Flucht aus der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR
Republikflucht war die in der DDR übliche Bezeichnung für eine Ausreise ohne Genehmigung der Behörden. Gemäß Gesetz vom 11. Dezember 1957 galt dies auch vorübergehend als Straftatbestand. Das Strafgesetzbuch der DDR von 1968 kannte den Tatbestand des ungesetzlichen Grenzübertritts, welcher mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet wurde. Diese Strafbarkeit stand im Widerspruch zum Völkerrecht.
Hintergründe und Gegenmaßnahmen
‚Republikflucht‘ war für die Regierung der DDR aus mehreren Gründen ein schwerwiegendes Problem:
- der Volkswirtschaft gingen durch die Abwanderung gut ausgebildete Fachkräfte verloren;
- der propagandistische Schaden war angesichts der aus dem Marxismus abgeleiteten, angeblichen Überlegenheit des Sozialismus enorm;
- es wurde zu Recht ein starker ideologischer Einfluss der Abgewanderten auf die Zurückgebliebenen befürchtet.
Die Regierung der DDR versuchte, die Zahl der ‚Republikflüchtlinge‘ einerseits durch sozialpolitische Maßnahmen niedrig zu halten, andererseits aber auch durch massive Abriegelung der Grenzen mit Grenztruppen und Sperranlagen wie 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer.
‚Grenzdurchbrüche‘ genannte Fluchtversuche mussten von den Grenztruppen mit Waffengewalt vereitelt werden, auch auf Kosten des Lebens des Flüchtlings. Ergänzt wurde dieser so genannte Schießbefehl durch die Installation von Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze. Beides hatte zur Folge, dass viele Menschen beim Versuch, die DDR zu verlassen, getötet wurden. Die Gesamtzahl der Opfer wird auf etwa 1000 geschätzt.
Schon der Versuch der ‚Republikflucht‘ wurde bestraft. Nach einigen Schätzungen wurden rund 75.000 Menschen wegen Fluchtversuchen verurteilt, in der Regel mit Gefängnisstrafen zwischen einem und drei Jahren. Wer bewaffnet war, Grenzanlagen beschädigte, als Armeeangehöriger oder als Geheimnisträger bei einem Fluchtversuch gefasst wurde, dem drohten in der Regel mehr als fünf Jahre Gefängnis. In den letzten Jahren der DDR durften viele der Gefangenen nach Freikauf durch die Bundesrepublik ausreisen.
Wege der Flucht
Das Ziel der Fluchtversuche war in fast allen Fällen die Bundesrepublik Deutschland. Teilweise geschah die Flucht aber zunächst in dritte Staaten, aus denen die Weiterreise in die Bundesrepublik möglich war, da die Grenzen zwischen der DDR und der Bundesrepublik außerordentlich stark abgesichert waren.
Spektakulär waren Fluchten in der Luft, mit Heißluftballonen oder Leichtflugzeugen. In der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt geworden sind Fluchtversuche über die Ostsee oder andere RGW-Staaten.
Weniger riskante Möglichkeiten zur Flucht gab es bei den - seltenen - legalen NSW-Aufenthalten im Ausland. Die Behörden der DDR bevorzugten daher bei Genehmigungen für solche Reisen Menschen, die als ideologisch gefestigt angesehen wurden, enge Familienbindungen in der DDR hatten oder bei denen aus anderen Gründen eine nur geringe Fluchtgefahr angenommen wurde.
1989 trug die Flucht zahlreicher DDR-Bürger über die nunmehr offene ungarische Grenze und über die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in der Tschechoslowakei und Polen mit zur so genannten „Wende“ bei, dem Fall des SED-Regimes in der DDR.
Nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes 1989 wurden die Grenzen der DDR geöffnet und allen Bürgern die freie Ausreise gestattet. Der Begriff der Republikflucht wurde damit obsolet; die Bundesrepublik Deutschland, in der die DDR 1990 aufging, kennt keine Strafbestimmung, die Personen die bloße Ausreise verbietet, es sei denn ein Strafverdächtiger wird gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Als Ersatzstrafrecht etabliert hat sich jedoch die Praxis, kurzzeitig befristete Ausreiseverbote gegen Einzel-Personen zu verhängen und durchzusetzen, welche das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gefährden könnten, wie z.B. Rechtsradikale, Fußball-Hooligans oder Globalisierungskritiker, was allenfalls im Nachhinein mit rechtlichen Mitteln anfechtbar ist.
Siehe auch
Weblinks
- Grenzmuseum
- Grenzgeschichte
- Beschreibung von Fluchtversuchen über die Ostsee
- Flucht und Fluchtversuche aus der DDR
- Weg von hier! Der lange Weg einer Flucht aus der DDR (RealMedia-Audio einer Sendung des Bayerischen Rundfunks, Download möglich: 18:07 Min.; zahlreiche weitere Materialien, auch für Lehrende)