Mitteldeutsche Straße der Braunkohle
Die Mitteldeutsche Straße der Braunkohle ist eine Themenstraße, die sich mit dem Abbau von Braunkohle, den Rekultivierungsmaßnahmen und der Bergbautechnik im mitteldeutschen Braunkohlerevier beschäftigt. Entlang den Haupt- und Nebenrouten sind bislang etwa 200 Objekte aus den Themenbereichen Technik, Natur und Landschaft, Bildung, Siedlung, Wasser sowie Erholung ausgeschildert.
Hintergrund
Exkurs: Braunkohlenbergbau in Mitteldeutschland
Die früheste bekannte Förderung erfolgte 1382 in Lieskau. Im Jahr 2004 wurden 20,3 Mio. Tonnen gefördert.
Mitteldeutsche Straße der Braunkohle
Der Braunkohlenbergbau hat im Laufe seiner über 300jährigen Geschichte einerseits eine jahrhundertealte Kulturlandschaft in Anspruch genommen, andererseits aber gerade durch seine Eingriffe selbst wesentlich zur Kulturlandschaftsentwicklung beigetragen. Die neue Landschaft von Menschenhand (SAUER 2002) hinerließ der Nachwelt bei ihrem Zusammenbruch mehrere hundert Sachzeugen aus dem Bereich der Gewinnung und Verarbeitung der Braunkohle. Obwohl in der Gesellschaft ein breiter Konsens über die Verpflichtung zur Bewahrung markanter historischer Objekte und Sachzeugen besteht, überwogen beim Umgang mit den Hinterlassenschaften der Bergbau- und Braunkohlenindustrie im Südraum Leipzig Anfang der 1990er Jahre Verlusterfahrungen. Die im Zuge der Wende zu Tage getretenen Akzeptanzprobleme gegenüber der Braunkohlen- und Energiewirtschaft (Umweltverschmutzung, Devastierungen) sowie fehlende Nach- und Umnutzungskonzepte führten zu einem raschen Abriss bzw. Rückbau stillgesetzter Tagebau-Großgeräte und Fabrikanlagen. Angesichts von ehemals über 50.000 Beschäftigten in der mitteldeutschen Braunkohlenindustrie haben auch arbeitsmarktpolitische Aspekte bei der Forcierung von Rückbau und Abriss eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt, konnte doch mit den umfangreichen Rückbaumaßnahmen zumindest ein Teil der Belegschaften weiter beschäftigt werden.
Innerhalb weniger Jahre verschwanden zahlreiche das Bild der Region bestimmende Sachzeugen der Arbeits- und Technikwelt, oft per Sprengung in sekundenschnelle, von der Bildfläche. Erst Mitte der 1990er Jahre setzte, nicht zuletzt auch maßgeblich bedingt durch den 1995 begonnenen Teilabriss der denkmalgeschützten Brikettfabrik Neukirchen ein Umdenken der Akteure vor Ort ein. Zunehmend gewann bei Entscheidungsträgern und der Bevölkerung die Einsicht an Bedeutung, dass die Kulturlandschaft Mitteldeutschland in ihrer jetzigen und späteren Erscheinung nur als Ergebnis des industriellen Bergbauzeitalters begreifbar sein wird. Um so mehr war es notwendig, noch vorhandene Zeugnisse dieser ausgehenden Epoche gleichberechtigt neben Monumenten anderer Epochen zu erhalten und aufzuarbeiten. Dies stellt zugleich einen wichtigen Beitrag zur Wiederbelebung der regionalen Identität dar. Darüber hinaus ist der Kultur- und Industrietourismus ein seit einigen Jahren wachsendes Marktsegment. Im Tourismussektor ist nachfrageseitig derzeit ein starkes Interesse an der Entwicklung des regionalen Natur- und Kulturraumes insbesondere dann zu verzeichnen, wenn dieser eine sehr spezielle Prägung erfahren hat. Damit können sich aus dem Erhalt des industriekulturellen Erbes auch neue touristische Perspektiven für den Südraum ergeben.
Die Suche nach einem Konzept zur Vermittlung und Auseinandersetzung mit der Bergbaugeschichte führte 1996 über eine Vereinsgründung zur Schaffung einer mitteldeutschen Straße der Braunkohle, welche sich konzeptionell in die Landschaft der über 100 touristischen Straßen in Deutschland einordnet. Im Allgemeinen sind Touristische Straßen ein Instrument der regionalen Wirtschaftsförderung und des Regionalmarketing. Über die Verbindung von Attraktionen einer überregional interessierenden Thematik (Deutsche Uhrenstraße, Silberstraße, Straße der Romanik, Porzellanstraße etc.) sollen Zielgruppen gewonnen bzw. gebunden, die infrastrukturelle Auslastung verbessert und ökonomisch-infrasrukturelle Wachstumseffekte in der Fläche erreicht werden.
Die Straße der Braunkohle versteht sich vornehmlich als Bildungsangebot für Einheimische und Gäste in der Region und will den in Mitteleuropa hinsichtlich seines Flächenumgriffes und seiner Veränderungstiefe beispiellosen Strukturwandel erlebbar [...] machen (DACHVEREIN MITTELDEUTSCHE STRASSE DER BRAUNKOHLE e.V. 2004). Hauptanliegen des Trägervereins ist neben der Ausweisung bzw. Beschilderung eines Leitsystems die Bereitstellung von Informationsmaterialien (Publikationen, Karten, Flyer, Homepage). Der Verein fungiert zudem als Kontaktbörse für Tourismusvereine und Reiseunternehmen. Wesentlicher Baustein zur Etablierung der Braunkohlenstraße war die Aufnahme in die Regionalplanung. So ist im Regionalplan Westsachsen der Erhalt geeigneter bergbaubezogener Sachzeugen und Einrichtungen sowie deren Verknüpfung mit kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten als Grundsatz zur Entwicklung thematischer Tourismusangebote verankert.
Im Verlauf der Straße der Braunkohle wurden bisher in ganz Mitteldeutschland ca. 200 Sachzeugen innerhalb der Themengruppen Technik/Industriearchitektur (Tagebaugroßgeräte, Kraftwerke, Brikettfabriken, Bahnanlagen, Technikartefakte), Natur und Landschaft (geologische Aufschlüsse, Lehrpfade, Sukzessionsflächen, Naturschutzgebiete), Bildung (Museen, Ausstellungen, Informationszentren), Siedlung (archäologische Ausgrabungsstätten, revitalisierte Tagebaurand-gemeinden), Freizeit, Sport und Erholung (Restseen), Wassersportangebote, umgenutzte Industriebauten) und Wasser (verlegte Flussläufe, Flutungsbauwerke, Hochwasserschutzanlagen) erfasst.
Bisher lässt sich feststellen, dass es mit dem Konzept der Straße der Braunkohle gelungen ist, ein fundiertes Informations- und Bildungsangebot zur bisherigen und künftigen Entwicklung der mitteldeutschen Braunkohlenwirtschaft zu etablieren, aus dem bereits erste touristische Impulse erwachsen. Die Mitteldeutsche Braunkohlenstraße macht den Struktur- und Landschaftswandel erlebbar und trägt dadurch zum Imagewandel der Region dar. Das Konzept profitiert dabei in erster Linie vom Engagement der Beteiligten, der stärker werdenden Faszination, welche technische Anlagen und industriearchitektonische Bauten auf breite Massen der Bevölkerung ausüben, der Verknüpfung von Bildungs-, Informations- und Unterhaltungsangeboten (edutainment: education by entertainment) und der Konzentration anderer vorhandener touristischer Straßen auf Themen abseits der Industrie- und Wirtschaftsgeschichte. Der Erfolg des Konzeptes lässt sich nicht zuletzt auch daran bemessen, dass ein im (heute) wesentlich bedeutenderen Rheinischen Braunkohlenrevier erarbeiteter Vorschlag für eine Rheinische Straße der Braunkohle grundlegende Inhalte des Konzeptes der Mitteldeutschen Straße der Braunkohle aufgreift.
Trägerschaft
Die Entwicklung der Mitteldeutschen Straße der Braunkohle wird vom Dachverein Mitteldeutsche Straße der Braunkohle e.V. koordiniert.
Verlauf
Die Straße führt durch die drei Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Sie beginnt im Gebiet Gräfenhainichen bzw. Bitterfeld, verläuft über den Nordraum und Südraum von Leipzig zum Altenburger Land und biegt dann nach Westen ab zum Abschnitt Zeitz, Hohenmölsen, Weißenfels um schließlich im Geiseltal bei Röblingen nahe Halle (Saale) zu enden.
Routenpunkte (Auswahl)
Themenbereich Technik
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Schaufelradbagger in Ferropolis
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ehem. Brikettfabrik Borna-Witznitz
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Bagger 1547 im Bergbau-Technik-Park
- "Ferropolis" - Die Stadt aus Eisen
- Haus am See in Schlaitz, Naturschutz- und Informationszentrum am vor 30 Jahren gefluteten Tagebau Muldenstein
- Bitterfelder Wasserfront Renaturierte Bergbaulandschaft
- Kreismuseum Bitterfeld Bernstein und Geologie
Literatur
- Andreas Berkner (1996): Projekt Mitteldeutsche Braunkohlenstraße. in: Christlicher Umweltverein Rötha/Pro Leipzig e.V. [Hrsg.] (1996): Freizeit- und Erholungslandschaft Südraum Leipzig. Südraum-Journal Bd. 2. Leipzig. S. 22-31.
- Andreas Berkner (2006): Braunkohle im Osten Deutschlands. in: tec21 - Fachzeitschrift für Architektur, Ingenieurwesen und Umwelt. Heft 3/4-2006. S. 4-7. Download (pdf, 1 MB)
- Dachverein Mitteldeutsche Straße der Braunkohle e.V. [Hrsg.] (2004): Auf der Straße der Braunkohle. Eine Entdeckungsreise durch Mitteldeutschland. Leipzig. ISBN 3-936508-98-4.
- I. J. Demhardt (2000): Verkehrslinien als touristische Attraktionen. in: Institut für Länderkunde [Hrsg.] (2000): Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland. Bd. 10 Freizeit und Tourismus. Heidelberg/Berlin. S. 64-67.
- Hans Dieter Sauer (2002): Neue Landschaft von Menschenhand im Osten Deutschlands. Neue Zürcher Zeitung vom 2.8.2002
- Lutz Schiffer et.al. [Hrsg.] (2002): Bergbaurestseen in Mitteldeutschland. Seenkompass. Chemnitz/Espenhain.
- Wirtschafts- und Regionalmagazin ARGOS (1998): Sonderausgabe Braunkohle: Die Mitteldeutsche Braunkohlenregion zwischen Geschichte und Revitalisierung. Leipzig.
siehe auch
- Straße der Energie im Rheinischen Braunkohlerevier der Ville
- Kohleveredlung (Brikettierung)
- Liste von Bergwerken in Deutschland
- Liste abgebaggerter Ortschaften
Weblinks
- Dachverein Mitteldeutsche Straße der Braunkohle e.V.
- Konzepte zu Erhalt und Erschließung von Bergbau-Sachzeugen in Mitteldeutschland
- Verein Mitteldeutscher Umwelt- und Technikpark e.V. - Industriekultur in Mitteldeutschland
- Themenroute Kohle-Dampf-Licht
- Europäische Route der Industriekultur - Themenroute Bergbau
- GIS-basierte Informationen zur Seenentwicklung in Mitteldeutschland