Japanisches Bibliothekswesen
Die Geschichte des Japanischen Bibliothekswesens ist stark verwoben mit der Geschichte des schriftlich fixierten Wortes – der Geschichte des Buches. Die Einflüsse Chinas sind, auch in Betracht möglicher autarker - vorchinesischer Schriftentwicklung, spätestens mit dem Nahen der chinesischen Schrift und zahlreichen, besonders im Religiösen angesiedelten, Texte offenbar.
Vor der Schriftentwicklung wurde die Literatur, Mythologie, Geschichte über die kataribe tradiert – auch die japanischen Ureinwohner, Ainu, verfügten über mündliche Überlieferung und ihre Träger, die Yukar – diese Erzählungen finden sich wahrscheinlich in den frühsten Chroniken des Landes: der Kojiki [Bericht über alte Begebenheiten, ~712] und der Nihongi [Japanische Annalen, ~720].
Die Geschichte des Japanischen Bibliothekswesens steht im direkten Kontext zu dem erblühen verschiedener Grundzüge der chinesischen Kultur - einschließlich Buddhismus, Schrift und Verwaltung [Nach Vorbild der T'ang-Dynastie, 619 - 907, in der der, bis ins 20. Jahrhundert wirkende, konfuzianische Bürokratismus das Licht der Welt erblickte]. Diese, für Japan, höchst ungewöhnliche Orientierung an der Ferne und folgender Assimilation sollte sich noch zweimal gravierend in der Geschichte des Landes wiederholen (Meiji-Restauration und Ende des zweiten Weltkrieges). Bibliotheken im modernen Sinn erwuchsen den letzten beiden Umgestaltungen – davor waren sie zumeist stark mit den bürokratischen oder bildungsrelevanten Trägern verwoben. Ein Beispiel frühster Bibliotheksform begegnet uns in dem Beginn der Schriftkopie buddhistischer Texte – die aufgrund ihrer hohen Nachfrage und Ortsgebundenheit zu einer blühenden Verbreitung der Tempel, deren Mitglieder sie vervielfältigten, führte.
Die Meiji-Zeit [1868 –1912] ist Synonym eines hohen Reformwillens – sie beschreibt die neuerliche Erstarkung des Kaisers [der in der Fujiwara-Periode den größten Teil seiner Macht eingebüßt hatte] und das Ende des Schwertadels. Orientierung an politischen, bildungspolitischen und militärischen Verfahrensweisen des Westens (USA, Preußen und Frankreich) suchten das Land den Industriemächten zu nähern. Der Shintoismus (polytheistische Religion, die in dem Sohn der Sonnengöttin Amaterasu den Begründer des Kaiserreiches dokumentiert – ähnlich der apostolischen Sukzession - sollte die göttliche Position des Kaisers stärken) wurde zur Staatsreligion, das Lehnsystem wurde aufgebrochen, die Herrschaftsräume der einzelnen Fürsten wurden in Präfekturen umgewandelt. In dieser Zeit, in der zahlreiche Beamte ins Ausland entsandt wurden, entwickelten sich Berührungspunkte zu dem Bibliothekswesen Europas und Amerikas, besonders die amerikanische public library hinterließ einen starken, im Heimatland aufmerksam reflektierten, Eindruck. Die gesellschaftliche Dynamik (neue Verfassung, neues Schulwesen, zunehmende Öffnung des Landes, ...] gebar im Jahr 1872 zahlreiche Zeitungslesestellen, der öffentliche Dialog und die Produktion von Zeitungen und Drucksachen stieg sprunghaft, erste Vereinsbibliotheken wurden gegründet [die Buchhandlung Kyoto gründete die Büchersammlungsgesellschaft, in der gegen einen Jahresbeitrag oder ein "Medienentgelt" Bücher entliehen werden konnten], doch bereits 1875 hemmte ein Erlass zur Kontrolle der Zeitungen und dem Verbot der Kritik an der Regierung diese Entwicklung spürbar. Ebenfalls 1872 wurde, auf Anraten eines Beamten des Kultusministeriums, die Shojakukan gegründet, eine frühe Form der National- und Parlamentsbibliothek (National Diet Library). Der in einem Hörsaal der Tokyoter Universität [Daigaku] aufgestellte Bestand, sollte als, steuerbares, Instrument der Begabten- und Kulturförderung die Prospektivität des Thrones sicherstellen. Trotz der erlassenen Restriktion vollzogen sich zahlreiche positive Entwicklungen gleich der 1892 gegründeten Japan Library Association JLA, der 1898 gegründeten Imperial Library [Teikoku Toshokan] und der 1899 folgenden Ratifizierung der Bibliotheksverordnung zur Gründung Öffentlicher und privater Bibliotheken, unter der Möglichkeit Gebühren zu erheben, die ihren ersten Wuchs u. a. in der Präfektur Akita erfuhren. Einflüsse des amerikanischen Bibliothekswesens wurden Dank Kichiro Yuasa [1858 -1943], der seine Ausbildung in Amerika erfuhr, besonders früh in Tokio spürbar. Die 1910 erlassene Verordnung „Richtlinien zur Gründung von Bibliotheken“ regte den Wuchs öffentlicher Bibliotheken an und förderte diese Entwicklung 1919 durch Gründung der Abteilung Volksbildung unter dem Kultusministerium zusätzlich.
Weltwirtschaftskrise und folgendes Aufbegehren ärmerer Bevölkerungsteile, die sich auch in den Volksbibliotheken organisierten, führten zu einer Anpassung der Bibliotheksverordnung. Präfekturbibliotheken erfuhren Wandel in Zentralbibliotheken unter neuen Kontrollvorgaben. Die 1931 gegründete „Proletarische Bibliothek“ wurde geschlossen, Angestellte und Lehrende die marxistische, kommunistische, pazifistische Inhalte publizierten, verwalteten und kommunizierten wurden ihren Positionen enthoben oder verhaftet. An der Säuberung der Bibliotheksbestände waren fern der Staatsbeamten auch Bibliothekare aktiv beteiligt.
Während des zweiten Weltkrieges dienten die Bibliotheken primär der Verbreitung von Propaganda und Kriegsideologie, militärisches und nationalistisches Schriftgut wurden über Wanderbibliotheken den Adressaten zugeführt. Wertvolle Bestandssegmente wurden ausgelagert, Bibliotheksbauten vom Staat umfunktioniert, Angestellte wurden eingezogen oder mit der Munitionsproduktion betraut. Die Folgen der furchtbaren Ereignisse fanden deutliches Echo in Beständen als räumlicher Infrastruktur. Der beispielslose Einsatz zweier Atombomben führte am 14. August 1945 zur Kapitulation Japans, der Kaiser blieb, trotz ursprünglich gegensätzlicher Forderung, Oberhaupt des Landes.
Erneut verschwanden ideologisch einseitig geprägte Literatursegmente, diesmal wurde das militär- als nationalorientierte Schrifttum beschlagnahmt, die vor als während des Krieges verbotene Literatur wurde von den Alliierten genehmigt. Obgleich von der Revision Private Bibliotheken ausgenommen waren, gilt die Reorganisation der Bestände als umfassend.
Die Reform des Erziehungswesens durch die amerikanischen Besatzer führte ebenfalls zu einer Evaluation des Öffentlichen Bibliothekswesens, besonderer Fokus ruhte auf gesunden Wuchs der zarten Pflanze Demokratie. Schwerpunkte bildeten somit die Chancengleichheit aller Nutzer in Benutzung der Bibliotheken, die Organisation von Kinderbibliotheken und die allgemeine Verfügbarkeit auch umstrittener Quellen.
1948 wurde die National Diet Library [NDL], nach Erlass des National- und Parlamentsbibliotheksgesetzes, gegründet, diese wichtige Einrichtung wird später stärker betrachtet.
1950 wurde das Bibliotheksgesetz ratifiziert, das primär an die Öffentlichen und Privaten Bibliotheken adressiert war, Schwächungen ruhten im Vorschlagscharakter der Gesetzes, Errichtung von Bibliotheken und das einstellen ausgebildeter Mitarbeiter wurde nicht ausdrücklich zur Pflicht erhoben.
Interessant sind die folgenden Bemühungen Mütter und Kinder als Kerngruppen stärker wahrzunehmen. Initiativen von Lehrern und einzelnen Bibliotheken gebaren zum Beispiel die „Parent-Teacher-Association“, ein Projekt in dem Schüler ihren Müttern ausgewählte Lektüre entliehen die später gemeinsam kommuniziert werden konnten, im Fall der Bibliotheken suchte die Kagoshima Präfekturbibliothek mit dem Projekt „Zwanzig Minuten Lektüre von Mutter und Kind“ durch das Instrument des Vorlesens eine höhere Lesekompetenz und Förderung des Literaturinteresses zu unterstützen.
Im Jahr 1952 waren die Defizite verständlicherweise noch groß: 70% der städtischen Bibliotheken verfügten über einen Bestand unter 20.000 Bänden, 66% der Gemeindebibliotheken konnten nicht einmal über 2.000 Bände verfügen.
Im Folgenden wurde die Rolle der Öffentlichen Bibliothek weiterhin gestärkt, Schwerpunkt war eindeutig der möglichst freie Zugriff auf Literatur als unerlässliches Instrument der Demokratisierungsbemühungen. Spannend auch die 1964 gegründete Hino Stadtbibliothek, die ohne einen, für die Nutzer greifbaren, Bibliotheksbau sehr hohe Leihzahlen durch einen Bücherbringdienst erzielen konnte.
Die weiterführende Entwicklung wird nach getrennten Bibliothekstypen skizziert.
[...]