Zum Inhalt springen

Paul VI.

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. Juni 2006 um 12:48 Uhr durch 217.185.1.97 (Diskussion) (Literatur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Papst Paul VI. 1967

Papst Paul VI., bürgerlich Giovanni Battista Enrico Antonio Maria Montini, (* 26. September 1897 in Concesio bei Brescia; † 6. August 1978 in Castel Gandolfo) war von 1963 bis 1978 nach kirchlicher Zählung der 262. Papst der Kirchengeschichte. Wegen seiner prägenden Rolle beim Verlauf des Zweiten Vatikanischen Konzils gilt er manchen als eigentlicher „Konzilspapst“.

Leben

Kirchliche Karriere

Giovanni Battista Enrico Antonio Maria Montini war der Sohn eines Zeitungsverlegers und Politikers. Seine Studien absovierte er in Mailand und Rom und schloss sie mit dem juristischen und theologischen Doktorgrad ab.

Nach kurzem Wirken in der Pfarrseelsorge besuchte er in Rom die päpstliche Diplomatenschule. Seit 1922 arbeitete er im Staatssekretariat, wo er, abgesehen von einer kurzen Tätigkeit an der Warschauer Nuntiatur, bis 1954 wirkte. Nebenamtlich war er von 1925 bis 1933 Generalassistent des katholischen Studentenverbandes Italiens. Als solcher hatte er Auseinandersetzungen mit dem faschistischen Regime. Von 1937 an war er als Substitut ein enger Mitarbeiter von Staatssekretär Pacelli, dem späteren Pius XII.. Während Montini sich 1944 als Substitut vorwiegend den innerkirchlichen Aufgaben widmete, beschäftigte sich sein Kollege Tardini mit den kirchenpolitischen Aufgaben. Dabei verkörperte Tardini die Tradition, während Montini die Zukunft darstellte.

Nachdem Pius XII. 1952 Montini zum Prostaatssekretär ernannt hatte, schickte er ihn zwei Jahre später völlig überraschend als Erzbischof nach Mailand. Der Anlass seiner Entfernung aus Rom scheinen Differenzen mit Pius XII. gewesen zu sein. Andere meinen, Pacelli wollte seinem bewährten Mitarbeiter bewusst pastorale Erfahrungen mitgeben. Montini widmete sich nun mit aller Kraft der Großstadtseelsorge in der norditalienischen Metropole. Sein Hauptaugenmerk galt der Arbeiterwelt und dem Bau neuer Kirchen in der norditalienischen Metropole, wofür er sein gesamtes Privatvermögen hergab.

Den Kardinalshut bekam er erst am 15. Dezember 1958 durch Johannes XXIII. und wurde damit als Kardinalpriester mit der Titelkirche Santi Silvestro e Martino ai Monti in das Kardinalskollegium aufgenommen. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils, dessen Einberufung er zunächst abgelehnt hatte, hielt sich Montini, der dort Mitglied der Kommission für die außerordentlichen Aufgaben war, in der Öffentlichkeit - der Konzilaula - zurück und sprach nur ein einziges Mal zu den versammelten Bischöfen. Hinter den Kulissen entfaltete er jedoch eine rege Überzeugungstätigkeit, was die programmatische Gestaltung des Konzils anging. Johannes XXIII., der Montini sehr schätzte, hatte dem Konzil absichtlich keine enge Richtung vorgegeben, damit dieses eine Eigendynamik entwickeln konnte. Diese Offenheit führte aber unter den Konzilsvätern zu einer anfänglichen Richtungslosigkeit. Montini gelang es, diese kritische Phase zu überwinden. Von einigen Kardinälen wurde Montini bereits dadurch als Nachfolger des schon kranken Johannes' XXIII. angesehen.

Während des Alterspontifikats Pius' XII. hatte Montini, wegen seiner Nähe zu als zur italienischen Partei Democrazia Cristiana liberal verdächtigt, starke Gegner in der römischen Kurie und ihrer Umgebung.

Pontifikat

Datei:Stemma-Paolo-VI.jpg
Das Wappen Pauls VI.

Nach dem Tod Johannes' XXIII. am 3. Juni 1963 trat am 19. Juni das Kardinalskollegium zum Konklave zusammen. Bereits am 21. Juni wurde Montini zum Papst gewählt und nahm den Papstnamen Paul VI. an. Die Krönungszeremonie fand am 30. Juni auf dem Petersplatz statt. Jedoch schon im Jahr 1964 legte er die Tiara ab und führte sie lediglich noch in seinem persönlichem Wappen.

Am 27. November 1970, dem zweiten Tag seiner letzten Auslandsreise, durch Asien und Ozeanien, entging Paul VI. in der philippinischen Hauptstadt Manila nur knapp einem Messerattentat durch einen als Priester verkleideten, offenbar geistesgestörten kolumbianischen Maler. Er wurde dabei vom späteren amerikanischen Erzbischof Paul Marcinkus gerettet. Der Attentäter wurde in eine psychiatrische Klinik eingeliefert.

Paul VI. hatte weder die Volkstümlichkeit seines Vorgängers noch das Charisma seiner Nachfolger. Geschwächt durch Alter und Krankheit bot er besonders in der Spätphase seines Pontifikats immer mehr ein Bild der Hilflosigkeit. In der Rückschau zeichnet sich aber mehr und mehr ab, dass er durch seinen Verzicht auf traditionelle Statussymbole (Baldachin, Pfauenwedel, Thronassistenten, Nobelgarde) sowie durch sein Ernstnehmen des Menschen und seiner Probleme zu den modernsten Päpsten des 20. Jahrhunderts zählt. Er verfügte viele Reformen, ohne davon viel Aufhebens zu machen. Zur Abschaffung der über 400 Jahre währenden Institution des Index der verbotenen Bücher genügte 1965 ein Nebensatz in der Anordnung zur Reform des Hl. Offiziums.

Paul VI. führte das von seinem Vorgänger Johannes XXIII. einberufene Zweite Vatikanische Konzil zu Ende. Das Konzil war nach außen ein großer Erfolg für die katholische Kirche, da ihre Selbstkorrektur von Andersdenkenden positiv aufgenommen wurde. Zugleich waren aber neue Krisen zu bestehen. Der Papst verwirklichte eine Reihe der von diesem Konzil angestoßenen Reformen, wie die Liturgiereform. Liberale Theologen bemängeln zwar, dass der Papst einer durchgreifenden Demokratisierung der Kirche energischen Widerstand entgegensetzte. Damit folgte er dem "petrinischen Prinzip" seiner Vorgänger, begriff den Gehorsam gegenüber dem kirchlichen Amt also als Voraussetzung des Dialogs (Enzyklika "Ecclesiam suam" von 1964). Ferner reformierte er das Hl. Offizium und schuf daraus die Kongregation für die Glaubenslehre. Mit seiner Enzyklika Populorum Progressio (1967) und dem Apostolischen Schreiben Octogesima Adveniens (1971) leistete er einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der katholischen Soziallehre. Die Apostolischen Schreiben Marialis Cultus (1974) und Evangelii Nuntiandi (1975) nahmen aktuelle theologische Entwicklungen auf und waren Ausdruck eines zugleich moderneren und biblischeren Verständnisses der Marienverehrung und der Aufgabe der kirchlichen Verkündigung und Mission.

Umstritten ist in der Öffentlichkeit bis heute die Enzyklika Humanae Vitae, in der Paul VI. zwar die Eigenverantwortung der Eltern billigte, die Verurteilung künstlicher Methoden der Empfängnisverhütung aufrecht erhielt.

In dieser Form eine Neuheit waren die Pilgerreisen Pauls VI., die ihn unter anderem ins Heilige Land, auf die Philippinen, nach Kolumbien und bereits am 4. Oktober 1965 zur UNO nach New York in die Vereinigten Staaten führten. Mit der Reise nach Israel im Januar 1964 erkannte die katholische Kirche faktisch den Staat Israel an. Der Friedensappell des Papstes ("Jamais plus la guerre!"/ Nie wieder Krieg!) vor der UNO gehört zu seinen meistbeachteten politischen Reden. In Jerusalem traf er 1964 mit Patriarch Athenagoras von Konstantinopel zusammen, was zur Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikationen zwischen den Patriarchaten von Konstantinopel und Rom führte.

Die Reformen Pauls VI., insbesondere die Liturgiereform im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil, führten zur Abspaltung der traditionalistischen Bewegung um den Erzbischof Marcel Lefebvre, die bis heute andauert (etwa 0,2 % der Katholiken sind Gegner der Liturgiereform) sowie zur Bildung sedisvakantistischer Kreise.

Nach Paul VI. ist die Auszeichnung Internationaler Preis Paul VI. benannt. Das Institut Paul VI in Brescia erforscht das Pontifikat dieses Papstes. Zusammen mit der École francaise de Rome hat das Institut 1984 ein umfassendes Werk über "Paul VI et la modernité dans l'Église" herausgegeben.

Paul VI. in der öffentlichen Diskussion

Papstforscher Georg Schwaiger kam zu folgendem Urteil über Paul VI.:

„Zu Lebzeiten von vielen verkannt, nicht selten angefeindet, verklärt sich das Bild dieses Papstes zum respektvollem Verstehen seiner Persönlichkeit und seines Handelns. Paul VI. hat es sich nicht leicht gemacht. Aber es sind die besten Päpste gewesen, die an der Last ihres Amtes schwer getragen haben.“

Kardinal Franz König sagte:

„Pius XII. hatte unseren Respekt, Johannes XXIII. hatte unsere Liebe, Paul VI. braucht unser Verständnis.“

Gerade in Deutschland war Paul VI. der am meisten angefeindete Papst seit der Reformation. Die Gründe dafür sind umstritten. Verteidiger Pauls VI. betonen, dass er seine Vorgänger an Reformeifer übertroffen, aber an der päpstlichen Autorität festgehalten habe. Die teilweise gehässigen Angriffe aus der theologischen Wissenschaft zwischen 1965 und 1975 lassen sich möglicherweise durch seine ausgleichende Haltung in der Reformdiskussion erklären: Was den einen zu weit ging, war den andern nicht forsch genug. Der mit dem Papst befreundete französische Philosoph Jean Guitton gelangte jedoch schon früh zu der Einschätzung, dass die Leistung des Pontifikats von der Nachwelt noch entdeckt werden wird.

Enzykliken

Über den Weg der Kirche in der heutigen Zeit

Brief über die Marienverehrung im Monat Mai

Über die Eucharistie als Mitte der Kirche

Brief über die Marienverehrung zur Förderung des Friedens

Über den gerechten Fortschritt der Völker

Über die Ehelosigkeit der Priester

Über die Weitergabe des menschlichen Lebens.

Die fünf großen Enzykliken stehen allesamt thematisch im Zusammenhang mit dem II. Vatikanischen Konzil und verdeutlichen aktuelle Aspekte der Glaubens- und Sittenlehre mit größerer Ausführlichkeit als in den Konzilsdokumenten möglich war. In der Folgezeit veröffentlichte der Papst weitere Apostolische Schreiben, insb. Octogesima Adveniens zur kath. Soziallehre (1971) sowie Gaudete in Domino und Evangelii Nuntiandi im Hl. Jahr 1975.

Sonstiges

Paul VI. erhob mit Albino Luciani (1973), Karol Wojtyla (1967) und Joseph Ratzinger (1977) seine drei direkten Nachfolger zu Kardinälen. Die drei Vorgänger Pauls VI. waren je von ihrem unmittelbaren Vorgänger zu Kardinälen kreiert worden.

Literatur

  • anonym (Christkönigsfreunde): Die Verfinsterung der Kirche, Anton Schmid, Durach 2004, ISBN 3-929170-42-6,Originaltitel: L'Eglise Eclipsée? Réalisation du complot maconnique contre l'Eglise, Editions Delacroix, o.O.(Chateauneuf) ³1999
  • Luitpold A. Dorn: Paul VI. Der einsame Reformer. Verlag Styria, Graz 1989, ISBN 3-222-11808-6
  • Pro Fide Catholica et Caritate, Der Fünfzackstern - "Markenzeichen" des Pontifikats Pauls VI.. Übersetzung aus dem Italienischen: Johannes Rothkranz, Anton Schmid, Durach 2000, ISBN 3-932352-43-2
  • Iosif R. Grigulevic: Die Päpste des XX. Jahrhunderts. Urania-Verlag, Leipzig 1984
  • Jean Guitton: Dialog mit Paul VI. Fischer, Frankfurt/M. 1969
  • Georg Huber: Paul VI. Bonifacius-Druckerei, Paderborn 1964
  • Andrea Lazzarini: Paul VI. Der Papst eines neuen Morgens. Herder, Freiburg 1979, ISBN 3-451-18369-2
  • Mary Ball Martínez: Die Unterminierung der Katholischen Kirche, Anton Schmid, Durach 1992, ISBN 3-929170-29-9 (Originaltitel: The Undermining of the Catholic Church, Mexico City 1991)
  • Jean Mathieu-Rosay: Die Päpste im 20. Jahrhundert. Primus-Verlag, Darmstadt 2005, ISBN 3-89678-531-1
  • Corrado Pallenberg: Paul VI. Schlüsselgestalt eines neuen Papsttums. List Verlag, München 1965
  • Johannes Rothkranz: Die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit. Ein Dokument des Zweiten Vatikanums und seine Folgen, Anton Schmid, Durach 1995, Gesamt-ISBN 3-88096-898-5
  • Wilhelm Sandfuchs: Paul VI. Papst des Dialogs und des Friedens. Echter-Verlag, Würzburg 1978, ISBN 3-429-00588-4
  • Wilhelm Sandfuchs (Hrsg.): Papst Paul VI. In nomine Domini. Arena Verlag, Würzburg 1963, 2. Aufl. (Arena-Bildtaschenbuch; Bd. 7)