Staat
Ein Staat (neuzeitliche Ableitung von lateinisch status – Zustand, Stellung bzw. italienisch stato in Anlehnung sowohl an status im republikanischen Sinne Verfassungsform als auch an das monarchische status regalis, also Stellung, Macht und Einfluss des königlichen Herrschers bzw. später dessen Umfelds, des Hofstaats) im Sinne von Staatsgebiet ist ein abgegrenztes Territorium, in welchem ein Teil der Menschheit als Staatsbürger lebt.
Als Staat im Sinne von Staatsapparat wird auch der Teil der Gesellschaft bezeichnet, der für die Schaffung von Recht und Ordnung in der Gesellschaft zuständig ist. In diesem Sinne kann der Staat auch als die Gesamtheit der Vorkehrungen definiert werden, die in ihrem Geltungsbereich das öffentliche Geschehen zu regeln haben.
Der Begriff stammt u.a. aus dem Italienischen der Renaissanceperiode (lo stato) und bezeichnet ursprünglich entweder die Form der politischen Verfasstheit einer Kommune (Republik) oder den zur Herrschaft gelangten König oder Fürsten, später diesen samt seinem Anhang (Hofstaat, französisch état).
Wissenschaft
Max Weber definiert in seiner Herrschaftssoziologie Staat als einen solchen politischen Anstaltsbetrieb, dessen Verwaltungsstab erfolgreich das Monopol legitimen physischen Zwanges (also das Gewaltmonopol) für die Durchführung der Ordnungen in Anspruch nimmt (Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Kap. 1, § 17).
Der soziologischen Staatsidee Franz Oppenheimers folgend ist der Staat seinem Wesen und Ursprung nach eine gesellschaftliche Einrichtung, "die von einer siegreichen Menschengruppe einer besiegten Menschengruppe aufgezwungen wurde mit dem einzigen Zwecke, die Herrschaft der ersten über die letzte zu regeln und gegen innere Aufstände und äußere Angriffe zu sichern." [1]
In der Ökonomie wird der Staat oftmals als Summe aller Zwangsverbände betrachtet.
Zur Unterscheidung oder Kongruenz von Staat und Gesellschaft siehe Staat und Gesellschaft.
Merkmale
Gemäß der Konvention von Montevideo hat ein Staat folgende Eigenschaften aufzuweisen:
- eine mehr oder weniger stabile Kernbevölkerung (Staatsvolk)
- einen klar abgegrenzten oder definierten Landbesitz (Staatsgebiet, Territorium)
- eine Regierung, die eine Staatsgewalt ausüben kann
- die Fähigkeit, mit anderen Staaten in politischen Kontakt zu treten, d. h., ein Völkerrechtssubjekt zu sein.
Die klassische Staatsrechtslehre nennt nur die ersten drei Merkmale (Drei-Elemente-Lehre Jellineks).
Es kann davon ausgegangen werden, dass sich bei Erfüllung der ersten drei Kriterien der Völkerrechtssubjekt-Status mehr oder weniger automatisch ergibt.
Theoretisch ist die als Völkergewohnheitsrecht ansehbare Konvention von Montevideo nur eine Soll-Bestimmung, da Staatlichkeit nicht zwingend an Territorium gebunden sein muss, wie das nur noch auf dem Papier existierende Somalia oder der "Souveräne Malteserorden" sowie die besetzte Westsahara zeigen. Wer jedoch einen Sitz in der UNO-Vollversammlung anstrebt, hat zum Aufnahmezeitpunkt mindestens die 4 Kriterien der Konvention von Montevideo zu erfüllen, damit der Aufnahmeantrag überhaupt eine Chance hat.
Für die Aufnahme in die als "alternative UNO" bekannte UNPO wird eigentlich nur die Existenz einer Bevölkerung vorausgesetzt. Allerdings ist die UNPO lediglich eine Nichtregierungsorganisation ohne jeden völkerrechtlichen Status. Eine UNPO-Mitgliedschaft hat somit ausschließlich symbolischen Wert aber kein politisches Gewicht.
Grenzfälle
In diesem Sinne sind die Glieder eines Bundesstaates, wie die deutschen Länder auch "Staaten" (übrigens auch beschränkt Völkerrechtssubjekte, da sie auf Grund ihrer "Kulturhoheit" z. B. mit dem Heiligen Stuhl unabhängig von der Bundesrepublik Deutschland Konkordate abschließen können). Der klassische Ausnahmefall eines Staates ohne Staatsgebiet ist - seit der Annexion Maltas durch Napoleon I. - der "Souveräne Malteserorden".
Die Souveränität ist kein definierendes Merkmal des Staates. Staaten können rechtlich auch dann fortbestehen, wenn sie unter Besatzung stehen (okkupiert sind); oder (in der älteren Staatsrechtslehre), wenn sie nur "souverän" sind (z. B. Samos im Osmanischen Reich). Jedoch muss faktisch eine Teilsouveränität gegeben sein.
Wie denn überhaupt das Völkerrecht mangels einer Welt-Legislative von Entscheidungen von Fall zu Fall abhängt (case law) und mithin ein sehr nachgiebiges Recht ist, wenn Völkerrechtssubjekte "Fakten setzen".
Völkerrechtliche Anerkennung
Ein Staat bedarf zu seiner Gründung keiner juristischen Legitimation (er wird 'ausgerufen', vgl. den Rütli-Schwur bei der Begründung der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Mittelalter - die neuzeitliche Schweizerische Konföderation besteht aber durchaus aus einzelnen Staaten, den Kantonen). International hat es sich eingebürgert, einen Staat anzuerkennen, sobald mehrere andere Staaten seine Existenz anerkannt haben.
Einige Gebiete wie Nordzypern auf Zypern, Somaliland oder Taiwan, die zwar alle Merkmale eines Staates aufweisen, wurden dennoch, meist aus politischen Gründen, nicht von den UN-Mitgliedern allgemein anerkannt; solche (souveräne und unabhängige) umstrittene Staaten bezeichnen die UN sowie deren Mitglieder und die Völkerrechtswissenschaft Stabilisierte De-Facto-Regime. Da laut UN-Charta die UN normalerweise nicht berechtigt ist, sich in innerstaatliche Angelegenheiten eines ihrer Mitglieder einzumischen, würde die Charta verletzt, wenn sie z. B. das vom UN-Mitglied Somalia losgelöste Somaliland als Staat ansähe, wenn nicht vorher Somalia dem zugestimmt hat.
Die Konvention von Montevideo regt häufig zu Diskussionen an, ob es möglich ist, durch Kauf einer staatenlosen Insel oder Bohrinsel quasi eine Mikronation oder einen Mikrostaat zu gründen. Die Anerkennung durch andere mächtige Staaten (insbesondere UN-Mitgliedern) stellt das Hauptproblem solcher Vorhaben dar. Die Existenz von Fällen wie Hutt River Province, Sealand und Seborga belegt zwar die theoretische Möglichkeit hierzu, jedoch ist der außenpolitische Handlungsspielraum meist ziemlich eingeschränkt (aufgrund weitverbreiteter Nicht-Anerkennung sowie des finanziellen Aufwands hierfür).
Ursache, Entstehung, Entwicklung und Zerfall von Staaten
Sezession und Dismembration

Staaten können heute vor allem auf vier Arten entstehen. So kann aus einem Staat A durch Sezession eines Teils von ihm ein neuer Staat B entstehn, oder es entstehen durch Dismembration eines Staates A zwei neue Staaten X und Y. Umgekehrt kann auch ein Staat B in einen bestehenden Staat A inkorporiert werden oder durch Fusion zweier Staaten X und Y ein neuer Staat A entstehen.
Beurteilung der Staatennachfolge im Völkerrecht
Die Frage der Staatennachfolge wurde von Völkerrechtlern überwiegend nach Völkergewohnheitsrecht beurteilt. Zwar wurden die die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge vom 23. August 1978 sowie die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Vermögen, Archive und Schulden von Staaten vom 8. April 1983 abgeschlossen, doch sind diese völkerrechtlichen Verträge nur für die Vertragsparteien bindend.
Anzahl
Insgesamt gibt es 192 vollständig (von der UNO) anerkannte souveräne Staaten. Darunter fallen die 191 Mitglieder der UNO sowie die Vatikanstadt. Weitere Staaten sind nur von einer Minderheit der weltweiten Staaten anerkannt, dies sind u. a. Taiwan (offiziell Republik China), Somaliland, Westsahara (DARS), die Cookinseln und Niue.
Literatur
- Michail Bakunin, Gott und der Staat, Berlin: Karin Kramer 1995
- Karl Held (Hrsg.): Der bürgerliche Staat. Die Staatsableitung. München, 1999. 138 Seiten ISBN 3-929211-03-3
- Stefan Breuer: Der Staat. Entstehung, Typen und Organisationsstadien, Reinbek b. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1998.
- Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, Sonderausgabe, München: C.H. Beck 2002
- Franz Oppenheimer: Der Staat, 3. überarbeitete Auflage von 1929
- Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen, Neuausg. 1963 mit einer neuen Einleitung.