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Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen

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SbE ist eine teilweise unterschiedlich interpretierte Abkürzung für:

  • Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen
  • Stressbewältigung nach belastenden Ereignissen
  • Stressbearbeitung nach belastenden Einsatzereignissen
  • Stressbewältigung nach belastenden Einsatzereignissen

Oft gleichbedeutend genutzt werden die Abkürzungen:

  • CISM (engl., Criticial Incident Stress Management; siehe auch Jeffrey Mitchell)
  • OPEN (Organisierte Personalbetreuung bei Extremeinsätzen und Nachsorge; siehe auch Notfallseelsorge)
  • PSU (Psychosoziale Unterstützung für Einsatzkräfte)

Begriffserklärung

Die SbE bezeichnet eine Reihe von Einzel- und Gruppengesprächstechniken, die sich an Einsatzkräfte, unter anderem aus Rettungsdiensten, Feuerwehren, Katastrophenschutz und Polizei, wendet, aber auch auf andere homogene Gruppen übertragen wird, die beruflich bedingt gemeinsam einer belastenden Situation ausgesetzt waren. Sie soll den Teilnehmern die Möglichkeit geben, das Erlebte zu verarbeiten und die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) verhindern. SbE leistet damit für Einsatzkräfte in etwa das Gleiche wie die Krisenintervention im Rettungsdienst für Angehörige.

Häufig werden daher die beiden Begriffe synonym verwendet, obwohl das nicht zutrifft: Einsatzkräfte bleiben im Gegensatz zu Angehörigen in aller Regel für die Dauer des Einsatzes voll handlungsfähig und arbeiten ihr lange trainiertes Programm ab. Sie erleben die Traumatisierung durch einen Einsatz erst in der ersten Ruhephase nach dem Einsatzgeschehen.

Daher läuft die Nachbearbeitung des Einsatzes in mehreren Phasen ab: Noch am oder in der Nähe des Einsatzortes kann ein Einsatzabschluss (Demobilization) durchgeführt werden, bei dem vor allem Informationen über das Einsatzgeschehen und über mögliche Stressreaktionen im Vordergrund stehen. Diese Veranstaltung, die hauptsächlich psychoedukativen Charakter hat, richtet sich an größere Gruppen von Einsatzkräften (maximal 50), die nach ihrem Einsatz aus dem Dienst ausgelöst werden. Alternativ hierzu gibt es die Kurzbesprechung, die einige Stunden nach Ende des Einsatzes, zum Beispiel am Ende einer Dienstschicht, mit einer kleineren Zahl von Teilnehmern durchgeführt werden kann und in der mehr Raum für individuelle Interaktion ist. Nach einigen Tagen sollte bei gegebener Indikation eine Nachbesprechung (Debriefing) in einem geordneten Setting (Umgebung) erfolgen, in der die subjektiven Eindrücke und Erlebnisse der Teilnehmer thematisiert werden können. Diese Besprechungen werden von Teams aus psychosozialen Fachkräften und aus speziell geschulten Einsatzkräften (Peers) geführt.

Jeffrey Mitchell, der diese Nachsorgetechniken entwickelt hat, empfiehlt dabei, dass diese Person keiner der am Einsatz beteiligten Organisationen angehört, um höhere Vertraulichkeit zu wahren und zudem Eigeninteressen der Organisationen in der Nachbesprechung auszublenden.

Die Leistung SbE wird dabei teilweise von eigenen Organisationseinheiten angeboten, teilweise aber auch im Rahmen einer Notfallseelsorge angeboten. Einige Diözesen (Verwaltungen) haben eigene Mitarbeiter, die ausschließlich für eine Seelsorge in Feuerwehr und Rettungsdienst zuständig sind. Bei der Polizei wird diese Aufgabe häufig vom polizeipsychologischen Dienst übernommen.

Die Berufsfeuerwehr München z. B. hat einen eigenen Peer-Berater-Dienst etabliert, der in kleinerem Rahmen ähnliche Aufgaben wahrnimmt.

In der Anfangszeit wurde SbE vor allem von Einsatzkräften aus Angst um das Images des "harten Kerls und Retters" kritisch betrachtet. Mittlerweile ist SbE nicht mehr wegzudenken, obwohl im Markt einige zweifelhafte Anbieter operieren.

SBE in der Luftfahrt

Zwischenzeitlich wurden auch bei mehreren Airlines, so z. B. bei Lufthansa, Kriseninterventionsteams gebildet und eingesetzt. Das letzte Mal betreuten diese Teams von der Tsunamikatastrophe in Asien zurückgeholte Touristen, sowie eigene Kollegen, welche auf diesen Flügen als Crew eingesetzt waren. Auch bei dem Concorde-Absturz der Air France unterstützten Lufthansa-Reliefteams die französischen Kollegen bei der Betreuung der überwiegend deutschen Angehörigen.

Federführend in der deutschen Luftfahrt ist die Stiftung Mayday, welche in Not geratene Piloten und deren Angehörigen unbürokratisch weiterhilft. Die Stiftung organisiert u. a. auch CISM-Kurse. Gemeinsam mit Psychologen und Betroffenen unterhält die Stiftung Mayday ein Betreuungsnetz, das Flugbesatzungen nach kritischen und stark belastenden Vor- oder Unfällen zur Seite steht (CISM - Critical Incident Stress Management).

Literatur

  • Jeffrey T. Mitchell, George S. Everly und Andreas Igl, Joachim Müller-Lange (Hrsg. d. dt. Ausgabe): Streßbearbeitung nach belastenden Ereignissen. Zur Prävention psychischer Traumatisierung. Stumpf & Kossendey Verlag, Edewecht 1998, ISBN 3-923124-72-4
  • Gisela Perren-Klingler: Debriefing - Erste Hilfe durch das Wort. Verlag Paul Haupt, Bern 2001, ISBN 3-258-05994-2
  • Dr. med Gisela Perren-Klingler: Trauma - Vom Schrecken des Einzelnen zu den Ressourcen der Gruppe. Verlag Paul Haupt, Bern 2000, ISBN 3-258-05164-X

Siehe auch: