Zum Inhalt springen

Evangeliumsdienst für Israel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. Oktober 2018 um 17:04 Uhr durch Wikiamiedi (Diskussion | Beiträge) (Arbeit). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Evangeliumsdienst für Israel e.V. (EDI) ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Ostfildern bei Stuttgart. Er wurde 1971 als freies, spendenfinanziertes Werk innerhalb der Evangelischen Landeskirche Württemberg gegründet und ist bis heute dort beheimatet.

Geschichte

Im Dezember 1971 gründete Alfred Burchartz (1923-2009) mit der Unterstützung von Freunden und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg den EDI. Zuvor arbeitete er bei der Schweizerischen Evangelischen Judenmission (SEJ). Die SEJ erfuhr jedoch in den 60ern einen tiefgreifenden Wandel und lehnte jede "Judenmission" ab.[1] Daraufhin verließ Burchartz die Organisation, die heute als Stiftung für Kirche und Judentum firmiert.[2] Als Leiter des EDI entfaltete Burchartz eine große Schaffenskraft: Er schrieb Bücher und Essays, sprach auf Konferenzen sowie in Kirchen und unterrichtete an Bibelschulen; das alles besah mit dem Ziel, Christen das Judentum und seine Traditionen nahezubringen. 1989 gab Burchartz die Geschäftsführung auf, an seine Stelle trat Hartmut Renz. Burchartz blieb aber weiterhin der theologische Leiter des Werks. 1994 kam ein weiterer Schwerpunkt in der Arbeit des EDI hinzu. Mit Anatoli und Irina Uschomirski kamen messianische Juden zum Team dazu, die eine evangelistische Arbeit unter russischsprachigen Juden begannen und im Zuge dessen eine messianische Gemeinde gründeten. Damit fing auch eine theologische Debatte zu dem Thema Judenmission an, die das Werk bis heute herausfordert.[3] (Siehe Kapitel 4 Kontroversen). 2010 wurde Armin Bachor zum dritten theologischen Leiter des EDI und übernahm gleichzeitig auch die Geschäftsführung. Der Vorstand wird seit der Gründung mit einem Pfarrer der Württembergischen Landeskirche besetzt.

Arbeit

Die Arbeit des EDI liegt schwerpunktmäßig in der Begleitung jüdisch-messianischer Gemeinden in Deutschland[4] und Israel[5][6]. Der Verein selbst ist nicht missionarisch aktiv, sondern sieht seine Aufgabe darin, Messianische Juden in Deutschland in ihrer theologischen Entwicklung zu begleiten und in ihren gemeindlichen Diensten zu unterstützen. Die konkrete Zusammenarbeit in Israel erfolgt weitgehend auf informationeller und administrativer Ebene. Zudem finanziert der Verein sozial-diakonische Projekte der Gemeinden, wie zum Beispiel das Seniorenwohnheim Ebenezer in Haifa[7] und den Dienst der Messianischen Gemeinde in Arad[8] unter Beduinen. Auch die arabisch-christliche Versöhnungsinitiative Musalaha wird über die Kooperation des EDI mit dem Caspari-Zentrum[9] in Jerusalem unterstützt. Diese Initiative bringt christliche Araber und messianische Juden zusammen mit dem Ziel, einen Dialog zu initiieren, Verständigung auf der Basis des Evangeliums zu erreichen und Versöhnung zu leben. Ein weiteres Anliegen des Evangeliumsdienstes ist es, Christen über die jüdischen Wurzeln ihres Glaubens aufzuklären und Liebe und Verständnis für das Judentum zu entwickeln. So gibt der EDI Broschüren heraus, die jüdische Traditionen erklären oder historische Themen aufgreifen. Darüber hinaus organisiert der Verein einschlägige Seminare und stellt Vorträge sowie Predigten, die sich mit theologischen Aspekten des messianischen Judentums auseinandersetzen, Interessierten zur Verfügung.

Der EDI sieht sich gegenwärtig in einer Vermittlerrolle: Auf Seiten der Christen möchte er Verständnis dafür wecken, dass Juden, die an Jesus als ihren Messias glauben, ihren Glauben in einer jüdischen Ausdrucksform denken und praktizieren. In diesem Zusammenhang entwickeln Messianische Juden eine Messianisch-Jüdische Theologie und Halacha (Glaubenspraxis). Das geschieht in Analogie zu den jüdisch-stämmigen "Urchristen", die sich, als es noch keine Kirchen gab, in der Synagoge versammelten und sich selber nicht "Christen", sondern "Heilige" nannten. Im Dialog mit dem Judentum möchte der EDI verdeutlichen, dass Jesus-Juden ein Teil der Jahrtausende alten Tradition des jüdischen Volkes sind - selbst wenn das heute normgebende Rabbinische Judentum sie noch nicht als Teil (Konfession) des Judentums anerkennt.

Positionen

Sein theologisches Selbstverständnis begründet der EDI in seinen Leitlinien[10] mit dem paulinischen Bild vom Leib Christi, der aus Juden und Heiden besteht (1Kor 12,13; Gal 3,26-28; Eph 2,14; Kol 3,11). Die jüdische Identität eines Gläubigen bleibt auch dann weiter bestehen, wenn er zum Glauben an Jesus kommt. Da Jesus selbst Jude war, genauso wie die Apostel und die ersten Gemeinden, müsse man das Neue Testament aus seinem jüdischen Kontext heraus verstehen. Der EDI hält an der bleibenden Erwählung Israels fest und lehnt Ersatztheologien ab; der ewig gültige Bund Gottes mit Abraham, Isaak und Jakob sei Ausdruck von „Liebe und Zuwendung zu seinem Volk Israel“.[11] Die Völker erhalten Zugang zum Heil durch Jesus Christus. Darin sieht der EDI die Erfüllung einer Verheißung, die bereits Abraham gegeben wurde (Gen 12,4).[12] Das Evangelium gelte allen Menschen, Juden wie Nichtjuden, einen „zweiten“ Weg zur Erlösung lehnt der EDI strickt ab. Der EDI betont die Einheit der Bibel. Altes und Neues Testament gehörten untrennbar zusammen, der gesamte Text habe für Christen bis heute Gültigkeit. Der „Glaube an Jesus Christus (ist) immer auch Glaube an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“[13]Judenmission“, so sie denn darauf abziele, Juden zum Christentum zu bekehren, sei abzulehnen so der EDI. Denn es gilt, „dass Juden, die an Jesus als ihren Messias glauben, nicht zu einem fremden Gott konvertieren.“ Grundsätzlich aber begrüßt der EDI in der Begegnung mit jüdischen Menschen: "Wer im Geist Jesu Christi das Evangelium in Wort und Tat weitergibt, wird es immer in Respekt, Achtung und Liebe tun, auch wenn der jüdische Gesprächspartner Jesus als Messias ablehnt." Der Evangeliumsdienst bekennt die Schuld der Kirche, Juden über Jahrhunderte hinweg ausgegrenzt und verfolgt zu haben und lehnt jede Form von Antisemitismus ab.

Kontroversen

Kritik am EDI entzündet sich an seiner Haltung zur "Mission unter Juden". Damit stehe er im Widerspruch zur offiziellen Position der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die EKD sprach sich nach langen Debatten und Vorstößen einzelner Landeskirchen 1998 erstmals öffentlich gegen jede Form von Judenmission aus. Als ein Jahr später der Evangeliumsdienst für Israel zum „Markt der Möglichkeiten“ auf dem Evangelischen Kirchentag zugelassen wurde, sagte die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg ihre Teilnahme aus Protest ab. Daraufhin wurde der EDI wieder ausgeladen mit der Begründung, den christlich-jüdischen Dialog nicht stören zu wollen. 2010 erhielten messianische Organisationen auf dem Ökumenischen Kirchentag in München die Möglichkeit, sich und ihr Anliegen zu vertreten. Dies war der Initiative der bayerischen Landessynode zu verdanken. Der Heidelberger Theologie Theo Sundermeier kritisierte ebenfalls die Haltung der Evangelischen Kirche, messianischen Juden und damit Glaubensgeschwistern den Kontakt zu verweigern; dies geschehe aufgrund einer falsch verstandenen Rücksicht gegenüber traditionellen jüdischen Gemeinden.[14] An der Entscheidung der EKD hat sich bis heute nichts geändert. Im Vorfeld des Kirchentags 2015, der in Stuttgart stattfand, sorgte jedoch der Landesbischof Frank Otfried July für Aufsehen, als er verlauten ließ, messianische Juden seien eingeladen, am Kirchentag teilzunehmen. Dieser Vorstoß scheiterte jedoch an den Organisatoren und der Markt der Möglichkeiten blieb auch in diesem Jahr messianischen Gemeinden versperrt. Allerdings wurde auf Drängen der Gastgeber in der Liederhalle eine Podiumsdiskussion ausgerichtet, bei der erstmals ein messianischer Jude auf einem Kirchentag zu Wort kam.[15] Zudem fand in der Messianisch-jüdischen Gemeinde "Adon Jeschua" in Stuttgart ein außerplanmäßiger Schabbatgottesdienst einschließlich einer Podiumsdiskussion statt, zu dem etwa 400 Gäste kamen. Am 9. November 2016 veröffentlichte die Synode der EKD das Papier „...der Treue hält ewiglich.“ (Psalm 146,6) – „Eine Erklärung zu Christen und Juden als Zeugen der Treue Gottes.“[16] Darin bekräftigte sie ihr "Nein" zur Judenmission:

„Christen sind – ungeachtet ihrer Sendung in die Welt – nicht berufen, Israel den Weg zu Gott und seinem Heil zu weisen. Alle Bemühungen, Juden zum Religionswechsel zu bewegen, widersprechen dem Bekenntnis zur Treue Gottes und der Erwählung Israels.“

Der EDI kritisierte zum einem die Aussage über Zwangskonversionen in der Einleitung zu den Thesen; schließlich gebe es diese heute nicht mehr.[17] Zum anderen merkte er kritisch an, dass die Existenz messianischer Juden mit keinem Wort in der Kundgebung erwähnt wird. Letzteres holte der Rat der EKD ein Jahr später nach. Im Oktober 2017 veröffentlichte er das Positionspapier Judenchristen – jüdische Christen – »messianische Juden«. Darin setzt sich die Evangelische Kirche erstmals ausführlich mit der neueren Messianischen Bewegung in Deutschland auseinander und bemüht sich um eine Stellungnahme. Auch der EDI wird als Unterstützer erwähnt, verbunden mit der Unterstellung, diese hielten das Judentum für „defizitär“, weil sie auf dem Bekenntnis zu Christus als Erlöser für alle, und damit auch für Juden, beharren. Der EDI reagierte auf diese Erklärung mit einer Stellungnahme im April 2018.[18]

Kooperationspartner

Der EDI ist als innerkirchliches Werk Mitglied der Württembergischen Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Weltmission[19] und Kooperationspartner der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS) sowie Mitglied in der Evangelischen Mittelost-Kommission (EMOK)[20] der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Auf internationaler Ebene ist der Evangeliumsdienst für Israel Mitglied der LCJE (Lausanne Konsultation on Jewish Evangelism).[21]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Alfred Burchartz: Christliches Zeugnis für Israel heute. In: Alfred Burchartz, Baruch Maoz: Israel – unsere Liebe Beiträge zur gegenwärtigen Diskussion um eine Erneuerung des Verhältnisses zwischen Christen und Juden.. Evangeliumsdienst für Israel, Leinfelden, o. J., S. 10–14.
  • Hartmut Renz (Hrsg.): Juden finden ihren Messias. Berichte und Zeugnisse aus 40 Jahren Evangeliumsdienst für Israel. SCM Hänssler, Holzgerlingen 2012
  • Anatoli Uschomirski: Hilfe, Jesus, ich bin Jude. Ein Leben zwischen den Welten. 2. Auflage. SCM Hänssler, Holzgerlingen 2017.
  • Ders. Den Juden zuerst. Theologische Perspektiven der „Judenmission“ in den kirchengeschichtlichen Epochen, Korntaler Reihe Band II, VTR: 2014.

Einzelnachweise

  1. Ernst Ludwig Ehrlich: Christen und Juden heute. Notwendigkeiten und Schwierigkeiten im Dialog. S. 26, In: Hans Euler, Ansgar Kuschel (Hrsg.): Der Dialog zwischen und Christen: Versuche des Gesprächs nach Auschwitz. Campus, Frankfurt/New York 1999.
  2. Hartmut Renz, Alfred Burchartz: A Giant for Jewish Evangelism. In: LCJE Bulletin. Nr. 98, 2009, S. 22–24.
  3. Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): Judenchristen – jüdische Christen – „messianische Juden“. Eine Positionsbestimmung des Gemeinsamen Ausschusses „Kirche und Judentum“ im Auftrag des Rates der EKD. Hannover 2017. ekd.de (PDF).
  4. Messianisch Jüdische Gemeinde. Abgerufen am 17. September 2018.
  5. Israel. Abgerufen am 17. September 2018.
  6. MC Arad. Abgerufen am 17. September 2018.
  7. Ebenezer. Abgerufen am 10. Oktober 2018.
  8. Messianische Gemeinde Arad. Abgerufen am 10. Oktober 2018.
  9. Caspari Center. Abgerufen am 17. September 2018.
  10. EDI Leitlinien. Abgerufen am 17. September 2018.
  11. edi-online.de
  12. Ibid.
  13. Ibid.
  14. idea.de
  15. Markus Brauer in den Stuttgarter Nachrichten: Ein Streitgespräch ohne Ergebnisse. 5. Juni 2015. stuttgarter-nachrichten.de Abgerufen am 23. April 2018.
  16. EKD, Beschlüsse, 3. Tagung der 12. Synode der EKD, Magdeburg 3. bis 9. November 2016 ekd.de Abgerufen am 23. April 2018.
  17. EDI Stellungnahme. Abgerufen am 13. September 2018.
  18. EDI Stellungnahme. Abgerufen am 13. September 2018.
  19. WAW. Abgerufen am 18. September 2018.
  20. EMOK. Abgerufen am 18. September 2018.
  21. LCJE. Abgerufen am 18. September 2018.