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I.G. Farben

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IG Farben ist die gebräuchliche Abkürzung von IG Farbenindustrie AG, dem ehemals größten deutschen Chemieunternehmen, das 1926 aus einer Vielzahl von Chemieunternehmen gebildet und 1946 durch Beschluss des Alliierten Kontrollrates aufgelöst wurde.

Die Interessen-Gemeinschaft wurde 1904 gegründet von

  • Agfa (Actiengesellschaft für Anilinfabrikation Berlin)
  • BASF (Badische Anilin- und Sodafabrik Ludwigshafen)
  • Bayer (Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. Elberfeld),

auch Dreibund genannt. Sie beschränkte sich zunächst auf Erfahrungsaustausch und Verzicht auf Konkurrenz in gemeinsamen Produkten. Das Vorbild dazu waren die Firmenzusammenschlüsse zu sogenannten Trusts in den USA, wie z.B. Standard Oil. Diese Trusts waren Zentralaktiengesellschaften, entstanden durch die Vereinigung mehrer Aktiengesellschaften, die zwar formell ihre Existenz behielten, tatsächlich jede Selbständigkeit aber verloren. Die Ausschaltung des Konkurrenzkampfes erlaubte eine Gewinnmaximierung und das einfachere Durchsetzen der eigenen Interessen.


Während des ersten Weltkriegs (1916) schlossen sich die Firmen

  • Cassella (Leopold Cassella & Co., GmbH, Frankfurt)
  • Chem. Fabrik Griesheim-Elektron, Frankfurt
  • Chem. Fabriken vorm. Weiler ter Meer, Uerdingen
  • Hoechst (Farbwerke vorm. Meister, Lucius u. Brüning, Höchst a. Main)
  • Kalle (Kalle & Co. AG, Wiesbaden-Biebrich)

zur erweiterten Interessengemeinschaft der deutschen Teerfarbenfabriken an. Die Firmen blieben jedoch rechtlich selbständig. Durch diese Kartellbildung konnten enorme Profite einerseits und schlagkräftige Kriegsführung andererseits gewährleistet werden. Die Herstellung von Giftgaskampfstoffen, aber auch die Ammoniaksynthese nach dem Haber-Bosch-Verfahren, als Grundstoff für den Sprengstoff, seien als wichtigste Produkte der I.G. zu dieser Zeit erwähnt.

Erst 1925/1926 wurde die IG Farbenindustrie AG in Frankfurt/Main gegründet, und zwar durch Namensänderung der Badischen Anilin- und Sodafabrik, die dann die anderen Firmen aufnahm. Carl Bosch von der BASF war erster Vorstandsvorsitzender, Carl Duisberg von Bayer erster Aufsichtsratsvorsitzender, in dem unter anderem auch Fritz Haber Mitglied war. Die Einzelfirmen waren nun nur noch Zweigniederlassungen der IG. Das Stammkapital betrug nach der Fusion 1926 rund 1,1 Milliarden Reichsmark, die Anzahl der Beschäftigten über 80.000. Der Konzern war führend in der Luftstickstoffindustrie sowie in der Erzeugung von Teerfarben, Sprengstoffen und Fasern. Der Hauptsitz der IG Farben in Frankfurt war zur damaligen Zeit eines der größten Bürogebäude Europas.

1926 begann in Leuna die Herstellung von synthetischem Benzin, nach dem Bergius-Verfahren aus Kohle hydriert. Es bestand die Gefahr, dass dies eine der größten Fehlinvestitionen werden würde, weil die Gestehungskosten immer höher waren als beim natürlichen Benzin. Mittelfristig war ohne Hilfe des Staates die Benzinsynthese nicht überlebensfähig. Deshalb suchte im Sommer 1932 der Direktor der Leuna-Werke Heinrich Bütefisch den Kontakt zu Adolf Hitler in München, um herauszufinden, ob das für den Weltmarkt zu teure synthetische Benzin der IG auch weiterhin durch Schutzzölle subventioniert würde. Hitler machte ihm klar, dass er deutschen Treibstoff für ein politisch unabhängiges Deutschland für zwingend notwendig erachtete. Dies waren nach Carl Bosch "vernünftige Ansichten", die 1932 mit der höchsten Einzelspende der deutschen Industrie in Höhe von 400.000 Reichsmark im Rahmen von Hitlers Wahlkampf unterstützt wurden. Das wurde schon 1933 mit einem Vertrag über Absatz- und Mindestpreisgarantie für 350.000 Tonnen synthetisches Benzin belohnt. 1935 wurde Hermann Schmitz Nachfolger von Carl Bosch als Vorstandsvorsitzender und 1940 Carl Krauch Nachfolger als Aufsichtsratsvorsitzender. Krauch hatte eine Doppelfunktion. Er machte nämlich auch in der Regierung Karriere und war zum Schluss Direktor der rüstungswirtschaftlichen Kommandozentrale und Bevollmächtigter für Sonderfragen der chemischen Produktion. Bis 1937 waren nahezu alle Direktoren der IG Mitglied der NSDAP. Die Aufsichtsratsmitglieder der IG nannten sich im internen Kreis "Der Rat der Götter". Das Riesenunternehmen IG Farben expandierte stark; ihm gehörten zu Spitzenzeiten in Deutschland 200 Werke, sowie etwa 400 deutsche und 500 ausländische Firmenbeteiligungen.

Mit der Stickstoffproduktion zur Herstellung von Munition, Buna synthetisches Gummi als Kautschukersatz, synthetischem Benzin aus Kohle und Magnesium unter der Bezeichnung Elektron waren so vor dem und im zweiten Weltkrieg bei entsprechenden Mengen- und Preisgarantien durch die Machthaber höchst profitable Geschäfte zu machen. Weitere bekannte Produkte von IG Farben waren u.a. der Kunststoff Perlon und das Nervengas Tabun. Von den 43 Hauptprodukten der IG waren 28 Produkte für die Wehrmacht. Die IG Farben war auch in die Planung der Invasion in Polen und der Tschechoslowakei mit einbezogen, sie übernahm eine Reihe von Chemiewerken in den besetzten Gebieten, wie die in jüdischem Besitz befindlichen österreichischen Skoda-Werke Wetzler. Der starke Bedarf an Rohstoffen zur Kriegsführung, wie Synthetikkautschuk und -benzin, führte 1941 zur Errichtung einer großen Bunaanlage in Auschwitz. Die Finanzierungskosten in Höhe von ca. 1 Mrd Reichsmark trug die IG Farben allein, um so Herr im eigenen Haus bleiben zu können. Für die Häftlinge, welche die Fabrik bauen mussten, wurde extra das Konzentrationslager Monowitz, Auschwitz III errichtet. In diesem war die IG für die Unterkunft und Verpflegung zuständig und die SS für die Bewachung und den Austausch des "Rohstoffes" Mensch. "I.G. Auschwitz" kostete über 25.000 Häftlingen das Leben. Auch im benachbarten Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau war die IG Farben aktiv. Ihre Tochtergesellschaft Degesch (Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung) lieferte das Zyklon B, das in den Gaskammern der Vernichtungslager eingesetzt wurde (siehe Degussa).

Aufgrund seiner intensiven Verstrickung mit Nazideutschland sollte der Konzern konfisziert und geschlossen werden. Die Alliierten gründeten dazu ein eigenes Kontrollorgan, die Alliierte IG-Farbenkontrolle. 1951 wurde beschlossen, den Betrieb weiterzuführen und aus der IG Farben deren ursprünglichen Bestandteile wieder auszuscheiden. Als offizielle Nachfolgeunternehmen wurden im Juni 1952 benannt: Agfa, BASF, Cassella, Huels (Chemische Werke Hüls AG, Marl), Bayer, Hoechst AG, Duisburger Kupferhütte AG, Kalle, Wacker-Chemie München, Dynamit AG Troisdorf, Wasag Chemie AG. Neben der Spaltung wurde die Benutzung der mit "Ig-" beginnenden Markennamen untersagt, und so wurde zum Beispiel Igepon in Hostapon umbenannt.

In den Nürnberger Prozessen wurden mehrere Verantwortliche zu Gefängnisstrafen verurteilt, u. a. Hermann Schmitz wegen "Plünderung" zu vier Jahren, Carl Krauch und Heinrich Buetefisch, Direktor der IG Ausschwitz, jeweils wegen "Versklavung" zu sechs Jahren Haft.

Nach Aufkäufen der kleineren Unternehmen in den Folgejahren bestehen heute nur noch Agfa, Bayer und BASF. Die Hoechst AG besteht seit dem Zusammenschluss mit Rhône Poulenc zur Firma Aventis 1999 nur noch als deutsche Zwischenholding. Am 1. Januar 1952 trat die IG in Liquidation und nannte sich IG Farbenindustrie AG i.L.. Durch das Liquidationsschlussgesetz vom 21. Januar 1955 wurde die IG Farben aus der Kontrolle der Alliierten genommen. Nach der folgenden Hauptversammlung am 27. Mai 1955 befindet sich die IG Farben bis heute in Abwicklung (IG Farbenindustrie AG i. A.). Ihre einzige Aufgabe ist es, alte Ansprüche zu verwalten und die rechtliche Verantwortung zu übernehmen. Das Weiterbestehen der IG Farben erlaubt auch den daraus hervorgegangenen Chemieunternehmen, die Verantwortung für die während der Zeit des Dritten Reiches begangenen Verbrechen weitgehend auszuklammern und dazu auf die IG Farbenindustrie AG i. L. zu verweisen. Am 10. November 2003 meldeten die Liquidatoren der IG Farben Insolvenz an. Grund sind finanzielle Schwierigkeiten der Beteiligungsgesellschaft WCM, womit auch die Liquidität der IG Farben nicht mehr hinreichend gesichert sei.

Literatur

Köhler, Otto: ... und heute die ganze Welt. Die Geschichte der IG Farben und ihrer Väter Hamburg-Zürich: Rasch und Röhring Verlag 1986. ISBN 3-89136-081-9.

Die IG Farben spielt eine große Rolle in der Novelle Gravity's Rainbow von Thomas Pynchon. (deutsch Die Enden der Parabel)

Pynchon, Thomas: Gravity's Rainbow. London (unter anderem): Vintage 1995. ISBN 0-09-953321-9.
Pynchon, Thomas: Die Enden der Parabel. Reinbek: Rowohlt 1998. ISBN 3-49-809332-0.