Urteilsvermögen
Urteilsvermögen ist das Vermögen, sich ein eigenes Urteil zu bilden. „Vermögen“ heißt dabei die Möglichkeit als Fähigkeit und Können. Urteilsfähigkeit und Urteilskraft sind insofern synonym. „Urteil“ bezeichnet die korrekte Einordnung einer Situation oder eines Sachverhaltes und ist so die Grundlage des nachfolgenden, auf Vernunft gegründeten Handelns.
Ein vermindertes, eingeschränktes Urteilsvermögen – bezogen auf eine gesellschaftliche Norm – ist insofern eine Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten. Diese Einschränkung kann temporär und beispielsweise durch Krankheit oder Drogen induziert sein. Eine Minderung kann aber auch altersbedingt vorliegen, durch Kindheit oder Altersdemenz. Auch Dummheit, als das Unvermögen, aus dem Wahrgenommenem die richtigen Schlüsse und Beurteilungen zu ziehen, gilt als ein eingeschränktes Urteilsvermögen.
Immanuel Kant
Die Kritik der Urteilskraft (1790) ist Kants „dritte Kritik“ nach der Kritik der reinen Vernunft und der Kritik der praktischen Vernunft.
Die Urteilskraft stellt nach der Kritik der reinen Vernunft ein Mittelglied zwischen Verstand und Vernunft dar. (KrV B 169) Sie ist das Vermögen, das Besondere unter das Allgemeine (eine Regel, ein Gesetz) zu subsumieren, d. h. zu entscheiden, ob etwas unter einer bestimmten Regel steht oder nicht. Kant fordert, die Prüfung auf reine Gegenstände a priori zu beziehen. Die Gültigkeit der Urteilskraft könne nicht a posteriori dargetan werden. Ohne die Urteilskraft gebe es keine reinen Verstandesbegriffe (Kategorien). Die Hauptstücke der Urteilskraft sind der Schematismus und die syntehtischen Urteile a priori. (KrV B 172 ff.)
Für Kant ist die Urteilskraft das subjektive Prinzip der Zurechnung der Handlung, die, ob sie als Tat (unter einem Gesetz stehende Handlung) geschehen sei oder nicht, rechtskräftig urteilt.[1]
Deutsches Zivilrecht
Beim Erstellen einer Patientenverfügung gemäß § 1901 a BGB ist eine erhaltene Urteilsfähigkeit erforderlich, die nach Möglichkeit durch einen Arzt zu bestätigen ist.[2] Die ärztliche Bestätigung soll verhindern, dass eine entsprechende Willenserklärung nicht später infolge vermuteter geistiger Störung gemäß § 104 BGB Abs. 2 als nichtig angezweifelt werden kann.
Schweizer Zivilrecht
Der Begriff urteilsfähig ist im Artikel 16 des Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) verankert. Er wird z. B. verwendet um den Begriff handlungsfähig besser zuordnen zu können.
Weblinks
- Urteilskraft. Eisler Wörterbuch.
- Zivilgesetzbuch (ZGB) der Schweiz
Einzelnachweise
- ↑ Immanuel Kant: Metaphysik der Sitten; zitiert nach: Wiesbaden 1956, S. 572 (A 99)
- ↑ Asmus Finzen: Patientenverfügungen bei psychischen Krankheiten. DGSP Hessen, 2009 online (PDF-Datei; 73 kB)