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Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch

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Dmitri Schostakowitsch

Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch (russisch Дмитрий Дмитриевич Шостакович, wiss. Transliteration Dmitrij Dmitrievič Šostakovič; * 12. September/25. September 1906 in Sankt Petersburg; † 9. August 1975 in Moskau) war ein sowjetrussischer Komponist. Er hat ein vielfältiges kompositorisches Werk hinterlassen, das sich durch eine eingängige, manchmal fast unheimliche Tonsprache und verschiedenste musikalische Einflüsse auszeichnet.

Herkunft und Kindheit

Väterlicherseits stammte seine Familie aus Polen und wohnte in Wilna. Später zog sie nach Kasan und Tomsk um. Die erhaltenen Dokumente bieten eine verwirrende Vielfalt der Schreibung seines Namens: Szostakowicz, Szostakiewicz, Szestakowicz und sogar Szustakiewicz.

Der Vater, Dmitri Boleslawowitsch Schostakowitsch, der inzwischen in Sankt Petersburg wohnte, heiratete 1903 eine junge russische Pianistin, Sofia Wassiljewna Kokoulina. Das Ehepaar hatte insgesamt drei Kinder, Dimitri war das zweite davon. Trotz der musikalischen Tradition in der Familie interessierte sich der Sohn zunächst kaum für Musik; die Mutter konnte aber bald die Interessen des Mitja genannten Dmitri und seiner großen Schwester Maria auf das Klavier lenken.

Das musikalische Talent des Jungen entfaltete sich durch den Klavierunterricht und Dmitri unternahm bald seine ersten kompositorischen Versuche. 1917 wurde der Elfjährige Augenzeuge, wie bei einer Demonstration ein Arbeiter von Polizisten erschossen wurde. Mitja komponierte daraufhin eine Hymne an die Freiheit und einen Trauermarsch für die Opfer der Revolution.

Ausbildung und Studium

Weil ihm sein Klavierlehrer nichts mehr beibringen konnte, begann Schostakowitsch 1919, am Konservatorium in Petrograd (das bis 1914 St. Petersburg hieß und 1924 in Leningrad umbenannt wurde) Klavier bei Leonid Nikolajew und Kompositionslehre bei Maximilian Steinberg zu studieren. Der Konservatoriumsdirektor Alexander Glasunow verfolgte die Entwicklung dieses Jungen mit dem enormen Talent und dem absoluten Gehör mit Aufmerksamkeit und unterstützte ihn gelegentlich auch finanziell.

Anfang 1923, ein Jahr nach dem Tod seines Vaters, war die Familie aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheit der nachrevolutionären Zeit fast ruiniert. Zudem wurde bei Schostakowitsch, der seit jeher eine schwache Gesundheit hatte, eine Lungen- und Lymphdrüsentuberkulose diagnostiziert. Dieses Leiden sollte sein ganzes späteres Leben prägen.

Der sensationelle Erfolg seiner 1. Sinfonie in f-Moll 1925 verschaffte ihm im Alter von nur 19 Jahren den Abschluss am Konservatorium und weltweite Anerkennung. Die Sinfonie wurde am 12. Mai 1926 von der Leningrader Philharmonie unter der Leitung von Nikolaj Malko uraufgeführt. Bei der Erstaufführung dieser als 'Diplomarbeit' geschriebenen Sinfonie wurde nach einem überwältigenden Applaus der zweite Satz als Zugabe nocheinmal gespielt.

Schostakowitschs Hymnen oder die Doppelbödigkeit der Musik

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Dmitri Schostakowitsch 1929 (links am Klavier sitzend)

Dmitri Schostakowitsch setzte sich in der folgenden Zeit mit verschiedenen zeitgenössischen Musikrichtungen wie dem Futurismus, der Atonalität und dem Symbolismus auseinander, ist dabei dennoch einen ganz eigenen Weg gegangen. Seine Musik ist eine Mischung aus Konvention und Revolution, die sich auf ein fundiertes kompositorisches Handwerk gründet und durch fantasievolle Instrumentierungen und moderne Melodik und Harmonik besticht. Inspiriert wurde er durch die Werke zeitgenössischer Komponisten wie Igor Strawinsky und Sergej Prokofjew, aber vor allem Gustav Mahler.

Der Komponist erhielt im März 1927 den Auftrag, für die Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag der Revolution eine Art Hymne zu schreiben. Die Sinfonie ist eine seiner gewagtesten und avantgardistischsten Kompositionen dieser Zeit. Bereits mit seiner im selben Jahr komponierten 2. Sinfonie An den Oktober in H-Dur schlägt Schostakowitsch jedoch den für ihn einzig möglichen, von westlichen Musikkritikern allerdings lange Zeit missverstandenen musikalischen Weg eines propagandistischen Auftragskomponisten für die Sowjetregierung ein. Doch hinter den anscheinenden Zugeständnissen an das kommunistische Regime versteckte Schostakowitsch an vielen Stellen eine Mischung aus Spott, Sarkasmus und Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Zuständen.

Hochzeit ohne Bräutigam

Marietta, auf ihren Wunsch hin beschreibe ich Schostakowitsch. […] Sie glauben, dass er ‚zerbrechlich, schwach, verschlossen, grenzenlos unkonventionell und rein wie ein Kind‘ sei. Das stimmt nicht ganz. Und wenn es so wäre, hätte seine große Kunst nicht entstehen können. Er ist durchaus auch so, wie Sie sagen. Aber er ist zugleich hart, bissig, ungewöhnlich klug, wahrscheinlich stark, despotisch und nicht ganz so gut. […] Man muss ihn auch von dieser Seite sehen. Erst dann kann man irgendwie seine Kunst verstehen. (Michail Soschtschenko 1941 über seinen Freund Schostakowitsch in einem Brief an die armenische Schriftstellerin Marietta Schaginjan)

Als er sich von der 2. Sinfonie erholte, lernte er 1927 die Geschwister Warsar, die Töchter eines bekannten Juristen, kennen. Die jungen Leute verbrachten ihre Abende mit Poker. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit besuchte Schostakowitsch die Familie Warsar. Er fühlte sich zu Nina hingezogen, die ihr Mathematik- und Physikstudium noch nicht abgeschlossen hatte. Davon war ihre Familie nicht gerade begeistert. Doch die beiden Verliebten setzten sich durch und so fand die Heirat am 13. Mai 1932 statt. Das war bereits der zweite Anlauf, denn einige Monate vorher hätte sie stattfinden sollen, aber der Bräutigam war nicht erschienen. Der Komponist, mitten in einer seelischen Krise, tauchte erst einige Tage später völlig deprimiert wieder auf.

"Das ist albernes Zeug, keine Musik"

(Stalin zum Musikkorrespondenten der Iswestija am 26. Januar 1936)

Nachdem seine erste Oper „Die Nase“, eine Satire auf die russische Bürokratie, die das erste lange Schlagzeugsolo der europäischen Musik enthält und über die sich Komponisten der Gegenwart wie György Ligeti voller Bewunderung äußerten, nach 16 Aufführungen von den Bühnen verschwand, begann der Komponist mit seiner zweiten Oper, Lady Macbeth von Mzensk, ein Werk, das für sehr viel Aufruhr sorgen sollte. Die Uraufführung am 22. Januar 1934 in Leningrad war ein gewaltiger Erfolg. Zwei Tage später fand die zweite in Moskau statt. Zwei Jahre lang feierte das Werk einen Erfolg nach dem anderen. Die Popularität und der Ruhm Schostakowitschs nahmen zu. Er wurde von Kritikern und Publikum gleichermaßen gefeiert.

Am 26. Januar 1936 besuchten Stalin, Molotow, Mikojan und Schdanow im Bolschoi-Theater die Aufführung der Oper in der Regierungsloge, rechts über dem Orchestergraben. Die Loge war mit Stahlplatten abgeschirmt, um mögliche Attentate zu verhindern. Stalin saß hinter einem Vorhang, so konnte das Volk ihn nicht erblicken. Es wird berichtet, dass sich Stalin bereits während der recht freizügigen Darstellungen der Oper wortlos erhob und das Theater verließ, ohne den Komponisten in seiner Loge empfangen zu haben. Dieses Ereignis kam im damaligen Klima der anhaltenden Säuberungen, nächtlicher Verhaftungen und der permanenten Angst, vor den Augen der Partei und des Genossen Stalin in Ungnade zu fallen, einer Katastrophe gleich. Ob Stalin von freizügigen Stellen der Oper, der für die 30er Jahre der Sowjetunion modern anmutenden Musik oder eifersüchtig auf den zunehmenden Ruhm Schostakowitschs, daraufhin Maßnahmen initiierte, bleibt ebenso wie das überlieferte Zitat „Man muss ihn stoppen!“ offen.

Am 28. Januar brachte die Prawda einen wahrscheinlich durch Stalin selbst initiierten, nicht signierten (das heißt, von der Partei abgesegneten) Artikel „Chaos statt Musik“ über Lady Macbeth heraus. Der Verriss war immens und aufgrund der Signalwirkung von katastrophaler Wirkung. Alle Aufführungen wurden gestoppt. Schostakowitsch erfuhr davon auf einer Konzertreise im Norden. Ein Kritiker nach dem anderen tat Abbitte und stolperte über seine vorherigen Meinungen. Die nächsten Monate schlief Schostakowitsch mit einem kleinen Koffer unter dem Bett in seinen Kleidern, stets gewärtig, wie damals üblich des Nachts von der Geheimpolizei abgeholt zu werden. Dann befielen ihn Depressionen und Suizidgedanken, die ihn in unregelmäßigen Abständen für Jahrzehnte begleiten sollten. Er wurde mehrfach in die bereits zum damaligen Zeitpunkt berüchtigte Geheimdienstzentrale Lubjanka vorgeladen, zu sogenannten ‚Volksfeinden‘ befragt und eingeschüchtert.

Viele Jahre später überarbeitete Schostakowitsch die Oper zu einer neuen Fassung, die am 8. Januar 1963, also in der Zeit des Tauwetters unter Chruschtschow, unter dem neuen Titel Katerina Ismailowa uraufgeführt werden konnte. Einige der anrüchigsten Textpassagen entschärfte er dafür stark.

Die Fünfte: Unstillbarer Schmerz

Ich empfinde unstillbaren Schmerz um alle, die Hitler umgebracht hat. Aber nicht weniger Schmerz bereitet mir der Gedanke an die auf Befehl Stalins Ermordeten … (Schostakowitsch in seinen Memoiren)

Nachdem er seine 4. Sinfonie in C-Moll auf Grund des kritischen Prawda-Artikels revozierte und lange bis nach Stalins Tod in der Schublade verschwinden ließ, begann Schostakowitsch die Arbeit an der 5. Sinfonie in d-Moll am 18. April 1937 auf der Krim. Zurück in Leningrad erfuhr er, dass der Mann seiner Schwester verhaftet und sie selbst nach Sibirien deportiert worden war.

Nach der Uraufführung wurde das Werk offiziell als die Rückkehr des verlorenen Sohnes unter die Fittiche der linientreuen Kulturpolitik dargestellt. Das Werk wurde ein großer Publikumserfolg. Das Marschfinale wurde lange Zeit als Verherrlichung des Regimes angesehen. In Wirklichkeit zeigte der Komponist das genaue Gegenteil: Erst nach dem Erscheinen der Memoiren erfuhren Schostakowitschs Kritiker in aller Welt, dass der Triumphmarsch in Wirklichkeit ein Todesmarsch ist.

Die Siebente: Leningrad, eine Sinfonie gegen den Faschismus

Die 7. Sinfonie in C-Dur gilt als Schostakowitschs bekanntestes Werk. Das Werk entstand zur Zeit der Belagerung Leningrads durch Hitlers Truppen, während Schostakowitsch der Feuerwehr zugeteilt war, und er arbeitete unter Granatenbeschuss an seinem Werk. Im Oktober 1941 wurde er mit seiner Familie aus der Stadt geflogen und konnte das Werk in Kuibyschew (Samara) fertigstellen, wo das Werk am 5. März 1942 vom dorthin ausgelagerten Orchester des Bolschoi-Theaters unter Leitung von Samuil Samossud uraufgeführt wurde. Die Moskauer Uraufführung am 27. März fand ebenfalls unter lebensgefährlichen Umständen statt, doch selbst ein Luftalarm konnte die Zuhörer nicht dazu bewegen, die Schutzräume aufzusuchen. Stalin war daran interessiert, die Sinfonie auch außerhalb der Sowjetunion bekannt zu machen. Am 22. Juni dirigierte sie Sir Henry Wood in London und Arturo Toscanini leitete die erste Aufführung der Sinfonie in den Vereinigten Staaten, die am 19. Juli 1942 in New York mit dem NBC-Orchester stattfand. Schostakowitschs Wunsch nach einer Aufführung in Leningrad ging erst kurze Zeit später in Erfüllung: Ein Sonderflugzeug durchbrach die Luftblockade, um die Orchesterpartituren nach Leningrad zu fliegen. Das Konzert vom 8. August (Dirigent: Karl Eliasberg) wurde von allen sowjetischen Rundfunksendern übertragen.

Nach der Siebenten

Auch die epische 8. Sinfonie in c-Moll, oft als Stalingrader Sinfonie bezeichnet, entstand unter dem Eindruck der Kriegsgeschehnisse. Im Gegensatz zu den Erwartungen, er würde nach der Leningrader etwas ähnlich Triumphales schreiben, das dem schicksalhaften Sieg der Sowjetunion über die vorrückenden deutschen Truppen in Stalingrad Ausdruck verlieh, ist die 8. Sinfonie in weiten Teilen nachdenklich, melancholisch und zeigt im Ergebnis keine Befriedigung über den Sieg, sondern kündet von individuellem Leid und der Trauer über die unglaublichen Verluste an Menschenleben. Die Sinfonie meidet in ihrem humanistischen Engagement große heroische Gesten. Sind der grandiose erste Satz (Adagio) und die beiden folgenden Sätze noch von apokalyptischer Steigerung, teilweise aggressiven und schnellen Tempi geprägt, erklingen in den beiden letzten Sätzen grüblerische, leise Töne, bevor der letzte Satz still und offen verklingt. Nach dem Krieg fiel die 8. Sinfonie der Zensur zum Opfer, sie wurde nicht mehr aufgeführt und sogar viele Rundfunkmitschnitte gelöscht.

Nach dem Ende des gewonnenen Zweiten Weltkriegs erwartete die Musikwelt eine Triumphsinfonie, doch Schostakowitsch fiel mit seiner ironisch-verspielten 9. Sinfonie in Es-Dur bei der sowjetischen Kritik erneut durch.

Komponieren unter Stalin: Schostakowitsch im Kulturkampf

Nachdem Schostakowitsch schon vor dem Krieg im Zentrum der Kritik stand, entzündete sich nach Debatten über zeitgenössische sowjetische Dichter und Literaten (unter anderem Anna Achmatowa) nun erneut eine Diskussion über moderne sowjetische Musik: Schostakowitsch wurde 1948 vom Sowjetischen Komponistenverband und dessen Präsidenten Tichon Chrennikow wiederum des Formalismus und der Volksfremdheit beschuldigt. Schostakowitschs Entgegnungen blieben verbal höflich, von seiner musikalischen Sprache wich er jedoch nicht ab und hatte daher eine absurde Situation zu bewältigen: Er war gleichzeitig in der ganzen Welt auf der Höhe des Ruhmes und galt doch zu Hause weiterhin als persona non grata, als ein Komponist, der an Stelle der gewünschten Arbeiterkantaten lieber Streichquartette und textlose Sinfonien schrieb. Nachdem Schostakowitsch durch die Angriffe des Zentralkomitees seine Lehrämter verloren hatte, komponierte er zwar prompt das Oratorium Das Lied von den Wäldern, den Stalinschen Aufforstungsplan preisend, doch zur selben Zeit wurden andere wichtige Uraufführungen seiner Streichquartette totgeschwiegen.

Die Abrechnung

1953 starb Stalin, und Schostakowitsch veröffentlichte seine 10. Sinfonie in e-Moll, seine Abrechnung mit dem Diktator. Nach dem Zeugnis seines Sohnes Maxim beschreibt der Komponist „das schreckliche Gesicht Stalins“. Es ist ein Werk der Trauer und des Schmerzes, aber es endet mit einer Geste des persönlichen Triumphes und der Selbstbehauptung, die ihm unter Stalin den Vorwurf eitler Anmaßung eingehandelt hätte: Dem Buchstabenmotiv D-S-C-H (in der Notation D-Es-C-H; quasi ein Analogon zum bekannten B-A-C-H - Motiv), Schostakowitschs Initialen in europäischer Schreibweise. Und seine Abrechnung ist noch nicht abgeschlossen. 1957 folgte die 11. Sinfonie mit dem Untertitel Das Jahr 1905. 1905 bezieht sich auf den Petersburger Blutsonntag, als der Zar auf eine unbewaffnete Menschenmenge schießen ließ, die ihm eine Bittschrift zukommen lassen wollte. An diesen Zwischenfall, der über 1.000 Menschenleben forderte, sollte mit der 11. Sinfonie erinnert werden – oder war es eine Verneigung vor dem ungarischen Volk, das ein Jahr zuvor von sowjetischen Truppen überfallen und unterdrückt wurde? Am 30. Oktober 1957 fand die Uraufführung unter Nathan Rachlin statt.

Erneute Diskussionen folgten, doch nach und nach errang Schostakowitsch wieder mehr Anerkennung in der Sowjetunion, begünstigt vor allem durch zahllose Aufführungen und Ehrungen im Ausland: Unter anderem erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford. Nach Uraufführung der gefälligen 12. Sinfonie in d-Moll erfolgte Schostakowitschs Aufnahme in die KPdSU; er konnte unterrichten und Wiederaufführungen von Lady Macbeth fanden in einer überarbeiteten Fassung als Katarina Ismailowa statt. 1961 erlebte Schostakowitsch endlich die verspätete Uraufführung der 4. Sinfonie unter Kirill Kondraschin.

Spätwerk und Tod

Nach einer zweiten unglücklichen Ehe, die nur 3 Jahre dauerte, heiratete er 1962 Irina Antonowna Supinskaja, ein Glücksfall seines Lebens. Die junge Frau kümmerte sich bis zu seinem Tod liebevoll um ihren Mann. In der Mitte der 60er Jahre häuften sich Erkrankungen, Schostakowitsch litt unter einer chronischen Rückenmarkentzündung, die zu einer progressiven Lähmung der rechten Hand führte. 1966 erlitt er einen ersten Herzinfarkt, 5 Jahre später einen zweiten. Seine 13. Sinfonie, "Babi Yar" nach Texten von Jewgeni Jewtuschenko wurde nach einigen Aufführungen abgesetzt. Die 14. Sinfonie für Sopran, Bass und Kammerorchester setzte sich bereits eindrücklich mit dem Thema Tod und Abschied auseinander. In den letzten Lebensjahren, beginnend etwa mit dem 2. Cellokonzert, ist in Schostakowitschs Schaffen eine deutliche Reduktion der Mittel und Konzentration des Ausdrucks zu beobachten, zudem erfährt seine Musik eine deutliche Schärfung der Harmonik. 1967 brach sich Schostakowitsch ein Bein und blieb gehbehindert. Von da an verbrachte er jedes Jahr einige Monate in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Die 15. Sinfonie in A-Dur, seine letzte, ist ein mit (Selbst-)Zitaten angefüllter, rätselhafter, freundlicher und abgründiger Rückblick auf ein Komponistenleben voller Höhen und Tiefen. Sein letztes vollendetes Werk ist eine Sonate für Bratsche und Klavier.

Schostakowitsch starb am 9. August 1975 an einem Herzinfarkt. Er war ein Meister der stillen Andeutung und der introvertierten Ironie.

Unter den vielen Kränzen, die das Grab schmückten, war auch einer vom KGB.

Schostakowitsch war außerordentlich produktiv und vielseitig, neben Bühnen- und Orchesterwerken (Opern, Sinfonien, Balletten und anderem) schrieb er auch Kammermusik, Filmmusik, Oratorien und Liederzyklen. Außerdem war er Professor am St. Petersburger (damals Leningrader) und Moskauer Konservatorium. Zu seinen Schülern gehören wichtige zeitgenössische Komponisten wie Edisson Denissow und Sofia Gubaidulina

Mit 15 Sinfonien gehört er zu den am meisten beachteten Sinfonikern des 20. Jahrhunderts. Auch seine ebenso vielen Streichquartette gehören zum gängigen Repertoire.

Werke (Auswahl)

Sinfonien

weitere Werke für Orchester

  • 1928 Tahiti Trott, Opus 16, eine Orchesterversion von Tea for Two
  • 1931 Der bedingt Ermordete, Opus 31, eine kritische Revue
  • 1933 Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester in c-Moll, Opus 35
  • 1934 Suite für Jazzorchester Nr. 1, ohne Opus (ursprünglich: Opus 38)
  • 1938 Suite für Jazzorchester Nr. 2, ohne Opus (orchestriert von Gerard McBurney)
  • 1947 Konzert für Violine und Orchester No.1, Opus 77 (Opus 99)
  • 1957 Konzert für Klavier und Orchester No.2, Opus 102
  • (?) Suite für Varieté-Orchester Nr. 1, ohne Opus
  • (?) Suite für Varieté-Orchester Nr. 2, ohne Opus

Werke für Blasorchester

  • 1928 Zwei Stücke von Domenico Scarlatti Opus 17 für Militärorchester
  • 1942 Festmarsch ohne Opus für Blasorchester
  • 1970 Marsch der sowjetischen Miliz Opus 139 für Blasorchester

Bühnenwerke

  • 1927 Die Nase, Opus 15, Oper in drei Akten nach Gogol (siehe auch Die Nase)
  • 1929-1930 Das goldene Zeitalter Opus 22 - Ballett in drei Akten, Libretto: A. Iwanowski
  • 1930-1931 Der Bolzen Opus 27 - Ballett in drei Akten, Libretto: W. Smirnow
  • 1932 Lady Macbeth von Mzensk, Opus 29, eine Oper in vier Akten
  • 1956 Katarina Ismailowa, Neufassung der Lady Macbeth
  • 1958 Moskva, Tscherjomuschki (Moskau-Tscherjomuschki), Opus 105, Operette in 3 Akten

Filmmusik

  • 1964 Hamlet, Opus 116

Kammermusik

  • Klaviertrio Nr. 1 c-Moll op. 8 (1923)
  • Drei Stücke für Cello und Klavier op. 9 (verloren) (1923/24)
  • Zwei Stücke für Streichoktett / Streichorchester op. 11 (1924/25)
  • Sonate d-Moll für Cello und Klavier, op. 40 (1934)
  • Streichquartett Nr. 1 C-Dur op. 49 (1935)
  • Klavierquintett g-Moll op. 57 (1940)
  • Klaviertrio Nr. 2 e-Moll op. 67 (1944)
  • Streichquartett Nr. 2 A-Dur op. 68 (1944)
  • Streichquartett Nr. 3 F-Dur op. 73 (1946)
  • Streichquartett Nr. 4 D-Dur op. 83 (1949)
  • Streichquartett Nr. 5 B-Dur op. 92 (1952)
  • Streichquartett Nr. 6 G-Dur op. 101 (1956)
  • Streichquartett Nr. 7 fis-Moll op. 108 (1960)
  • Streichquartett Nr. 8 c-Moll op. 110 (1960) (bearbeitet als: Kammersymphonie c-Moll für Streichorchester, op.110a, gewidmet den Opfern des Faschismus und des Krieges)
  • Streichquartett Nr. 9 Es-Dur op. 117 (1964)
  • Streichquartett Nr. 10 As-Dur op. 118 (1964) (bearbeitet als: Kammersymphonie As-Dur für Streichorchester, op.118)
  • Streichquartett Nr. 11 f-Moll op. 122 (1966)
  • Streichquartett Nr. 12 Des-Dur op. 133 (1968)
  • Sonate für Violine und Klavier op. 134 (1968)
  • Streichquartett Nr. 13 b-Moll op. 138 (1970)
  • Streichquartett Nr. 14 Fis-Dur op. 142 (1973)
  • Streichquartett Nr. 15 es-Moll op. 144 (1974)
  • Sonate für Viola und Klavier op. 147 (1975)

Klaviermusik

  • Acht Präludien für Klavier solo op. 3 (1919/20)
  • Fünf Präludien für Klavier solo, o.op. (aus: 24 Präludien in Zusammenarbeit mit G. Klements und P. Feldt; 1920/21)
  • Drei phantastische Tänze für Klavier solo op. 5 (1922)
  • Suite fis-Moll für 2 Klaviere op. 6 (1922)
  • Sonate Nr. 1 für Klavier solo op. 12 (1926)
  • Aphorismen - Zehn Stücke für Klavier solo op. 13 (1927)
  • 24 Präludien für Klavier solo op. 34 (1932/33)
  • Polka für Klavier solo, o.op. (arr. aus: Das goldene Zeitalter - Ballett op. 22 (1927-30); 1935)
  • Sonate Nr. 2 h-Moll für Klavier solo op. 61 (1942)
  • Sechs Kinderstücke für Klavier solo op. 69 (1944/45)
  • 24 Präludien und Fugen für Klavier solo op. 87 (1950/51)
  • Concertino a-Moll für 2 Klaviere op. 94 (1953)
  • Die Glocken von Noworossiysk für Klavier solo, o.op. (1960)
  • Sieben Puppentänze für Klavier solo, o.op. (1952-62)
  • Polka für Klavier zu 4 Hd., o.op. (arr. des gleichn. Werks für Klav. solo, o.op. (1935); 1962)
  • Tarantella für 2 Klaviere, o.op., (arr. aus: Die Stechfliege / Die Hornisse - Filmmusik op. 97 (1955); 1963)

Literatur

  • Elizabeth Wilson: Shostakovich: A Life Remembered. Princeton University Press, Princeton 1995, ISBN 0691044651
  • Solomon Wolkow, Dmitri Schostakowitsch: Die Memoiren des Dmitri Schostakowitsch. List, 2003, ISBN 3-548-60335-1 (die Authentizität dieser Memoiren war zeitweise umstritten)
  • Roy Blokker, Robert Dearling: The Music of Dmitri Shostakovich. The Symphonies. The Tantivy Press, London 1979, ISBN 0-8386-1948-7
  • Heinz Alfred Brockhaus: Dmitri Schostakowitsch. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1962
  • Bernd Feuchtner: Und Kunst geknebelt von der groben Macht. Dmitri Schostakowitsch. Sendler, Frankfurt a.M. 1986, ISBN 3-88048-078-8
  • Detlef Goïovy: Schostakowitsch. Rowohlt, Reinbek 1983, ISBN 3-499-50320-4
  • Krzysztof Meyer: Schostakowitsch. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit. Lübbe, Bergisch Gladbach 1995, ISBN 3-7857-0772-X
  • Lothar Seehaus: Dmitri Schostakowitsch. Leben und Werk. Noetzel, Wilhelmshaven 1986, ISBN 3-7959-0409-9
  • Günter Wolter: Dmitri Schostakowitsch – Eine sowjetische Tragödie. Peter Lang, Frankfurt a.M. 1991, ISBN 3-631-43466-9
  • Solomon Wolkow: Stalin und Schostakowitsch. Propyläen, Berlin 2004, ISBN 3-549-072-11-2
  • Ivan Martynow: Dmitrij Schostakowitsch. Henschel, Berlin 1947
  • Michael Koball: Pathos und Groteske – Die Deutsche Tradition im symphonischen Schaffen von Dmitri Schostakowitsch. Kuhn, Berlin 1997, ISBN 3-928864-50-5 (Bezug über http://www.koball.de)

Trivia

Das ständig wiederholte Musikthema in Stanley Kubricks Film Eyes Wide Shut ist der 2. Walzer aus Schostakowitschs Suite für Varieté-Orchester Nr. 1 (auf vielen Aufnahmen auch fälschlich als Jazz-Suite Nr. 2 bezeichnet).

Commons: Dmitri Shostakovich – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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