Geschichte der Tuchindustrie in Forst (Lausitz)
Die Etablierung der Tuchindustrie in Forst (Lausitz) begann Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Möglichkeiten der Rohstoffgewinnung in der Region in und um Cottbus boten dazu ideale Voraussetzungen. Bereits im Mittelalter waren die Herstellung von Flachs und Wolle Bestandteil des alltäglichen Lebens. Die Fusionierung von unterschiedlichen Handwerken für die Herstellung von Tüchern sowie der Ausbau einer Infrastruktur führten zur Erweiterung der Textilfabriken und zur Erhöhung der Produktion.
Die Anfänge
Nachdem der Kaufmann Jeschke im Jahre 1821 die erste Spinnerei in Forst (Lausitz) mit 165 Arbeitern eröffnet hatte, entwickelte sich die Textilindustrie so rasant, dass die Stadt bald den Beinamen „Das deutsche Manchester“ erhielt. Insbesondere die im Jahre 1844 von Gottlieb Hennig in seiner Fabrik eingeführte Dampfmaschine trug zu dieser Entwicklung bei. So wurden 1885 bereits 56 Tuchfabriken, mehr als 100 Pachtbetriebe und 32 Spinnereien und Appreturen in Forst gezählt. Insgesamt waren knapp 7.000 Arbeiter in der Textilbranche beschäftigt. Kaum zehn Jahre später war die Zahl der Fabriken, die mit der Textilherstellung befasst waren, auf 200 angestiegen. Die im Jahre 1893 in Betrieb genommene Forster Stadteisenbahn trug ihren Teil zur raschen Verbreitung der Forster Tuche bei.
Eine der Tuchfabriken gehörte dem Tuchmachermeister Carl August Groeschke. Dieser führte 1840 die Produktion von gemusterten Stoffen ein, die unter dem Namen „Buckskin“ (engl.: Bockfell) geführt wurden. Wurde Groeschke anfangs als „Pfuscher“ oder „Störer“ betitelt und sogar aus der Tuchmacherinnung ausgeschlossen, erkannte die aufstrebende Forster Textilbranche jedoch schnell, dass die Fabrikation von Buckskin bedeutend preiswerter war als der Kauf von Importen aus England.
Die Tuchfabrik C. H. Pürschel
Da die von Hugo Pürschel 1878 gegründete Tuchfabrik im Stadtzentrum von Forst gegen Ende des Ersten Weltkrieges an ihre Kapazitätsgrenzen gelangte, entschloss sich sein Sohn, Carl Heinrich Pürschel, die Fabrik zu erweitern. Er erwarb ein Grundstück im Norden der Stadt, das am Mühlgraben, der Lebensader der Forster Textilindustrie, lag und errichtete 1924 einen neuen Fabrikkomplex. Bereits in den Jahren 1929 und 1934 wurden jedoch weitere Ausbauten notwendig. Neben den einzelnen Gebäuden verfügte das Gelände – wie viele andere Tuchfabriken der Stadt auch – über einen eigenen Gleisanschluss zur Stadtbahn.
Während die Forster Textilindustrie auch nach Ende des Ersten Weltkrieges ihren Erfolg weiter ausbauen konnte, hinterließ der Zweite Weltkrieg deutliche Spuren. Insbesondere in der Schlussphase stand Forst unter Beschuss, was dazu führte, dass die Betriebe ihre Arbeit einstellen mussten. Die Stadt war 1945 zu etwa 85 Prozent zerstört. Zahlreiche Industrieanlagen wiesen enorme Schäden auf. Im Gegensatz zu diesen überstand Pürschels Tuchfabrik die Kriegseinwirkungen nahezu unbeschadet.
Geschichte
Die Zeit nach 1945
Nach dem Krieg, im Jahre 1946, wurden die Textilfabrikanten enteignet so auch die Familie Pürschel. Die Fabrik von Carl Heinrich Pürschel wurde schließlich in Volkseigentum umgewandelt und firmierte zunächst unter dem Namen VEB Modetuch Forst. Im Jahre 1964 wurden sämtliche Forster Textilbetriebe zum VEB Tuchfabriken Forst zusammengelegt. Mit ungefähr 3.000 Arbeitern in der Textilbranche war Forst auch in der DDR der wichtigste Textilstandort. Bedeutung hatte er vor allem für die Beschaffung von Devisen. So wurden die Tuche aus den Forster Textilbetrieben unter anderem an Firmen wie C&A in die BRD exportiert.
Die Entwicklung seit 1990
Bis 1990 wurden in den verschiedenen Produktionsstätten der Forster Tuchfabriken Flächengewebe hergestellt. Mit dem Ende der DDR standen jedoch auch die Tuchfabriken vor dem Aus. Der Versuch, den Betrieb als Forster Webwaren GmbH zu privatisieren, scheiterte schließlich. Nachdem die Maschinen abgeschaltet und die Säle ausgeräumt waren, gab man die Fabrik in der Heinrich-Werner-Straße 15 dem Verfall preis.
Gegenwart
Im Jahre 2014 gelangte die stillgelegte Tuchfabrik zu neuem Ansehen. Zwei Start-up-Unternehmer aus Leipzig, Manuela Pfannstiel und Georg Hofmann, gründeten die Likör- und Spirituosenfabrik Forst. Als Produktionsstätte wählten die Gründer der Marke „ImmerLikör“ das Gelände aus, das in Forst zwischen Heinrich-Werner-Straße und dem Mühlgraben liegt und über 10.000 m² umfasst. Nach aufwändigen Aus- und Umbauten wurden die Hallen ihrer neuen Bestimmung zugeführt. Wo einst Stoffe gewebt wurden, entstehen heute Liköre und Spirituosen, die unter der Marke „ImmerLikör“ vertrieben werden.
Literatur
- Günter Bayerl (Hrsg.): Technisch-historische Spaziergänge in Cottbus und dem Land zwischen Elster, Spree und Neiße. Niederlausitz-Edition, Cottbus 1995, ISBN 3-89325-402-1.
- Fritz Schmidt: Die Entwicklung der Cottbuser Tuchindustrie. 1928 (Nachdruck: Regia Verlag, Cottbus 2012, ISBN 978-3-937899-73-2)