Zum Inhalt springen

Produktpiraterie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 28. Juni 2006 um 13:58 Uhr durch DrAlchemie (Diskussion | Beiträge) (Bild aus Piraterie übertragen, da dort unangebracht). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Als Produktpiraterie bzw. Markenpiraterie wird das Nachahmen oder Fälschen von Produkten bezeichnet. Dabei werden Marken-, Patent-, Urheber- und sonstige gewerbliche Schutzrechte verletzt und illegal genutzt.

Im Englischen gibt es für den Schmuggel solcher Waren den Begriff Bootleg (engl. für den Stiefelschaft). Die Verwendung des Begriffes Bootleg für den Schmuggel geht in die Zeit der Prohibition in den USA zurück und bezeichnete ursprünglich den illegalen Verkauf von Spirituosen. Später wurde er auch auf andere Schmuggelgüter angewendet.

Straßenverkauf von nicht lizenzierten Kopien

Definition der Produktpiraterie

Man unterscheidet vier Arten von Kopien:

  • Produkt-Plagiate besitzen einen geringfügig geänderten Markennamen. Teilweise verbergen sich dahinter Produkte, die es vom Originalhersteller gar nicht gibt.
  • Die sklavische Fälschung versucht, das Original genau zu kopieren. Die Verpackung sowie der Markenname sind häufig gleich. Bei kosmetischen oder pharmazeutischen Produkten sind die Inhaltsstoffe möglicherweise sogar identisch.
  • Bei klassischen Fälschungen wird eine identische Verpackung und der Name des Herstellers benutzt. Die Inhaltsstoffe hingegen sind minderwertig, nicht vorhanden oder sogar gesundheitsschädlich.
  • Raubkopie oder Schwarzkopie ist die umgangssprachliche Bezeichnung für rechtswidrig hergestellte oder verbreitete Kopien von urheberrechtlich geschütztem Material.

Betroffen sind nahezu alle Branchen von der Automobil- und Bekleidungs- über die Musik- bis hin zur pharmazeutischen Industrie. Unternehmen leiden enorm unter dieser Entwicklung.

Gesetzgebung

Obwohl für das Phänomen Produktpiraterie keine eindeutige, einheitliche und klar abgrenzende Definition existiert, sind sich Fachleute darüber einig, dass Produktpiraterie gewerbsmäßig und kriminell Schutzrechte verletzt. Produkt- oder Markenpiraterie wird in Deutschland mit Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe geahndet (§§ 106, 107 und 108 UrhG). Die Strafandrohung nach dem § 143 MarkenG sieht für ein einfaches Delikt eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe, beim gewerbsmäßigen Handeln bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe vor. Der Markenverstoß ist ausschließlich im gewerblichen Verkehr ( Handel ) strafbar. In den meisten gewerblichen Fällen tritt die Strafbarkeit nach UrhG und MarkenG jedoch hinter die Betrugstatbestände zurück. Da die Plagiate oftmals als "Originalware" angeboten werden, wird eine Täuschung erzeugt um einen Vermögensvorteil zu erlangen. Die Strafbarkeiten des Betruges Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe, beim gewerbsmäßigen Betrug Freiheitsstrafe nicht unter 6 Monaten bis zu 10 Jahren.

Auswirkungen

In der Ära der Blockkonfrontation galt ein strenges Exportregime vor allem für technische Güter in Staaten des Ostblocks. Dies führte zu umfangreichen Nachbauversuchen von Mikroprozessoren, etwa des Zilog Z80 und der ersten 80x86-Prozessoren von Intel. Auch bei Spielautomaten wurden ganze Geräte nachgebaut, die Elektronik wurde hierfür teilweise verändert, um den Kopierschutz in den Spiele-ROMs zu umgehen. In den letzten Jahren ist Produktpiraterie zu einem weltweiten Phänomen geworden. Ganze Industriezweige leben von der Herstellung von Billigkopien. An den Außengrenzen der Europäischen Union werden jährlich fast 100 Millionen Fälle von Produkt- und Markenpiraterie festgestellt.

Nach Angaben der EU fallen durch Produktpiraterie, illegale Überproduktion, Parallel- und Re-Importe mittlerweile bereits 10% des Welthandels auf Plagiate oder Fälschungen, was einem internationalen Schaden von über 300 Milliarden Euro gleichkommt.

Auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind fatal. Allein in Deutschland sollen nach Schätzungen des Justizministeriums jährlich ca. 50.000 Arbeitsplätze aufgrund von Produktpiraterie verloren gehen. Im gesamteuropäischen Raum sollen insgesamt sogar 300.000 Arbeitsplätze betroffen sein. Der DIHK schätzt den volkswirtschaftlichen Schaden durch Produkt- und Markenpiraterie allein in Deutschland auf 30 Milliarden Euro jährlich. Dazu kommt die Vernichtung von geschätzten 70.000 Arbeitsplätzen in den letzten Jahren.

Neben Umsatzverlusten müssen sie Imageschädigungen und schlimmstenfalls sogar Produkthaftungsprozesse für gefälschte Produkte in Kauf nehmen. Zudem können qualitativ minderwertige Fälschungen dem Ruf einer Marke irreparable Schäden zufügen, wenn die Qualitätserwartungen der Käufer nicht erfüllt werden. Gefährlich wird es, wenn gefälschte Nahrungsmittel, Autoersatzteile oder Medikamente an den Verbraucher gelangen.

Schutzmaßnahmen

Die gegen Produktpiraterie einsetzbaren Schutzmechanismen sind sehr stark abhängig von den Eigenschaften des Marktes und der Kunden, für welche die Produkte angeboten werden. Hat der Kunde ein vorrangiges Interesse daran, ein Originalprodukt zu erwerben (z.B. bei pharmazeutischen Produkten), lassen sich Hilfsmittel einsetzen, die dem Kunden die Unterscheidung zwischen Original und Imitat ermöglichen. Dazu gehören u.a. Hologramme, Sicherheitsetiketten (VOID-Folien, Dokumentenfolien) und Mikro-Farbcodes, Digitale Wasserzeichen usw.

Bei einigen Produkten ist es dem Kunden egal, ob er ein Imitat oder ein Original kauft. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Preisunterschied zwischen Original und Imitat den Verlust bezüglich Funktion, Qualität und Lebensdauer aufwiegt (z.B. gefälschte Rolex-Uhren vom Straßenhändler). In diesem Fall sind nur Maßnahmen wirksam, die entweder die Kontrolle über die Vertriebswege verbessern, so dass z.B. der Einzelhändler prüfen kann, ob er Originalprodukte vorliegen hat, oder Maßnahmen, die das Kopieren der Produkte verhindern.

Kritik am Begriff

Die Figur des Piraten wird wegen ihrer Symbolkraft in der Gegenwart immer wieder instrumentalisiert, um beispielsweise Verstöße gegen das Urheber- und Markenrecht in den Augen einer breiten Öffentlichkeit zu stigmatisieren. Aus diesem Grund spricht die Medien- und Softwareindustrie heute im Rahmen von Werbekampagnen gegen unrechtmäßiges Kopieren von Musikstücken und Anwendungsprogrammen beispielsweise von Softwarepiraterie. In Anspielung auf dieses umstrittene Stilmittel der Medien- und Softwareindustrie entwirft Stephan Eissler im Gegenzug den „Modernen Freibeuter“ als rhetorische Figur, um den Missbrauch des Urheber- und Markenrechtes (beispielsweise im Zusammenhang mit zweifelhaften Abmahnungen) als zwar legalen aber dennoch moralisch verwerflichen Akt zu brandmarken, und um auf etwaige gesellschaftliche Folgen hinzuweisen.[1]

Siehe auch

Der Fabrikant und der Fälscher Artikel über Produktpiraterie in China auf dw-world.de

Literatur

Fußnoten

  1. Stephan Eissler: Moderne Freibeuter. Auf: www.wissen-schaft.org