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Regressive left

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Maajid Nawazs Verwendung des Ausdrucks regressive Linke war Teil seines Widerstands gegen den Islamismus, den buchstäblichen Pol des Islams, der die Scharia (islamisches Recht), die pan-islamische politische Einheit und einen islamischen Staat betont

Der Begriff Regressive Linke ist ein politisches Epitheton, das als Pejorativum benutzt wird um Bereiche innerhalb von linker Politik zu beschreiben. Es werden damit paradoxe reaktionäre Ansichten vorgeworfen, weil man illiberale Prinzipien und Ideologien toleriere, insbesondere die Toleranz gegenüber dem Islamismus zugunsten des Multikulturalismus und Kulturrelativismus.

Begriff

Im Jahr 2007 sagte sich Maajid Nawaz aus seiner früheren Verbindung mit der radikal-islamistischen Gruppe Hizb ut-Tahrir zugunsten des säkularen Islams los. Er ist Mitbegründer und Vorsitzender der Quilliam Foundation, einem in London ansässigen Anti-Extremismus-Think Tank, die die islamistische Ideologie in Frage stellen will.[1][2]

Nawaz hat den Ausdruck regressive Linke benutzt, um linksgerichtete Personen zu beschreiben, die seiner Meinung nach dem Islamismus – den er als „globales totalitäres theo-politisches Projekt“ bezeichnet – zu stark entgegenkommen mit dem „Wunsch, eine bestimmte Auslegung des Islam über die Gesellschaft als Gesetz zu verhängen“[3], was er mit der Begründung ablehnt, dass „jeder Wunsch, irgendeine Version des Islam irgendjemanden überall aufzudrängen, eine grundlegende Verletzung unserer grundlegenden bürgerlichen Freiheiten darstellt“.[4] Zu solchen Sympathisanten des Islamismus gehören laut Nawaz „Atheisten, die auf der Seite der Islamisten stehen und den Islamismus im Namen kultureller Toleranz verteidigen“.[5]

In einem Interview im Oktober 2015 mit dem Moderator einer politischen Talkshow, Dave Rubin, erläuterte Nawaz weiter die Gründe für seine Wahl des Wortes regressiv und stellte die Hypothese auf, dass ein Teil der Linken „wirklich glaubt“, dass sie einen „ideologischen Krieg“ gegen neokonservative und neokolonialistische Außenpolitik westlicher Regierungen führen, die staatlich organisierte Gewalt und Chaos in Form von Kriegen und militärischen Invasionen fördern würden. Solche Linke würden auf ihre Pflicht verzichten, die Gewalttaten theokratischer Extremisten wie Islamisten anzuprangern, die bisweilen so weit gingen, Bündnisse mit einigen der regressivsten, theokratischsten und mörderischsten Regimes und Organisationen einzugehen. Er zitierte Jeremy Corbyn, den Vorsitzenden der britischen Labour Party, als ein Beispiel für jemanden, der in der „Vergangenheit sehr nah“ bei Unterstützern von islamistischen Organisationen wie Hamas und Hisbollah gewesen sein soll. Nach Nawazs Ansicht ist es möglich, sowohl neokonservative Außenpolitik wie den Irak-Krieg (dem er sich entgegengesetzt hatte) als auch theokratischen Extremismus anzuprangern, aber diejenigen, die er als regressive Linke bezeichnet, würden das nicht tun.[6]

Laut Nawaz leiden seine muslimischen Mitmenschen unter dem Gedanken, dass Muslime nicht mit Kritik oder Spott über den Islam umgehen könnten und nur gewalttätig reagieren würden, am meisten. Dieser „bevormundende, selbstmitleidige und verweichlichender“ Gedanke würde die Muslime nur dazu inspirieren, sich unzivilisiert zu verhalten und ihre Wut nicht zu kontrollieren.[4] Dieser „Rassismus der niedrigen Erwartungen“ senke die moralischen Standards von Menschen die Minderheiten angehören und suche Ausreden, wenn sie Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Chauvinismus, Bigotterie oder Antisemitismus ausdrücken, während die Mehrheitsbevölkerung zu den „universell-liberalen Standards“ stehe.[7]

Haras Rafiq, Geschäftsführer von Quilliam, vertrat die Ansicht, dass einige Linke dazu neigen, den Islamismus zu entschuldigen: „Wir haben die symbiotische Beziehung zwischen Islamismus und rechtsextremem Hass nicht in den Griff bekommen. Und die regressive Linke ist bereit den Islamismus zu entschuldigen.“[8]

Verwendung

Im Jahr 2006, sechs Jahre bevor Nawaz den Begriff regressive Linke benutzte um einen Standpunkt innerhalb eines Dialogs über Multikulturalismus zu übermitteln, benutzte der Schriftsteller und Anhänger des neuen Atheismus, Sam Harris, die Phrase „Head-in-the-sand Liberals“[Anmerkung 1] in einem Artikel der Los Angeles Times. Damit beschrieb er Linke, die „trotz vieler Beweise für das Gegenteil“ die Augen vor der Wahrheit verschließen und „sich weiterhin vorstellen, dass der muslimische Terrorismus aus wirtschaftlicher Verzweiflung, mangelnder Bildung und amerikanischem Militarismus entspringt“. Harris führte weiter aus, dass „im Allgemeinen vernünftig und tolerant gegenüber Vielfalt zu sein, Linke besonders sensibel gegenüber den Gefahren des religiösen Literalismus sein sollten. Aber das sind sie nicht“.[9]

Im September 2015 nahmen Sam Harris und Maajid Nawaz an einem öffentlichen Forum des Instituts für Politik der Harvard University teil[10], das später in einem kurzen Buch mit dem Titel Islam and the Future of Tolerance (2015) veröffentlicht wurde. In einer Rezension des Buches in der Zeitschrift National Review Online hob der politische Schriftsteller Brian Stewart hervor, dass - bezugnehmend auf Nawaz und Harris - regressive Linke im Westen „vorsätzlich blind“ dafür seien, dass Dschihadisten und Islamisten einen bedeutenden Teil der globalen muslimischen Gemeinschaft ausmache (20 % in Harris' Schätzung) und die Minderheit muslimischer Gemeinschaften im Westen, aber Werten wie individueller Autonomie, Meinungsfreiheit, Demokratie, Frauenrechten, Schwulenrechten etc. entgegenstehen. Nawaz und Harris hätten die paradoxerweise illiberale, isolationistische und zensierende Haltung gegenüber jeder Kritik an diesem Phänomen verurteilt, welche universale linke Werte verrät. Sie würden auch die Unterstützung und Verteidigung der schutzlosesten Mitglieder innerhalb der muslimischen Gemeinschaft wie Frauen, Homosexuelle und Abtrünnige aufgeben.[11]

Im Oktober 2015 berichtete die Washington Times, dass der amerikanische Komiker und Moderator Bill Maher und der britische Biologe und Autor Richard Dawkins regressive Linke beklagten, die nicht verstehen, dass sie alles andere als links sind, wenn es um den Islam geht“.[12] Maher zeigte die Bereitschaft, alles außer dem Islam zu kritisieren, entschuldigte es als „ihre Kultur“, worauf Dawkins antworte: „Nun ja, zur Hölle mit ihrer Kultur“.[13][14] Dawkins bezog sich auf Initiativen von Studenten, Ex-Muslim-Sprecher wieder vom Campus auszuladen und sah dies als „einen Verrat an die Free Speech Movement der 1960er Jahre".[15]

Im Oktober und November 2015 benutzte Sam Harris den Begriff häufig bei seinem Austausch mit den Medien. Die größte Gefahr sei, dass regressive Linke "aus ihrer Angst Minderheiten zu verletzen" bereit sind die Redefreiheit aufzugeben, was zu einer von Minderheiten verhängten Zensur führen könnte. Als Beispiel zitierte er Kommentare des Journalisten Glenn Greenwald über den Anschlag auf Charlie Hebdo.[16][17] Harris betrachtet Reza Aslan[16][17] und Noam Chomsky als regressive Linke.[18][19]

Im November 2015 definierte der Autor und Philosoph Peter Boghossian in der Radio-Talkshow The Humanist Hour den Begriff als abwertend, um diejenigen Linken zu beschreiben, die die „seltsamsten Bettgenossen“ der Islamisten seien. Ihm zufolge wird das Wort regressiv verwendet, um das Wort progressiv zu kontrastieren. Weiters glaubt Boghossian, dass regressive Linke zu „Hyper-Moralisten“ wurden. Er zitiert historische Verfehlungen wie die Sklaverei in den Vereinigten Staaten und den Kolonialismus als legitime Sorge, die Misstrauen gegenüber allem westlichen und kapitalistischen verursacht hat. Er fügte auch hinzu, dass „es Menschen gibt die gelitten haben und immer noch an Fällen von Rassismus und Homophobie leiden. Das Problem ist, dass jedes Mal, wenn das Wort Rassist so herumgeworfen wird, dieses Wort seine Bedeutung verliert. Es sollte ziemlich schmerzhaft treffen. Es sollte ein schreckliches Wort sein“.

Im Dezember 2015 schrieb der Forscher für Internationale Beziehungen, Elliot McArdle, im britischen Online-Magazin Spiked, dass „so genannte Linke“ Muslime wie Nawaz und Ex-Muslime wie Namazie als „native Informanten“, „Verräter“ oder „keine echten Muslime“ behandeln, weil solche Kritik am Islam und Islamismus, von jenen die selbst muslimischen Hintergrund haben, würden nicht zu der gewünschten Erzählung von Muslimen als einer homogenen und unterdrückten Gruppe passen.[20]

Ende 2015 veranstaltete der Talkshow Moderator Dave Rubin in mehreren "The Rubin Report"-Rubriken Diskussionen über regressive Linke.[21] Er beschreibt regressive Linke als die "linke Version der Tea Party" und sagt, dass die regressive Linke die Demokratische Partei in ähnlicher Weise beschädigen wird, wie die Tea Party die Republikanische Partei.[20] Der politische Kommentator David Parkman unterstützte den Begriff in seiner Talkshow, indem er sagte, dass es „Linke gibt, die Kulturrelativismus und Abneigung gegen die US-Außenpolitik als Vorwand benutzen, um Gewalt und Ungerechtigkeit zu verteidigen – oder zu mindestens bagatellisieren – gegen Ungerechtigkeiten, denen sie sich normalerweise auf jeden Fall widersetzen würden.“ Pakman hat sich von dem Begriff distanziert und gesagt, dass er von Konservativen missbraucht werde, um alle Linken zu beleidigen.[22][23] Pakman meint, dass die tatsächliche regressiven Linke Linke seien, die Autoritarismus benutzen um Progressivismus durchzusetzen.[24]

Kritik

Im November 2015 ordnete der Psychiater Khwaja Khusro Tariq in der Huffington Post den Begriff als unbegründeten Ad-Hominem-Angriff ein und schrieb, dass die schärfsten Kritiker des Islams in den Vereinigten Staaten von linken und konservativen Medien umworben würden. Khusro meinte auch, dass der Begriff auf Glenn Greenwald und Noam Chomsky gerichtet sei, von denen er sagt, dass sie niemals die Gewalt in der Lehre des Islams geduldet hätten. Er behauptete, dass es keine echte Zurückhaltung gibt sich gegen die Religion auszusprechen.[25]

Laut Joseph Bernstein, ein BuzzFeed Reporter über Webkultur, sei der Begriff heute "ein Sammelbegriff für jedes Element der dominierenden neuen Medienkultur, das das Anti-SJW-Internet nicht mag", anstatt die "zu weit gehende kulturelle Toleranz zu kritisieren". Er behauptete auch, dass der Begriff – obwohl er sich auf selbst-ernannante liberale Kommentatoren wie Nawaz, Maher und Dawkins zurückführen lässt – derzeit stark von den Alt-Right und anderen Anti-SJW Gruppen in Internetforen und sozialen Medien als Teil ihrer rhetorischen Kriegsführung benutzt werde.[26]

Anmerkung

  1. Liberal hat in den USA eine wesentlich andere Bedeutung. „Liberal steht in den USA für linksorientierte und sozialdemokratische Überzeugungen.“ (Thomas Fuster am 3. März 2016 in der NZZ)

Einzelnachweise

  1. Maajid Nawaz: Radical: My Journey out of Islamist Extremism. WH Allen, 2012, ISBN 978-1-4481-3161-7, S. 210 (google.com [abgerufen am 1. Januar 2016]).
  2. Maajid Nawaz (Quilliam). Quilliam, abgerufen am 16. Oktober 2017.
  3. Maajid Nawaz: Radical: My Journey out of Islamist Extremism. WH Allen, 2012, ISBN 978-1-4481-3161-7 (google.com).
  4. a b Maajid Nawaz: The British Left's Hypocritical Embrace of Islamism. In: The Daily Beast. 8. August 2015, abgerufen am 23. November 2015. Fehler beim Aufruf der Vorlage:Cite web: Archiv im Parameter URL erkannt. Archive müssen im Parameter Archiv-URL angegeben werden.
  5. Tony Jones: Lateline: An atheist and a Muslim on the future of Islam. In: Lateline. Australian Broadcasting Corporation, 28. Oktober 2015, abgerufen am 23. November 2015.
  6. Dave Rubin: Maajid Nawaz and Dave Rubin Discuss the Regressive Left and Political Correctness In: Rubin Report, 2. Oktober 2015. Abgerufen am 3. Januar 2016 
  7. Maajid Nawaz: Je Suis Muslim: How Universal Secular Rights Protect Muslim Communities the Most. Big Think, 18. November 2015, abgerufen am 23. November 2015.
  8. Adam Lebor: Donald Trump: The America Stereotype Europeans Love To Hate. In: Newsweek. 14. Dezember 2015, abgerufen am 16. Oktober 2017. Fehler beim Aufruf der Vorlage:Cite web: Archiv im Parameter URL erkannt. Archive müssen im Parameter Archiv-URL angegeben werden.
  9. Sam Harris: Head-in-the-Sand Liberals: Western civilization really is at risk from Muslim extremists. In: Los Angeles Times. 18. September 2006 (samharris.org [abgerufen am 12. Januar 2016]).
  10. Harvard's Institute of Politics hosting Sam Harris and Maajid Nawaz: Islam and the Future of Tolerance. Harvard’s Institute of Politics, abgerufen am 3. Januar 2016.
  11. Brian Stewart: A Liberal Atheist and a Liberal Muslim Discuss the Problems of Contemporary Islam. In: National Review Online. 7. Oktober 2015 (archive.org [abgerufen am 11. Januar 2016]).
  12. Kellan Howell: Bill Maher, Richard Dawkins blast 'regressive liberals' giving a 'free pass' to Islam In: The Washington Times, 3. Oktober 2015. Abgerufen im 23. November 2015 
  13. Real Time with Bill Maher: Richard Dawkins – Regressive Leftists (HBO). In: Real Time with Bill Maher. HBO, 2. Oktober 2015, abgerufen am 23. November 2015.
  14. John Worthing: 'To hell with their culture' - Richard Dawkins in extraordinary blast at Muslims In: The Independent, 27. Oktober 2015. Abgerufen im 23. November 2015 
  15. Tyler Kingkade: Richard Dawkins: College Students Are Betraying The Free Speech Movement In: Huffington Post, 3. Oktober 2015. Abgerufen im 3. Januar 2016 
  16. a b Chris Beck: Sam Harris Unloads on the Regressive Left. In: Splice Today. Russ Smith, 21. Oktober 2015, abgerufen am 23. November 2015. Fehler beim Aufruf der Vorlage:Cite web: Archiv im Parameter URL erkannt. Archive müssen im Parameter Archiv-URL angegeben werden.
  17. a b Sean Illing: Sam Harris talks Islam, ISIS, atheism, GOP madness: "We are confronting people, in dozens of countries, who despise more or less everything that we value". Salon.com, 25. November 2015, abgerufen am 16. Oktober 2017. Fehler beim Aufruf der Vorlage:Cite web: Archiv im Parameter URL erkannt. Archive müssen im Parameter Archiv-URL angegeben werden.
  18. Sam Harris is still mad about 'liberals who followed Noam Chomsky off the edge of the world'. Rawstory.com, abgerufen am 16. Oktober 2017. Fehler beim Aufruf der Vorlage:Cite web: Archiv im Parameter URL erkannt. Archive müssen im Parameter Archiv-URL angegeben werden.
  19. The Last Word with Lawrence O'Donnell, 15. Oktober 15, 2015, MSNBC.
  20. a b Dave Rubin: Regressives are the Left's Tea Party. In: The Rubin Report. 7. Oktober 2015, abgerufen am 25. November 2015.
  21. Milo Yiannopoulos and Dave Rubin Discuss Gay Rights and Cultural Libertarians. Ora TV, abgerufen am 8. Oktober 2015.
  22. David Pakman: Would David Appear on Drunken Peasants or Illiberal Podcasts? In: The David Pakman Show. 11. September 2016;.
  23. David Pakman: The Truth About the Regressive Left. In: The David Pakman Show. 14. April 2016;.
  24. David Pakman: Authoritarian Leftism: The Actual "Regressive Left". In: The David Pakman Show. 21. Juni 2016;.
  25. Khwaja Tariq: "Regressive Liberals": The New Mantra of Islamophobia In: Huffington Post, 11. November 2015. Abgerufen im 9. Januar 2016 
  26. Joseph Bernstein: The Rise Of The #Regressiveleft Hashtag, 16. März. Abgerufen im 12. April 2016