Wilhelm Maurenbrecher
Karl Peter Wilhelm Maurenbrecher (1838-1892) gehörte zu den bedeutendsten Reformationshistorikern des 19. Jahrhunderts. Er hatte vier Söhne: Berthold Maurenbrecher, Altphilologe; Max Maurenbrecher, Theologe; Wilhelm Maurenbrecher Jr.; Schauspieler und Otto Maurenbrecher. Von ihm stammt auch der Liedermacher Manfred Maurenbrecher ab.
Werdegang
- Promotion in Bonn 1861 bei Heinrich von Sybel
- Habilitation 1862 in Bonn bei Heinrich von Sybel
- Geschichtsprofessor in Dorpat 1867-1869, Königsberg 1869-1876, Bonn 1877-1884, Leipzig 1884-1892. Schwerpunkt: Geschichte der Reformation und der Glaubenskämpfe.
Hauptthesen
Maurenbrecher wollte ursprünglich das Zeitalter Philipp II. von Spanien, das der eigentlichen Gegenreformation erforschen. Zunehmend kommt durch seine Studien im spanischen Simancas und anderen Archiven zu der Erkenntnis, daß die Gegenreformation in den katholischen Reformbestrebungen Vorläufer hat. Er erkennt, daß trotz der gegensätzlichen Zielrichtung von erasmianischer (humanistischer) Reformation, lutherischer Reformation, "katholischer Reformation" wie schließlich der Gegenreformation deren gemeinsame Wurzel in der Reformbedürftigkeit der spätmittelalterlichen Kirchenverfassung lag. Er bleibt mit seinem Begriff "katholische Reformation" nicht unkritisiert, wie unter anderem auch bei Hermann Baumgarten, Ludwig von Pastor, Hubert Jedin, weil das Wort "Reformation" eigentlich durch die lutherische Bewegung terminologisch besetzt ist. Deshalb plädieren sie dazu entweder zu sagen "katholische Restauration" (Pastor) oder "katholische Reform" (Jedin), früher sogar schon bei Baumgarten. Der Begriff Gegenreformation setzt sich mit Moriz Ritter durch. Die Gegenreformation allerdings, die im Zuge vom Konzil von Trient einsetzt, meint aber das schrittweise, auch gewaltsame Zurückdrängen des Protestantismus in den protestantischen und zum Teil katholischen Territorien durch den Katholizismus.Das aber die Reformbewegungen hier ihren Ursprung haben, bleibt unbestritten. Maurenbrecher sieht bei der Ausbreitung der der lutherischen Bewegung entgegengerichteten Bewegung die Rolle der spanischen Tradition, und damit das Kaisertum Karl V. und Ferdinand I. wie des spanischen Königtums unter Philipp II. als vorrangig bedeutend an. Pastor hingegen anerkennt zwar den Ursprung dieser Bewegung in Spanien, sieht aber bei der Ausbreitung eher die italienischen Kräfte, und damit das Papsttum und die Römisch-Katholische Kirche als die wichtigeren Träger der Gegenreformation an. Zur Zeit der eigentlichen Gegenreformation insbesondere Philipp II. von Spanien schreibt Maurenbrecher einige Aufsätze.
Durch seine Ausbildung in Berlin bei Leopold von Ranke und Heinrich von Sybel in München und Bonn geprägt, ist er stets bemüht, seinen historischen Gegenstand möglichst objektiv, das heißt hier im Verständnis der so genannte preußschen Schule, auf der Grundlage von Quellenkritik und Quelleninterpretation zu bearbeiten. Seine Geschichtsschreibung ist vorrangig politische Geschichte, die nach seiner Auffassung auch die Vorrangige sein sollte. Auf dieser Grundlage kommt er zu einem durchaus anders gearteten Verständnis dafür, wie der Reformation und damit Luther zu begegnen ist, wie auch des Protestantismus und damit Kurfürst Moritz von Sachsen. Bislang sah man Luther und die Reformation in der regel von einem dogmatisch-theologischen Standpunkt aus, von dem man das Luthertum oder besser gesagt den Protestantismus generell bejaht oder verneint wie im Katholizismus. Ebenso verhält es sich mit Moritz von Sachsen, der allerdings auch aus solchen Erwägungen von Teilen der protestantischen wie auch der katholischen Geschichtsschreibung abgelehnt wird. Maurenbrecher geht es im Unterschied zu vielen Historikern sowohl aus dem protestantischen als auch katholischen Spektrum nicht das Bedienen politischer, kirchlicher oder theologischer Interessensgruppen, sondern um historisch begründete Tatsachen. In seiner Geschichtsauffassung steht er Leopold von Ranke näher als Heinrich von Sybel und Heinrich von Treitschke. Sowohl was Martin Luther und die Reformation als auch Kurfürst Moritz von Sachsen betrifft, liefert er Ansätze, die den Beginn der Auflösung eines dogmatisch-theologischen Geschichtsbildes zugunsten einer historischen Sichtweise auf der Grundlage der überlieferten Quellen bedeuten. Seiner Zeit, die durch konfessionelle Auseinandersetzungen geprägt ist, geht er damit weit voraus. Daran ändert nichts, daß er hierbei von Zeitgenossen, bis auf Ausnahmen wie zum Beispiel Georg Voigt für Moritz von Sachsen wenig berücksichtigt und später was das betrifft geradezu vergessen wird.
Hauptwerke
- Karl der V. und die deutschen Protestanten, Düsseldorf 1865
- England im Reformationszeitalter, Düsseldorf 1866
- Studien und Skizzen zur Geschichte der Reformationszeit, Leipzig 1874.
- Geschichte der katholischen Reformation, Bd. I, Nördlingen 1880.
- Die preußische Kirchenpolitik und der Kölner Kirchenstreit, Stuttgart 1881.
- Geschichte der deutschen Königswahlen, Leipzig 1889.
- Zur Geschichte der Reichsgründung: Geschichte der Gründung des Deutschen Reiches 1859-1870, Leipzig 1892.
Literatur zu Maurenbrecher
- Wilhelm Busch, Zur Erinnerung an Wilhelm Maurenbrecher, Neue Bonner Zeitung, Bonn 1893.
- Gustav Wolf, Wilhelm Maurenbrecher. Ein Lebens- und Schaffensbild, Berlin 1893.
- Hubert Jedin, Katholische Reformation oder Gegenreformation, Luzern 1946.
- Mario Todte, Wilhelm Maurenbrecher und die Lutherische Reformation, Leipzig 2001.
- Mario Todte, Wilhelm Maurenbrecher als Reformationshistoriker, Leipzig 2002.