Schisma
Der Ausdruck Glaubensspaltung bezeichnet die Spaltung innerhalb einer etablierten religiösen Glaubensgemeinschaft. Im Unterschied zu gegensätzlichen Fraktionen und Parteiungen innerhalb einer solchen Gemeinschaft kennzeichnet die Spaltung die vollzogene Trennung. Glaubensspaltung wird oft auch Kirchenspaltung genannt, ist jedoch mit Kirchenspaltung nicht identisch, weil eine Kirchenspaltung sich eher auf den institutionellen Rahmen einer Kirche bezieht, während eine Glaubensspaltung umfassender sich auf die mit ihr verbundenen Gemeinden und Bevölkerungsgruppen erstreckt.
Glaubensspaltungen finden sich nicht allein im Christentum sondern auch etwa im Islam zwischen Schiiten und Sunniten.
Alte Kirche
Glaubensspaltungen begleiten die Kirchengeschichte von Anbeginn und markieren häufig die Geburtsstunde von christlichen Sondergemeinschaften oder Kirchen, die in Konkurrenz zu den bestehenden Kirchen treten. Die etablierte ("orthodoxe") Kirche reagierte auf auf abweichende dogmatische Glaubensauffassungen (wie die der Gnostiker, Donatisten und Arianer) mit dem Ausschluss (Exkommunikation). Je nach politischer Konstellation waren diese Gemeinschaften waren Verfolgungen seitens des römischen Staates ausgesetzt, bzw. ließen die orthodoxe Kirche verfolgen.
Mittelalter
Ein markantes Ereignis einer Glaubensspaltung stellt das große morgenländische Schisma 1054 dar. Im Sinne des griechischen Wortes Spaltung ist dieser Begriff in die Geschichtsschreibung eingeflossen. Das bedeutet die Trennung der griechischen Kirche des Ostens, die Griechenland bzw. das Byzantinische Reich umfasst, von der lateinischen Kirche des Westens. Bedeutsam für diese Spaltung war die Frage nach dem Zentrum der Christenheit, welche der lateinische Westen in Rom als den Felsen Petri, und der griechische Osten in Konstantinopel sah. Entscheidend für diese Trennung waren primär weniger theologische Differenzen, die sich über Jahrhunderte hinweg entwickelten, sondern eher kirchenpolitische Interessen, die mit dem Wachstum der Macht und des Ansehens des Papsttums zusammenhingen. Die Zeit von 1378 bis 1417 ereignet sich ein sog. abendländisches Schisma. Dabei erheben gleich mehrere Anspuch auf das Papsttum. Nicht nur in Rom, sondern auch in Avignon residierten Päpste und Gegenpäpste.
Weitere Abspaltungen des Mittelalters, die die katholische Kirche als Häresie ansah, waren u.a die Waldenser und die Katharer.
Häufig versteht man unter Glaubensspaltung die "Zeit der Glaubensspaltung", die mit der Reformation 1517 ihren Anfang nahm, zu deren Folgen auch der Bauernkrieg unter Thomas Müntzer von 1525 zählt, und erst mit dem Westfälischen Frieden 1648 zu Ende ging. Die Zeit, welche hier als die Zeit der Glaubensspaltung verstanden wird, ist auch ein Jahrhundert der Glaubenskämpfe. Dazu zählten weiter u.a. die Kämpfe des deutschen Protestantismus gegen das spanische Kaisertum unter Kaiser Karl V. und die Verfolgungen der Hugenotten in Frankreich.
Die innerkatholischen Reformbestrebungen seit dem Konzil von Trient bis zur Gegenreformation zielten darauf ab, diese Spaltung im Sinne der katholischen Kirche rückgängig zu machen. Der Versuch, den Protestantismus gewaltsam zu überwinden und der katholischen Kirche wieder einzuverleiben, blieb letztlich erfolglos. Der Westfälische Frieden 1648 gilt wohl als ein Schlusspunkt der Glaubenskämpfe, nicht jedoch der Glaubensspaltung.
Glaubensspaltung und ökumenischer Dialog
Die "Glaubensspaltung" bleibt - besonders in katholischer Sicht - bis heute bestehen. Auch wenn sich der ökumenische Dialog um eine schrittweise Annäherung zwischen den beiden Kirchen bemüht, vermag die katholische Seite die Zielstellung der Ökumene um eine Wiedervereinigung beider Kirchen allenfalls als "vordergründig" zu bezeichnen. So gilt das Streben nach Anerkennung des Bestehens der jeweils anderen Kirche um ein beiderseitiges Mit- und Nebeneinander bereits als wichtiger Schritt angesehen.
Die Zeit der Glaubenskämpfe von 1550-1648 nennt man seit Wolfgang Reinhard Konfessionalisierung.
Statt des unklaren und undeutlichen Begriffes Glaubensspaltung bevorzugt der ökumenische Dialog den weniger belasteten Begriff Kirchentrennung.
Literatur
- Handbuch der Kirchengeschichte, hrsg. von Hubert Jedin, Freiburg 1967 ff.
- Heinz Schilling, Aufbruch und Krise. Deutschland 1517-1648, in: Das Reich und die Deutschen, 2. Aufl., Berlin 1992.
- Heinrich Richard Schmidt, Konfessionalisierung im 16. Jahrhundert (Enzyklopädie Deutscher Geschichte Bd. 12), München 1992.
- Alfred Kohler, Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa 1521-1648 (Enzyklopädie Deutscher Geschichte Bd. 6), München 1990.
- Harm Kueting, Das Konfessionelle Zeitalter 1525-1648, Stuttgart 1989.
- Heinrich Lutz, Reformation und Gegenreformation (Oldenbourg Grundriß Geschichte Bd. 10), 3. Aufl., München 1991.
- Richard van Dülmen, Entstehung des frühmodernen Europa 1550-1648 (Fischer Weltgeschichte Bd. 24), Frankfurt am Main 1982.
Siehe: Zeitalter der Glaubensspaltung, Häresie, Apostasie, Schisma, Gegenreformation, Konfessionalisierung, Dreißigjähriger Krieg, Morgenländisches Schisma, Christenverfolgung, Chronologie der christlichen Kirchen, Konfessionen und Sondergruppen, Kirchenspaltung