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Geschichte der Nutzfahrzeugindustrie

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Lastkraftwagen
Bus

Nutzfahrzeughersteller sind Unternehmen, die Lastkraftwagen und/oder Busse sowie Spezialfahrzeuge produzieren. Größere Konzerne stellen dabei oft mehrere Marken her. In vielen Fällen sind diese Teile von Automobilherstellern.

Allgemeines

Außer LKW jeder Größe, Zugmaschinen, Sattelschleppern und Kleintransportern gehören auch Busse (mit Elektroantrieb Oberleitungsbus genannt, abgekürzt Obus) und Spezialfahrzeuge verschiedener Art wie Kranwagen und Militärfahrzeuge zum Angebot der verschiedenen Nutzfahrzeughersteller. Die ebenfalls zu den Nutzfahrzeugen zählenden, kleinen Lieferwagen werden dagegen in der Regel von PKW-Herstellern gebaut, da es sich meist um von entsprechenden PKW-Modellen abgeleitete Konstruktionen handelt.

Der Markt für Nutzfahrzeuge gilt als hart umkämpft. Dieses hat in der jüngeren Vergangenheit zu Fusionen, Übernahmen und auch verstärkter Zusammenarbeit unter den verschiedenen Herstellern geführt. Im Gegensatz zum Automarkt ist in Europa der Einfluss asiatischer Marken verschwindend gering, allenfalls im Sektor der leichten LKW konnten einzelne Modelle bescheidene Verkaufszahlen erreichen.

Marktbereinigung unter den Lkw- und Bus-Herstellern in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg

In den 1960er- und 1970er-Jahren kam es unter den westdeutschen Nutzfahrzeugherstellern zu einem umfassenden Verdrängungswettbewerb. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es noch zahlreiche Bus- und LKW-Hersteller. Im Krieg war der Großteil der LKW beschlagnahmt und zerstört worden. Der Bedarf für den Wiederaufbau und das beginnende Wirtschaftswunder war immens, so dass der Konkurrenzdruck gering war: Es wurde einfach jeder LKW gebraucht. In den 1960ern begann es sich abzuzeichnen, dass der Bedarf nicht mehr so schnell wachsen würde wie in den vergangenen Jahren. Die Fahrzeuge vieler Hersteller waren außerdem technisch veraltet, so dass teure Neukonstruktionen anstanden. Einige Muttergesellschaften von LKW-Herstellern waren aber nicht bereit, diese Investitionen zu tätigen und veräußerten ihre Töchter an die Konkurrenz. Andere Hersteller hatten sich auf sehr spezielle Konstruktionen festgelegt (siehe unten), die sich am Markt nicht breit genug durchsetzen konnten. Im Endeffekt blieben nur Frontlenker mit vorne eingebauten, wassergekühlten Viertakt-Dieselmotoren übrig. Unternehmen, die an anderen Konstruktionen festhielten, gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Reine Bushersteller konnten sich bis zur Jahrtausendwende halten, bevor auch für sie der Markt zu eng wurde. Im Einzelnen verschwanden folgende große Hersteller mit ihren Marken vom Markt:

  • 1961 - Ford (Köln): Ford baute in der Nachkriegszeit leichte LKW und Busse in Köln, stellte die Produktion 1961 jedoch ein, nachdem die Verkaufszahlen immer weiter gesunken waren. Vor allem die von Ford neu entwickelten, ventillosen Zweitakt-Dieselmotoren vermochten die Kunden nicht zu überzeugen, da sie technisch noch nicht ausgereift genug waren, als sie auf den Markt kamen, und den bis dahin guten Ruf von Ford-LKW deswegen gründlich ruinierten. Mit dem Ford Transit ist jedoch noch bis heute ein Kleintransporter im Angebot.
  • 1961 - Borgward (Bremen): Als nächstes erwischte es den Hersteller Borgward, zu dem auch die Marke Goliath gehörte. Borgward ging 1961 in Konkurs. Das Unternehmen baute Kleintransporter, leichte und mittelschwere LKW, deren Konstruktionen von keinem anderen Hersteller übernommen wurden. Der Bau von Borgward-LKW wurde noch 1961 eingestellt, bis auf eine Ausnahme: Büssing produzierte in eigenem Namen bis 1969 ein Borgward-Militärfahrzeug weiter.
  • 1963 - Kaelble (Backnang): Kaelble hatte neben Sonderfahrzeugen in der Nachkriegszeit auch normale Straßen-LKW und schwere Zugmaschinen hergestellt. Durch die restriktiven Längen- und Gewichtsbeschränkungen der sog. „Seebohmschen Gesetze“ verlor Kaelble seine Marktlücke der schweren LKW und Zugmaschinen, da sich diese Fahrzeuge nun nicht mehr wirtschaftlich einsetzen liesen. Zwar wurden die Restriktionen später wieder aufgehoben bzw. abgemildert, jedoch waren inzwischen die meisten Stammkunden von Kaelble zu anderen Marken gewechselt. 1963 endete daher die LKW- und Zugmaschinen-Produktion, man beschränkte sich fortan auf die Sonderfahrzeuge.
  • 1963 - Henschel (Kassel): Beim Nutzfahrzeughersteller Henschel wird die unrentabel gewordene Produktion von Bussen eingestellt, die LKW-Produktion läuft jedoch weiter.
  • 1968 - Krupp (Essen): Die LKW von Krupp waren in der Nachkriegszeit in Deutschland weit verbreitet. Sie wurden von 1946 bis 1954 unter dem Namen Südwerke vertrieben und mit selbstkonstruierten Zweitakt-Dieselmotoren ausgerüstet. Durch das Beharren auf dieser Konstruktionsart verkauften sich die Fahrzeuge im Laufe der 1960er-Jahre immer schlechter. Neukonstruktionen waren erforderlich und wurden auch in Angriff genommen. Krupp scheute jedoch die immensen Kosten, die damit verbunden waren, und stellte den Bau von LKW 1968 ein. Daimler-Benz übernahm die Vertriebsorganisation. Krupp-Autokräne gab es noch bis 1995, bis dieser Produktionszweig von Grove übernommen wurde, woraufhin der Name Krupp auch von den Autokränen verschwand.
  • 1968 - Faun (Lauf an der Pegnitz): Faun produzierte in der Nachkriegszeit auch normale Straßen-LKW und Zugmaschinen, stellte die LKW-Fertigung jedoch 1968 ein, um sich nur noch dem Bau von Zugmaschinen und Sonderfahrzeugen wie Autokränen zu widmen. In erster Linie dürfte dafür eine Rolle gespielt haben, daß die produzierten LKW-Stückzahlen im Vergleich zu den anderen Herstellern zu gering waren, um sich z. B. eine kostenintensive LKW-Entwicklungsabteilung und ein eigenes Vertriebsnetz auf Dauer leisten zu können.
  • 1970 - Hanomag-Henschel (Hannover): Die Hersteller Hanomag (Hannover, zu Hanomag gehörte auch die Marke Tempo) und Henschel (Kassel) waren 1969 von der Muttergesellschaft Rheinstahl zu Hanomag-Henschel zusammengefasst worden. Die Fusion war von Anfang an dazu gedacht, einem finanzkräftigen Partner den Einstieg in das Unternehmen zu ermöglichen. Verhandlungen mit Klöckner-Humboldt-Deutz über einen Zusammenschluss von Hanomag-Henschel mit Magirus-Deutz scheiterten. Der Partner fand sich schließlich in der Firma Daimler-Benz, die 50% des Kapitals der neuen Gesellschaft beisteuerte. 1970 übernahm Daimler-Benz die restlichen Anteile von Rheinstahl. Daimler-Benz hatte zugesagt, dass beide Marken (Mercedes-Benz und Hanomag-Henschel) parallel bestehen bleiben würden, zog diese Aussage jedoch bereits 1972 zurück. Bis 1974 wurden Fahrzeuge unter dem Namen Hanomag-Henschel gebaut, dann verschwanden auch diese beiden Markennamen aus der Welt der Nutzfahrzeuge.
  • 1972 - Büssing (Braunschweig): Büssing produzierte Busse und mittelschwere bis schwere LKW. Eine Spezialität der Firma waren Fahrzeuge mit Unterflurmotor, die sich in LKW für den Fernverkehr auch verkaufen ließen, bei Nahverkehrsfahrzeugen, Sattelschleppern, Baustellenkippern und Allradfahrzeugen jedoch kaum über das Versuchsstadium hinauskamen bzw. nur geringe Verkaufserfolge hatten. Für diese Anwendungen wurden daher klassische Langhauber- und Frontlenkerfahrzeuge parallel zu den Unterflurmodellen angeboten, was in Konstruktion und Fertigung einen erheblichen Mehraufwand verursachte. 1960 erwirtschaftete Büssing zum letzten Mal Gewinn. 1962 stieg die Salzgitter AG in das Unternehmen ein und übernahm es bis 1968 vollständig. Die Entwicklung des sog. „Supercargo Decklasters“ bis 1965, dessen gesamte Grundfläche durch ein unter der Ladefläche angebrachtes Fahrerhaus für genormte Transportbehälter zu Verfügung stand, kostete eine Menge Geld. Büssing kam mit seiner wegweisenden Konstruktion aber zu früh (genormte ISO-Container setzten sich erst Ende der 70er Jahre durch), so daß das Modell sich nicht verkaufen lies. Nachdem die enormen Kosten, die Büssing verschlang, selbst die Muttergesellschaft zu gefährden begannen, verkaufte diese ihre Tochter zwischen 1968 und 1972 nach und nach an den Konkurrenten MAN. 1971 wurden die letzten Fahrzeuge unter dem Namen Büssing gebaut. MAN stellte noch bis 1974 Busse und LKW unter dem Namen MAN-Büssing her, dann verschwand der Name Büssing endgültig vom Markt.
  • 1975 - Opel (Rüsselsheim): Opel war in der Nachkriegszeit mit dem Opel Blitz einer der erfolgreichsten Hersteller von leichten LKW auf dem westdeutschen Markt. Die Fahrzeuge waren jedoch jahrelang ausschließlich mit Benzinmotoren erhältlich, den Wünschen der Kunden nach Dieselmotoren kam man viel zu spät nach. 1975 wurde die Herstellung von LKW in Deutschland aufgegeben. Seit 1998 werden aber wieder Kleintransporter angeboten (Typ Movano).
  • 1980 - Magirus-Deutz (Ulm): Die Besonderheit der LKW, Busse und Feuerwehrfahrzeuge dieser Marke betraf die Motoren, bei denen es sich um luftgekühlte Dieselmotoren handelte, die sich mittlerweile nicht mehr so recht verkaufen ließen. Ein Schwerpunkt der Produktpalette lag außerdem auf langhaubigen Baufahrzeugen, obwohl der Trend zum Frontlenker ging. 1975 gliederte die Konzernmutter Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) ihre Marke Magirus-Deutz daher in Form der Magirus-Deutz AG in die von Fiat neu gegründete IVECO ein, an der KHD zu 20% beteiligt war. Die restlichen Anteile gehörten Fiat. 1980 kaufte Fiat den noch bei KHD verbliebenen Restanteil, nachdem sich Klöckner-Humboldt-Deutz entschieden hatte, in das Geschäft mit luftgekühlten Dieselmotoren in den USA einzusteigen, und Geld für die Expansion brauchte. IVECO produziert weiter im ehemaligen Magirus-Deutz-Werk in Ulm LKW und Feuerwehrfahrzeuge, den Markennamen Magirus-Deutz ließ man jedoch sterben. 1983 wurde die Magirus-Deutz AG in IVECO Magirus AG umbenannt, die Busfertigung von Magirus-Deutz in Mainz war schon 1982 geschlossen worden.
  • 1990 - Faun (Lauf an der Pegnitz): 1990 wurde auch die verbliebene Zugmaschinen-Produktion des nunmehr unter Tadano-Faun firmierenden Unternehmens aufgeben. Autokräne von Faun gibt es allerdings bis heute.
  • 1994 - Drögmöller (Heilbronn): Drögmöller wurde 1920 gegründet und stellte seitdem Busse her. 1994 beteiligte sich Volvo an dem Unternehmen, 1995 wurde es in Volvo Bus Deutschland umbenannt. Nach ausbleibenden Markterfolgen wurde die Produktion 2005 eingestellt.
  • 1995 - Kässbohrer (Ulm): Die Firma Kässbohrer stellte seit 1893 Busse her, deren Markenname später SETRA lautete. 1995 wurde die Bussparte an Mercedes-Benz verkauft, die den Markennamen SETRA weiterführt.
  • 2001 - Auwärter (Stuttgart): Die in Stuttgart ansässige Gottlob Auwärter GmbH & Co. KG stellte seit 1953 Omnibusse unter dem Namen NEOPLAN her. Mitte 2001 wurde die Firma von MAN übernommen, die den Markennamen NEOPLAN beibehalten hat.

Die Situation in Deutschland heute

Als Hersteller von Kleintransportern, leichten bis schweren LKW, Sattelschleppern, Zugmaschinen und Bussen verblieben in der Bundesrepublik Deutschland nur noch:

Darüber hinaus stellt die im niederländischen Amsterdam ansässige und dem italienischen Fiat-Konzern gehörende Firma IVECO im deutschen Ulm LKW und Feuerwehrfahrzeuge her.

Nutzfahrzeughersteller in aller Welt

International gibt es bis heute eine Vielzahl von Nutzfahrzeugherstellern; siehe dazu die umfangreiche Liste am Ende des Artikels Lastkraftwagen und die umfangreiche Liste im Artikel Omnibus.

Siehe auch

Literatur

  • Werner Oswald: Deutsche Last- und Lieferwagen, Band 2, 1945-1969. 3. Auflage. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-613-01197-2
  • Werner Oswald: Deutsche Last- und Lieferwagen, Band 3, 1970-1989. 1. Auflage. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-613-02446-2
  • Bernd Regenberg: Die berühmtesten deutschen Lastwagen von 1896 bis heute. 4. Auflage. Verlag Podszun-Motorbücher, Brilon 1997, ISBN 3-923448-89-9
  • Halwart Schrader: Deutsche Lastwagen-Klassiker. 1. Auflage. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-613-01802-0