisierten die Verteidigung der RAF-Gefangenen vor Gericht und bereiteten den Besuch des Philosophen Jean-Paul Sartre bei Andreas Baader vor.
Nach der fortschreitenden Radikalisierung des Terrorismus in den späten 1970ern verlor die Rote Hilfe über die Hälfte ihrer aktiven Mitglieder und war immer stärkeren Repressionen durch den Verfassungsschutz ausgesetzt.
1980 bis heute
Seit Mitte der 1980er ist die Rote Hilfe sehr dezentral organisiert. Das Spektrum reicht von Pazifisten bis zu gewaltbereiten Radikalen. 1986 beschloss die Bundesdelegiertenkonferenz die Umbenennung von Rote Hilfe Deutschlands (RHD) in Rote Hilfe e.V.. Der Verein wurde staatlich anerkannt. Bekannt ist die Rote Hilfe auch für die Kampagne „Anna und Arthur halten's Maul“.
Literatur
- Nikolaus Brauns: Schafft rote Hilfe! Geschichte und Aktivitäten der proletarischen Hilfsorganisation für politische Gefangene in Deutschland (1919 – 1938). Pahl-Rugenstein, Bonn 2003, ISBN 3-89144-297-1
- Siegfried Bresler: Der Barkenhoff: Kinderheim der Roten Hilfe 1923 – 1932: Eine Dokumentation zur Ausstellung im Barkenhoff 1991. Worpsweder, Lilienthal 1991, ISBN 3-922516-91-2
- Rote Hilfe e. V. (Hrsg.): Vorwärts und nicht vergessen! 70/20 Jahre Rote Hilfe. Die Geschichte der Roten Hilfe von der Weimarer Republik bis zur Wiedergründung in den Siebziger Jahren.
- Heinz Jürgen Schneider, Erika Schwarz, Josef Schwarz: Die Rechtsanwälte der Roten Hilfe Deutschlands: politische Strafverteidiger in der Weimarer Republik; Geschichte und Biografien. Pahl-Rugenstein, Bonn 2002, ISBN 3-89144-330-7
- Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik. Frankfurt am Main 1969
- Sabine Hering, Kurt Schilde (Hg.), Die Rote Hilfe - Die Geschichte der internationalen kommunistischen "Wohlfahrtsorganisation" und ihre sozialen Aktivitäten in Deutschland (1921-1941