Krieg in Afghanistan 2001–2021
Der Afghanistan-Krieg der USA und ihrer Verbündeten im Jahr 2001 war die erste direkte militärische Reaktion auf die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA und stellt somit den Beginn des weltweiten Krieg der USA gegen den Terrorismus dar. Er richtete sich neben der für die Anschläge verantwortlich gemachten Terrororganisation Al-Qaida auch gegen das seit Mitte der 1990er Jahre in Afghanistan herrschende islamisch-fundamentalistische Taliban-Regime, das der Beherbergung und Unterstützung Osama bin Ladens und anderer hochrangiger Mitglieder von Al-Qaida bezichtigt wurde. Die Hauptphase des Krieges endete mit dem Fall der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte Kandahar und Kunduz im November und Dezember 2001. Es folgten die Einsetzung einer Interimsregierung unter Präsident Hamid Karzai auf der parallel stattfindenden ersten Petersberger Afghanistan-Konferenz sowie die Erteilung eines Mandats zur Unterstützung des Wiederaufbaus an die von NATO-Staaten und mehreren Partnerländern gestellte "International Security Assistance Force" (ISAF) durch den UN-Sicherheitsrat im Dezember 2001.
Vorgeschichte
Nach dem Sieg der Mudjahedin und den danach zwischen den einzelnen Mudjahedin-Gruppierungen ausgebrochenen militärischen Auseinandersetzungen trat 1995 eine neue Gruppierung auf den Plan. Von Pakistan aus griffen die Taliban (die sich hauptsächlich aus paschtunisch-afghanischen Flüchtlingen rekrutierten) in die Auseinandersetzungen ein und erzielten gegen die durch interne Konflikte geschwächten Mudjahedin schnell Erfolge. Nach rascher Einnahme von Kabul (1996) übernahmen sie in weiten Teilen des Landes die Herrschaft. Nur im nördlichen Teil gab es Regionen, die von ehemaligen Mudjahedin-Einheiten (vornehmlich aus ethnischen Usbeken und Tadschiken), der sogenannten Nordallianz, kontrolliert wurden. Eine formale anerkannte Regierung gab es seit dem Sturz von Mohammed Nadschibullah (1992) nicht mehr.
Die Tugendwächter der Taliban setzten ihre radikalen Interpretationen islamischer Gesetze mit großer Brutalität durch. Das Hören von Musik, Radio, Fernsehen und vielfach auch Kinderspielzeug waren verboten, Zuwiderhandlungen wurden häufig mit körperlicher Züchtigung, Amputationen oder auch mit der Todesstrafe verfolgt. Weitere gravierende Menschenrechtsverletzungen wurden von den internationalen Organisationen berichtet.
Insbesondere die Unterdrückung der Frauen in allen Lebensbereichen kennzeichnete die Taliban-Herrschaft. Das klassische Bild von Frauen unter der Burka wurde ein Symbol für deren Politik. Sowohl der Analphabetismus als auch die Kindersterblichkeit stiegen enorm; hinzu kam, dass die Taliban internationalen Hilfsorganisationen die effektive Unterstützung der notleidenden Bevölkerung (beispielsweise bei der Hungerkatastrophe 2001) verwehrte.
Des weiteren wurden viele Kulturgüter zerstört, die als „dem Islam widersprechende Darstellung lebender Wesen“ vernichtet wurden. Diesen Aktionen fielen jahrtausendealte Kunstwerke aus der Gandhara-Epoche aus den Museen des Landes genauso zum Opfern, wie historische Filmaufnahmen aus dem Afghanistan des frühen 20. Jahrhunderts. Höhepunkt dieses Vorgehens war die Sprengung der 1.500 Jahre alten Buddha-Statuen von Bamiyan, die zum UNESCO Weltkulturerbe zählten. Trotz des offenen und verdeckten Widerstandes vieler Afghanen vernichteten die Taliban in diesen Jahren einen Großteil des unersetzbaren kulturellen Erbes des Landes.
Auch wenn die Taliban von der Staatengemeinschaft weitgehend isoliert waren, hatten sie doch Zulauf von radikalen Islamisten, die sich ihnen anschlossen. Zudem gewährten sie Terroristen der Al-Qaida Unterschlupf, die das Land zielstrebig zur Operationsbasis ausbauten. Unter anderem errichtete Al-Qaida eine Reihe von Ausbildungslagern, in denen tausende Islamisten aus verschiedenen Ländern eine militärische Schulung durchliefen.
Die Weigerung der Taliban, Osama Bin Laden nach den Terroranschlägen an die USA auszuliefern, hatte im Dezember 2001 zu weiteren Sanktionen durch die Vereinten Nationen geführt.
Operation Enduring Freedom
Am 11. September erfolgten die Terroranschläge in den USA, welche die Regierung George W. Bush zum Entschluss zur militärischen Intervention in Afghanistan leiteten.
Der UN-Sicherheitsrat bezeichnete die Anschläge in den USA in seiner am 12. September 2001 gefassten Resolution 1368 als „internationales Verbrechen“ und als „Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“. Zudem wurden sie als „bewaffneter Angriff auf die Vereinigten Staaten“ gewertet, sowie das „naturgegebenen Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, das in der Charta der Vereinten Nationen anerkannt wird“ betont. Diejenigen, die für die Unterstützung oder Beherbergung der Täter, Organisatoren und Auftraggeber verantwortlich seien, würden für diese Handlungen haftbar gemacht werden.
Nach Auffassung der USA und anderer Regierungen, wie etwa auch der der Bundesrepublik Deutschland, wurde mit dieser Formulierung und dem direktem Verweis auf das in Artikel 51 der UN-Charta festgeschriebene Recht auf Selbstverteidigung die anlaufende Operation Enduring Freedom durch den Sicherheitsrat als ein Akt der Selbstverteidigung der USA gegen den von Afghanistan ausgegangenen Angriff gewertet und damit völkerrechtlich legitimiert.
Die Kampfhandlungen begannen am 7. Oktober 2001 mit Luftangriffen auf Kabul von Flugzeugträgern und amerikanischen Militärbasen aus. Am 19. Oktober 2001 griffen US Army Rangers einen Flugplatz der Taliban südlich von Kandahar an.

Parallel dazu unternahm die Nordallianz eine Offensive, die am 13. November mit der kampflosen Besetzung von Kabul ihren Höhepunkt erreichte. Die Talibanhochburgen wurden dagegen erbittert umkämpft und erst in den folgenden Wochen eingenommen (Kunduz am 25. November und Kandahar am 7. Dezember).
Reaktion in Deutschland
Bundeskanzler Schröder sprach von „uneingeschränkter Solidarität mit den USA“ und „Deutschlands neue Verantwortung auch an weltweiten Militäreinsätzen“. Die Abstimmung über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr im Bundestag verknüpfte Schröder mit einer Vertrauensfrage, um eine eigene Parlamentsmehrheit zu erhalten. Mögliche Abweichler sollten damit eingeschüchtert werden. Daraufhin verließ die baden-württembergische SPD-Abgeordnete Christa Löcher die Fraktion, da sie dem Krieg aus Gewissensgründen nicht zustimmen wollte. Aus der Grünen-Fraktion verweigerten am Ende vier der ursprünglich acht Abweichler die Zustimmung. Mit gerade einmal zwei Stimmen mehr als benötigt sprach der Bundestag somit Schröder das Vetrtrauen aus und bewilligte gleichzeitig den Bundewehreinsatz in Afghanistan. Bundesverteidigungsminister Peter Struck bejahte ausdrücklich eine Verteidigung Deutschlands bereits am Hindukusch.
Nach-Taliban-Ära
Nach der Einnahme weiter Teile des Landes durch die Nordallianz begannen Einheiten der Alliierten, darunter auch die Bundeswehr, mit der Suche nach Terroristen und in erster Linie nach Bin Laden (der aber bislang nicht gefasst wurde). Einzelne gefangene Taliban und mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen wurden von den US-Streitkräften, völkerrechtlich umstritten und begleitet von Protesten durch Menschenrechtsorganisationen, auf den US-Stützpunkt Guantanamo auf Kuba verschleppt.
Der Sturz der Taliban mit militärischen Mitteln war das erklärte Ziel der „Operation Enduring Freedom“. Er sollte die humanitäre Situation in Afghanistan wesentlich verbessern und die Grundlagen für eine, wie auch immer geartete, „Demokratisierung“ schaffen. Es ist umstritten, ob dieses Ziel erreicht ist und ob die Bundeswehr für solche Zwecke, die weder den deutschen Verteidigungsfall darstellen, noch sich auf die Verteidigung des Bündnispartners USA (ausschließlich) beschränken, eingesetzt werden darf. Weiterhin ist vor Ort die Menschenrechtssituation schwierig; insbesondere die Lage der Frauen und die Situation in den Gefängnissen sowie die Flächenbombardements der USA und Großbritanniens, die auch viele zivile Ziele einbezogen, wurden oftmals kritisiert. Ende September 2004 erhielt Afghanistan 20 Radpanzer Fuchs aus Deutschland. Die Lieferung ist Bestandteil der angekündigten Ausrüstungshilfe. Ein Teil der unbewaffneten Truppentransporter wird in die Vereinigten Arabischen Emirate transportiert, wo afghanische Soldaten am Gerät ausgebildet werden. Die Transportkosten übernehmen die Vereinigten Arabischen Emirate.
Die Bundeswehr stationierte im Rahmen eines ISAF-Kommandos knapp 1.800 Soldaten im Land. Der Wiederaufbau des Landes sei, nach den Worten von Außenminister Joschka Fischer (Die Grünen), ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den „internationalen Terrorismus“. In dem vom Krieg zerstörten Land müsse der Aufbau eines Drogenstaates unter anderem durch Hilfe zur Selbsthilfe und den Aufbau der Polizei verhindert werden, so Fischer. Während des Einsatzes in Kabul starben auch deutsche Soldaten.

Im Norden von Kundus ist, auf ISAF-Befehl, ein deutsches Wiederaufbauteam mit ca. 230 Soldaten und 50 zivilen Hilfskräften stationiert worden. Bislang ist die NATO-geführte ISAF mit ihren ca. 5.500 Mann allerdings nur in Kabul eingesetzt. In Kundus sollen bis zu 450 deutsche Soldaten zivile Aufbauhelfer schützen. Das deutsche ISAF-Kontingent soll damit auf bis zu 2.250 Soldaten steigen. Die ISAF soll so die Übergangsregierung von Präsident Hamid Karsai effektiv unterstützen. Ziel ist es, den Einfluss einer späteren regulären Regierung bis in die Provinzen auszuweiten, da diese bisher von regionalen Kriegsfürsten („Warlords“) beherrscht werden, deren Finanzquelle die vorwiegend auf den US-Absatzmarkt strömenden Opiate bilden.
Gleichzeitig hat in der Provinz Kundus die Entwaffnung von Milizen begonnen. Im Rahmen des Projektes ist geplant, in den kommenden zwei Jahren ca. 100.000 Milizionäre im Land zu entwaffnen. Wer seine Waffe abgibt, erhält, je nach Dienstgrad, 200 bis 475 Dollar sowie Lebensmittel, Zivilkleidung und einen Orden. Zudem werden eine Fortbildung und die Vermittlung in eine reguläre Arbeitsstelle oder eine Starthilfe als Bauer angeboten.
Bei einer Sondersitzung am 28. September 2005 beschlossen Bundestag und Kabinett mit großer Mehrheit die Ausweitung des Mandats, wodurch die Anzahl von 2.250 auf 3.000 Soldatinnen und Soldaten erhöht sowie die Einsatzdauer um ein Jahr verlängert wurde (bis Oktober 2006).
Am 3. November wurde der komplette Norden Afghanistans der Befugnis-Zone der Bundeswehr übergeben. Somit bleibt noch der Westen von spanisch-italienischen Soldaten kontrolliert und der noch umkämpfte Süden und Osten von US-Truppen.
Zahlen
Getötete
- Soldaten, insgesamt seit Kriegsbeginn (Stand vom 25. Juni 2006, Quelle: http://icasualties.org/oef/)
- 393 getötete Koalitionssoldaten davon
- 310 US-Soldaten
- 18 deutsche Soldaten
- 17 spanische Soldaten
- 16 kanadische Soldaten
- 8 britische Soldaten
- 7 französische Soldaten
- 5 italienische Soldaten
- 4 rumänische Soldaten
- 3 dänische Soldaten
- 2 schwedische Soldaten
- 1 australischer Soldat
- 1 norwegischer Soldat
- 1 portugisischer Soldat
- Zivilisten:
- Die Angaben sind sehr unterschiedlich, offizielle Angaben liegen nicht vor.
- Laut Marc W. Herold's Dossier on Civilian Victims of United States' Aerial Bombing kamen über 3.600 Zivilisten bei US-Bombardements ums Leben.
- Jonathan Steele nannte im "The Guardian" ein Zahl zwischen 20,000 bis 49,600 Menschen, welche als Konsequenz durch die Invasion starben.
- Eine Studie der Los Angeles Times nannte eine Zahl von ca. 1000 zivilen Opfern.
Verwundete
- 747 verwundete US-amerikanische Soldaten seit Beginn des Krieges (Daten vom 25. Juni 2006, Quelle: http://icasualties.org/oif/)
Verluste der Bundeswehr
Am 6. März 2002 starben in der Nähe von Kabul zwei Soldaten des Heeres, als sie eine Flugabwehrrakete vom Typ SA-3 Goa entschärfen wollten. Die Soldaten Mike Rubel und Thomas Kochert gehörten der Kampfmittelbeseitigungskompanie 11 mit Standort Munster in Niedersachsen an.
Am 21. Dezember 2002 kamen 7 Soldaten bei einem Absturz eines Militärhubschraubers vom Typ CH-53 Super Stallion nahe Kabul ums Leben. Heinz-Ullrich Hewußt, Thomas Schiebel, Enrico Schmidt, Uwe Vierling, Frank Ehrlich, Bernhard Kaiser und Friedrich Deininger. Sie gehörten dem 15. und 25. Heeresfliegerregiment an.
Am 29. Mai 2002 kommt der Gefreite Stephen Kamins 12 Kilometer südlich von Kabul ums Leben, als sein Fahrzeug vom Typ Wolf auf eine Mine auffuhr.
Am 7. Juni 2003 werden 4 Soldaten durch eine Autobombe während einer Busfahrt zum Ausbildungscamp der afghanischen Nationalarmee in Kabul getötet. Es handelt sich dabei um die ISAF-Soldaten Jörg Baasch, Helmi Jimenez-Paradis, Andreas Beljo und Carsten Kühlmorgen.
Am 26. Juni 2005 werden die Soldaten Andreas H. und ein weiterer Soldat in der Provinz Takhar in Rustaq getötet. Sie gehörten einem Provincial Reconstruction Team (PRT) an und kamen beim Beladen von Lastwagen mit abgegebener Munition und Waffen um.
Am 7. August 2005 kommt ein Soldat südöstlich von Kabul bei einem Verkehrsunfall ums Leben.
Am 14. November 2005 wird der Oberstleutnant Armin Franz in Kabul durch einen Selbstmordattentäter in einem Auto getötet.
Bislang sind 18 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan ums Leben gekommen.
Siehe auch
- Krieg der USA gegen den Terrorismus
- ISAF - International Security Assistance Force
- Operation Anaconda
- Operation Active Endeavour
- Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline
Literatur
- Kristin Platt: Krieg in Afghanistan. Fink (2005), ISBN 3-770-53743-2
- Wolf Wetzel: Krieg ist Frieden. Über Bagdad, Srebrenica, Genua, Kabul nach... ISBN 3-89771-419-1