Moorbrand im Emsland 2018
![]() – WTD 91 – | ||
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Staatliche Ebene | Bund | |
Stellung | Wehrtechnische Dienststelle der Bundeswehr | |
Aufsichtsbehörde | Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) | |
Gründung | 1876 als Schießplatz Meppen | |
Hauptsitz | Meppen | |
Bedienstete | ca. 1000 | |
Netzauftritt | www.baain.de |

Die Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition 91 (WTD 91) in Meppen gehört zum Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Sie bietet Dienstleistungen auf dem Gebiet der Messtechnik für militärische Zwecke. Sie verfügt über den größten mit Messinstrumentarien ausgestatteten Schießplatz Europas[1] und wird seit 1957 von der Bundeswehr genutzt.
Ausdehnung
Der Schießplatz umfasst aktuell eine Fläche von 19.200 Hektar, davon sind 9.700 ha Bundeseigentum und 9.500 ha gepachtete Flächen. Die Länge beträgt etwa 31 Kilometer, die Breite 5 bis 7 km. Als maximale Schussweite sind 28 km angegeben.
Geschichte
Einrichtung
Mit Vertrag vom 1. Februar 1877 richtete die Essener Firma Krupp nordöstlich von Meppen bei der Hümmling-Gemeinde Wahn einen Schießplatz zur Erprobung reichweitengesteigerter Heeres- und Marinegeschütze ein. Ursprünglich hatten die Tests auf einem eigenen kleinen Schießplatz bei Dülmen sowie auf dem staatlichen Schießplatz Berlin-Tegel stattgefunden. Krupp strebte jedoch für die Entwicklung seiner Waffen nach Unabhängigkeit gegenüber dem Kriegsministerium. Das damals dünn besiedelte Emsland war für die Einrichtung eines Schießplatzes ideal, das Gelände lag an der Bahnlinie vom Ruhrgebiet nach Emden.[2]
Krupp erwarb anfangs nur ein kleines Areal von etwa 17 km Länge und 2 km Breite, und für die Schießvorhaben wurde weiteres Gelände angemietet. Lokale Grundbesitzer erhielten jeweils über eine Vertragslaufzeit von 30 Jahren eine sogenannte „Schießmiete“.
Nachdem 1916 versehentlich das Wahner Pfarrhaus von einer Granate getroffen wurde, plante man eine Erweiterung des Schießplatzes. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges kamen diese Pläne jedoch nicht mehr zur Ausführung.[3][4]
Betrieb bis 1918

Der Gleisanschluss zum Bahnhof Meppen wurde 1878 fertiggestellt sowie auf dem Schießplatz ein weitläufiges Schienennetz angelegt. Verschiedene Beobachtungsstände, Sicherheits-, Fernsprech- und Telegrafieeinrichtungen waren erforderlich. Für die befestigten Feuerstellungen mit den Bettungen der Geschütze wurde ein elektrischer Kran mit 75 t Tragkraft errichtet. Außerdem baute man Werkstätten, Lager und von Erdwällen umgebene Pulvermagazine.
Am 5. September 1877 begann der Schießbetrieb mit einem 12-cm-Belagerungs-Geschütz. Im Juli 1878 erfolgte ein internationales Versuchsschießen mit der Vorführung einer 35-cm-Ringkanone. Vom 5. bis 8. August kam es zu einem weiteren internationalen Vergleichsschießen mit der Teilnahme von 97 Offizieren aus 18 Ländern.
Für die Kaiserliche Marine erprobte man großkalibrige Schiffsgeschütze. Kaiser Wilhelm II. besuchte mehrfach den Schießplatz, so am 28. April 1892. Neben der Erprobung von Geschützen erfolgten auch Beschussversuche an Panzerungen, außerdem wurden Lafetten getestet. Der im Ersten Weltkrieg unter dem Namen Dicke Bertha bekannt gewordene 42-cm-Gamma-Mörser wurde ebenfalls hier erprobt, außerdem 1914 eine sogenannte „Weitschusskanone“ vom Kaliber 35,5 cm. Deren Granaten schlugen jedoch auf Grund fehlerhafter Berechnungen im Wester-Moor in der Gemeinde Saterland ein. Daraufhin erfolgte die weitere Erprobung dieses Geschützes auf dem Schießplatz Altenwalde. Auch das 21-cm-Paris-Geschütz wurde ab 1916 auf dem Schießplatz entwickelt.
Das Wahrzeichen des Schießplatzes, der 24 m hohe Wasserturm, wurde um 1910 errichtet.
Betrieb nach 1918
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde auf Beschluss der ehemaligen Kriegsgegner der Betrieb eingestellt und bis 1923 unter Aufsicht der Alliierten der Schießplatz demilitarisiert. Ab 1920 betrieb Krupp hier eine eigene Landwirtschaft, doch schon ab 1927 begann man auf Initiative des Reichswehrministeriums für ein Neubauprogramm der späteren Kriegsmarine mit der Erprobung neuer 28-cm-Geschütze.
Ein leistungsstarkes Wasserwerk wurde errichtet und es entstanden Anlagen zur Munitionsproduktion. Nach einem Besuch Adolf Hitlers am 10. Juni 1936 wurde eine Erweiterung des Geländes beschlossen. Die Umsiedlung der etwa 1.000 Einwohner des in der Schusslinie liegenden Ortes Wahn vor allem nach Rastdorf und Lathen erfolgte zwischen 1939 und 1943. Der Ort und die 1746 erbaute Antoniuskirche wurde abgerissen.[5] Der Schießplatz erreichte somit eine Länge von über 50 km.
Ende 1944 wurde der Schießbetrieb eingestellt und kanadisches Militär besetzte am 8. April 1945 das Gelände.
Ab 1945
Die Liegenschaft wurde in den ersten Nachkriegsjahren erneut vollständig demilitarisiert, die Anlagen wurden demontiert oder zerstört und erhaltene Gebäude von zivilen Gewerbebetrieben genutzt. Das Gelände wurde Ende der 1950er Jahre von der Britischen Besatzungsmacht zum größten Teil zur landwirtschaftlichen Nutzung freigegeben, ein gesperrter Bereich wurde von der Royal Air Force als Bombenabwurfplatz genutzt. Wegen der Errichtung des Dortmund-Ems-Kanals erfolgte 1954 die Verlegung eines Abschnittes der Meppen-Haselünner Eisenbahn über das Gelände des Schießplatzes.
Nutzung durch die Bundeswehr
Das Verteidigungsministerium beschloss am 3. Juli 1957, die Anlage wieder als Schießplatz zu nutzen und es entstand die Erprobungsstelle für Waffen und Munition Meppen. Mit dem 1. August 1957 erwarb die Bundesrepublik Deutschland die fast 10.000 ha große Liegenschaft und das Personal des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung zog ein. 1962 erfolgte die Umbenennung in Erprobungsstelle 91 der Bundeswehr, 1987 wurde daraus die Wehrtechnische Dienststelle 91. In den letzten Jahrzehnten erfolgte ein umfassender Ausbau der Erprobungsanlage. Die Bettungsstraße 1800 wurde errichtet, hier liegt auch die Schießleitung. Unter anderem entstanden mehrere Hauptfeuerstellungen, gedeckte Feuerstellungen, Einzelfeuerstellungen, eine Steilfeueranlage, erdumwallte Feuerstellungen sowie Materialbeschussstände. Sprengplätze, eine Unterwassersprenganlage und ein Zünderteich zur Erprobung von Annäherungszündern wurden angelegt, Zielstellungen und Bombenwurfflächen eingerichtet. Verschiedenste Messeinrichtungen wie z. B. Schallmesskreise, Kinotheodolite und Fototheodolite, Radartechnik usw. wurden genutzt. Ein Munitionsarsenal verfügt über Werkstätten zum Befüllen, Prüfen und Delaborieren von Munition. Außerdem gehört zum Schießplatz ein Fliegerhorst mit Hubschrauberlandeplatz.
Im Jahre 2000 wurde ein Qualitätsmanagement eingeführt und die Dienststelle nach DIN ISO 9001:2000 zertifiziert und 2003 bei einer Rezertifizierung bestätigt.[6]
Im Jahre 2009 übernahm das Fachzentrum für Explosivstoffe der WTD 91 die explosivstoffbezogenen Aufgaben des Wehrwissenschaftlichen Instituts für Werk-, Explosiv- und Betriebsstoffe (WiWEB), die zuvor in der Gemeinde Swisttal bei Bonn angesiedelt waren.[7]
Aufgaben
Auf dem Schießplatz Meppen werden für Heer, Luftwaffe und Marine Waffen und Waffensysteme, Munition, Lenkflugkörper, Drohnen, Panzerungen, Schutzeinrichtungen sowie viele weitere Arten von technischem Gerät erprobt. In den Bereichen Ballistik, Akustik, Optronik und Meteorologie verfügt die WTD 91 über die alleinige Fachkompetenz im Rüstungsbereich der Bundeswehr.[1] Auch Unternehmen der Rüstungsindustrie können Material und Ausrüstung in Meppen testen.[8]
So wurden hier unter anderem auch die Panzerkampfwagen Leopard 1 und Leopard 2 sowie die Panzerhaubitze 2000[9] ausführlichen Prüfungen unterzogen.
Moorbrand 2018


Die Bundeswehr führte auch während der Trockenheit im europäischen Sommer 2018 auf ihrem Übungsgelände Schießerprobungen durch. Dadurch setzte sie unabsichtlich eine Moorfläche mit Raketen in Brand, die ein Hubschrauber am 4. September 2018 abgefeuert hatte. Eine Löschraupe, die sich besonders gut für diese Art des Geländes eignet, fiel während der ersten Löschmaßnahmen mit einem technischen Defekt aus. Das zweite Fahrzeug dieses Typs stand kurzfristig in der Werkstatt. Verteidungsministerin Ursula von der Leyen entschuldigte sich am 20. September bei den Menschen in der Region.[10] Zur Brandbekämpfung, die durch mögliche Munitionsreste in dem Gebiet behindert wird, sind über 1000 Feuerwehrleute und Angehörige des Technischen Hilfswerks im Einsatz. Der wochenlang schwelende Brand weitete sich bis zum 20. September 2018 auf eine Fläche von 800 Hektar aus, setzte mehr als 500.000 Tonnen jahrtausendelang im Boden gespeichertes CO2 frei[11] und sorgte für Sichtbehinderungen in der mehr als 100 km entfernten Stadt Bremen. Aus einem Fluss wurde Wasser auf die trockene Fläche gepumpt um das Moor (wieder) zu vernässen und eine weitere Ausbreitung zu stoppen.[11]
Der Vorfall löste Kritik am Handeln der Bundeswehr aus. Die Feuerwehr Bremen beschwerte sich, von der Bundeswehr nicht über den Brand informiert worden zu sein. Der niedersächsische Landtagsabgeordnete Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen) erstattete für seine Fraktion wegen fahrlässiger Brandstiftung Strafanzeige gegen die Bundeswehr. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt gegen Unbekannt wegen des Vorwurfes der fahrlässigen Brandstiftung. Die Staatsanwaltschaft und die Polizei durchsuchten am 20. September die Wehrtechnische Dienstelle und stellten Unterlagen sicher.[12] Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte: „Wenn ich ehrlich sein soll – ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, nach diesem trockenen Sommer ausgerechnet im Moor Schießübungen zu veranstalten.“[13] Laut einem Vertreter der Wehrtechnischen Dienststelle 91 sei man sich der erhöhten Brandgefahr bewusst gewesen. In dem Gebiet kommt es jährlich etwa 50 Mal zu Moorbränden.[14]
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) besuchte am 22. September 2018 Meppen und die WTD 91 und entschuldigte sich für den Moorbrand auf dem Bundeswehrgelände.[15]
Literatur
- Waffen-Arsenal Band 130: 500 Jahre deutsche Riesenkanonen
- Bundeswehr, WTD 91 Meppen: 125 Jahre Schießplatz Meppen
- Hans Altmeppen-Többen: Die Geschichte des Kruppschen Schießplatzes und der Wehrtechnischen Dienststelle in Meppen. Goldschmidt-Druck, Werlte 1988, ISBN 3-927099-06-6.
Weblinks
- Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr: Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition (WTD 91), Meppen, abgerufen am 16. April 2013
- Relikte.com: ausführliche Geschichte des Schießplatzes, abgerufen am 16. April 2013
- Hartziel.de: Fahrzeuge auf dem Schießplatz Meppen, abgerufen am 16. April 2013
Einzelnachweise
- ↑ a b Portrait der WTD 91. (html) Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung, 22. April 2008, abgerufen am 5. Mai 2010.
- ↑ Schießplatz zu Meppen. (PDF; 1,9 MB) Baedeker, abgerufen am 5. April 2013.
- ↑ Christian Gehrs: Dorf Wahn. Meppener Tagespost, 22. Februar 2008, ehemals im ; abgerufen am 16. April 2013. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ Alte Dorfstelle Wahn. Kreisarchiv Emsland, abgerufen am 16. April 2013.
- ↑ Karsten Krogmann: Suche nach dem verschwundenen Dorf. Nordwest-Zeitung online, 18. Januar 2012, abgerufen am 5. April 2013.
- ↑ Aus der Geschichte der WTD 91. Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, 30. August 2012, abgerufen am 16. April 2013.
- ↑ Termin des Wiweb-Umzugs von Heimerzheim nach Meppen steht fest. General-Anzeiger Bonn, 21. November 2008, abgerufen am 8. November 2016.
- ↑ Aufgaben der WTD 91. Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, 30. August 2012, abgerufen am 16. April 2013.
- ↑ Dirk Hellmers: Übungen auf Meppener Schießplatz – Geschützfeuer war noch in Papenburg zu hören. Neue Osnabrücker Zeitung, 7. Februar 2012, abgerufen am 14. Oktober 2015.
- ↑ Löschraupe war defekt: Soldaten bekämpfen Feuer nach Raketentest bei n-tv.de vom 17. September 2018, abgerufen 20. September 2018
- ↑ a b Moorbrand: Mehr als 500.000 Tonnen CO2 freigesetzt bei ndr.de vom 17. September 2018
- ↑ Moorbrand wird Fall für die Justiz bei ndr.de vom 20. September 2018
- ↑ Yasemin Fusco, Karola Meyer-Schilf: Folgenreicher Einsatz im Inneren bei taz Nord vom 20. September 2018
- ↑ Yasemin Fusco: Bundeswehr fackelt Moor ab bei taz Nord vom 13. September 2018
- ↑ https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/osnabrueck_emsland/Moorbrand-Von-der-Leyen-entschuldigt-sich-erneut,moorbrand194.html
Koordinaten: 52° 44′ 34,6″ N, 7° 19′ 26,8″ O