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Hohlwellenantrieb

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Hohlwellenantrieb von Westinghouse
Hohlwelle mit Keilpaketkupplung eines Stadler KISS

Ein Hohlwellen-Antrieb ist eine Komponente von elektrisch angetriebenen Triebfahrzeugen, vor allem der Eisenbahn und anderer Bahnen. Den Hohlwellenantrieb findet man auch bei anderen elektrischen Antrieben, z. B. bei CNC-Maschinen.

Wirkprinzip

Die Kraftübertragung erfolgt vom Antriebsmotor zunächst über ein Ritzel auf eine Hohlwelle, die die Radsatz-Welle umgibt. An einem Ende der Hohlwelle ist ein Großrad-Zahnrad aufgebracht, an dem wiederum umlaufend Federelemente befestigt sind, die ihrerseits auf der Gegenseite mit dem Radkörper verbunden sind. Das gegenüberliegende Rad wird durch die in der Hohlwelle liegende Radsatzwelle ebenfalls angetrieben. Damit werden Drehmomentspitzen im gesamten Antriebszug vom Fahrmotor bis zu den Antriebsrädern abgebaut.

Vergleich mit dem Tatzlager-Antrieb

Der Hohlwellenantrieb findet wegen des höheren Fertigungsaufwandes meist eher bei schnellfahrenden Lokomotiven und Triebwagen Anwendung (Geschwindigkeiten oberhalb von etwa 140 km/h). Die einfachere Alternative zu Hohlwellenantrieben ist der Tatzlager-Antrieb.

Die Deutsche Bundesbahn verwendete Hohlwellenantriebe seit der Einheitselektrolokomotive für alle von ihr gebauten Elloks, da der Tatzlager-Antrieb durch die hohen ungefederten Massen den Fahrweg über Gebühr abnutzt. Mit der Trennung in DB Netze AG und verschiedene unabhängige Betriebsgesellschaften gibt es diese gemeinsame Verantwortung nicht mehr, so dass bei der Deutsche Bahn AG wieder Lokomotiven mit Tatzlager-Antrieb beschafft werden.

Aus diesem Grunde verlangt die schweizerische Staatsbahn SBB seit 2017 verschleißabhängige Trassengebühren, die Triebfahrzeuge mit Tatzlager-Antrieben in die höchste Stufe einstufen.[1]

Antriebsvarianten

Westinghouse-Federantrieb

Datei:B&M 2503.png
B&H-Wechselstromlok 2503, 1360 PS, Achsfolge (1'Bo)(Bo1'), Baujahr 1910

Der Westinghouse-Federantrieb ist die älteste Bauform eines Hohlwellenantriebes mit Federkupplung.[2]

Er wurde von der Firma Westinghouse in den Jahren bis 1912 für die New York, New Haven and Hartford Railroad als Konkurrenzprodukt zu den Gummipuffer-Kraftübertragungen von General Electric entwickelt.[3]

Angewendet wurde er Beispielsweise in den USA bei den Lokomotiven der Boston and Maine Railroad aus den Jahren 1910 die ursprünglich mit 2500 bis 2005 nummeriert waren und bei der bekannten Klasse GG1 der Pennsylvania Railroad aus den Jahren 1935 bis 1943. Die in Genf ansässige Sécheron, fertigten den Westinghouse-Antrieb in Lizenz und entwickelten diesen weiter zum Sécheron-Federantrieb.

Sécheron-Federantrieb

ÖBB 1245 511-9 im Bahnhof Selzthal 1994
Sécheron-Federantrieb

Die Schweizerische Société Anonyme des Ateliers de Sécheron in Genf, umgangssprachlich als Sécheron bezeichnet, abgekürzt SAAS, entwickelte den Westinghouse-Antrieb weiter zum Sécheron-Federantrieb. Sécheron ersetzte die sechs einzelnen Wickelfedern, die Evolutfedern, pro Rad des Westinghouse-Antriebs durch drei Doppelfederelemente. Die Kupplungsfedern wurden so weniger hoch beansprucht und der Raum für die Federn besser ausgenützt. Dadurch waren kleinere Raddurchmesser als beim Westinghouse-Antrieb möglich und damit auch der Weg frei für den Einsatz in Drehgestellen von Triebwagen.

Der Sécheron-Federantrieb zeichnet sich durch niedrige Unterhaltskosten aus, insbesondere seitdem es möglich ist, gebrochene Antriebsfedern zusammenzuschweißen.[4]

Die ersten Sécheron-Federantriebe kamen bei den Rahmenlokomotive Be 4/7 im Jahre 1921 der Schweizerischen Bundesbahnen erstmals zum Einsatz. Sie war ursprünglich für den Schnellzugdienst auf der Gotthard Bergstrecke bestimmt. Auch die Rahmenlokomotiven Ae 3/5 und Ae 3/6 III der Schweizerischen Bundesbahnen besitzen diesen Antrieb. Ein Höhepunkt der Verwendung ist die ab dem Jahre 1926 gebaute Rahmenlokomotive Be 6/8, der späteren Ae 6/8, der BLS.

Durch die Möglichkeit der Verwendung des Sécheron-Federantrieb bei kleineren Raddurchmesser erhielten auch laufachslosen Drehgestelllokomotiven einen entsprechenden Antrieb. In Österreich Beispielsweise bei den späteren Baureihen 1045, 1145 und 1245 sowie 1040 der Österreichischen Bundesbahnen. In der Schweiz Beispielsweise bei den im Jahre 1999 erstmals an Bodensee–Toggenburg-Bahn gelieferte Be 4/4 oder die erstmals an die Emmentalbahn gelieferten gemischten Personen- Gepäcktriebwagen mit der ursprünglichen Bezeichnung CFe 4/4.[5]

Beim Westinghouse- und Sécheron-Federantrieb werden die fest eingespannten Federn bei höheren Geschwindigkeiten beachtlich auf Biegung beansprucht. Diesen Nachteil vermeidet Beispielsweise der nachfolgend beschriebene AEG-Kleinow-Federtopf-Antrieb.

Federtopf-Antrieb

Eine frühe Weiterentwicklung des Westinghouse-Antriebs war der Federtopf-Antrieb (z. B. der „AEG-Kleinow-Federtopf-Antrieb“), mit denen die Deutsche Reichsbahn nach einigen Prototypen die serienmäßig beschafften Baureihen E 04 (ab 1933), E 17 (ab 1928), E 18 (ab 1935) und E 19 (ab 1938) ausrüstete.

Federtopfantrieb der Maschinenfabrik Oerlikon (MFO)

Für diesen Antrieb sind auf der Hohlwelle in der Regel sechs abstehende Speichen angebracht, deren Enden wie Ausleger zwischen den Radspeichen nach außen durchgeführt werden. Außen an den Radspeichen befinden sich in topfförmigen Fassungen gelagerte Schraubenfedern, die jeweils mit den Hohlwellen-Speichenenden gelenkig verbunden sind. Speichenstern und Radspeichen stehen entsprechend um 30° versetzt zueinander. Mit dieser Anordnung wurde die Motordrehung auf die Räder übertragen, wobei sowohl das ruckartig auftretende Motor-Drehmoment beim Einschalten zum Anfahren bzw. einem Schaltstufenwechsel während der Fahrt gegenüber dem Radkörper als auch umgekehrt fahrtbedingte Stöße des Radkörpers gegenüber dem Motor abgedämpft wurden.

Die Stahlfedern zeigten sich nach längerer Betriebszeit sehr anfällig gegen Federbrüche und wurden zunehmend durch modernere Gummiringfedern ersetzt. Mit dieser Maßnahme konnte bei den deutschen Elektrolokomotiv-Typen E 18 und E 19 die in der Nachkriegszeit auf 120 km/h herabgesetzte Höchstgeschwindigkeit wieder auf 140 km/h gesteigert werden.

Gummiringfederantrieb

Eine Weiterentwicklung des Federtopfantriebs stellt der Gummiringfederantrieb dar. Der Fahrmotor wird gefedert und über den Drehgestellrahmen und die Hohlwelle des Treibradsatzes abgestützt. Diese Antriebsart macht auch Anfahren unter schwerer Last besser möglich. Allerdings ist die Federwirkung nur bis zu einer Geschwindigkeit von bis zu etwa 160 km/h zuverlässig, darüber hinaus drohen Federbrüche. Der Gummiringfederantrieb kam in Deutschland erstmals bei der Deutschen Bundesbahn ab 1956 in der Gruppe der Einheits-Elektrolokomotiven mit den Baureihen E10, E40, E41 und E50 (2. Los) zur Anwendung. Verwendung findet dieser Antrieb weiterhin in den Baureihen 111 und 151.

Die Kraftübertragung vom Fahrmotor auf das Rad erfolgt zunächst über ein Zahnrad auf eine Hohlwelle, die die Radsatz-Achse umgibt. An beiden Enden der Hohlwelle sind mehrere Hartgummi-Elemente, so genannte Gummiring-Feder-Segmente (auch Gummisegment-Federn genannt) angebracht. Diese sind radsatzinnenseitig kreisförmig jeweils an der Radscheibe befestigt. Fallweise greifen diese Gummi-Elemente auch durch Radspeichen hindurch und werden an diesen befestigt. Damit ergibt sich eine elastische und durch die innere Reibung der Gummi-Elemente Torsionsschwingungen dämpfende Drehmomentübertragung, bei der auch der Fahrmotor gegen Stöße beim Überfahren von Gleis-Unebenheiten besser geschützt ist.

Gelenkmechanismus mit „Tanzendem Ring“

Ende der 1920er Jahre entwickelte Alstom einen Antrieb mit gefedertem Zahnrad, Hohlwelle, Anneau dansant (französisch für „Tanzender Ring“) und Gelenkhebel. Die Übertragung der Kraft von der Hohlwelle auf den Radsatz geschieht außerhalb des Radsatzes über einen flanschförmigen Ring, der mit der Hohlwelle durch Zapfen verbunden ist, die durch Löcher in der Radscheibe geführt sind. Der Ring ist an der Radaußenseite mit Hebeln, die an Zapfen in der Radscheibe angreifen, elastisch verbunden. Durch diese Form wird der Höhenausgleich und ein weiches Anfahren ohne Überbeanspruchung der elektrischen Motoren realisiert.

Die Ausführung der Hebel ist je nach Bauart leicht unterschiedlich. Beim Antrieb von Alstom ist der Ring mit vier geraden Hebeln mit der Radscheibe verbunden,[6][7] bei der in Italien verwendet Ausführung sind nur zwei rechtwinklig angeordnete Hebelsysteme vorhanden.[8]

Eine frühe Version dieses Antriebes wurde in einem Drehgestell der PLM 242 AE 1 eingesetzt, ist aber auch bei der SNCF CC 7100 zu finden. Die Antriebsvariante wurde in Italien bei der E 434.068 erstmals angewandt und danach bei den Baureihen FS E.646 und FS E.444 verbaut.

Kardan-Gummiringfederantrieb

Beim Kardan-Gummiringfederantrieb sind die Fahrmotoren direkt in das Drehgestell eingebaut, um die ungefederten Massen klein zu halten. Dadurch werden die starken Fahrbahnstöße bei hohen Geschwindigkeiten gedämpft und die Bewegungen zwischen dem Radsatz und dem Fahrmotor ausgeglichen. Ein bekannter Vertreter dieses Antriebs ist die Baureihe 103.

BBC-Kardanantrieb

Der BBC-Kardanantrieb ist die Weiterentwicklung des Kardan-Gummiringfederantriebes. Für die Entwicklung der DB-Baureihe 120 waren dank des gleichmäßigen Drehmomentes der Drehstrom-Asynchronfahrmotoren die außen auf den Radscheiben montierten Gummiringfedern nicht mehr notwendig. Es blieb lediglich ein Antrieb über die Hohlwelle und die auf der Radinnenseite montierten in Gummi kugelig gelagerten Lenker. Auch die Ausstattung der Räder als Monobloc-Räder gelang. Versuche wurden vorher auf dem Prüffeld und mit der Henschel-BBC DE 2500 gefahren.[9] Bei der DB-Baureihe 120 gelang es zum ersten Mal, eine Leistung pro Radsatz von 1,4 MW zu erreichen. Grundlage dafür war die höhere Drehzahl der Drehstrom-Asynchronmaschine im Vergleich zu dem Einphasen-Reihenschlussmotor mit Kommutator. Daraufhin war es möglich, eine vierachsige Lokomotive mit einer Gesamtmasse von 84 t mit 6 MW Leistung zu bauen.

Der BBC-Kardanantrieb ist die Grundlage für die Antriebe der folgenden BR 101 und ICE 1.

Kegelringfeder-Antrieb

Für die Deutsche Reichsbahn entwickelten in der DDR die Lokomotivbau Elektrotechnische Werke (LEW) ihre eigene Variante des Hohlwellenantriebs. Auf jede Achse wirkt ein elektrischer Fahrmotor, der vollkommen abgefedert ist. Beidseitig angeordnete Getriebe in Verbindung mit Gummi-Kegelringfedern ermöglichen eine elastische Drehmomentübertragung. Die Antriebe werden bei den Baureihen 112, 114, 143, 155 und 156 verwendet.

Sécheron-Kardan-Lamellenantrieb

Eine Sonderform stellt der Lamellen-Federantrieb dar, ebenfalls eine Entwicklung der Firma Sécheron. Er besteht aus einer Ankerhohlwelle, welche beiderseits über Mitnehmer mit einer Torsionsachse verbunden ist. Diese Torsionsachse treibt ein Achsvorgelege an, der Antrieb ist also eine Mischform aus Hohlwellen- und Tatzlager-Antrieb. Die Mitnehmer, von denen zwei jeweils kreuzweise versetzt angeordnet sind, sind mit den namensgebenden Lamellen, Bündeln dünner Blechstreifen, verbunden und übernehmen so die Abfederung und Drehmomentübertragung des Motors, ähnlich einer Keilpaketkupplung. Eingesetzt wurde dieser Antrieb etwa bei Düwag-Wagen der Vestischen Straßenbahn und bei Triebwagen der ÖBB-Reihen 4030 und 1046.

Andere Antriebe

Einzelnachweise

  1. Basispreis Verschleiss im Trassenpreis 2017. Abgerufen am 3. Juli 2018.
  2. Lexikon der Eisenbahn. Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin, 1978, Seite 829
  3. Hans-Peter Bärtschi: Elektrolokomotiven aus Schweizer Fabriken. In: Verkehrshaus der Schweiz (Hrsg.): Kohle, Strom und Schienen: Die Eisenbahn erobert die Schweiz. Verlag NZZ, Zürich 1998, ISBN 3-85823-715-9, Seite 274
  4. Karl Sachs: Die schweizerische Entwicklung im Bau elektrischer Lokomotiven für Adhäsionsbetrieb . Schweizerische Bauzeitung, Band 73 (1955), Heft 42, Seite 641. (E-Periodica)
  5. Verein Historische Eisenbahn Emmental, Datenblatt BDe 4/4 240 (PDF; 1,6 MB)
  6. Wolfgang Messerschmidt „Lokomotivtechnik im Bild“,1991, Motorbuchverlag Stuttgart, ISBN 3-613-01384-3, Seite 79
  7. Transmission á anneau dansant. Larousse, abgerufen am 29. Mai 2016 (französisch, Informationsgrafik).
  8. Ingegneria ferroviaria - La corsa prova della E.444. In: www.miol.it. Abgerufen am 28. Mai 2016 (Fig. 8 zeigt die Anordnung des Antriebes).
  9. Messerschmidt Lokomotivtechnik im Bild, Motorbuchverlag Stuttgart, 1991, ISBN 3-613-01384-3, Seite 86

Literatur

  • Bäzold, Obermeyer: Die Baureihen E 04 und E 17 und die Versuchslokomotiven E 05, E 05.1, E 15, E 16.5, E 21 und E 21.5. Eisenbahn-Journal IV/1993.
  • Bäzold, Obermeyer: Die E 18 und E 19. Eisenbahn-Journal IV/1992.
  • K. Sachs: Zur Entwicklung elektrischer Lokomotiven und Triebwagen in der Schweiz . Schweizerische Bauzeitung, Band 65 (1947), Heft 26, Seite 362–363, Bild Seite 361 (E-Periodica). mit Bild des Sécheron-Federantriebs
  • Wolfgang Messerschmidt: Lokomotiv-Technik im Bild. Dampf-, Diesel- und Elektrolokomotiven. Motorbuch, Stuttgart 1991, ISBN 3-613-01384-3, S. 52−54.