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Zeitgeschichte

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Die Zeitgeschichte oder zeitgenössische Geschichte (von franz. histoire contemporaine) ist im deutschen Sprachraum jene Epoche der Späten Neuzeit, „die zumindest ein Teil der Zeitgenossen bewusst miterlebt hat, im engeren Sinn die wissenschaftliche Untersuchung und Darstellung dieses Zeitraums durch die Geschichtswissenschaft.“[1]

Es handelt sich also nicht um eine abgeschlossene oder dauerhaft abgrenzbare Epoche, sondern um eine dynamische, die sich im Laufe der Zeit verändert. Der Begriff hat in Deutschland durch das 1950 gegründete Institut für Zeitgeschichte (München) Verbreitung gefunden, wobei damals auch noch die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges als Zeitgeschichte untersucht werden sollte.

Als Pionier- und Standardwerk der wissenschaftlichen Zeitgeschichte gilt heute die 1955 veröffentlichte Monografie über das Ghetto Theresienstadt  von H. G. Adler  Theresienstadt 1941-1945, Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft.[2]

Ältere Definition nach dem Zweiten Weltkrieg

Im deutschen Sprachraum wurde als Zeitgeschichte zunächst die Epoche seit dem Ende des Ersten Weltkriegs bzw. seit der Oktoberrevolution in Russland ab 1917 verstanden, das Ende des langen 19. und der Beginn des „kurzen 20. Jahrhunderts“. Für eine Zäsur im Jahr 1917 sprechen mehrere Gründe:

  • Die Epoche seit 1917 ist eine Zeit, in der die alten Monarchien, in der die Fürsten in den meisten europäischen Staaten noch die letztliche Regierungsgewalt hatten, neuen Gesellschaftsentwürfen weichen mussten; als archetypisch dafür gelten die Dynastien der Romanows, Habsburger, Hohenzollern und Osmanen. Vor der Durchsetzung republikanisch-demokratischer Strukturen war die Zeitgeschichte auch geprägt von Diktaturen.
  • Durch die Oktoberrevolution in Russland wurde der Grundstein gelegt für die spätere Spaltung der Welt in zwei Blöcke und die Phase des Kalten Kriegs, die dem Zweiten Weltkrieg folgte und die bis zum Niedergang der UdSSR um 1990 andauern sollte. Dem Kalten Krieg zwischen den „kapitalistischen“ Systemen des Westens, angeführt durch die Supermacht USA, und den „kommunistischen“, „realsozialistisch“ genannten Systemen des Ostblocks, angeführt durch die Supermacht UdSSR, lag die ideologische, politische, ökonomische, militärische und technologische Konkurrenz der USA und der UdSSR zugrunde.
  • Mit ihrem Kriegseintritt in den Ersten Weltkrieg vollzogen die USA einen Bruch in ihrer bisherigen, gegenüber Europa isolationistischen Außenpolitik (die sie allerdings in der Zeit zwischen 1921 und 1941 wieder aufnahmen). Dies ist ebenfalls im Hinblick auf die spätere Teilung der Welt eine wichtige Zäsur. Außerdem intervenierten die USA damit erstmals in Europa und nicht umgekehrt.

In anderen Ländern galten andere Periodisierungen. So wurde in Großbritannien unter contemporary history die Zeit seit dem späten 19. Jahrhundert als Zeitgeschichte gefasst, teilweise sogar seit den politischen Reformen 1832.

Neuere Definition

Zunehmend aber wird mit Ausgang des 20. Jahrhunderts unter Zeitgeschichte die Epoche seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verstanden, da nur noch wenige Zeitzeugen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs leben. Dies gilt besonders für diejenigen, die damals bereits Erwachsene waren oder gar in verantwortlicher Stellung standen.

  • Die Epoche seit 1945 ist für die meisten Europäer und Nordamerikaner eine Friedenszeit, die durch keinen großen Krieg geprägt ist.
  • Nach 1945 endete mit der allmählich einsetzenden Dekolonialisierung die Vorherrschaft europäischer Mächte (Frankreich und Großbritannien waren als Teil der NATO mit den USA verbündet, Deutschland und Italien hatten ihren Großmachtstatus und ihre Kolonien infolge der Kriegsniederlagen verloren).
  • In Westeuropa begann mit der Durchsetzung der Demokratie in den meisten Staaten (lediglich Spanien, Portugal und Griechenland erlebten noch eine von Unruhen und Diktatur geprägte Zeit) der europäische Einigungsprozess.

Siehe auch

Literatur

Wiktionary: Zeitgeschichte – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Zeitgeschichte in: Microsoft Encarta 2007.
  2. Kurt Schilde: : Rezension zu: Adler, H. G.: Theresienstadt 1941 - 1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft. Göttingen 2005 / Arnold, Heinz L. (Hrsg.): H. G. Adler. München 2004. In: H-Soz-Kult. Universität Siegen, Fachbereich 2, 28. Juli 2006, abgerufen am 6. Februar 2018.