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Beihilfe (Dienstrecht)

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Die Beihilfe ist eine finanzielle Unterstützung in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und Todesfällen für deutsche Beamte, Soldaten und Berufsrichter, deren Kinder sowie deren Ehepartner, soweit diese nicht selbst sozialversicherungspflichtig sind. Die Beihilfe ist Teil der Alimentation und damit der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums.

Sie wird auf Antrag von dem jeweiligen Dienstherrn prozentual oder pauschal nach Vorlage der (vom Beihilfeberechtigten zuvor privat bezahlten) Rechnungen für gesundheitsbezogene Ausgaben gewährt. Erstattet werden 50 % bis 80 % der Aufwendungen, je nach Familiensituation und Bundes- bzw. Landesrecht. In der Regel werden dabei nur „beihilfefähige“ Aufwendungen berücksichtigt und Selbstbehalte abgezogen.

Beratung in Fragen des Beihilferechts gilt als Rechtsberatung und darf als solche nur von einem gerichtlich zugelassenen Beihilfeberater oder einem Rechtsanwalt ausgeübt werden.

Rechtliche Grundlagen

Es gibt in Deutschland kein einheitliches Beihilferecht. Es finden in einzelnen Ländern Beihilfenverordnungen (BVO) – also Rechtsverordnungen – Anwendung, z. B. Nordrhein-Westfalen.[1] Der Bund und die Länder, die sie für ihre Bediensteten übernommen haben, wenden die Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326) und die zu ihrer Ausführung erlassenen Verwaltungsvorschriften (i. e. nur die Verwaltung bindende Regelungen), im Bund die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhVVwV) vom 13. Juni 2013 [2] (GMBl. S. 722) an.

In den Beihilfeverordnungen und -vorschriften wird der Leistungsumfang festgelegt und bestimmt, welche medizinischen Leistungen, Hilfsmittel und dergleichen „beihilfefähig“ sind. Grundsätzlich trifft dies nur auf medizinisch Notwendiges zu.

In Deutschland können sich Kommunen und öffentliche Arbeitgeber gegen die finanziellen Belastungen aus der Leistung von Beihilfe je nach Landesrecht durch eine freiwillige oder verpflichtende Mitgliedschaft in einer Beihilfekasse (auch: Versorgungsausgleichskasse) rückversichern.[3][4]

Beihilferegelungen durch Verwaltungsvorschrift laut BVerwG rechtswidrig

Hinsichtlich der unterschiedlichen rechtlichen Regelungsmodifikationen (Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift) hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Urteil vom 17. Juni 2004 entschieden:

„Die als Verwaltungsvorschriften ergangenen Beihilfevorschriften des Bundes genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts. Die wesentlichen Entscheidungen über die Leistungen an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit hat der Gesetzgeber zu treffen. Für eine Übergangszeit sind die Beihilfevorschriften allerdings noch anzuwenden.“

Im Wesentlichen hat das BVerwG hierzu ausgeführt:

„Als Verwaltungsvorschriften genügen die Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts. Bei den Beihilfevorschriften handelt es sich um administrative Bestimmungen, die nicht die Eigenschaft von Rechtsnormen haben. Ihr Inhalt beschränkt sich nicht darauf, Auslegungshilfe zu sein, Ermessen zu lenken oder Beurteilungsspielräume auszufüllen. Sie sind von der Willensbildung des parlamentarischen Gesetzgebers weitgehend unbeeinflusst. Maßstäbe, ob und in welchem Umfang Beihilfen vorgesehen werden, liefert das Gesetz nicht. Es bestimmt nicht einmal im Grundsatz, in welcher Form der Dienstherr seiner Beistandspflicht in Lebenssituationen von existenzieller Bedeutung für den Beamten und seine Familie nachzukommen hat. Die auf einer Verwaltungskompetenz beruhenden Bestimmungen unterliegen auch nicht den verfahrensmäßigen Anforderungen, insbesondere nicht dem Publizitätserfordernis, die Art. 82 GG für Normen mit verbindlicher Außenwirkung zwingend vorsieht. Trotz des Defizits normativer Regelungen ist für eine Übergangszeit von der Weitergeltung der Beihilfevorschriften auszugehen. […] Eine andere Beurteilung dürfte erst dann angezeigt sein, wenn der Gesetzgeber in einem überschaubaren Zeitraum seiner Normierungspflicht nicht nachkommt.“.[5]

Mit der bundesrechtlichen Rechtsverordnung existiert nun seit 2009 eine dem Gesetzesvorbehalt entsprechende Rechtsgrundlage zumindest für Bundesbedienstete.

Leistungsumfang

Für aktive Beamte wird die Hälfte der beihilfefähigen Aufwendungen übernommen, bei Kindern, Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern (bei den Bundesbeamten rückwirkend ab 1. Januar 2009[6] und in allen Bundesländern außer Sachsen[7]) und Ruhestandsbeamten auch mehr. Ehegatten und Lebenspartner erhalten jedoch nur dann Beihilfeleistungen, wenn sie nicht selbst gesetzlich krankenversicherungspflichtig sind und ihr Einkommen unter einer bestimmten Grenze (z. B. 18.000 Euro im vorvergangenen Kalenderjahr) liegt. Kinder erhalten Beihilfe, wenn mindestens ein Elternteil beihilfeberechtigt ist. In der Humanmedizin liegen die Leistungen der Beihilfe nur in Einzelfällen über denen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), so wird z. B. in Hessen und in Nordrhein-Westfalen noch die Chefarztbehandlung oder ein Zweibettzimmerzuschlag bei stationären Krankenhausaufenthalten erstattet. In der Zahnmedizin gibt es teilweise erhebliche Unterschiede zwischen den Erstattungen der Beihilfe und denen der Krankenkassen, so sind in der Regel professionelle Zahnreinigungen beihilfefähig und auch die kieferorthopädischen Behandlungen minderjähriger Patienten orientieren sich an der medizinischen Notwendigkeit und nicht an dem KIG-System der gesetzlichen Krankenkassen.[2]

Den verbleibenden Teil der Krankheitskosten decken die Beihilfeberechtigten in der Regel durch eine private Kranken- und Pflegeversicherung (ggf. mit Beihilfeergänzungstarifen) ab. Sofern der Beamte sich freiwillig gesetzlich krankenversichert, werden nur in bestimmten Fällen Beihilfen gewährt, da ansonsten auf das Sachleistungsprinzip der GKV verwiesen wird. Der Beitrag zur GKV ist vom Beamten allein zu tragen; der Dienstherr beteiligt sich nicht daran. In manchen Bundesländern wird einigen Beamtengruppen (z. B. Polizeivollzugsbeamten) statt der Beihilfe Freie Heilfürsorge gewährt. Die Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei erhalten durchweg Heilfürsorge (Heilfürsorge BPOL) auf Grundlage des § 80 BBesG.

Aktive Soldaten erhalten dagegen keine Beihilfe. Sie nehmen die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung in Anspruch. Ihre Familienangehörigen erhalten Beihilfe, sofern sie nicht selbst versicherungspflichtig sind. Pensionierte Berufssoldaten und deren Familienangehörige sind beihilfeberechtigt.

Eigenanteile

Analog zur ehemaligen Praxisgebühr werden bei vielen Beihilfeempfängern bis zu 150 Euro jährlich (10 Euro pro Quartal jeweils für Zahnarztbesuche und Besuche anderer Ärzte bzw. Psychotherapeuten) von den erstattungsfähigen Aufwendungen abgezogen (z. B. bei Bundesbeamten) und die Erstattungen für Arzneimittel um 10 % bzw. um einen festen Betrag gemindert, obwohl nicht gesetzlich Versicherte von Praxisgebühr und Zuzahlungen frei sind. Diese Regelung trägt zwar nicht direkt zur finanziellen Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung bei (was die Intention der Praxisgebühr war), soll aber insgesamt die Kosten für den Steuerzahler senken, da der Beihilfeberechtigte so u. U. zögert, ärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen.

In einigen Bundesländern wird auch eine Pauschale (die sogenannte Kostendämpfungspauschale), die sich nach der Besoldungsgruppe richtet, pro Jahr als Eigenleistung abgezogen (z. B. bei Beamten, die ihre Beihilfe nach der Beihilfenverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen erhalten, die Kostendämpfungspauschale beträgt dabei bis zu 750 € pro Jahr). Aufwendungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel, für die ein Festbetrag gemäß § 35, § 36 SGB V festgesetzt worden ist, werden auch nur bis zur Höhe dieses Festbetrages erstattet. Grund für die Selbstbehalte ist, dass der Dienstherr frei in der Bemessung der gewährten Beihilfe ist.

Für Beamte des Landes NRW hat das Oberverwaltungsgericht Münster durch Urteil vom 18. Juli 2007 (Az. 6 A 3535/06) festgestellt, dass die Kostendämpfungspauschale, weil mit dem Alimentationsprinzip nicht übereinstimmend, rechtswidrig sei.[8] Begründet wird dies insbesondere damit, dass es ein widersprüchliches Verhalten des Gesetzgebers sei, im Rahmen der Alimentierung gerade den notwendigen Lebensbedarf zuzubilligen und andererseits im Krankheitsfall einen Eigenanteil zu verlangen. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch der Revision des Landes NRW durch Urteil vom 20. März 2008 (BVerwG 2 C 49.07) entsprochen, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 18. Juli 2007 aufgehoben und festgestellt, dass weder die Alimentations- noch die Fürsorgepflicht verlangen, dass Aufwendungen im Krankheitsfall durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfeleistungen lückenlos gedeckt werden.[9]

Statistische Angaben

Durch die Beihilfe waren im Jahr 2001 etwa 4,6 Mio. Beamte und 3 Mio. Angestellte im öffentlichen Dienst abgesichert. Die gesamten Beihilfezahlungen beliefen sich im Jahre 2001 auf 7,5 Mrd. €.[10]

Änderung der Beihilfeberechtigung für Kinder in Ausbildung

Durch die mit dem Steueränderungsgesetz 2007 beschlossene Reduzierung der Altersgrenze des Kindergeldes von Vollendung des 27. auf Vollendung des 25. Lebensjahr endet die Beihilfeberechtigung für diesen Personenkreis mit Vollendung des 25. Lebensjahres (mit Ausnahmen)[11].

Diese Änderung ist für die Entscheidung über die Art des Krankenversicherungsschutzes während des Studiums von Bedeutung. Die betroffenen Studenten müssen sich bereits bei Aufnahme des Studiums unwiderruflich entscheiden, ob sie sich in der gesetzlichen Krankenversicherung versichern oder im Beihilfesystem verbleiben wollen.

Bei der Entscheidung sollte die sich abzeichnende Einschränkung der aus der Absenkung der Grenzen für das Kindergeld folgenden Beihilfeberechtigung berücksichtigt werden, also mit Vollendung des 25. Lebensjahres. Diese Begrenzung gilt auch für die kostenfreie Familienversicherung bei gesetzlich krankenversicherten Beihilfeberechtigten (wenn das studierende Kind keine monatlichen Einkünfte über 400 € hat). Die gesetzliche studentische Krankenversicherung gewährt Leistungen bis zum 30. Lebensjahr oder bis zum 14. Fachsemester.

Die in gesetzlichen Krankenversicherung geschaffenen Kostenerstattungstarife sind nicht mit Beihilfeleistungen kombinierbar.

Rechtsquellen und Texte (Weblinks)

Bundesrecht (Deutschland)

Landesrecht (Deutschland)

Freistaat Bayern

Hessen

Nordrhein-Westfalen

Schleswig-Holstein

Einzelnachweise

  1. Archivlink (Memento des Originals vom 12. Oktober 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kvw-muenster.de Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfenverordnung – BVO -) vom 27. März 1975 (GV. NRW. S. 332) i. d. F. vom 12. Dezember 2003 (GV. NRW. S. 756)
  2. http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/368012/publicationFile/26555/bbhv_verwaltungsvorschrift.pdf (PDF)
  3. Finanzlexikon online
  4. Beihilfekasse der Versorgungsausgleichskasse der Kommunalverbände in Schleswig-Holstein - VAK (Memento des Originals vom 21. Juni 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.vak-sh.de
  5. [1]@1@2Vorlage:Toter Link/www.bverwg.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Pressemitteilung Nr. 32/2004 des BVerwG, BVerwG, Urt. v. 17. Juni 2004–2C 50/02
  6. Bundestag:Ehebezogene Regelungen werden auf Lebenspartnerschaften übertragen (Memento des Originals vom 29. August 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bundestag.de
  7. LSVD:Stand der rechtlichen Gleichstellung von Lebenspartnern und Ehegatten (Memento des Originals vom 26. November 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/lsvd.de
  8. OVG Münster, Urteil vom 18.Juli 2007, 6 A 3535/06
  9. bundesverwaltungsgericht.de@1@2Vorlage:Toter Link/www.bundesverwaltungsgericht.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  10. Markus Michael Grabka: Alternative Finanzierungsmodelle einer sozialen Krankenversicherung in Deutschland, Berlin, 2004, Seite 22, PDF
  11. Einkommensteuergesetz: § 52 Anwendungsvorschriften