Zentrale Militärkommission

Die Zentrale Militärkommission, kurz ZMK (chinesisch 中央軍事委員會 / 中央军事委员会, Pinyin Zhōngyāng Jūnshì Wěiyuánhuì) ist das höchste militärische Führungsorgan der VR China. Sie nimmt in dem komplexen System aus Parteiorganen und Kontrollstrukturen, mit denen die Kommunistische Partei Chinas die Kontrolle über die Volksbefreiungsarmee wahrnimmt, die wichtigste Stellung ein. Im Kriegsfall ist sie das höchste Kommandoorgan der Armee. Das Verteidigungsministerium hat dagegen keine Kommandogewalt und dient nur politischen Zwecken, wie dem Kontakt zu den Streitkräften anderer Nationen.
Geschichte
In Anbetracht der Tatsache, dass sich seit der Gründung der Whampoa-Militärakademie 1924 eine zunehmende Zahl von KPCh-Mitgliedern mit der Arbeit unter Soldaten befassten, so zum Beispiel Zhou Enlai als Dozent an der Politischen Abteilung der Akademie, schlug Wang Yifei (王一飞, 1898–1928), der seit Februar 1925 an der Frunse-Militärakademie in Moskau studiert hatte, dem damaligen Generalsekretär Chen Duxiu im September 1925 vor, in der KPCh eine spezielle Militärkommission zu schaffen.[1] Chen akzeptierte den Vorschlag, und im Oktober 1925 beschloss das 4. Zentrale Exekutivkomitee (die Parteigliederung, die seit 1927 "Zentralkomitee" genannt wird) auf seiner ersten erweiterten Sitzung die Gründung einer "Zentralen Kommission für militärspezifische Aktivitäten" (中央军事运动委员会, Pinyin Zhōngyāng Jūnshì Yùndòng Wěiyuánhuì). Mit den Vorbereitungsarbeiten wurden Wang Yifei und sein Moskauer Kommilitone Yan Changyi (颜昌颐, 1898–1929) beauftragt, der erste Leiter der Kommission war Zhang Guotao (张国焘, 1897–1979). Im Dezember 1925 wurde der Name der Parteigliederung in "Zentrale Militärabteilung" (中央军事部, Pinyin Zhōngyāng Jūnshìbù) geändert, neuer Leiter wurde Generalmajor Zhou Enlai.[2]
Während des am 9. Juli 1926 begonnenen Feldzuges der Kuomintang gegen die Beiyang-Regierung und die Nördlichen Militaristen, unternommen mit dem Ziel der Wiedervereinigung Chinas, leisteten die von der KPCh organisierten Arbeiter und Bauern einen beträchtlichen Beitrag zum militärischen Sieg.[3] Die gestiegene Bedeutung der Militärarbeit fand Ende 1926 ihren formalen Ausdruck in der Umbenennung der Militärabteilung in "Zentrale Militärkommission" (中央军事委员会, Pinyin Zhōngyāng Jūnshì Wěiyuánhuì), derselbe Name, den sie heute trägt. Die Leitung hatte weiterhin Zhou Enlai inne, sein offizieller Titel war nun "Sekretär" (书记, Pinyin Shūjì). Nach dem Bruch mit der Kuomintang und dem von Zhu De, Zhou Enlai und Liu Bocheng geleiteten Nanchang-Aufstand am 1. August 1927 zogen sich die der KPCh nahestehenden Einheiten der Nationalrevolutionären Armee in das Jinggang-Gebirge an der Grenze zwischen Jiangxi und Hunan zurück, wo Anfang Oktober auch Mao Zedong nach dem gescheiterten Herbsternte-Aufstand mit seinen 1000 Mann eintraf. Nach Vereinigung aller Truppenteile hatte die Rote Armee im April 1928 eine Stärke von 10.000 Mann. Nach dem 6. Parteitag der KPCh, der aus Sicherheitsgründen in Moskau abgehalten wurde,[4] wurde die Zentrale Militärkommission im Juli 1928 wieder in "Zentrale Militärabteilung" umbenannt. Abteilungsleiter wurde zunächst Yang Yin (杨殷, 1898–1929). Nach dessen Tod am 30. August 1929 übernahm Zhou Enlai erneut die Leitung der Militärabteilung. Eine seiner ersten Amtshandlungen war, ein Sonderkommando zusammenzustellen, das am späten Abend des 11. November Bai Xin, der Yang im August an die Kuomintang verraten hatte, ermordete.[5][6]
Die Basis im Jinggang-Gebirge hatte im Dezember 1928 geräumt werden müssen, Mao Zedong und Zhu De zogen sich mit ihren Truppen in das Grenzgebiet Jiangxi–Fujian–Guangdong zurück. Kleinere Basen wurden in Zentralchina eingerichtet. 1930 gab es dann insgesamt 15 solcher Militärbasen, die Rote Armee war auf 60.000–70.000 Mann angewachsen. Natürlich war darunter auch eine Zahl von Leuten mit charakterlichen Mängeln, viele bildungsferne Bauernburschen, sowie Männer die nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 ihre Arbeit in den Textilfabriken etc. verloren und sich der Roten Armee mehr aus Verzweiflung denn aus politischer Überzeugung angeschlossen hatten. Im Dezember 1929 hatte Mao Zedong in Gutian für den 9. Parteitag des 4. Armeekorps (Zhu De), dessen Politkommissar er war, seinen berühmten Aufsatz "Über die Berichtigung falscher Ansichten in der Partei" (纠正党内错误思想) verfaßt. Dort wies er unter anderem auf Disziplinlosigkeit, Subjektivismus und Individualismus in der Truppe hin und betonte die Notwendigkeit, das Militär der Politik unterzuordnen. Der Text des Aufsatzes wurde am 29. Dezember als Abschlußdokument der Konferenz verabschiedet und galt damit zunächst für das 4. Armeekorps.[7][8][9] Drei Monate später, im März 1930, folgte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas Maos Empfehlungen, benannte die Militärabteilung wieder in "Zentrale Militärkommission" um und bestimmte, dass dieses Parteiorgan die höchste Kommandoinstanz für militärische Angelegenheiten war. Damit war der Primat der Politik, die absolute Kontrolle der Armee durch die Partei formal festgeschrieben. Als Sekretär der Zentralen Militärkommission fungierte weiterhin Zhou Enlai.
Am 7. November 1931, dem 14. Jahrestag der Oktoberrevolution, wurde von den 610 Delegierten des 1. Allchinesischen Sowjetkongresses in Ruijin die Chinesische Sowjetrepublik (中华苏维埃共和国, Pinyin Zhōnghuá Sūwéi'āi Gònghéguó) ausgerufen. Dies war ein richtiggehender Staat, mit einer Verfassung, einer eigenen Währung (mit Lenin auf dem 1 Yuan-Schein) und eigenen Finanzämtern.[10] Als Verteidigungsministerium der jungen Republik fungierte die Zentrale Militärkommission, ab dem 25. November 1931 "Zentrale Revolutionäre Militärkommission" ( (中央革命军事委员会, Pinyin Zhōngyāng Gémìng Jūnshì Wěiyuánhuì) genannt. Ihr Vorsitzender war nun Generalleutnant Zhu De, seine Stellvertreter Wang Jiaxiang (王稼祥, 1906–1974) und Peng Dehuai. Die Kommission hatte ursprünglich 6 Abteilungen:
- Militärische Operationen (作战科, Pinyin Zuòzhàn Kē)
- Aufklärung (侦察科, Pinyin Zhēnchá Kē)
- Transport (交通科, Pinyin Jiāotōng Kē)
- Mobilmachung (动员科, Pinyin Dòngyuán Kē)
- Ausbildung (教育科, Pinyin Jiàoyù Kē)
- Verwaltung (管理科 Pinyin Guǎnlǐ Kē)
In den folgenden Jahren wurde die Organisation dann noch wesentlich feingliedriger, mit Abteilungen für Geodäsie (地面侦察科, Pinyin Dìmiàn Zhēnchá Kē), Verschlüsselung und Entschlüsselung von Funknachrichten (机要译电科, Pinyin Jīyào Yìdiàn Kē) etc.
Als sich im Dezember 1936 nach dem Langen Marsch die 2. und die 4. Frontarmee der Roten Arbeiter- und Bauernarmee Chinas mit der 1. Frontarmee in Yan’an vereinigte, übernahm Mao Zedong, bis dahin Politkommissar (政治委员, Pinyin Zhèngzhì Wěiyuán) bei der 1. Frontarmee, den Vorsitz der Zentralen Revolutionären Militärkommission.[11] Nach dem 7. Parteitag der KPCh in Yan’an (23. April–11. Juni 1945), auf dem Mao seine Führungsrolle zementieren konnte, wurde die Militärkommission im August 1945 in "Zentrale Militärkommisssion der Kommunistischen Partei Chinas" (中共中央军事委员会, Pinyin Zhōng Gòng Zhōngyāng Jūnshì Wěiyuánhuì) umbenannt, den Vorsitz behielt Mao Zedong.[12] Eine weitere Umbenennung erfolgte Anfang 1949, als der Sieg über die Kuomintang absehbar war. Um den gesamtchinesischen Anspruch deutlich zu machen, hieß die Kommisssion nun "Revolutionäre Militärkommission des Chinesischen Volkes" (中国人民革命军事委员会, Pinyin Zhōngguó Rénmín Gémìng Jūnshì Wěiyuánhuì). Den Vorsitz hatte weiterhin Mao Zedong.
Funktion
Die Zentrale Militärkommission ist ein integriertes Partei- und Staatsorgan. Ihre Aufgabe besteht in der Koordinierung der Verteidigungspolitik und in der Formulierung der Militärdoktrin der Volksrepublik China. Im Kriegsfall hat sie das Oberkommando über das gesamte Militär der Volksrepublik.[13]
Die zweite wichtige Funktion besteht in der Kontrolle über das Militär. Anders als in europäischen Staaten untersteht das Militär der Volksrepublik China nicht dem Parlament, sondern der Kommunistischen Partei. Es ist mithin politisch nicht neutral, sondern ausdrücklich loyal zur Partei. Die Aufsicht über das Militär wird vor allem mit Hilfe der Strukturen der politischen Hauptabteilung der Zentralen Militärkommission sichergestellt.[13]
Der Posten des Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gilt als einer der Schlüsselposten im chinesischen Parteistaat. Alle bisherigen Staatsführer der Volksrepublik legten großen Wert darauf, diesen Posten einzunehmen. Deng Xiaoping und Jiang Zemin behielten sich diesen Posten noch eine Zeit lang vor, nachdem sie bereits ihre anderen Staats- und Parteiämter abgegeben hatten.[13]
Struktur
Der Apparat der Zentralen Militärkommission ist nicht sehr umfangreich und besteht nur aus einigen Hundert Offizieren und Beamten. Die Kanzlei der Zentralen Militärkommission kontrolliert und koordiniert den Informationsfluss an die einzelnen Kommissionsmitglieder.[14]
Hierarchisch direkt unterhalb der Zentralen Militärkommission stehen die vier Hauptabteilungen der Volksbefreiungsarmee. Die Leiter dieser Hauptabteilungen sind immer auch Mitglieder der Zentralen Militärkommission. Die vier Hauptabteilungen sind im einzelnen:
- Der Generalstab (總參謀部 / 总参谋部, zǒngcānmóubù) ist das Exekutivorgan der Zentralen Militärkommission. Er plant und koordiniert Militäreinsätze, führt den militärischen Geheimdienst, überwacht und koordiniert die elektronische Kriegsführung und führt die Verhandlungen mit anderen Regierungseinrichtungen, vor allem mit dem Finanzministerium.[15]
- Die politische Hauptabteilung (總政治部 / 总政治部, zǒngzhèngzhìbù) dient der Kontrolle der Volksbefreiungsarmee durch die Partei. Sie organisiert die ideologische Ausbildung der Militärangehörigen, der im Wehrdienst ein großes Zeitbudget eingeräumt wird. Sie beaufsichtigt die Politkommissare, führt die Disziplinaraufsicht, hat aber wenig Einfluss auf militärpolitische Entscheidungen.[15] Der Politischen Hauptabteilung sind die Politkommissare und die politischen Abteilungen auf allen Kommandoebenen des Militärs unterstellt, wobei die Politkommissare hierarchisch höher angesiedelt sind als die Kommandeure.[13] Mit dem innermilitärischen Sicherheitsdienst ist der Politischen Hauptabteilung ein weiteres wichtiges Kontrollinstrument der Partei über das Militär unterstellt.[16]
- Die logistische Abteilung (總後勤部 / 总后勤部, zǒnghòuqínbù) organisiert und überwacht die Infrastruktur des Militärs, wozu Transporteinrichtungen, Kommunikationseinrichtungen, Versorgung oder auch Militärkrankenhäuser gehören.[15]
- Die Rüstungsabteilung (總裝備部 / 总装备部, Zǒng Zhuāngbèibù) führt die Beschaffung der Volksbefreiungsarmee, treibt die militärische Forschung voran und betreibt Forschungseinrichtungen, sie importiert und exportiert Rüstungsgüter.[15]
Wenn notwendig, richtet die Zentrale Militärkommission Führungsgruppen ein, die mit konkreten Aufgaben beauftragt werden. Dazu können Durchführungen von Reformen oder die Korruptionsbekämpfung gehören.[17]
Der traditionell starke Einfluss der Landstreitkräfte ist zuletzt zu Gunsten der Marine und Luftwaffe zurückgegangen.[15]
Der ZMK sind neben den vier Abteilungen auch die sieben Militärregionen und die Teilstreitkräfte untergeordnet. Die Abteilungen verfügen darüber hinaus über eigenständige Hierarchien und Kommunikationsstrukturen für militärisch-operative, politische und logistische Aufgaben, die sich unabhängig voneinander durch die VBA erstrecken.
Anders als in dem meisten Staaten hat das Verteidigungsministerium nur wenige Kompetenzen. Diese erstrecken sich auf die Pflege von Auslandskontakten. Das Verteidigungsministerium ist kein Glied in der der militärischen Kommandostruktur der Volksrepublik China.[17]
Vorsitzende
Im November 2012 wurde der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas Xi Jinping am 18. Parteitag der KPCh auch zum Vorsitzenden der ZMK gewählt.[18]
ZMK der KP Chinas | ZMK der VR China | |
---|---|---|
Zhang Guotao | Oktober 1925–Dezember 1925 | |
Zhou Enlai | Dezember 1925–Juli 1928 | |
Yang Yin | Juli 1928–August 1929 | |
Zhou Enlai | September 1929–November 1931 | |
Zhu De | November 1931–Dezember 1936 | |
Mao Zedong | Dezember 1936–Oktober 1949 und September 1954–September 1976 |
|
Hua Guofeng | Oktober 1976–Juni 1981 | |
Deng Xiaoping | Juni 1981–November 1989 | Juni 1983–April 1990 |
Jiang Zemin | November 1989–September 2004 | April 1990–März 2005 |
Hu Jintao | September 2004–November 2012 | März 2005–März 2013 |
Xi Jinping | seit November 2012 | seit März 2013 |
Weblinks
Quellen
- ↑ Die Kuomintang bzw. die von ihr geleitete Regierung in Kanton hatte bereits seit Juli 1917 eine Militärkommission (军事委员会), im Deutschen auch "Nationaler Militärrat" genannt, die ab 1925 für die Führung der Nationalrevolutionären Armee zuständig war.
- ↑ 何立波: 第一个提议组建中央军委的人. In: http://www.sohu.com/. 2. August 2017, abgerufen am 29. Oktober 2018 (chinesisch).
- ↑ Stephen Uhalley Jr.: A History of the Chinese Communist Party. Hoover Institution Press, Stanford 1988, S. 31.
- ↑ Stephen Uhalley Jr.: A History of the Chinese Communist Party. Hoover Institution Press, Stanford 1988, S. 34–40.
- ↑ 杨殷. In: http://www.china.com.cn/. 22. September 2002, abgerufen am 31. Oktober 2018 (chinesisch).
- ↑ 钟明: 东方第一大暗杀,白鑫就诛. In: http://cul.china.com.cn/. 20. August 2011, abgerufen am 31. Oktober 2018 (chinesisch).
- ↑ Stephen Uhalley Jr.: A History of the Chinese Communist Party. Hoover Institution Press, Stanford 1988, S. 40f.
- ↑ Zhu Hong: Gutian: Rote Geschichte, grüne Zukunft. In: http://www.chinatoday.com.cn/ctgerman/. Abgerufen am 1. November 2018.
- ↑ Mao Zedong: On Correcting Mistaken Ideas in the Party. In: https://www.marxists.org/. 29. Dezember 1928, abgerufen am 1. November 2018 (englisch).
- ↑ Stephen Uhalley Jr.: A History of the Chinese Communist Party. Hoover Institution Press, Stanford 1988, S. 45f.
- ↑ Stephen Uhalley Jr.: A History of the Chinese Communist Party. Hoover Institution Press, Stanford 1988, S. 48–51.
- ↑ Stephen Uhalley Jr.: A History of the Chinese Communist Party. Hoover Institution Press, Stanford 1988, S. 64–68.
- ↑ a b c d Sebastian Heilmann: Das politische System der Volksrepublik China. Springer-Verlag, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-07227-8, S. 134.
- ↑ Sebastian Heilmann: Das politische System der Volksrepublik China. Springer-Verlag, Wiesbaden 2015, S. 137.
- ↑ a b c d e Sebastian Heilmann: Das politische System der Volksrepublik China. Springer-Verlag, Wiesbaden 2015, S. 138.
- ↑ Sebastian Heilmann: Das politische System der Volksrepublik China. Springer-Verlag, Wiesbaden 2015, S. 135.
- ↑ a b Sebastian Heilmann: Das politische System der Volksrepublik China. Springer-Verlag, Wiesbaden 2015, S. 139.
- ↑ Xi Jinping neuer Parteichef Chinas. SF Tagesschau, 15. November 2012