Uran-Anreicherung
Unter dem Begriff Anreicherung fasst man physikalische und chemische Methoden zusammen, die den Anteil eines bestimmten Isotopes in einem Isotopengemisch erhöhen. Die Anreicherung findet vor allem im Zusammenhang mit Kernspaltung und Kernfusion Anwendung, also für Kernreaktoren und Kernwaffen.
Die chemischen Eigenschaften von Isotopen sind fast identisch, so dass bei der Anreicherung praktisch ausschließlich physikalische Methoden zum Einsatz kommen.
Diffusionsmethoden
Bei der Gasdiffusionsmethode lässt man gasförmiges UF6 durch eine poröse Membran diffundieren. Die treibende Kraft hierbei ist der Druckunterschied auf beiden Seiten der Membran. Moleküle, die 235U enthalten, sind leichter als die 238U-enthaltenden und diffundieren schneller. Bei einem Uranisotopengemisch enthält daher der Gasstrom, der durch die Poren in der Wand hindurch diffundiert ("Product"), einen geringfügig höheren Anteil des Isotops U-235 als der ursprüngliche Strom ("Feed"). Eine einzelne Trennstufe hat einen geringen Trennfaktor (Konzentrationsverhältnis des U-235 in Product und Tails) von maximal 1,004, aber einen hohen Materialdurchsatz. Für einen Anreicherungsgrad, der zum Betrieb von Leichtwasserreaktoren genügt, sind rund 1200 hintereinander geschaltete Stufen erforderlich, die zusammen eine so genannte "Kaskade" bilden. Der Energieverbrauch ist hoch und beträgt etwa 2300 – 2500 kWh pro kg Urantrennarbeit (UTA).
Anstelle des Druckunterschiedes kann auch ein Temperaturgefälle zur Isotopentrennung mittels Diffusion ausgenutzt werden. Bei der thermischen Diffusionsmethode (Thermodiffusion) wird ein Gas oder eine Flüssigkeit in einem engen Raumbereich zwischen zwei vertikalen Platten von einer dieser Platten erhitzt und von der anderen gekühlt. Moleküle, die das leichtere Isotop enthalten, diffundieren bevorzugt zur wärmeren Platte, die anderen zur kälteren Platte. Darüber hinaus bildet sich an der wärmeren Platte eine leichte aufwärtsgerichtete Konvektion, so dass sich im oberen Bereich der Zelle die Moleküle mit den leichteren Isotopen konzentrieren, und im unteren Bereich die schwerereren. Praktisch verwendet man statt Platten eher konzentrische Rohre (Trennrohr nach Clusius und Dickel).
siehe auch: Gasdiffusionsverfahren
Elektromagnetische Anreicherung
Wie in einem Massenspektrometer werden bei der elektromagnetischen Isotopen-Trennung Uranatome zunächst ionisiert, dann in einem elektrischen Feld beschleunigt und anschließend in einem magnetischen Feld nach der Massenzahl getrennt. Dieser Aufbau zur Isotopentrennung wird auch Calutron genannt.
Dieses Verfahren ist aber keine Anreicherung im Sinne der Definition, da man nur einzelne Atome gewinnt. Eine Anreicherung im Gramm- oder sogar Kilogramm-Bereich kann man aber nicht erzielen. Es wird daher hauptsächlich in der Forschung eingesetzt, da sich im Idealfall bereits ein gewonnenes Atom eines Isotops detektieren lässt.
Laser-Anreicherung
Die Laseranreicherung beruht auf der Isotopieverschiebung der Absorptionsspektren von Atomen und Molekülen. Sind die spektroskopischen Bedingungen geeignet, d. h. überlappen die Absorptionslinien der Isotope oder isotopen Verbindungen hinreichend wenig und steht außerdem ein Laser geeigneter Wellenlänge und Schmalbandigkeit zur Verfügung, so ist eine isotopenselektive Anregung möglich. Für die Trennung wird dann ausgenutzt, dass sich die angeregte Spezies von der nicht angeregten in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften wesentlich unterscheidet. Laserverfahren zeichnen sich durch eine hohe Selektivität aus.
Grundsätzlich lassen sich zwei Konzepte unterscheiden: die Photoionisation von Urandampf (atomares Verfahren; AVLIS) und die Photodissoziation von UF6 (molekulares Verfahren; MLIS). Theoretisch erlaubt das Laserverfahren eine Isotopentrennung in einem einzigen Schritt. Praktisch hängt die Zahl der erforderlichen Stufen davon ab, inwieweit sich die idealen Verhältnisse realisieren lassen.
Beim atomaren Verfahren werden die Atome eines Isotopengemisches selektiv ionisiert. Nach der Ionisation eines Isotops (235U) kann es leicht von den nicht ionisierten Atomen des anderen Isotops (238U) durch Beschleunigung in einem elektrischen Feld getrennt werden.
Beim molekularen Verfahren wird das 235U enthaltende Molekül zunächst durch einen ersten Laser angeregt, bevor durch einen zweiten Laser ein Fluor-Atom abgespalten wird. Das entstehende feste 235UF5 kann leicht aus dem Gas gefiltert werden.
Nach anfänglicher Euphorie über die Vorteile dieser Verfahren gegenüber herkömmlichen, etablierten Anreicherungsverfahren ist man inzwischen wieder skeptischer geworden hinsichtlich der industriellen Realisierbarkeit. Viele Forschungs- und Entwicklungsprogramme wurden bereits wieder eingestellt, da es sich zeigte, dass die technischen Probleme (Korrosion an den Apparaturen) so unüberwindbar sind, dass auch Hochtechnologie-Länder daran scheiterten.
Bedeutung der Anreicherung für den Bau von Kernwaffen
Anreicherung ist keine Voraussetzung für den Bau von Kernwaffen. Das in einem mit Natururan betriebenen Graphit- oder Schwerwasser(D2O)-moderierten Reaktor durch Neutroneneinfang von 238U gebildete Plutonium liegt in einem waffentauglichen Isotopengemisch vor, in dem das 239Pu erst durch die Wiederaufarbeitung weitgehend von ebenfalls entstehenden Zerfallsprodukten getrennt werden muss. Auch der Bau einer Anreicherungsanlage lässt sich kaum besser verheimlichen als der Bau eines Kernreaktors, der für eine 235U-Kernwaffe nicht erforderlich ist. Im August 2005 blickte die Weltöffentlichkeit z. B. auf den Iran und die umstrittene Wiederinbetriebnahme des Atomkomplexes in Isfahan.
Jedoch verlangt der Bau und der Betrieb einer Anreicherungsanlage ein wesentlich höheres technologisches Niveau als der Bau eines einfachen Kernreaktors. Kernreaktoren, die hauptsächlich das waffenfähige 239Pu erzeugen, besitzen ein sehr einfaches Design, eignen sich deswegen schlechter zur Stromerzeugung, sind unsicher und daher für jeden Fachmann klar als für diesen Zweck gebaut erkennbar. Das in einem solchen Reaktor gewonnene Plutonium kann dann auf rein chemischem Wege von den übrigen Spaltstoffen abgetrennt werden, siehe dazu auch Plutoniumbombe.
Siehe auch
- Abreicherung
- Deuterium (Die Anreicherung von Deuterium ist dort beschrieben.)
- Plutoniumbombe
Weblinks
- www.urananreicherung.de Technische Hintergründe